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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Glückliches Zusammentreffen.

»Ha! ha! ... Galgenschwengel!« schrie Müller, auf die Kämpfenden zueilend, »Du wagst, Dich mit meinem Zöglinge zu messen! Warte, warte, wir wollen Dir zeigen, ob unsere Klingen scharf sind.«

Aber er kam zu spät, um noch das Vergnügen zu haben, selbst drein zu schlagen, denn während er sprach, erhielt Herr von Monterranville von Heinrich einen Degenstich, der ihn zu den Füßen unseres Husaren niederstreckte.

»Bravo! bravo! lieber Heinrich,« sagte Müller, seinem Zöglinge um den Hals fallend; »nun sind Sie meiner ganz würdig, denn der Schurke focht wie ein Rasender. Aber da sehe ich noch Einen das Hasenpanier ergreifen. Ah! der ist für mich.«

Mit diesen Worten galoppirt Müller dem Fliehenden nach, demselben, der Pauline während des Kampfes bewacht hatte, aber durchgegangen war, sobald er seinen Herrn niedergestreckt sah. Da er einen starken Vorsprung hatte, wäre er ihm entkommen, hätte nicht unser Husar in der Ferne eine Postchaise von der Seite heranrollen sehen, auf welche der Fliehende zusprang. »Versperret ihm den Weg! Haltet den Schurken fest! ...« schrie Müller sogleich. Sei es, daß man ihn verstand oder daß man errieth, was er sagen wollte, der Wagen hielt, zwei Männer steigen aus und versperren dem Flüchtling den Weg. Er ist bald gepackt: Müller geht auf die Reisenden zu, ihnen seinen Dank abzustatten und wirft sich dem Oberst Framberg und seinem Freunde, denn diese waren es, an die Brust.

Der Oberst und d'Ormeville, überrascht durch dieses seltsame Zusammentreffen, richten tausend Fragen an ihn. »Kommt,« sprach er, »folget mir, Ihr werdet sie sehen und saubere Geschichten über den Schurken von Monterranville hören! ... doch wollen wir den da nicht entkommen lassen! ... Von ihm wollen wir alle Umstände der Entführung vernehmen.«

Die beiden Freunde verstehen nichts von dem Allem, folgen aber Müller'n nichtsdestoweniger auf den Kampfplatz, wo Heinrich den Schrecken seiner geliebten Pauline stillte. Der arme Heinrich war außer sich vor Freude; ein Wort von ihr war hinreichend gewesen, ihn glücklich zu machen; sich ihm in die Arme werfend, hatte sie gesagt: »Du bist nicht mein Bruder!«

»Sieh, da ist Dein Vater,« sprach sie, als sie d'Ormeville erkannte. – »War's möglich? großer Gott! ... Sie sind's ...« Und schon lag Heinrich in den Armen des Urhebers seiner Tage.

Die allgemeine Freude grenzt bis an den Wahnsinn; der Oberst, d'Ormeville, Heinrich, Pauline, Müller herzen einander: nun sind sie vereinigt! Sie dürfen sich also lieben, es ist kein Verbrechen mehr, nach so vielem Kummer, so vielen Widerwärtigkeiten! Ihr gebeugtes Gemüth vermag dieses Uebermaß von Glück kaum zu ertragen, und Thränen der Rührung füllen ihre Augen.

»Ah! ... tausend Millionen Patronen, wir sind Sieger!« rief Müller, indem er seinen Tschako hoch in die Lüfte warf, aber nicht ohne Mühe, denn der Platz hat sich lange gehalten.«

Als sich die ersten Ausbrüche der Freude etwas gelegt hatten, dachte man an die Weiterreise nach Schloß Framberg; doch ein klägliches Stöhnen erregte ihre Aufmerksamkeit: sie erblickten den Herrn von Monterranville, der noch athmete und durch Zeichen bedeutete, man möchte ihm zu Hülfe kommen.

