Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band IX
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Schluß von Hâsib Kerîm ed-Dîns Geschichte.

Hâsib Kerîm ed-Dîn verwunderte sich über die Geschichte der Schlangenkönigin und weinte bitterlich über sie; dann aber sagte er zu ihr: »Ich möchte wieder heimkehren.« Die Schlangenkönigin erwiderte: »O Hâsib, ich fürchte, wenn du wieder heimgekehrt bist, brichst du deinen Schwur und wirst meineidig, indem du doch ins Bad gehst.« Da verschwur er sich noch einmal hoch und teuer, sein ganzes Lebenlang nicht mehr ins Bad zu gehen, und nun befahl die Schlangenkönigin einer ihrer Schlangen ihn an die Oberfläche der Erde hinaufzuführen, worauf die Schlange ihn nahm und ihn von Ort zu Ort führte, bis sie ihn über die Decke einer verlassenen Cisterne ans Tageslicht gebracht hatte. Hierauf wanderte er nach der Stadt und suchte sein Haus auf, wo er gegen Abend zur Zeit, da die Sonne gelb ward, 166 anlangte. Auf sein Pochen kam seine Mutter heraus und öffnete die Thür; und wie sie nun ihren Sohn vor sich stehen sah, warf sie sich mit einem lauten Freudenschrei an seine Brust und weinte. Gleich darauf kam seine Frau an, die seine Mutter hatte weinen hören, und freute sich ebenfalls über die Maßen, als sie ihren Gatten erblickte, und begrüßte ihn und küßte ihm die Hände. Fröhlich gingen dann alle drei ins Haus, und, als sie sich gesetzt hatten, fragte Hâsib nach den Holzhauern, die ihn in der Grube allein zurückgelassen hatten und fortgegangen waren. Da erzählte ihm seine Mutter: »Sie kamen zu mir und sagten mir, du wärest von einem Wolf im Wadi gefressen; nun aber sind sie Kaufleute geworden und haben Grundstücke und Kaufläden, und die Welt ist ihnen weit geworden; doch kamen sie täglich zu uns und brachten uns Speise und Trank bis auf den heutigen Tag.« Hâsib sagte nun zu seiner Mutter: »Geh morgen zu ihnen und sprich zu ihnen: Hâsib Kerîm ed-Dîn ist von seiner Reise zurückgekehrt; kommt deshalb zu ihm und begrüßt ihn.« So ging denn am andern Morgen in der Frühe Hâsibs Mutter zu den Häusern der Holzhauer und sprach die Worte zu ihnen, welche ihr Sohn ihr aufgetragen hatte. Als die Holzhauer dies vernahmen, wechselten sie ihre Farbe und erwiderten: »Wir hören und gehorchen;« außerdem aber gab ihr jeder einen seidenen goldgestickten Anzug und sagte zu ihr: »Gieb dies deinem Sohn und sag' ihm, daß wir ihn morgen besuchen werden.« Sie antwortete ihnen: »Ich höre und gehorche,« und kehrte dann zu ihrem Sohn zurück, dem sie ihre Geschenke überreichte und ihre Worte mitteilte. Die Holzhauer aber versammelten eine Anzahl Kaufleute und teilten ihnen mit, wie sie an Hâsib Kerîm ed-Dîn gehandelt hatten, indem sie sie zugleich um Rat fragten, was sie nunmehr thun sollten. Die Kaufleute erwiderten: »Es geziemt einem jeden von euch, daß er ihm die Hälfte seines Gutes und seiner Mamluken schenkt.« Nachdem alle hierin 167 übereingekommen waren, nahmen sie ihr halbes Vermögen zu sich und begaben sich in corpore zu Hâsib; und als sie ihn begrüßt und ihm die Hände geküßt hatten, gaben sie ihm ihr Gut und sagten zu ihm: »Dies ist erst ein Teil von dem, was wir deiner Güte verdanken, und wir stehen zu deiner Verfügung.« Hâsib nahm ihr Geschenk an und erwiderte: »Was geschehen ist, ist geschehen; es war so von Gott, dem Erhabenen, verhängt, und vor dem Verhängnis giebt's kein Entrinnen.« Hierauf versetzten sie: »Komm mit uns in die Stadt, uns zu vergnügen, und laß uns ins Bad gehen.« Hâsib erwiderte jedoch: »Ich habe einen Eid geschworen, mein Leben lang nicht mehr ins Bad zu gehen.« Da sagten sie: »So besuch' uns wenigstens, daß wir dich bewirten.