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Der Gasthof war mit Reisenden angefüllt; die Leute rannten hin und her, ohne zu wissen, wem sie Rede stehen sollten. Müller und seine Begleiter kostete es alle Mühe, bis zum Wirthe durchzudringen: endlich trafen sie ihn.
»Herr Wirth,« redete Müller ihn an, »gebt uns schnell Zimmer mit Betten und ein Nachtessen. – He ... Herr ... Hu ... Hus ... Husar ... es ge ... ge ... es ge ... geschähe mit vie ... mit viel ... Ver ... Vergnü ... gnü ... gen, aber es ... – Nun was denn? bemüht Euch, deutlicher zu sprechen. – I ... ich, ich habe nur ei ... ein sehr schö ... schönes mit einem Be ... Bett. – Nun, das soll ja der Teufel holen! ...« sagte Müller, »was machen wir da?« Pauline war indeß zu ermüdet, um weiter zu reisen; Müller bat sie daher, das noch übrige Zimmer zu nehmen, in der Hoffnung, er und Frank würden schon irgendwo eine Schlafstelle finden, und wäre es auch auf einem Dachboden.
Er gab dem Wirth ein Zeichen, sie in das fragliche Zimmer zu führen, denn er wollte es vermeiden, mit ihm zu sprechen, so sehr ärgerte ihn sein Stottern.
Pauline ward in ein hübsches Gemach geführt, dessen Fenster auf die Straße gingen, und da sie nichts genießen mochte, wünschte sie Müller'n gute Nacht, mit dem Bedeuten, er solle morgen früh kommen und sie zur Reise abholen.
Müller und Frank hatten keine Lust, ohne Nachtessen sich niederzulegen, deßhalb fragten sie den Wirth, wo sie am schnellsten bedient sein würden. »We ... wenn ... die Herren a ... a ... an ... die ... die ... – Bomben und Granaten! werdet Ihr's einmal herausbringen? ... – A ... A ... An ... die ... die Ta ... – Zum Teufel mit dem verdammten Stotterer mit seinen A, A, A, Die, Die, Die, Ta, Ta, Ta, und We, We, We; potz Schwerenoth! ich glaube, er belustigt sich damit, uns die Psalmen des Königs David vorzuabecediren! ... – Je ungeduldiger Ihr werdet, Herr, um so weniger bringt er heraus,« sagte Frank. – »Das ist sehr erfreulich! so nimm Du ihm eine Erklärung ab, denn mich wandelt die Lust an, ihm die Zunge mit Säbelhieben zu lösen.«
Frank war geschickter als Müller, der Wirth führte sie zur Table d'hôte, wo man zu Nacht speiste. »Nun zu Nacht an die Table d'hôte gesessen, nachher wollen wir an die Betten denken.« Das Zimmer der Abendtafel war stark besetzt; beim Eintreten bemerkte Müller indeß, daß ein Mann eiligst von der Tafel aufstand, sein Schnupftuch vor's Gesicht hielt und aus dem Zimmer ging; unser Husar gab wenig darauf Acht und setzte sich an dessen Stelle.
Müller und Frank saßen eine Weile ruhig bei ihrem Essen, kümmerten sich wenig um die übrigen Reisenden, die zusammen schwatzten, als zwei wie Fuhrleute gekleidete Männer ins Gemach traten und Müller und seinem Gefährten gegenüber Platz nahmen.
Nicht lange, so entspann sich ein Gespräch zwischen ihnen und den Neuangekommenen; diese schienen Lebemänner zu sein, tranken tüchtig und schwatzten viel. Sie brachten Müller auf das Kapitel von seinen Schlachten, und wenn derselbe einmal im Zuge war, hörte er nicht so bald wieder auf; sein Kopf erhitzte sich und er glaubte sich noch mitten im Tumult des Gefechtes. Die beiden Reisenden schienen seiner Erzählung viel Aufmerksamkeit zu schenken und munterten ihn auf, fortzufahren; während des Redens ward wacker gezecht und das Gespräch zog sich dergestalt in die Länge, daß Müller die Nacht vielleicht unter dem Tische zugebracht hätte, wenn er nicht Frank schon schnarchend neben sich gefunden hätte.
»Jetzt zu Bette,« rief er, vom Tische aufstehend. Er wankte ein wenig, doch konnte er sich noch aufrecht erhalten. Die beiden Wanderer riefen den Wirth und gaben sich viele Mühe, für Müller und seinen Gefährten ein Zimmer zu finden. Zum Dank klopfte ihnen unser Husar freundschaftlich auf die Schultern und schwur, sie seien gute Kerls.
Durch die Sorgfalt der beiden Unbekannten ward ihnen wirklich ein Zimmerchen zu Theil, freilich nur in den Mansarden, aber sie hätten auf der Bühne geschlafen ... Man geleitete sie hinauf und bald schnarchten sie in harmonischem Verein.
