Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band IX
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Abul-Hasan und Abū Dschaafar der Aussätzige.

Ferner erzählt Abul-Hasan ed-Darrâdsch: »Ich war oftmals in Mekka gewesen, – Gott erhöhe seinen Ruhm! – so daß das Volk wegen meiner Kenntnis des Weges und der Wasserplätze mir zu folgen pflegte. Eines Jahres nun, als ich wieder nach dem heiligen Gotteshaus ziehen und das Grab des Propheten – Frieden sei auf ihm! – besuchen wollte, sprach ich bei mir: »Ich kenne den Weg und will allein hinziehen.« Darauf wanderte ich fort, bis ich nach El-Kādisîje kam, wo ich beim Betreten der Moschee einen Aussätzigen in der Gebetsnische sitzen sah. Als er mich erblickte, sagte er: »O Abul-Hasan, ich bitte dich um deine Gesellschaft bis Mekka.« Da sprach ich bei mir: »Ich floh vor meinen Freunden, wie sollte ich da mit Aussätzigen zusammenreisen?« Alsdann sagte ich zu ihm: »Ich will allein reisen,« und er schwieg zu meinen Worten. Am nächsten Morgen wanderte ich allein weiter und blieb auch den ganzen Weg über ohne Begleitung, bis ich nach El-Akabe kam, wo ich beim Betreten der Moschee den Aussätzigen in der Gebetsnische sitzen sah. Da sprach ich bei mir: »Gott sei gepriesen, wie ist der da früher als ich hier eingetroffen?« Er aber hob seinen Kopf lächelnd zu mir und sagte: »O Abul-Hasan, Er thut für den Schwachen, was den Starken in Verwunderung setzt.« Verwirrt über das, was meine Augen geschaut hatten, verbrachte ich die Nacht und zog in der Morgenfrühe allein weiter. Als ich aber zum Berge Arafât kam und in die Moschee trat, siehe, da saß der Mann bereits wieder in der Gebetsnische. Da warf ich mich auf ihn und sagte zu ihm: »O mein Herr, ich bitte um deine Gesellschaft,« und bedeckte seine Füße mit Küssen. Er erwiderte mir jedoch: »Das kann nicht sein.« Da hob ich an zu weinen und laut über die Verwehrung seiner Gesellschaft zu klagen, 52 bis er zu mir sagte: »Nimms leicht, denn deine Thränen nützen dir nichts.«

Vierhundertundzweiundachtzigste Nacht.

Ich verließ ihn nun, doch fand ich ihn bei jedem Wasserplatz bereits vor mir eingetroffen, bis ich nach Medina kam, wo ich seine Spur verlor und nichts mehr von ihm sah. Hier traf ich Abū Jesîd el-Bustânī, Abū Bekr esch-Schiblī und eine Anzahl anderer Scheiche. denen ich meine Geschichte erzählte und mein Mißgeschick klagte, worauf dieselben zu mir sagten: »Nimmermehr wirst du nach diesem seine Gesellschaft erlangen; dies ist Abū Dschaafar der Aussätzige, bei dessen Namen man um Regen bittet, und durch dessen Segen die Gebete erhört werden.« Als ich dies von ihnen vernahm, entbrannte mein Verlangen, wieder mit ihm zusammenzutreffen, um so heißer, und ich betete zu Gott, daß er mich mit ihm noch einmal zusammenführte. Während ich nun am Berge Arafât stand, zupfte mich mit einem Male jemand von hinten, und als ich mich umwendete, war es jener Mann. Bei seinem Anblick stieß ich einen lauten Schrei aus und sank ohnmächtig zu Boden; als ich aber wieder zu mir kam, fand ich ihn nicht mehr. Mein Schmerz wuchs hierdurch, die Ceremonien beengten mich, und ich flehte zu Gott, dem Erhabenen, mich ihn schauen zu lassen; und, siehe, nur wenige Tage später zupfte er mich wieder von hinten und sagte zu mir, als ich mich zu ihm umwendete: »Ich beschwöre dich, folge mir und sprich, was du von mir begehrst.« Da bat ich ihn drei Gebete für mich zu beten: das erste, daß Gott mich die Armut lieben lehre; das zweite, daß ich nie die Nacht mit dem Bewußtsein vorausbestimmten Unterhalts verbrächte; und das dritte, daß Er mich mit dem Anblick seines allgütigen Angesichts begnadete. Und so betete er diese Gebete für mich und verließ mich dann. Gott aber erhörte sein Gebet, denn, was die erste Bitte anlangt, so ließ mich Gott die Armut so sehr lieben, daß mir, bei Gott, auf der 53 ganzen Welt nichts lieber ist; was die zweite anlangt, so habe ich seit jenem Jahre mich nie mit dem Bewußtsein für den morgenden Tag mein Brot zu haben zur Ruhe gelegt, ohne daß mich Gott irgend etwas hätte entbehren lassen; was aber die dritte Bitte anlangt, so hoffe ich, daß Gott sie mir ebenso gewähren wird, wie er mir die beiden ersten gewährt hat, denn Er ist der Allgütige und Allgebende!«

 


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