« Hierin willigte er ein und begleitete sie, und nun bewirtete ihn jeder von ihnen eine Nacht, bis in dieser Weise sieben Nächte verstrichen waren. So war denn Hâsib ein reicher Mann geworden und besaß Geld und Grundstücke und Kaufläden, und die Kaufleute der Stadt kamen von allen Seiten zu ihm, und er erzählte ihnen, was er erlebt und geschaut hatte. Er war einer der Vornehmsten seines Standes geworden und lebte in dieser Weise eine geraume Zeitlang, als es sich eines Tages traf, daß er bei einem Gange durch die Stadt an einem befreundeten Badbesitzer vorüberkam, der vor der Thür seines Bades stand. Als sich ihre Blicke begegneten, begrüßte ihn der Badbesitzer und sagte zu ihm, indem er ihn umarmte: »Thu' mir doch den Gefallen und komm ins Bad und laß dich kneten, daß ich dir meine Gastfreundschaft beweisen kann.« Hâsib antwortete ihm: »Ich habe einen Eid geschworen mein Leben lang nicht mehr ins Bad zu gehen.« Da verschwur sich der Bademeister und sagte: »Ich soll dreimal von meinen drei Weibern geschieden sein, wenn du nicht mit mir ins Bad kommst und dich badest.« Bestürzt hierüber, versetzte Hâsib: »Mein Bruder, willst du meine Kinder zu Waisen machen, mein Haus vernichten und eine Sünde auf meinen Nacken laden?« 168 Der Badbesitzer warf sich jedoch auf Hâsib Kerîm ed-Dîns Füße, küßte sie und sagte: »Ich flehe dich an, mit mir ins Bad zu gehen, und mag die Sünde über mein Haupt kommen!« Gleich darauf stürzten sich alle Badediener und sonstiges Volk im Bade auf Hâsib, schleppten ihn ins Bad, zogen ihm die Kleider aus und führten ihn zum Wasser. In demselben Augenblick aber als er sich an die Wand setzte und das Wasser über seinen Kopf goß, traten zwanzig Mann bei ihm ein und sprachen zu ihm: »Folg' uns, Mann, der Sultan hat eine Sache wider dich.« Hierauf schickten sie einen von ihnen zum Wesir des Sultans, ihm Bericht zu erstatten, und der Wesir stieg sofort zu Pferd und kam mit sechzig Mamluken zum Bad geritten und suchte Hâsib Kerîm ed-Dîn auf. Nachdem er ihn begrüßt und willkommen geheißen hatte, gab er dem Badbesitzer hundert Dinare und ließ Hâsib auf einen Hengst steigen; dann nahm er Hâsib mit sich und ritt inmitten seiner Mamluken zum Palast des Sultans. Hier stiegen alle ab, der Wesir führte Hâsib ins Schloß, und kaum hatten sie sich gesetzt, da trug man auch schon den Tisch auf, und sie aßen und tranken und wuschen sich nach beendeter Mahlzeit die Hände. Hierauf legte der Wesir Hâsib zwei Ehrenkleider an, jedes im Werte von fünftausend Dinaren, und sagte zu ihm: »Wisse, Gott hat dich uns geschenkt und hat sich unser durch dein Kommen erbarmt; denn der Sultan ist aussätzig und dem Tode nahe, und die Bücher gaben uns an, daß er allein durch deine Hand gesund werden könne.« Nach diesen Worten nahm der Wesir Hâsib, der sich hierüber verwunderte, und führte ihn, von den Großen des Reiches geleitet, durch die sieben Pforten des Palastes vor den König, welcher König Karasdân von Persien geheißen war und über die sieben Klimate herrschte. Hundert auf Thronen von rotem Gold sitzende Sultane dienten ihm und zehntausend Degen, von denen ein jeder unter seiner Hand hundert Lieutenants und hundert mit Schwert und Streitaxt bewaffnete Henker hatte. 169 Sie trafen den König mit verhülltem Haupt und vor Schmerzen wimmernd auf seinem Lager gebettet; Hâsib aber, der von all der Pracht ringsum ganz verwirrt war, küßte in ehrfürchtiger Scheu vor der Majestät des Königs die Erde und erflehte Gottes Segen auf ihn. Hierauf kam der Großwesir, dessen Name Schemhûr war, auf ihn zu, hieß ihn willkommen und ließ ihn auf einem hohen Stuhl zur Rechten des Königs Karasdân niedersitzen.

Fünfhundertundvierunddreißigste Nacht.