»Man darf diesen Menschen nicht liegen lassen,« sagte der Oberst; »seine Geständnisse können uns von großem Nutzen sein und uns endlich über das Herkommen unserer geliebten Pauline in's Klare setzen.«

Alles stimmte dem Oberst bei, und man verfügte sich zu dem Verwundeten. »Ich fühle,« sprach er, »daß ich nur noch wenige Augenblicke zu leben habe; da aber meine Erklärungen die Vermögensverhältnisse dieses jungen, vielfältig von mir verfolgten Frauenzimmers begründen werden, so führet mich an den nächsten Ort, und dort will ich Euch vor dem Notar die Geschichte meines jämmerlichen Lebens erzählen, wenn mir noch die Kraft dazu bleibt.« Man that, was der Sterbende begehrte; Müller und Frank fertigten eine Tragbahre, auf welche man ihn legte. Der Postillon war todt und wurde auf dem Platz gelassen, bis die Gerechtigkeit selbst an Ort und Stelle Untersuchung anstellte; den andern Spießgesellen des Verwundeten führte man mit sich nach Blamont, von wo man nicht sehr entfernt war.

In der Herberge angelangt, ließ der Oberst einen Arzt, einen Notar und Zeugen kommen. Der Arzt erklärte nach Besichtigung der Wunde des Herrn von Monterranville, daß derselbe nur noch wenige Augenblicke zu leben habe, und daß man diese benützen müsse, wenn man seiner Aussagen bedürfe. Alles versammelte sich sogleich im Zimmer des Kranken, der nicht ohne Mühe folgende Erzählung lieferte:

Geschichte des Herrn von Monterranville.

»Jetzt, wo der Tod über meinem Haupte schwebt, wo mein Wesen seiner Auflösung nahe ist, schaudere ich zurück, wenn ich mir all die Verbrechen wieder vorführe, zu welchen Neid und Habgier mich antrieben! ... Die Binde vor meinen Augen ist gefallen! ... Gewissensbisse zerfleischen mein Inneres! ... und ich vermag mir keine Täuschung mehr zu machen! ... Ach! ... wie schrecklich sind sie, die letzten Augenblicke des Verbrechers! ... kein Trost bleibt ihm mehr! ... Die Welt, von der er scheidet, blickt ihm mit Abscheu nach! ... und kein Andenken an eine gute That mildert seine Qual.

»O Du interessantes Weib, das ich seit seiner Kindheit verfolge! ... wie sehr wirst Du erröthen, wenn Du in dem Elenden, den Du vor Dir hast, Deinen Oheim erkennst! ...«

»Meinen Oheim! ...« rief Pauline überrascht. – »Ihr Oheim!« wiederholen alle Anwesenden. Der Verwundete winkte, man möchte auf ihn hören, und fuhr folgendermaßen fort:

»Mein wahrer Name ist Drogluski; ich bin in Smolensk geboren; der Palatin, mein Vater, war unermeßlich reich und hatte keine andern Kinder, als mich und meine Schwester, die zwei Jahre jünger war.

»Von meiner zartesten Kindheit an nährte ich den tätlichsten Haß gegen diese Schwester, weil ich voraussah, daß ich das reiche Erbe unseres Vaters, dessen alleinigen Besitz mich meine Habgierde wünschen ließ, mit ihr werde theilen müssen.

»Das Unglück wollte, daß ich einen gewissen Stoffar in meine Dienste nahm, den niederträchtigsten Bösewicht, den je die Erde getragen. Da er meinen Haß gegen meine Schwester gewahrte, schmeichelte er meinen Leidenschaften, wußte mein Zutrauen zu gewinnen und ward bald mein innigster Vertrauter.

»Belliska, meine Schwester, war täglich der Gegenstand meines Neides und meiner Bosheit; ohne Klage ertrug sie alle meine Quälereien und Plagen. Allein sei es, daß mein Vater darum wußte, sei es, daß er meinen heimtückischen Charakter durchschaute, er schrieb mir ein Drittel seiner Güter zu, gab das Uebrige meiner Schwester und befahl mir, die Gegend zu verlassen, die er bewohnte.

»Wuth im Herzen, Rache brütend entfernte ich mich und kaufte unfern Wilna ein kleines, einsam stehendes Schloß, wohin ich mich mit Stoffar zurückzog, um ungehindert über die Mittel nachzusinnen, wie ich die Verabscheute verderben könne.

»Ungefähr ein Jahr war ich in diesem Schloß, als ich den Tod meines Vaters vernahm. Weit entfernt, mich über diese Nachricht zu betrüben, vermehrte solche nur meinen Haß für Belliska und bestärkte mich in meinen Racheplanen. Sie war damals eine der reichsten Erbinnen Rußlands und ihr Vermögen der Gegenstand all meiner Hoffnungen, denn das mir Zugefallene hatte ich schon größtenteils verpraßt.

