Rudolf Huch
Wilhelm Brinkmeyers Abenteuer
Rudolf Huch

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Das siebenundzwanzigste Kapitel

Wie ich endlich das wahre Glück fand, aber von dem rauhen Schicksal wieder verstoßen wurde

Angeekelt von dem Treiben der Welt, beschloß ich den Rest meiner Tage als Einsiedler zu verleben. Ich wählte einen Eichenwald im Oldenburgischen. Eine tausendjährige hohle Eiche diente mir zur Wohnung. Während der lieben Sommerzeit lebte ich von Heidelbeeren, im Winter setzten die Frommen im Lande während meiner asketischen Uebungen das wenige, dessen ich an leiblicher Nahrung bedurfte, still neben meine Klause.

Ich möchte mich aus Gründen der Bescheidenheit nicht weiter über diesen Teil meines Lebens verbreiten. Wer sich dafür interessiert, mag im Oldenburgischen Erkundigungen einziehen.

Das Schicksal riß mich leider aus dieser Beschaulichkeit wieder in den Strudel des Lebens hinein.

Als ich mich nämlich einmal, ganz in erbauliche Betrachtungen vertieft, in den Tiefen des Waldes verloren hatte, hörte ich eine zarte 429 Frauenstimme auf das rührendste um Hilfe rufen. Ohne Besinnen brach ich mir Bahn durch das Dickicht. Eine wunderschöne, goldblonde Dame in einem violetten Jagdkostüm, die allerdings zu meinem Leidwesen durch Sommersprossen arg entstellt wurde, lag vor neun bis an die Zähne bewaffneten Räubern auf den Knien und wurde von ihnen mit dem Tode bedroht, weil sie den Unmenschen immer noch nicht genug Perlen und Edelsteine gegeben hatte.

Ich ergriff ein da liegendes Buchenscheit, will aber den Leser nicht mit einer Beschreibung der Kunsthiebe und Finten ermüden, mit denen ich die neun Gurgelschneider in Schach hielt.

Da ich nun aber sah, daß der Räuberhauptmann hinter einem Baume eine Browningpistole hervorholte, von der man wohl des Knalles wegen nur im Notfalle Gebrauch machte, benutzt' ich die unwillkürlich entstehende Pause, zog meinen Platon aus der Tasche und las den Buschkleppern daraus vor, indem ich ex tempore aus dem Griechischen in ein schlicht volkstümliches Deutsch übersetzte.

Es dauerte nicht lange, da lagen die Räuber alle neun vor mir auf den Knien, gelobten Besserung und baten weinend, ich möchte meine Klause unter ihnen aufschlagen.

Ich verwies ihnen ihr verruchtes Handwerk und ermahnte sie, vor allem der Beraubten, die nicht wußte was sie sagen sollte, ihr Geschmeide zurückzugeben. Das taten sie mit solchem Eifer, daß die Dame nachher zu ihrer angenehmen 430 Ueberraschung Diamanten und Rubinen in ihrer Tasche fand, die ihr gar nicht gehörten.

Hierauf benutzte ich die gehobene Stimmung, der ich keine Dauer zutraute, bot der Dame den Arm und geleitete sie von dannen.

Sie war eine Gräfin aus dem Holsteinischen, die sich im Eifer der Jagd von ihrem Gefolge verloren hatte. Ich brachte sie auf den rechten Weg und schlug mich plötzlich seitwärts in die Büsche, um ihrem Danke zu entgehen.

In meine Klause zurückgekehrt, fand ich dennoch in meiner Rocktasche mehrere tausend Taler in Banknoten, die mir die Gräfin heimlich mußte in die Tasche praktiziert haben.

Da ich nun wußte, daß sich hier, unmittelbar vor der Stadt, in der ich leider heute noch wohne, ein Ziegeleibesitzer in Geldnot befand, mußte ich es als meine Christenpflicht ansehen, ihm das Geld gegen Hypothekbestellung zu leihen. Wie sich von selbst verstand, wurde meine Gutherzigkeit schlecht gelohnt. Der Mann wußte sich nicht aufzuraffen und geriet noch mehr in Schwierigkeiten, so daß ich gezwungen war, die Ziegelei in der Zwangsversteigerung zu erwerben. Mit welchem Erfolge ich das Werk dann betrieben habe, das wird der Leser im zweiten Teil dieser meiner Lebensbeschreibung erfahren.

Was die Räuber betrifft, so hat mich ihr Verhalten auf das Angenehmste überrascht. Die Reue hat nämlich so ausgiebig vorgehalten, daß sie stehenden Fußes in die Stadt gerannt sind und sich der Behörde überantwortet haben.

431 Auch vor dem Schwurgerichte haben sie es mit keiner Ableugnung oder Beschönigung versucht. Die Geschworenen, das Publikum, die Richter, die Polizisten und selber der Staatsanwalt haben sich der Tränen nicht erwehren können, als die gebesserten Sünder schluchzend in die Knie gesunken sind und sich unter beständigen Lobreden auf mich und den Platon reumütigst zu ihren Taten bekannt haben, worauf man sie denn alle neune enthauptet hat. 432

 


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