Alsdann trug man den Tisch auf, und sie aßen und tranken. Als sie sich dann nach dem Essen die Hände gewaschen hatten, erhob sich der Wesir Schemhûr, worauf sich alle Anwesenden gleichfalls aus Ehrfurcht vor ihm erhoben, und sagte zu Hâsib Kerîm ed-Dîn, indem er auf ihn zuschritt: »Wir stehen zu deinen Diensten und wollen dir alles, was du verlangst, geben, wäre es selbst das halbe Königreich, da nur durch deine Hand der König genesen kann.« Hierauf faßte er ihn an die Hand und führte ihn zum König Karasdân. Hâsib nahm das Tuch vom Gesicht des Königs ab und betrachtete ihn, doch sah er, daß der König im letzten Stadium seiner Krankheit lag. Wie er aber noch bestürzt dastand, neigte sich der Wesir über seine Hand und sagte zu ihm, indem er sie küßte: »Wir wünschen, daß du den König gesund machst, und wollen dir alles, was du verlangst, schenken. Das ist's, was wir von dir begehren.« Hâsib antwortete ihm: »Ich bin der Sohn Daniels, des Propheten Gottes, doch verstehe ich nichts von der Wissenschaft; man hat mich wohl dreißig Tage lang in der Heilkunst unterwiesen, doch lernte ich nichts davon. Verstände ich nur ein wenig von der Medizinerei, so wollte ich den König wohl heilen.« Der Wesir erwiderte jedoch: »Halt uns nicht lange Reden, denn wollten wir auch alle Ärzte aus dem Orient und Occident zusammenholen, so könntest du ihn doch allein gesund machen.« Hâsib versetzte: »Wie 170 könnte ich ihn gesund machen, wo ich weder seine Krankheit noch sein Heilmittel kenne?« Der Wesir erwiderte: »Seine Heilung steht bei dir.« Da sagte Hâsib: »Wüßte ich nur das Mittel, so wollte ich ihn schon kurieren.« Nun sagte der Wesir: »Du kennst sein Heilmittel sehr wohl, denn es ist die Schlangenkönigin, und du weißt ihren Aufenthalt, du hast sie gesehen und bist bei ihr gewesen.« Als Hâsib dies vernahm, erkannte er, daß alles dies die Folge davon war, daß er ins Bad gegangen war, und bereute es bitterlich, wo die Reue nichts mehr nützte. Dann sagte er: »Was ist's mit der Schlangenkönigin? Ich kenne sie nicht und habe nie in meinem Leben diesen Namen gehört.« Der Wesir antwortete jedoch: »Leugne es nicht ab, daß du sie kennst, denn ich habe den Beweis dafür und weiß, daß du zwei Jahre lang bei ihr lebtest.« Wie nun Hâsib von neuem beteuerte, daß er sie weder gesehen hätte noch sie kennete, und daß er heute zum erstenmal ihren Namen gehört hätte, da holte der Wesir ein Buch hervor, öffnete es und stellte Berechnungen an. Alsdann sprach er: »Die Schlangenkönigin wird mit einem Mann zusammenkommen, der zwei Jahre bei ihr bleiben wird. Wenn er sie wieder verläßt und heimkehrt und an die Oberfläche der Erde kommt, wird er ins Bad gehen, und sein Bauch wird schwarz werden.« Nach diesen Worten wendete er sich zu Hâsib und sagte zu ihm: »Sieh dir deinen Bauch an.« Hâsib that es, und als er fand, daß er in der That schwarz war, sagte er: »Mein Bauch ist schwarz seit der Stunde, da mich meine Mutter gebar.« Der Wesir entgegnete ihm jedoch: »Ich stellte an jedes Bad drei Mamluken, daß sie den Bauch eines jeden, der ins Bad ging, betrachteten und es mir mitteilten, wenn sie einen mit schwarzem Bauch eintreten sähen. Da kamst du ins Bad, und sie schauten deinen Bauch an und fanden, daß er schwarz war. Da ließen sie mich hiervon benachrichtigen, und wir konnten es kaum erwarten, dich noch heute bei uns zu sehen. Wir verlangen weiter nichts von dir, 171 als daß du uns die Stelle zeigst, aus welcher du herauskamst; du magst dann wieder deines Weges gehen, da wir imstande sind, sie zu ergreifen, und auch Leute haben, die sie zu uns bringen.