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Tausend und eine Nacht. Band IX
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Der moslemische Held und die Christin.

Ferner erzählt man, daß der Fürst der Gläubigen Omar, der Sohn des El-Chattâb, – Gott hab' ihn selig! – einst ein moslemisches Heer ausrüstete, um mit dem Feind vor Damaskus zu streiten und auf diesem Kriegszuge eine der Burgen belagerte und schwer bedrängte. Unter den Moslems 36 befanden sich aber zwei Brüder, die Gott mit Ungestüm und Kühnheit wider den Feind ausgerüstet hatte, so daß der Emir der Burg zu seinen Fürsten und Degen sagte: »Wenn nur diese beiden Moslems mit List gefangen oder erschlagen würden, so würde ich euch schon für die andern Moslems einstehen.« Infolgedessen legten sie ihnen unaufhörlich Fallen und Hinterhalte, bis daß sie den einen gefangen genommen und den andern als Märtyrer für den Glauben erschlagen hatten, worauf sie den gefangenen Moslem vor den Emir jener Burg führten. Als aber der Emir den Moslem anschaute, sagte er: »Wollte ich ihn töten, so wäre es ein Unglück, und wollte ich ihn zu den Moslems zurückschicken, so wäre es eine Thorheit.

Vierhundertundfünfundsiebzigste Nacht.

Ach wie gern sähe ich's, daß er den nazarenischen Glauben annähme und uns so ein Helfer und Mitstreiter würde!« Da sagte einer seiner Bitrîken: »O Emir, ich will ihn verführen seinen Glauben aufzugeben, und zwar in folgender Weise: Die Araber haben eine Leidenschaft für die Frauen, und ich habe eine anmutige und in allen Reizen vollkommene Tochter; so er dieselbe sieht, wird er durch sie verführt werden.« Und der Emir versetzte: »Er sei dir anvertraut.« Da nahm er ihn in sein Haus und kleidete das Mädchen in solche Kleider, die ihre Anmut noch mehr erhöhten, worauf er ihm das Essen vorsetzte und das Mädchen wie eine ihrem Herrn aufwartende Dienerin, die seines Befehles gewärtig ist, vor ihm stehen ließ. Als nun der Moslem die Versuchung, die über ihn gekommen war, sah, nahm er seine Zuflucht zu Gott, dem Erhabenen, schloß seine Augen und gab sich der Anbetung seines Herrn hin, indem er den Koran recitierte. Da er aber eine schöne Stimme und einen melodischen in die Seele dringenden Vortrag hatte, faßte das nazarenische Mädchen eine innige Liebe für ihn und entbrannte in heftiger Leidenschaft zu ihm. Dies dauerte sieben 37 Tage lang, bis sie sprach: »Ach möchte er mich doch in den Glauben des Islams aufnehmen!« Und da ihr schließlich die Geduld ausging und ihr die Brust beklommen ward, warf sie sich vor ihm nieder und sprach: »Ich beschwöre dich bei deinem Glauben, daß du auf meine Worte hörst.« Da fragte er sie: »Was sind deine Worte?« Und sie erwiderte: »Setz' mir den Islam auseinander.« Da erklärte er ihr den Islam und lehrte sie beten, worauf sie das Bekenntnis ablegte und zu ihm sagte: »O mein Bruder, ich habe nur aus Verlangen nach dir den Islam angenommen.« Er erwiderte jedoch: »Der Islam erlaubt nur die Ehe unter Hinzuziehung von zwei rechtschaffenen Zeugen und einem Vormund und verpflichtet außerdem zu einer Brautgabe; ich aber finde weder die beiden Zeugen noch den Vormund und die Brautgabe; könntest du jedoch Mittel und Wege ausfindig machen, daß wir diesen Ort verlassen, so hoffe ich sicherlich ins Land des Islams zu gelangen und schwöre dir zu, kein anderes Weib als dich im Islam zu nehmen.« Da entgegnete sie: »Ich will dies zuwege bringen.« Hierauf rief sie ihren Vater und ihre Mutter und sagte zu ihnen: »Das Herz dieses Moslems hat sich besänftigt, und er verlangt nach unserm Glauben, weshalb ich mich ihm hingeben möchte; doch sagt er, dies schicke sich nicht für ihn in der Stadt, in welcher sein Bruder den Tod gefunden hätte. Könnte ich daher nur aus der Stadt heraus, so würde mein Herz getröstet, und ich könnte thun, was von mir verlangt wird. Es kann ja auch nichts schaden, daß ihr mich mit ihm nach einer andern Stadt ziehen lasset, und ich will mich bei euch und dem König für alles, was ihr von ihm verlangt, verbürgen.« Da begab sich ihr Vater zum Emir und teilte es ihm mit, worauf derselbe hocherfreut beide nach einem Dorf, das sie nannte, zu geleiten befahl. Als sie im Dorf angelangt waren, blieben sie daselbst den Tag über; als aber die Nacht dunkelte, machten sie sich wieder auf den Weg. 38

Vierhundertundsechsundsiebzigste Nacht.