»Während ich mit Stoffar über die Maßregeln berieth, die wir ergreifen sollten, vermählte sich meine Schwester mit einem jungen, russischen Offizier, den sie liebte. Diese Nachricht verdoppelte meine Verzweiflung. »»Wir haben zu lange gezögert, gnädiger Herr,«« sprach Stoffar, »»jetzt müssen Sie handeln und meinem Rathe folgen. Begeben Sie sich zuerst zu Ihrer Schwester, stellen Sie sich, als hätten Sie die obgewalteten Zwistigkeiten vergessen und bezeigen Sie ihr die zarteste Freundschaft.«

»Ich befolgte diesen Rath, ohne gerade zu wissen, welches sein Plan war. Meine stets gütige Schwester empfing mich mit offenen Armen und stellte mir ihren Gatten vor, der mich gleichfalls aufs Schmeichelhafteste aufnahm. Sie luden mich ein, einige Zeit bei ihnen zu bleiben; ich sagte zu.

»Bald wurden indeß unsere Plane noch weiter durchkreuzt durch die Geburt eines Töchterchens, welchem meine Schwester das Leben gab und den Namen Gliska beilegte. Du warst es, unglückliche Pauline! ... und mit Deinem Eintritt in die Welt schwur ich Dir unerbittlichen Haß.

»Der Zufall, der meine Plane zu begünstigen schien, wollte, daß der Graf Benjowski, Dein Vater, zur Armee berufen wurde, um an der Spitze seines Regiments gegen die Schweden zu kämpfen. Mit bitteren Thränen schied meine Schwester von ihrem Gemahl, der mich aufforderte, sie während seiner Abwesenheit nicht zu verlassen und ihr Beschützer zu sein. Ich versprach's ... Ach! er wußte nicht, welchem Ungeheuer er sein Theuerstes vertraute!

»Der Unstern, der über Belliska waltete, ließ ihren Gatten im ersten Treffen getödtet werden. Die Nachricht hievon erfüllte mich mit Freude; ich sah mich dadurch eines Hindernisses zu meinem Glück entledigt; ich war es müde, eine Freundschaft für meine Schwester zu heucheln, die meinem Herzen so ferne lag; überdies wollte ich ihrer Reichthümer genießen, und Stoffard sagte, es sei nun Zeit zu handeln.

»Jetzt werdet ihr vor Abscheu zurückschaudern! ... Doch ich kann das Bekenntniß einer fürchterlichen Schandthat nicht langer verschieben. Vernehmet also, daß ein vergifteter Trank mich für immer von der Verhaßten befreite ... Ihr schaudert? ... Hört mich zu Ende!

»Um jedem Verdacht auszuweichen, trug ich Sorge, nur ein langsam wirkendes Gift zu nehmen. Mein Opfer schleppte sich daher gegen sechs Monate herum, ehe es starb. Während dieser Zeit verdoppelte ich meine Aufmerksamkeiten gegen sie, um ihr Vertrauen desto besser zu gewinnen.

»Als meine Schwester ihr Ende herannahen fühlte, hegte sie die Ueberzeugung, daß der Gram über den Tod ihres Gatten sie ins Grab führe. Sie beschied mich an ihr Sterbebett, empfahl mit ihre Tochter, ernannte mich zu deren Vormund und starb, ohne geahnt zu haben, daß ihr Bruder ihr Mörder sei.

»Nun hinderte mich also nur noch das Dasein der kleinen Eliska, die Reichthümer meiner Schwester zu erben. Ich nahm sie mit mir in mein einsames Schloß, um dort über ihr Schicksal zu beschließen. Stoffar rieth mir, sie umzubringen; aber durch ein Uebermaß von Vorsicht, das mir unheilbringend ward, wollte ich irgend einen unglücklichen Fremdling, dessen Schwatzhaftigkeit wir nicht leicht zu fürchten hätten, mit diesem neuen Verbrechen belasten.

»Sie erinnern sich, mein Herr,« sagte Drogluski, sich an d'Ormeville wendend, »wie Stoffar Sie entdeckte und Sie für passend zur Ausführung unseres Vorhabens erachtete. Wir wußten, daß Sie in österreichischen Diensten standen, wir hielten Sie für einen Oesterreicher. Bei meiner Absicht, nach Frankreich auszuwandern, fürchtete ich nicht, Sie je wieder zu treffen; zudem sahen Sie mich bei Ueberlieferung des Kindes nur maskirt.