« Als Hâsib Kerîm ed-Dîn dies vernahm, fiel es ihm schwer auf die Seele, daß er ins Bad gegangen war; doch blieb er dabei, er hätte sie nie gesehen und hätte auch nie etwas von ihr gehört, trotzdem die andern Wesire und Emire ihn ebenfalls von allen Seiten bedrängten, bis sie sich müde geredet hatten. Als alles nichts verfangen wollte, rief der Wesir nach dem Henker und befahl ihm Hâsib die Sachen auszuziehen und ihn aus Kräften zu schlagen. Der Henker that es, und als Hâsib vor Schmerzen bereits den Tod vor Augen sah, sagte der Wesir: »Wir haben den sicheren Beweis dafür, daß du den Aufenthaltsort der Schlangenkönigin kennst; weshalb also willst du es leugnen? Zeige uns nur die Stelle, aus welcher du herauskamst, und verlaß uns dann; wir haben jemand bei uns, der sie ergreifen kann, und dir soll nichts zuleide geschehen.« Hierauf richtete er ihn auf und schenkte ihm ein goldgesticktes und mit Edelsteinen besetztes Kleid und gab ihm so lange gute Worte, bis Hâsib endlich dem Wesir gehorchte und zu ihm sagte: »Ich will euch die Stelle zeigen.« Als der Wesir dies vernahm, freute er sich mächtig, und er und alle die Emire ritten nun mit ihrem Gefolge, von Hâsib geleitet, zum Gebirge, wo sie Hâsib weinend und seufzend zur Höhle führte. Hier stiegen die Emire und Wesire ab und folgten Hâsib zu der Cisterne, aus welcher er herausgekommen war. Dann trat der Wesir an dieselbe heran, setzte sich und zündete Räucherwerk an, über das er Schwur- und Zauberformeln sprach und murmelte und brummelte; denn er war ein großer Zauberer und Schwarzkünstler und in der Magie wohl bewandert. Als er die erste Beschwörung beendet hatte, nahm er die zweite und dann die dritte vor und warf jedesmal, wenn das Räucherwerk verbrannt war, neues ins Feuer. Nach der dritten 172 Beschwörung rief er: »Komm heraus, o Schlangenkönigin!« Und alsbald versiegte das Wasser in der Cisterne, und es öffnete sich eine große Thür in ihr, aus welcher ein gewaltiger donnerähnlicher Schrei ertönte, daß alle glaubten, die Cisterne wäre eingestürzt, und ohnmächtig, einige sogar tot, zu Boden stürzten. Hierauf kam eine riesige Schlange von der Größe eines Elefanten, aus deren Augen und Rachen Funken gleich Kohlen sprühten, aus der Cisterne hervor. Auf dem Rücken dieser Schlange ruhte eine Platte aus rotem, mit Perlen und Edelsteinen besetztem Gold, und mitten auf der Platte saß eine Schlange mit menschlichem Angesicht, die mit wohllautender Zunge redete und solchen Glanz ausstrahlte, daß der ganze Raum hell erleuchtet wurde. Dies aber war die Schlangenkönigin. Sie wendete sich nach rechts und links, und als ihr Blick auf Hâsib Kerîm ed-Dîn fiel, sagte sie zu ihm: »Wo ist der Bund, den du mit mir machtest, und wo der Schwur, den du mir schworst, daß du nicht ins Bad gehen würdest? Doch giebt es vor dem Schicksal kein Entrinnen, und dem, was auf der Stirne geschrieben steht, läßt sich nicht entfliehen. Gott hat mein Lebensende durch deine Hand verhängt; solches hat Gott beschlossen, und sein Wille ist es, daß ich mein Leben lassen muß, und daß der König Karasdân von seiner Krankheit geheilt wird.« Hierauf weinte sie bitterlich und Hâsib weinte mit ihr, während der verruchte Wesir Schemhûr seine Hand nach ihr ausstreckte, um sie zu packen. Da rief die Schlangenkönigin ihm zu: »Nimm deine Hand fort, Verruchter, oder ich blase dich an und mache dich zu einem Haufen schwarzer Asche.« Hierauf rief sie Hâsib zu und sagte zu ihm: »Tritt heran zu mir, nimm mich in deine Hand, leg' mich auf die Schüssel, die ihr bei euch habt, und setz' sie auf dein Haupt, denn mein Tod ward von Ewigkeit her durch deine Hand verhängt, und du hattest keine Macht, ihn abzuwehren.