Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Essetai ämar (ΕΣΣΕΤΑΙ ΗΜΑΡ)

1862

              Besiegt, gefangen der Rebell,
Besiegt vom Sohn des Verhuel,
Vom schlechtesten der beste Mann,
Ormuz besiegt von Ahriman!
So klang die Trauerkunde, so –
Doch einer in Paris war froh.
Der Tag wird kommen.

Besiegt, der unser Banner trug,
Dem jedes Herz entgegenschlug,
Der unser Stolz, der unser Glück.
Besiegt! es war ein Bubenstück,
Ein höllisch Spiel, das man agiert.
Man hat den Judas dekoriert.
Der Tag wird kommen.

Besiegt – zum ersten Male, ja!
Besiegt wie der auf Golgatha!
Sieg voll Entsetzen und voll Graus –
Die Menschheit pfeift den Sieger aus,
Und in den schurkischen Triumph
Tönt eine Geisterstimme dumpf:
Der Tag wird kommen.

Der Tag, wo man die Kugeln zählt,
Die unsre Märtyrer entseelt,
Und auch die Kugel, gottverflucht,
Nach der ihr jetzt vergeblich sucht;
Ach! die gehemmt des Helden Lauf
Ein Engel hob sie weinend auf:
Der Tag wird kommen.

Und haben sie am Aspromont
Ihn feig verraten auch gekonnt,
Und ruht, verwundet wie Achill,
Auf seinem Lager bleich und still
Der Allgeliebte – sei es drum!
Achill fiel, doch auch Ilium,
Der Tag wird kommen.

Blick hin, Ratazzi-Ganelon,
Blick hin auf deines Königs Thron,
Und dann blick auf die Schmerzensstatt,
Und sprich: Wer ist von beiden matt?
Der König, in des Kaisers Joch?
Der Held, der fallend ruft: »Und doch!
Der Tag wird kommen.«

Horch! durch die weite, weite Welt
Nur eine Frage: Lebt der Held?
Nur eine Sorge, die um ihn,
Und nur Verachtung für Turin!
Nur eine Größe, dran man glaubt,
Und heiliger, wie seins, kein Haupt!
Der Tag wird kommen.

Der, nie geschlagen, immer schlug
Und immer sprach: »Wir sind genug!«
Und vor des Feindes, Übermacht
Der seinen Mut vertausendfacht:
Er hat die Waffen unbefleckt
Nur vor den Brüdern fromm gestreckt
Der Tag wird kommen.

Noch ist sein Lorbeer nicht verdorrt,
Noch wirkt Marsalas Wunder fort,
Und auferstehen werden sie,
Die am Volturn, von Sankt-Marie,
Und einst am Tiber wird erneut,
Der Gancia-Glocken Sturmgeläut.
Der Tag wird kommen.

Und kommen wird sie dann nach Rom
Und kommen in den Peters-Dom,
Die Freiheit, auch mit wundem Fuß,
Urbi et orbi! schallt ihr Gruß,
Und kommen wird auch ein Homer,
Ein Schicksalswort zu singen schwer:
Der Tag wird kommen.

 


 


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