Eben schlug es zehn Uhr, als Müller am andern Tage erwachte. »Donnerwetter!« rief er, »das ist eine saubere Aufführung! ... Aber mir fällt auch ein, daß wir gestern Nacht mit zwei Teufelskerls tranken, wie die Tempelritter. Tausend Bomben! die verlorene Zeit muß eingebracht werden!«
Damit rüttelte er Frank, der noch immer schlief, und beide kleideten sich eiligst an. »Ich bin gewiß,« sprach Müller, »Fräulein Pauline wartet schon mehr als zwei Stunden auf uns! Wir wollen uns sputen, damit sie nicht länger in Ungeduld ist.«
In großen Sätzen war er die Treppe hinab und vor dem Zimmer, wo Pauline geschlafen. Er klopft mehrmals, keine Antwort. »Sie war des Wartens überdrüssig und geht ohne Zweifel im Garten spazieren,« dachte Müller; schnell begibt er sich durch den Hof nach dem Garten. Auf dem Wege trifft er den Wirth, der ihn anhält: »Wo .. wo .. geht, geht der Herr hin? – Zum Henker, ich suche die junge Dame, die in diesem Flügel da schlief, und nicht mehr in ihrem Zimmer ist; wahrscheinlich ging sie in den Garten. – Du.. Durch.. Durchaus nicht; der Herr weiß wohl, daß .. daß sie abgereist ist. – Was, abgereist! ... nein, dreifaches Donnerwetter! das weiß ich nicht; aber das kann nicht sein, sagt, wann? wie? mit wem? – So .. so .. so eben! – Ist's möglich? – Mit einem Mann, we ... we ... we ... we ... – Geht zum Teufel mit Eurem We, We, We,« schrie Müller, außer sich vor Wuth, und stößt den Wirth unsanft von sich, der mit dem Hintertheil auf einen großen Hofhund fällt, welcher, durch diesen unverhofften Angriff erschreckt, den Ruhestörer in sein Sitzleder beißt.
Müller zweifelt nicht, daß dahinter etwas Besonderes stecken müsse, und entschließt sich, schnell Paulinen nachzusetzen. »Welchen Weg hat sie eingeschlagen?« fragte er ein junges, vor der Thüre sitzendes Dienstmädchen. – »Die Straße nach Lüneville, Herr.« Unser Husar springt unverweilt auf das erste ihm unter die Hand fallende Pferd und jagt spornstreichs auf der Straße nach Lüneville davon.
»Sie ist so eben erst abgereist, hat man mich versichert,« sprach Müller bei sich selbst, »also kann sie noch nicht sehr weit sein: ich hätte auf Frank warten, ihn unterrichten sollen! ... aber der vermaledeite Wirth hat mich auch so sehr geärgert!«
Während dieser Betrachtungen kam es ihm vor, als höre er Geschrei in einiger Entfernung; er eilt auf den Ort zu, woher es kam, und erblickt einen stillstehenden Reisewagen: »Wir wollen einmal sehen, ob es ist, was ich suche.« Alsbald spornt er sein Pferd zu höchster Eile; er kommt näher und erkennt eine Frau, die aus dem Wagen springen will, aber durch einen Mann daran verhindert wird. Diese Frau ist Pauline, und in dem Mann erkennt Müller einen von Denen, welche ihm am vorigen Abend mit so vielem Vergnügen zuhörten. »Ha! zweifacher Verräther! Du sollst mir's bezahlen,« rief unser Husar und sprengte auf denselben los. Aber wie kommt's, daß der Wagen hält? das muß seinen Grund haben.« Degengeklirr lenkt Müllers Blicke auf eine andere Seite, und er sieht zwei Männer in hitzigem Kampfe mit einander. »Gut,« spricht er, »einer davon ist der Vertheidiger Paulinens!« Aber unser Husar ist in Verlegenheit, er weiß nicht, wohin er sich wenden soll; endlich denkt er, er müsse zuerst Denjenigen retten, der sein Leben zu Paulinens Schutz einsetzte. Er eilt daher auf die Fechtenden zu... Aber, o neue Ueberraschung! der Eine ist Herr von Monterranville, dem er schon lange gern den Garaus gemacht hätte, und der Andere, o unverhofftes Glück! sein theurer Heinrich, nach dem er schon so lange seufzte!
Durch welchen Zufall befand er sich da und zu so gelegener Zeit, um die Entführung seiner Pauline durch einen Bösewicht zu verhindern, der sie verderben wollte? das wollen wir dem Leser im folgenden Kapitel mittheilen; dazu aber müssen wir zu dem Augenblick zurückgehen, wo sich unser Held so plötzlich vom Schloß entfernte.