« Da that Hâsib nach dem Geheiß der Schlangenkönigin, und, als er sich die Schüssel aufs Haupt gesetzt 173 hatte, ward die Cisterne wieder wie zuvor. Hierauf kehrten alle wieder zurück, während Hâsib die Schlangenkönigin auf seinem Haupt in der Schüssel trug. Unterwegs aber sagte die Schlangenkönigin leise zu Hâsib Kerîm ed-Dîn: »Hâsib, hör' den Rat, den ich dir gebe, auch wenn du den Bund gebrochen hast und meineidig geworden bist und alles dies gethan hast, da es von Ewigkeit an über mich verhängt war.« Hâsib erwiderte: »Ich höre und gehorche deinem Befehl, o Schlangenkönigin.« Da sagte sie zu ihm: »Wenn du in das Haus des Wesirs gekommen bist, so wird er zu dir sagen: »Schlachte die Schlangenkönigin und zerschneide sie in drei Stücke.« Du aber weigere dich und thue es nicht, sondern sprich zu ihm: »Ich verstehe das Schlachten nicht;« auf daß er mich mit seiner eigenen Hand schlachtet und mit mir thut, was er vor hat. Hat er mich geschlachtet und in drei Teile zerstückelt, so wird ein Bote vom König Karasdân zu ihm kommen und wird ihn vor den König befehlen; dann wird er vor seinem Fortgehen mein Fleisch in einen kupfernen Kessel legen, wird den kupfernen Kessel auf die Kohlenpfanne setzen und zu dir sagen: »Zünde unter dem Kessel Feuer an, und, wenn der Schaum aus dem Fleisch hervortritt, so nimm ihn, thu' ihn in eine Phiole und warte, bis er sich abgekühlt hat. Ist er kalt geworden, so trink' ihn, und es wird jeder Schmerz aus deinem Körper weichen. Tritt der zweite Schaum heraus, so thu' ihn in eine zweite Phiole und nimm ihn an dich, bis ich von dem König zurückgekehrt bin, da ich ihn gegen einen Schmerz in meinem Rückgrat trinken will.« Wenn er dies zu dir gesagt hat, wird er dir die beiden Phiolen geben und zum König gehen. Ist er aber fort, so zünde das Feuer an und nimm den ersten Schaum in einer der Phiolen an dich; hüte dich jedoch von ihm zu trinken, denn so du davon trinken würdest, möchte es dir übel bekommen. Tritt der zweite Schaum heraus, so thu' ihn in die zweite Phiole; warte, bis er sich abgekühlt hat und steck' ihn dann zu dir, 174 daß du ihn später trinken kannst. Wenn nun der Wesir vom König zurückkehrt und die zweite Phiole von dir verlangt, so gieb ihm die erste und gieb acht, was mit ihm geschehen wird.

Fünfhundertundfünfunddreißigste Nacht.

Hernach trink' die zweite Phiole aus, und dein Herz wird das Haus der Weisheit geworden sein. Hast du nun die zweite Phiole geleert, so nimm das Fleisch aus dem Kessel, leg es auf eine kupferne Schüssel und bring' es dem König zum Essen. Wenn er es gegessen hat, und wenn das Fleisch in seinem Magen liegt, so verhülle sein Gesicht mit einem Tuch und warte bis zur Mittagszeit, bis sich sein Unterleib abgekühlt hat. Alsdann gieb ihm etwas Wein zu trinken, und er wird durch Gottes, des Erhabenen, Allmacht von seinem Aussatz geheilt und wieder gesund wie zuvor sein. Und merke wohl auf meine Worte und behalte sie so genau, wie du es nur vermagst in deinem Gedächtnis.« – Wie sie nun am Haus des Wesirs angelangt waren, sagte der Wesir zu Hâsib: »Begleite mich in mein Haus,« worauf sich die Truppen zerstreuten und ein jeder seines Weges ging. Im Hause des Wesirs nahm Hâsib die Schüssel, auf welcher die Schlangenkönigin lag, von seinem Kopf herunter, und der Wesir sagte zu ihm: »Schlachte die Schlangenkönigin.« Hâsib erwiderte: »Ich verstehe nicht zu schlachten und habe mein Leben lang nichts geschlachtet; hast du Lust sie zu schlachten, so thue es mit deiner eigenen Hand.« Da erhob sich der Wesir Schemhûr, nahm die Schlangenkönigin von der Schüssel und schlachtete sie, während Hâsib hierbei bitterlich weinte. Der Wesir Schemhûr aber lachte ihn aus und sagte zu ihm: »Du Dummkopf, was weinst du über das Schlachten einer Schlange?