»Nachdem die Sache einmal abgemacht war, gab ich meine Nichte für todt aus und nahm die ganze Erbschaft meiner Schwester in Besitz. Mein sehnlichster Wunsch war, ein Land zu verlassen, das mir all meine Missethaten ins Gedächtniß zurückrief: ich veräußerte daher schnell meine Güter und ging mit Stoffar nach Frankreich.

»Unweit Straßburg kaufte ich das kleine Häuschen, das ihr kennt; seine vereinzelte Lage sagte mir zu, und ich zog mich auf einige Zeit dahin zurück, wenn ich mich an den Vergnügungen und Ausschweifungen übersättigt hatte, denen ich mich in Paris mit meinem würdigen Vertrauten unaufhörlich hingab.

»Jetzt habe ich euch nur noch die Begebenheiten zu erzählen, an denen ihr Theil nahmet. Eines Tages erkannte Stoffar zu Straßburg in Herrn d'Ormeville Denjenigen, dem wir das Kind meiner Schwester anvertraut hatten. »»Den müssen wir uns vom Halse schaffen,«« sagte er alsbald zu mir; »»denn er könnte mich früher oder später treffen und erkennen, dann wäre ich verloren.«« Vor dieser neuen Schandthat bebte ich zurück; aber ich fürchtete Stoffar zu sehr, um ihm zu widerstehen, und Ihr Tod ward beschlossen.

»Der Himmel ließ indeß die Vollstreckung dieses Verbrechens nicht zu; Sie wurden durch den jungen Mann, den Sie Sohn nennen, gerettet, und Stoffar blieb auf dem Platze. Ich aber flüchtete mich in meine Wohnung, ziemlich vergnügt, ich gestehe es, meinen Spießgesellen los geworden zu sein.

»Mehrere Monate nach dieser Begebenheit kamen Sie, mein Herr,« sprach er zu Heinrich, »in mein Haus, um den Herrn Oberst abzuholen. Ihre Verwirrung, Ihre Aufregung bei meinem Anblick entgingen mir nicht; ich stellte mir vor, Sie werden mich kennen, und ich lauschte Ihrem Gespräch mit jenem tapfern Husaren zu, um meine Vermuthungen zu bestätigen. Kaum hatte ich euch gehört, als ich den Kopf verlor und mitten in der Nacht die Flucht ergriff. »Als ich von meinem Schrecken wieder etwas zu mir gekommen war, beschloß ich zu erforschen, was Sie thun und ob Sie mir zu schaden suchen. Demzufolge verkleidete ich mich als Bauer und folgte Ihnen auf Ihrer Reise mit Ihrem Freunde Müller.

»Sie begaben sich ins Schloß Framberg und ich hielt mich in der Umgegend auf; bald erfuhr ich Ihre Liebe zu Derjenigen, die Sie für Ihre Schwester hielten, und als ich hörte, daß der Vater der jungen Person den Namen Christiern geführt, Offizier sei und sie aus Rußland mitgebracht habe, da zweifelte ich nicht mehr, es sei meine Nichte.

»Von nun an wurdest Du, Pauline, der Gegenstand meiner ganzen Aufmerksamkeit, und ich schwur. Dich in meine Gewalt zu bekommen, da ich zu sehr fürchtete, daß, wenn Du Deinen Beschützer wieder fändest, es ihm gelingen möchte, mich zu verderben.

»Durch vieles Gold hatte ich zwei Elende für meine Absichten gewonnen, aber es war nicht leicht, Dich vom Schlosse zu entführen; ich war indeß auf dem Punkte, als Du mit Müller und Frank abreistest.

»Ich folgte euch auf dem Fuße, aber erst in diesem Gasthof fand ich Gelegenheit zu Ausführung meines Planes. Meine beiden Vertrauten übernahmen es, Deine Gefährten, welche unser Unternehmen vereiteln konnten, betrunken zu machen.«

»Ha! die Schurken!« fiel Müller ein. »Wer hätte das gedacht? ...«

»Am andern Morgen klopfte der eine von ihnen an Deiner Thüre; es war schon spät und Du wartetest schon lange auf Deine Reisegefährten: er sagte Dir, sie hätten den etwas beschädigten Wagen repariren lassen und erwarten Dich einige Schritte von da. Du glaubtest es und ließest Dich in die gelegte Falle führen, wodurch Alles gelungen wäre, wenn Dir der Himmel nicht, meiner Verbrechen müde, Befreier zugesandt hätte!«


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