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17

Die nächsten zwei Tage verbrachte Hasse damit, seine alte Bekanntschaft mit der Riviera zu erneuern.

Er kletterte nach La Turbie hinauf, fuhr nach Nizza, Cannes und besuchte, obwohl ihm diese Art der Unterhaltung zuwider war, alle möglichen Vergnügungslokale. Er ließ sich im Sporting-Club aufnehmen, zog am Abend den Frack an und mischte sich dort unter die Gesellschaft. Es gab hier noch immer Bakkaratbanken, bei denen Hunderttausender-Chips auf den Tisch flogen. Es gab hier auch noch elegante Frauen, mit viel Schmuck, echtem und unechtem. Und Kavaliere gleichfalls, echte und unechte.

Hasse lernte.

Er hatte ein Buch aufgeschlagen, das ihm lange Zeit verschlossen geblieben war. Nun buchstabierte er darin. Er bildete sich. Er erzog sich. Nicht, weil er diese Art, zu leben, die früher die seinige gewesen war, wiederaufnehmen wollte. Aber er mußte Versäumtes nachholen; er konnte nicht immer den Zurückgebliebenen spielen ….

Von der Gesellschaft de Reux' sah er vorläufig nichts.

Erdöffy traf er ein-, zweimal im Kasino, sah ihm beim Spiel zu und erwarb sich seine Freundschaft dadurch, daß der Ungar jedesmal gewann, wenn er ihm über die Schulter schaute.

»Bringen Glück, Herr Hasse! Bitte schön – scheinen unter ganz besonders günstigem Stern geboren zu sein!«

»Ich habe für mich persönlich diese Erfahrung noch nicht gemacht«, erwiderte Hasse. »Aber was nicht ist, kann noch werden!«

»Das ist die richtige Weltanschauung!« lobte Erdöffy. »Soll man nie verzweifeln! Mir ist's im Leben – bitte, mit Vergebung gesagt! – schon so dreckig gegangen: Hab' ich nicht einmal Smoking gehabt! Leute hab' ich sogar drei Smokings – bitte recht schön! Hab' Geld ….« Er unterbrach sich und lachte. »Das heißt: Hab' ich mitunter auch keines! Mein lieber Herr Hasse: Das Leben von unsereinem geht eben hinauf und hinunter. Hauptsache ist, daß man bei stürmischem Seegang nicht ersäuft. Immer oben halten! Kopf über Wasser! Bitte recht schön: Hab' ich heute drei große Serien erwischt! Zweimal Schwarz und einmal Rot! Das Leben sieht gleich anders aus!«

Hasse ließ es sich angelegen sein, die Bekanntschaft Erdöffys zu pflegen. Eines Abends lud er ihn zum Souper ein und war am nächsten Mittag des Ungarn Gast zum Frühstück bei Ciro.

»Was treiben eigentlich hier, bitte recht schön?« erkundigte sich Erdöffy, während er mit Kennermiene den Bordeaux prüfte, den ihm der Kellner eingeschenkt hatte. »Monte Carlo ist nicht Platz, um allein zu sein. Eremiten und Säulenheilige sind hier deplaciert!«

»Sehe ich aus wie ein Säulenheiliger? Ich habe auch nicht den Ehrgeiz, ein solcher zu sein. Leider sind meine Bekanntschaften sehr gering.«

»Bitte recht schön: Ein Mangel, dem sofort abgeholfen werden kann! Ich kenne sehr gut Herrn de Reux. Kann ruhig sagen: Bin befreundet mit ihm. Ich glaube, wenn ich gutes Wort bei ihm einlege, würde er Sie gern als Gast bei sich begrüßen ….«

Hasse spielte den Ueberraschten. »Mich als Gast begrüßen? Ja, wie käme er den dazu? Die zwei Stunden, die wir im Café zusammengesessen haben – –«

»Aber bitte recht schön, Herr Hasse! Ist Ihnen nicht bekannt, daß Herr de Reux auf seiner großen Besitzung Gäste bei sich sieht? Allerdings –«

Ein etwas verlegenes Achselzucken leitete die Erklärung ein. »Allerdings Gäste, die bezahlen und – muß ich gleich hinzusetzen – die gut bezahlen. Allererstklassig, bitte recht schön! Wahres Paradies! Schönste Frauen der Welt – und bitte: Frauen kosten dort nichts, gar nichts …. Man lernt sich kennen – wohnt unterm selben Dache ….« Erdöffy gab sich diskret abgetönter Heiterkeit hin und schmunzelte seinen Tischgenossen aufmunternd an. »Nun, wie wär's?«

»Ich denke«, erwiderte Hasse, scheinbar aufs höchste interessiert, »daß Herr de Reux – wenigstens hab' ich den Eindruck von ihm – seine Gäste nicht nur nach dem Geldstandpunkt beurteilt. Ich glaube sogar, er mag äußerst wählerisch bei seiner Aussiebung sein. Und ich möchte nicht gern einen Korb erhalten ….«

»Aber: Korb erhalten? Ich bitte recht schön, Herr Hasse! Wenn ich empfehle – ich! Ladislaus Baron Erdöffy! Bitte –!« Er stockte. Er war drauf und dran gewesen, alle seine Adelsprädikate aufzuzählen: Erzkämmerer, Herr von Soundso und Soundso – Rittmeister im k. u. k. Husarenregiment Nr. 5 …. Aber so etwas wie Schamgefühl hatte er noch immer im Leibe. »Ich bin alter Freund von Herrn de Reux«, schloß er. »Mein Wort gilt bei ihm!«

Robert Hasse Zweifel schienen besänftigt. »Wenn das so ist, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich bei Herrn de Reux empfehlen würden!«


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