Der junge Moslem setzte sich aufs Pferd und nahm sie hinter sich, und so ritten sie die ganze Nacht hindurch über Land, bis der Morgen anbrach; alsdann lenkte er vom Wege ab und ließ sie absteigen, worauf sie die Waschung verrichteten und beteten. Mitten im Gebet aber vernahmen sie plötzlich das Klirren und Klingen von Waffen und Zügeln und hörten Stimmen von Streitern und Hufgestampf, und der Moslem rief: »Die Nazarener sind hinter uns her und haben uns gleich eingeholt; was soll nun geschehen, wo das Pferd so ermattet und erschöpft ist, daß es keinen Schritt mehr thun kann?« Da sagte sie: »Wehe dir, bist du denn verzagt und fürchtest du dich?« Er erwiderte: »Jawohl.« Nun sagte sie: »Wo ist denn die Allmacht deines Herrn, von der du mir erzähltest, und wo seine Hilfe für die Hilfeflehenden? Komm', wir wollen uns vor ihm demütigen und zu ihm beten, daß er uns mit seiner Hilfe beisteht und uns – Preis Ihm, dem Erhabenen! – mit seiner Huld naht.« Da versetzte er: »Bei Gott, du hast recht.« Alsdann begannen sie sich vor Gott im Gebet zu demütigen, und er sprach die Verse:

»Siehe, zu allen Stunden bedarf ich dein,
Ob auch Diadem und Krone auf meinem Scheitel blinkten.
Du bist mein größter Wunsch, und gewönne meine Hand,
Was sie begehrte, so bliebe kein Wunsch mir unerfüllt.
Nichts ist bei dir, das du verwehrst,
Nein, deine Huld ergießt sich wie Regenschauer.
Meine Sünde schließt mich von ihr wohl aus,
Doch das Licht deiner Gnade, Allgütiger, lodert hell.
O du Sorgenzerstreuer, tröste mich in meiner Not,
Wer kann wie du in solcher Sorge Trost spenden!«

Während er aber betete, und das Mädchen das Amen sprach, und das Gestampf der Rossehufe näher kam, vernahm der Ritter mit einem Male die Stimme seines als Märtyrer gefallenen Bruders und hörte, wie er ihm die Worte 39 entgegen rief: »O mein Bruder, fürchte dich nicht und bekümmere dich nicht! die Schar, die du schaust, ist die Schar Gottes und seiner Engel, die er zu euch als Zeugen zu eurer Vermählung entsandt hat; siehe, Gottes, des Erhabenen, Engel lobpreisen euch, und Gott hat euch den Lohn der Glückseligen und der Märtyrer verliehen und hat die Erde zusammengerollt, so daß ihr am Morgen Medinas Berge erreicht habt. Kommst du mit Omar, dem Sohn des El-Chattâb – Gott hab' ihn selig! – zusammen, so bestelle ihm meinen Salâm und sprich zu ihm: Gott belohne dich reichlich für den Islam, denn du hast guten Rat erteilt und dich eifrig bemüht.« Hierauf erhoben die Engel zum Friedensgruß über ihn und seine Gattin ihre Stimmen und sprachen: »Fürwahr, Gott, der Erhabene, hat sie dir vermählt, zweitausend Jahre bevor euer Vater Adam – Frieden sei auf ihm! – erschaffen wurde.« Da wurden sie von Freude und Fröhlichkeit und Frieden und Seligkeit überkommen, ihre Zuversicht wuchs, und bekräftigt ward die rechte Leitung der Frommen; und sie verrichteten beim Anbruch der Morgenröte das Frühgebet.

Nun war Omar, der Sohn des El-Chattâb, – Gott hab' ihn selig! – gewohnt das Frühgebet vor Anbruch der Morgendämmerung zu verrichten, und bisweilen trat er, gefolgt von zwei Männern, in die Gebetsnische und begann mit der Sure »Das Vieh« oder der Sure die »Weiber«,Die 6. und 4. Sure. während inzwischen die Schläfer erwachten, diejenigen, welche die Waschung verrichteten, sie beendeten, und die, welche fern wohnten, ankamen, so daß die Moschee bereits von Leuten erfüllt war, noch ehe er die erste Gebetsverneigung beendet hatte, worauf er dann die zweite Verneigung schnell unter Recitation einer kurzen Sure vollzog. An jenem Morgen aber verrichtete er beide Gebetsverneigungen schnell unter Recitation kurzer Suren und sagte nach dem Salâm zu 40 seinen Gefährten: »Laßt uns dem Brautpaar entgegengehen.« Seine Begleiter verwunderten sich, da sie seine Worte nicht verstanden; er aber schritt ihnen voran, bis er das Stadtthor erreichte. Inzwischen war der junge Mann, der beim ersten Lichtschein die Banner Medinas erblickte, von seiner Frau gefolgt, aufgebrochen und stieß nun am Stadtthor auf Omar und die Moslems, die ihn begrüßten. Als sie dann in die Stadt eingezogen waren, befahl Omar – Gott hab' ihn selig! – ein Hochzeitsfest zu veranstalten, an welchem die Moslems tafelten. Hierauf suchte der junge Mann seine Braut heim, und Gott, der Erhabene, schenkte ihm Kinder, –

Vierhundertundsiebenundsiebzigste Nacht.

welche zu Gottes Ehre stritten und ihren Stammbaum bewahrten, da sie sich seiner rühmten. Und sie führten das angenehmste und fröhlichste Leben, bis sie der Zerstörer der Freuden und der Trenner der Vereinigungen heimsuchte.

 


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