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Eugen Sprauhn hatte mit seiner Vermutung recht gehabt: Madame Durand war von ihm weg zu de Reux gerannt. Sie durfte es sonst nie wagen, die Grenze der Taxushecke zu überschreiten, aber – –
»Er ist zurück! Er hat mit ihr gesprochen! Er weiß alles!« hatte sie durch das Telephon geschrien.
»Alles?« De Reux schwieg einen Augenblick und dachte nach.
»Ich muß dich sofort sprechen! Kann ich hinüberkommen?«
»Meinetwegen!«
Jetzt stand sie vor ihm in seinem eleganten Herrenzimmer in der kleinen Villa. Hier gab es keine Paying Guests – hier wohnte ein Grandseigneur, für den gerade das Beste gut genug war.
Ohne Atem, ohne Pause stieß sie ihre Angst, ihr Entsetzen hervor. »Er geht noch einmal zum Gericht! Wir werden aussagen müssen!«
De Reux hörte sie an, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen. Er trug einen neuen Sakkoanzug modernsten Schnitts. Ab und zu blickte er in den venezianischen Spiegel hinüber, der an der Wand neben dem Fenster hing, und rückte sich die Krawatte zurecht.
Madame Durand war fertig. Keuchend, schnaubend lehnte sie sich an den Schreibtisch und starrte ihn an. »Was willst du machen?«
Er zuckte die Achseln. »Er wird sich hüten, vor Gericht zu gehen. Ich weiß nicht, was ihm das Weibsstück gesagt hat, aber – –«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Sie wird ihm alles gesagt haben! Ich fühle es! Er weiß – –«
»Alles?«
Sie legte die Hand an die Kehle. »Vielleicht …. Wer kann das wissen? Er ist ein Teufel! Ich habe immer Angst vor ihm gehabt. Er war immer viel gefährlicher als sein Bruder. Du bildest dir ein, du seist allen Menschen überlegen. Vielleicht bist du es auch. Aber ihm –? Nimm dich in acht! Nimm dich in acht!«
Bei de Reux gab es nur große Linien – auch in der Eitelkeit. Daß er diesem Manne, den er ins Zuchthaus geschickt hatte, nicht gewachsen sein sollte – Majestätsverbrechen! »Ich werde dir zeigen, ob ich ihm gewachsen bin!« sagte er. »Er wird zu mir kommen. Ich werde ihn mir anhören ….«
Sie schob sich um den Tisch herum zu ihm. Alle Angst und Scheu waren von ihr gewichen. Sie war dümmer als er, weniger verschlagen, aber sie hatte den Witterungsinstinkt der Frau. »Es ist zu Ende, sage ich dir! Er sprengt unser Haus in die Luft! Dich und mich mit! Warum noch warten? Du hast ja Geld genug gemacht. Du bist reich. In Paris, in London – überall hast du Geld liegen. Wozu hier noch warten?«
»Davonlaufen?« Wieder glitt sein Blick zum Spiegel hin.
»Laß mich aus mit dem dummen Stolz! Nachher wird es zu spät sein …. Laß hier alles! Das Haus drüben, die Menschen hier – das Mädel …. Was willst du von der Gans?« Sie zischte ihm den Haß, den sie gegen Lisa von Sprauhn und deren Tochter ihr Leben lang mit sich herumschleppte, ins Gesicht.
Er schob sie mit dem Arm beiseite.
Aber sie war jetzt in einer Gemütsverfassung, in der sie sich nicht mehr beiseiteschieben ließ. Sie forderte ihr Recht.
»Du –! Ich sage dir: Wenn es zu spät wird – –«
Er stand auf, knöpfte den Rock zu, knöpfte ihn wieder auf und besah sich die Bügelfalten der Hose. Davonlaufen? Alles hier aufgeben? Eigentlich – – wie lange noch? Irgendeinmal mußte ja doch der Tropfen über den Rand laufen …. Plötzlich zuckte er auf. »Pst –!« Er legte den Finger an den Mund und stahl sich auf den Zehenspitzen zur Tür, riß sie auf – –
Da lehnte Valerie und hatte ihren Hund im Arm, dem sie die Schnauze zuhielt …. Einen Herzschlag lang standen sie und de Reux einander wortlos gegenüber.