Artur Landsberger
Liebe und Bananen
Artur Landsberger

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Dreizehntes Kapitel.

Komteß Olga legte sich nach dieser Nacht zu einer Zeit schlafen, zu der sie für gewöhnlich aufzustehen pflegte. Dabei schlief sie immer bis tief in den Tag hinein. Als die Zofe sie mit der Meldung weckte:

»Ein Herr von der Polizei wünscht die Gräfin zu sprechen,« erwiderte sie:

»Er soll am Tage wiederkommen.«

»Es ist drei Uhr nachmittags.«

»Warum lassen Sie mich so lange schlafen?«

»Frau Gräfin haben sich erst um ein Uhr hingelegt.«

»Wo war ich solange?«

»Das weiß ich nicht. Aber wenn das Mittagsblatt sich nicht irrt« – sie reichte Komteß Olga eine Zeitung.

»Mein Bild? Wie kommt das hinein? – Was steht dadrunter? »Komteß Olga von Tschochenska, die bekannte Filmschauspielerin, die im Zusammenhang mit dem nächtlichen Bolschewistenputsch genannt wird.« – Das ist ja Wahnsinn! Erstens bin ich keine Filmdiva und dann, mit den Bolschewisten will ich nichts zu tun haben.«

Sie sah nicht, daß der Kommissar bereits im Zimmer stand.

»Der Ausschnitt aus einer Blitzlichtaufnahme von heute Nacht,« erklärte der Kommissar. »Hier ist das Gruppenbild, Sie werden nicht die Stirn haben, zu leugnen . . .« – er trat mit einer Photographie in der Hand an Olgas Bett.

»Hinaus!« rief sie. »Was sind das für Manieren?«

»Ich bin in Ausübung meines Berufes hier.«

»Ein Mann ist zunächst mal ein Mann! Und für die Ausübung Ihres Berufes suchen Sie sich gefälligst einen anderen Ort aus als mein Bett.«

»Da Sie Ausländerin sind, so liegt Fluchtverdacht vor.«

»Sie scheinen nicht zu wissen, daß ich im Besitz eines Scheckbuchs des Amerikaners Albert Stein-Brück auf die Deutsche Bank bin – also ein Trottel wäre, wenn ich ins Ausland ginge.«

»Dies Scheckbuch verstärkt nur den Verdacht. Zu welchem Zwecke halten Sie sich in Berlin auf?«

»Das werde ich Ihnen nicht auf die Nase binden.«

»Sie müssen antworten.«

»Damit es zwei Stunden später in den Abendblättern steht. – Ich denke nicht daran!«

»Mister Stein-Brück hat bereits ein Geständnis abgelegt.«

»Das ist eine Niedertracht von ihm! Mich so zu kompromittieren! Die Idee ging von ihm aus!«

»Aha! Sehr interessant!«

»Was gehen Sie meine Privatangelegenheiten an? Oder braucht man in Deutschland, um zu heiraten, die Erlaubnis der Polizei?«

»Wen wollen Sie heiraten?«

»Ich denke, er hat es Ihnen gesagt, daß er mich mit seinem Freunde, dem Asienflieger – aber, was geht das Sie an? Sie lachen mich aus! Ich rede kein Wort mehr!« – Sie wandte sich im Bett um und drehte ihm den Rücken zu.

»Sie werden zugeben, daß eine Gräfin, die über das Scheckbuch eines amerikanischen Millionärs verfügt, nicht mit einem Kellner und mit einem Mannequin zusammen soupiert – es sei denn, daß Sie ihn durch Geld zu Handlungen verleiten will, die ungesetzlich sind.«

»Lassen Sie mich endlich schlafen!«

»Der Mann auf dem Zeitungsbilde hier neben Ihnen und dem Amerikaner ist der Kellner Curt Dubois aus dem Hotelrestaurant Adlon.«

»Glauben Sie, daß Sie mir damit eine Neuigkeit sagen?«

»Wie kommen Sie zu solchem Verkehr?«

»Frage ich Sie, mit wem Sie umgehen?«

»Ich habe ein Recht dazu.«

»Nein!«

»Ja!«

»Nein!!« schrie die Komteß wütend und warf die Kopfkissen, die Nachttischlampe und die Weckuhr nach dem Beamten. »Jetzt ist's genug!«

»Das werden Sie zu verantworten haben. – Der Kellner ist seit gestern Abend spurlos aus dem Hotel Unter den Linden verschwunden. Vermutlich mit Ihrer finanziellen Unterstützung. Nach dem jungen Mädchen hier« – er hatte die Photographie noch immer in der Hand – »fahnden wir noch.«

»Die gehört doch in den Obstladen.«

»Aha! Sehen Sie einmal an, wie Sie Bescheid wissen. Da haben Sie sich verraten! Also eine Gräfin, die mit ihrer Zofe ein Appartement von drei Zimmern im Hotel Adlon bewohnt und die Nächte in einem Obstladen in der Lothringer Straße verbringt. In einem Obstladen, ohne Obst, der also nur als Deckmantel für politische Machenschaften dient. – Nun weiß ich genug. Und ich rate Ihnen, machen Sie keinen Fluchtversuch.«