« Alsdann zerschnitt er sie in drei Stücke, legte diese in einen kupfernen Kessel und setzte den Kessel aufs Feuer, worauf er sich niedersetzte und wartete, bis das Fleisch kochte. Während er aber wartend 175 dasaß, kam mit einem Mal ein Mamluk vom König zu ihm und sprach zu ihm: »Der König befiehlt dich unverzüglich vor sich.« Da erwiderte er: »Ich höre und gehorche,« und erhob sich, worauf er Hâsib zwei Phiolen mit den Worten überreichte: »Halte das Feuer unter dem Kessel in Brand, bis der erste Schaum aus dem Fleisch steigt: ist dies geschehen, so schöpf' ihn vom Fleisch ab, thu' ihn in eine dieser beiden Phiolen und trink' ihn, sobald er sich abgekühlt hat; dein Leib wird dann gesund werden, und alle Schmerzen und Krankheiten werden aus ihm weichen. Steigt der zweite Schaum auf, so thue ihn in die zweite Phiole und behalte sie bei dir, bis ich vom König zurückgekehrt bin, da ich sie dann gegen einen Schmerz in meinem Rückgrat trinken will; vielleicht geschieht es, daß ich dadurch gesund werde.« Indem er Hâsib diesen Auftrag noch einmal dringend einschärfte, ging er fort. Hâsib aber hielt das Feuer unter dem Kessel in Brand, bis der erste Schaum aufstieg, worauf er ihn abschöpfte und in eine der beiden Phiolen that. Dann feuerte er weiter, bis auch der zweite Schaum aufgestiegen war, that diesen in die andere Phiole und steckte sie zu sich; das Fleisch aber nahm er, sobald es gar geworden war, vom Feuer und saß dann still und wartete auf den Wesir. Als dieser nun vom König zurückkehrte, fragte er Hâsib: »Was hast du gethan?« Hâsib erwiderte ihm: »Das Geschäft ist besorgt.« Da fragte ihn der Wesir: »Was hast du mit der ersten Phiole gethan?« Hâsib versetzte: ».Ich habe soeben ihren Inhalt ausgetrunken.« Der Wesir entgegnete: »Ich sehe gar keine Veränderung an deinem Leibe.« Hâsib erwiderte ihm jedoch: »Mir ist's als ob ein Feuer meinen Leib vom Scheitel bis zur Sohle durchglühte.« Da sagte der falsche Wesir zu Hâsib, die Wahrheit vor ihm verbergend: »Gieb mir die andere Phiole, damit ich ihren Inhalt trinke und hierdurch von meinen Schmerzen im Rückgrat befreit werde.« Hierauf leerte er die erste Phiole im Glauben, es wäre die zweite; doch hatte 176 er sie kaum ausgetrunken, da entsank sie seiner Hand, und er schwoll an und stürzte tot zu Boden, so daß sich das Sprichwort an ihm bewahrheitete: »Wer seinem Bruder eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.« Als nun Hâsib dies sah, verwunderte er sich und fürchtete sich die zweite Phiole zu trinken. Dann aber gedachte er der Worte der Schlangenkönigin und sprach bei sich: »Würde der Inhalt der zweiten Phiole irgendwie schädlich sein, so hätte der Wesir sie nicht für sich selber bestimmt.« Alsdann sprach er die Worte: »Ich vertraue auf Gott, den Erhabenen,« und leerte ihren Inhalt; sobald er aber den Schaum getrunken hatte, ließ Gott die Quellen der Weisheit in seinem Herzen aufbrechen und öffnete ihm den Born des Wissens, und Freude und Fröhlichkeit erfüllte ihn. Hierauf nahm er das Fleisch der Schlangenkönigin aus dem Kessel, legte es auf eine kupferne Schüssel und verließ das Haus des Wesirs. Draußen erhob er sein Haupt zum Himmel und schaute die sieben Himmel mit allem, was darinnen ist, bis zum verbotenen LotosbaumSure 53, 14. Dieser Lotosbaum, »der da steht am Garten der ewigen Wohnung,« steht im siebenten Himmel zur rechten Seite des göttlichen Thrones, und selbst die Engel dürfen nicht über ihn hinaus. und die Art des Umschwungs der Sphäre. Ferner enthüllte Gott vor seinen Augen die Planeten und die Fixsterne und zeigte ihm der Wandelsterne Bahnen; und er schaute auch die Formen von Meer und Land und gewann hierdurch die Kenntnis der Geometrie, der Astrologie, Astronomie, Sphärenkunde, Arithmetik und was mit alledem zusammenhängt, und gewann Einsicht in die Ursachen der Sonnen- und Mondfinsternisse u. dgl. Hierauf schaute er zur Erde und sah alle Minerale und Pflanzen und Bäume in und auf ihrem Boden und erkannte ihre eigentümlichen und nützlichen Eigenschaften und gewann hierdurch die Kenntnis der Arzneikunde, der weißen Magie und Chemie und Alchemie. Als er nun zum Palast des Königs Karasdân 177 gelangt war, trat er zu ihm ein, küßte die Erde vor ihm und sprach zu ihm: »Mag dein Haupt deinen Wesir Schemhûr überleben!