Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Polen an Europa

März 1846

              Der heil'ge Krieg ist neu entglommen,
Die Söhne Polens werden wach,
Wir haben unser Schwert genommen
Nach fünfzehn Jahren tiefer Schmach.
An dich, du stumme Zeugin unsrer Klage
Und unsrer namenlosen Qual,
An dich, Europa, richten wir die Frage:
Verläßt du uns zum zweitenmal?

Ist's nicht ein Kampf für deine Sache?
Ein Kampf, von jedem Flecken rein?
Auf! Polens Adler will der Rache
Gebenedeiter Engel sein.
Die Saat ist reif, es rauschen unsre Sensen,
Wir schwingen auch für dich den Stahl:
Die Hoffnung sieh in unsern Augen glänzen –
Verlaß uns nicht zum zweitenmal!

Du liegst an alter Schuld erkranket –,
Europa, o entsühne dich!
Und schnell, solang die Waage schwanket,
Wirf noch dein Herz hinein für mich.
Dein Zaudern wäre dreifach ein Verbrechen,
Denn dreifach ist der Feinde Zahl;
Für dich und mich ein dreifach Joch zu brechen,
Verlaß mich nicht zum zweitenmal.

Ein wildes Meer von Aufruhrflammen,
Der Zorn der ganzen Weit vereint,
Schlag über seinem Haupt zusammen
Und trümmre nieder unsern Feind!
Deutschland! sei zwischen uns ein Bundeszeichen,
Der Freiheit loderndes Signal!
Auch Polens Aar trägt einen Kranz von Eichen:
Verlaß mich nicht zum zweitenmal.

Auf, Preußen, schüttle deine Ketten!
Erkämpf dein Recht, der Tag ist da!
Es gilt ja mich und euch zu retten –
Auf, Ungarn! auf, Italia!
O Galliens Hahn, sprich, bist du blind geworden
Und ahnst du nicht den Morgenstrahl?
Sie nahn, sie wüten, die Barbarenhorden –
Verlaßt uns nicht zum zweitenmal!

 


 


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