»Die nächsten zwölf Stunden schlafe ich erst einmal.«

»Sie werden polizeilich beobachtet und bei dem geringsten Fluchtverdacht verhaftet.«

»Und wie lange denkt die Polizei sich mit mir zu beschäftigen?«

»Bis Sie überführt oder geständig sind.«

»Was wollen Sie von mir wissen?«

»Die Wahrheit.«

»Unmöglich!«

»Das ist schon ein halbes Geständnis.«

»Wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, glauben Sie mir kein Wort. Also muß ich erst etwas ausdenken, was Sie vielleicht glauben werden.«

»Wenn Sie der Polizei dasselbe Märchen auftischen wollen wie der Amerikaner . . .«

»Das will ich.«

»Woher wissen Sie denn, was er gesagt hat? Das ist wiederum verdächtig. Sie haben das natürlich mit ihm vorher ausgemacht: Ihr Besuch in den Winzerstuben, um die Verlobung eines Mannequin mit einem Kellner zu feiern. Nächtlicher Auszug der Gäste aus dem Lokal, um in der Lothringer Straße Bananen zu kaufen – ja, verehrte Gräfin, sagt Ihnen denn nicht Ihr amerikanisches Gehirn, daß niemand Ihnen das glauben kann?«

»Nachmittags um drei vielleicht nicht. Aber, wenn Sie mir heute abend das Vergnügen machen und mit mir in den Winzerstuben speisen wollen, so werden Sie in vorgerückter Stunde noch ganz andere Dinge für vernünftig halten.«

In dem Beamten erwachte angesichts dieser Aussicht der Mensch. Er empfand plötzlich die Art, wie er hier eingedrungen war und ein Verhör geführt hatte, als eines Gentleman unwürdig.

»Ich vergaß, mich vorzustellen,« sagte er in völlig veränderter Haltung.

»Etwas spät fällt Ihnen das ein.«

»Ich kam als Beamter – und mit vorgesetzter Meinung – nun aber sehe ich, daß ich es mit einer Dame von Welt zu tun habe.«

»Sie werden also heute abend Albert, meinen amerikanischen Freund, vertreten und in den Winzerstuben mit mir speisen?«

»Es wird mir ein Vergnügen sein.«

»Ich erwarte Sie um sieben im Vestibül des Hotels.« – Sie reichte ihm aus dem Bett heraus die Hand, deren Fingerspitzen er küßte.

»Und nun gute Nacht!« sagte sie. »Ich bin entsetzlich müde.« – Und schloß die Augen.

Der Beamte ging zur Tür, wandte sich, bevor er hinausging, noch einmal um, schlug die Hacken zusammen und sagte mit lauter Stimme:

»Polizeiassessor Falk von Stein.«

Die Komteß richtete sich im Bett auf, sah ihn erstaunt an und fragte, als sie seine Haltung und sein Gesicht sah, ängstlich:

»Großer Gott, was ist Ihnen denn?«

Der Beamte wiederholte mit der gleichen Feierlichkeit:

»Assessor Albert Falk von Stein.«

»Das macht ja nichts,« sagte die Komteß unsicher. »Und ich kann es nicht ändern – obschon mir lieber wäre, Sie hießen nicht Albert – das führt zu Verwechselungen.«

»Falk von Stein,« verkündete der Beamte zum dritten Male.

»Richtig! Ich nenne Sie ja nicht beim Vornamen – das heißt – in den Winzerstuben – müssen Sie sich auch darauf gefaßt machen.« – Sie fiel todmüde in das Bett zurück.

Albert, der Assessor, verbeugte sich und ging. –

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, meldete sich der Beamte wieder in ihm, und sein Gewissen fragte laut: ist, was ich hier tue, in Einklang zu bringen mit dienstlicher Disziplin? – Für seine Gefühle war er niemandem als sich selbst verantwortlich. Seine Handlungen aber unterlagen der Nachprüfung seiner vorgesetzten Behörde. – Die würde in einem Rendez-vous mit einer des Landfriedensbruchs verdächtigen Frau einen argen Verstoß erblicken. Verschärft durch den Umstand, daß man ihn mit der Untersuchung betraut hatte. – Es sei denn – ihm kam ein Gedanke! – daß er sie bewußt an den Ort der Tat lockte, um sie in Stimmung – und – wenn sie Vertrauen gefaßt hatte – zum Sprechen zu bringen. –

Ein Trick war das! Und was für einer! Seine vorgesetzte Behörde würde ihm sogar die Kosten dieses Abends ersetzen! Sie würden Sekt trinken – und, so verbraucht die Redensart: »das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden« war – hier war sie einmal wirklich am Platze. – Heiter und mit ruhigem Gewissen sah Albert, der Assessor, dem Abend entgegen.


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