« Da ergrimmte der König gewaltig über den Tod seines Wesirs und beweinte ihn laut, und alle die Emire, Wesire und Großen des Reiches beweinten ihn. Hernach sprach der König Karasdân: »Der Wesir Schemhûr war doch soeben noch von Gesundheit strotzend bei mir und ging nur hinaus, um mir das Fleisch zu holen, falls es gar gekocht wäre. Was ist die Ursache seines plötzlichen Todes, und welcher Unfall betraf ihn?« Da erzählte Hâsib dem König alles, wie es sich zugetragen hatte, wie der Wesir die Phiole ausgetrunken hatte, und wie dann sein Leib geschwollen und aufgequollen und er gestorben war. Der König betrauerte ihn aufs tiefste und sagte zu Hâsib: »Was soll ich nun ohne Schemhûr anfangen?« Hâsib entgegnete ihm: »Gräme dich nicht, o König der Zeit, ich will dich in drei Tagen gesund machen und nichts von Aussatz an deinem Leibe übrig lassen.« Da dehnte sich die Brust des Königs Karasdân weit aus, und er sagte zu Hâsib: »Ich wäre es zufrieden, sollte es auch lange Jahre dauern, bis ich gesund würde.« Nun erhob sich Hâsib und brachte die Schüssel, die er vor den König setzte. Dann nahm er ein Stück vom Fleisch der Schlangenkönigin und gab es dem König zu essen, worauf er ihn verhüllte und sein Gesicht mit einem Tuch zudeckte. Bald nach dem Essen schlief der König ein, und Hâsib saß neben ihm von der Mittagszeit bis zum Abend, bis er wieder erwachte, nachdem sein Magen das Stück Fleisch verdaut hatte. Als er erwachte, gab ihm Hâsib etwas Wein zu trinken und befahl ihm, von neuem zu schlafen, worauf der König die ganze Nacht über bis zum Morgen schlief. Am folgenden und dritten Tag verfuhr er mit ihm gerade so wie am ersten, und als der König alles Fleisch der Schlangenkönigin gegessen hatte, begann seine ganze Haut welk zu werden und sich abzuschälen, und der Schweiß brach ihm vom Kopf bis zu den Füßen aus allen 178 Poren. So ward der König gesund und keine Spur von Krankheit verblieb in seinem Körper. Hâsib aber sagte nun zum König: »Du mußt jetzt ins Bad gehen,« und führte ihn ins Bad, wo er seinen Leib wusch; und als er nun den König aus dem Bade herausführte, war sein Leib weiß wie ein silberner Schaft und seine frühere Gesundheit war ihm wieder geschenkt, ja, er war noch gesünder als zuvor. Alsdann legte er seine prächtigsten Kleider an und setzte sich auf seinen Thron, worauf er Hâsib Kerîm ed-Dîn erlaubte, sich neben ihn zu setzen. Dann befahl der König den Tisch aufzutragen, und sie aßen und wuschen sich die Hände. Weiter befahl dann der König den Wein zu bringen, und als sie das verlangte gebracht, und beide genug getrunken hatten, da erschienen alle die Emire, die Wesire und Truppen, die Großen des Reiches und die Vornehmsten seiner Unterthanen und beglückwünschten ihn zu seiner Genesung; und sie schlugen die Trommeln und schmückten die Stadt aus Freude über des Königs Wiederherstellung. Der König aber sprach zu allen, die gekommen waren, ihm ihre Glückwünsche darzubringen: »Ihr Wesire, ihr Emire und ihr Großen des Reiches allzumal, dies ist Hâsib Kerîm ed-Dîn, der mich von meiner Krankheit geheilt hat; und wisset, ich mache ihn hiermit an Schemhûrs Stelle zu meinem Großwesir, –

Fünfhundertundsechsunddreißigste Nacht.

und wer ihn liebt, der liebt mich, wer ihn ehrt, der ehrt mich, wer ihm gehorcht, der gehorcht mir.« Alle antworteten ihm: »Wir hören und gehorchen;« alsdann erhoben sie sich, küßten Hâsib Kerîm ed-Dîn, begrüßten ihn und beglückwünschten ihn zum Wesirat. Hierauf schenkte ihm der König ein kostbares goldgesticktes und mit Perlen und Edelsteinen besetztes Ehrenkleid, dessen geringster Edelstein einen Wert von fünftausend Dinaren hatte, und gab ihm dreihundert Mamluken, dreihundert Beischläferinnen, die wie Monde strahlten, dreihundert abessinische Sklavinnen, 179 fünfhundert mit Gut beladene Maultiere und Vieh, Schafe, Büffel und Rinder ohne Zahl. Außerdem befahl er allen seinen Wesiren, Emiren und den Granden, den Reichswürdenträgern, den Mamluken und seinen gesamten Unterthanen ihn zu beschenken. Dann stieg Hâsib Kerîm ed-Dîn zu Pferd, und die Wesire, die Emire, die Großen des Reiches und alle Truppen ritten hinter ihm und geleiteten ihn in den Palast, welchen der König für ihn bestimmt hatte; hier setzte er sich auf einen Stuhl, und die Emire und Wesire kamen heran zu ihm, ihm die Hände zu küssen, und beglückwünschten ihn zum Wesirat und beeiferten sich ihm zu dienen. Seine Mutter freute sich hierüber mächtig und wünschte ihm ebenfalls zum Wesirat Glück; dann kamen seine andern Angehörigen und bewillkommneten und beglückwünschten ihn in großer Freude, und zuguterletzt erschienen seine alten Freunde, die Holzhauer, und statteten ihm ihre Glückwünsche ab. Hierauf stieg er wieder zu Roß und ritt zum Palast des Wesirs Schemhûr, den er versiegelte, nachdem er an alle Sachen, die sich in ihm befanden, Hand gelegt und sie für sich in Beschlag genommen und nach seinem Hause hatte hinüberschaffen lassen. In dieser Weise war Hâsib von einem ungebildeten Menschen, der nicht einmal einen geschriebenen Buchstaben zu lesen vermochte, durch Gottes, des Erhabenen, Ratschluß zu einem in allen Wissenschaften gelehrten Mann geworden, so daß sich der Ruf von seinem Wissen und seiner Weisheit im ganzen Land verbreitete und er als Ocean von Gelehrsamkeit in der Medizin, der Astronomie, Geometrie, Astrologie, Chemie, der weißen Magie, der Kabbala und andern Wissenschaften gefeiert wurde. Eines Tages begab es sich, daß er zu seiner Mutter sagte: »O meine Mutter, mein Vater Daniel war ein außerordentlich gelehrter Mann; sag' mir, was er mir an Büchern und dergleichen hinterlassen hat.« Da brachte ihm seine Mutter die Kiste, in welcher sein Vater die fünf Blätter, die von allen seinen im Meere versunkenen Büchern übrig geblieben 180 waren, gelegt hatte, und sagte zu ihm: »Dein Vater hat dir außer diesen fünf Blättern in dieser Kiste nichts an Büchern hinterlassen.« Wie er nun die Kiste geöffnet und die fünf Blätter gelesen hatte, sagte er zu seiner Mutter: »Mutter, diese Blätter sind nur Bruchstücke von einem Buch; wo ist der Rest?« Sie erwiderte ihm: »Dein Vater zog mit allen seinen Büchern über See, doch zerbrach das Schiff, die Bücher versanken, und Gott, der Erhabene, rettete ihn allein vom Ertrinken mit diesen fünf Blättern. Bei seiner Heimkehr fand er mich mit dir schwanger vor und sagte zu mir: »Wenn du einen Knaben zur Welt bringst, so nimm diese Blätter, verwahre sie bei dir, und, so der Knabe herangewachsen ist und nach meiner Hinterlassenschaft fragt, so gieb ihm die Blätter und sprich zu ihm: ›Dein Vater hat dir weiter nichts hinterlassen‹, und siehe, hier sind sie.« Und von nun an lebte Hâsib, in allen Wissenschaften bewandert, schmausend und trinkend im schönsten und angenehmsten Leben, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vereinigungen ihn heimsuchte. Das ist das Ende der Geschichte von Hâsib Kerîm ed-Dîn, dem Sohn des Daniel, – Gott hab' ihn selig! – und Gott weiß es besser.

 


 

Ende des neunten Bandes.

 


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