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Inzwischen standen sich Djojo und Harry, vor deren Augen man soeben Pina und den russischen Baron Curt Dubois abgeführt hatte, gegenüber.
Harry war ein paar Schritte näher an Djojo herangetreten und fragte:
»In welchem Verhältnis stehen Sie zu dieser Dame?«
»Ich habe Grund, anzunehmen, daß Sie Ihnen bekannter ist als mir.«
»Mein Freund liebt sie – das ist alles, was ich von ihr weiß.«
»Sie sind also gar nicht sein Sekretär?«
»Nein.«
»Sein politischer Freund?«
»Auch nicht.«
»Ja, wer sind Sie denn?«
»Harry Sülstorff.«
Djojo war derart überrascht, daß Harry, mit ein wenig Instinkt begabt, auf den Gedanken hätte kommen müssen, daß die Frau, die ihm gegenüberstand, Djojo war. Jedoch daran gewöhnt, daß man ihn anstaunte, beschränkte er sich darauf, zu erwidern:
»Ja – der bin ich.«
»Und weshalb dieser Rollentausch?«
»Weil wir dachten, Djojo gegenüberzutreten.«
»Sie hatten Furcht vor ihr?«
»Wenn auch nicht das – aber ich wollte sie erst einmal sozusagen unverbindlich in Augenschein nehmen.«
»Nehmen Sie doch die Brille ab.«
»Richtig! Ich sehe ja aus wie eine Vogelscheuche – Sie gestatten?«
Harry nahm die Brille ab und ging vor den Spiegel.
»Aber bitte! – Machen Sie sich nur so schön, wie Sie können. Ich ziehe mich inzwischen in Djojos Schlafzimmer zurück.«
Harry richtete sich mit viel Eitelkeit her und bemerkte, in seinen eigenen Anblick versunken, gar nicht, daß Djojo, die nur schnell ihre Frisur verändert und sich einen kostbaren Shawl umgeworfen hatte, längst wieder an der Tür stand und ihm zuschaute. Da er sich noch immer nicht vom Spiegel losriß, so ging sie auf ihn zu, reichte ihm den Farbenstift, den Pina hatte liegen lassen, und sagte spöttisch:
»Vielleicht legen Sie noch ein bißchen Rot auf.«
Harry, der es für ernst nahm, wandte sich um und erwiderte gekränkt:
»Das habe ich nicht nötig.«
»Ich auch nicht,« erwiderte Djojo. »Der Stift gehört der schönen Pina.«
»Ein wirklich schönes Mädchen!« stimmte Harry zu. »Und viel zu schade für diesen russischen Baron.«
»Ich fand, er machte einen intelligenten Eindruck.«
»Gescheit ist er. Aber die russische Revolution hat ihn um sein Vermögen und seine Güter gebracht.«
»Wovon lebt er?«
»Er war – aber ich möchte ihn nicht kränken –«
»Er ist Politiker?«
»Nein! Er quält sich empor.«
»Als was?«
»Das ist es eben – er war zuletzt Kellner – und zwar in diesem Hotel.«
»Ich finde dabei nichts Beschämendes.«
Harry sah sie erstaunt an und sagte:
»Ja, Sie – als Zofe! – oder sind Sie etwa . . .?«
»Was meinen Sie?«
»– gar keine Zofe?«
»Doch! und zwar Djojos. Dies Fräulein Pina brachte Kleider, die Miß Olem bei Garis Sons gekauft hatte – und da man sie verfolgte und Miß Djojo vermutlich erst gegen Abend zurückkommt, so hat sie sich diesen kleinen Scherz erlaubt – der ihr leider nicht viel geholfen hat.«
»Ich bin überzeugt, sie ist unschuldig.«
»Sie sollten ihr helfen!«
»Ich habe gute Beziehungen zur Polizei – und wenn ich Zeit hätte – ich glaube, ich würde mich für sie verwenden.«
»Zu einer guten Tat sollte man sich Zeit nehmen – auch wenn es Mühe macht.«
»Wie lange bleibt Miß Djojo?«
»Sie interessieren sich für sie?«
»Sie interessiert sich für mich.«
»Richtig! Sie sprach von Ihrem Bild.«
»Seh ich ihm ähnlich?«
»Wem?«
»Mir! dem Bild? – Glauben Sie, sie wird enttäuscht sein?«
»Sie ist es schon.«
»Ich nehme es an – weil sie doch vermutlich alle Tennisplätze nach Ihnen absucht.«
»Ich muß sie finden.«
»Was wollen Sie von ihr?«
»Ich brauche sie. Mein Vater braucht sie! Der russische Baron braucht sie! Wir alle brauchen sie.«
»Ja, wozu brauchen Sie sie?«
»Ihres Geldes wegen.«
»Wie reizend!«
»Aber verraten Sie uns nicht.«
»Ich will Ihnen sogar helfen.«
»Sie wollen? – obgleich Sie Ihre . . .« – er stutzte – »für eine Zofe sehen Sie sehr elegant aus.«
»Für eine gewöhnliche Zofe vielleicht. Aber nicht für die Djojos. Im übrigen: der Shawl gehört ihr. Sie ist sehr eitel und oberflächlich – ich glaube gar nicht, daß sie Ihnen gefallen wird. Diese Pina paßt viel besser zu Ihnen.«
»Bestimmt! Ich hatte schon so eine Ahnung und habe deshalb auch den Baron vorgeschoben – vielleicht, daß diese Djojo auf ihn hineinfällt.«
»Das halte ich durchaus für möglich. Eher jedenfalls als auf Sie.«
»Aber nun, wo der Baron verhaftet ist . . .«
»Sehr einfach! Wir müssen nicht nur Pina, wir müssen auch den Baron befreien.«
»Glauben Sie, daß er Djojo gefallen wird?«
»Wenn er hält, was der erste Eindruck versprach, ist es durchaus möglich.«
»Ich denke, ich bin ihr Typ.«
»Aus der Entfernung – noch dazu aus einer so ungeheuer großen – da wirkt alles ganz anders. Meist genügt dann ein Blick, und man sieht, daß man sich getäuscht hat.«
»Sehr freundlich sind Sie nicht.«
»Ich spreche von Djojo – nicht von mir.«
»Ihnen gefalle ich also?«
Er ging dicht an sie heran und streckte den Arm nach ihr aus.
»Aber!« wehrte sie ab. »Sie sind doch kein Kellner!«
»Wieso Kellner?«
»Daß Sie mit einer Zofe . . .!«
Harry wich einen Schritt zurück und sagte:
»Ja – aber Pina – ist auch nur ein Mannequin.«
»Aus einem Mannequin kann eine Königin werden – aus einer Zofe niemals.«
»Eine Modekönigin.«
»Jedenfalls eine Berühmtheit.«
»Diese Pina hätte Aussichten, es zu werden.«
»Vorausgesetzt, daß man sie befreit. Gefängnis und schlechte Verpflegung machen eine Frau häßlich.«
»Ich verstehe gar nicht – Ihr Interesse.«
»Vielleicht, daß es dem – Kellner gilt. Ein Kellner und eine Zofe . . .«
»Helfen Sie mir, so helfe ich Ihnen.«
»Was soll ich tun?«
»Dafür sorgen, daß Djojo einen von uns beiden heiratet.«
»Von uns beiden?«
»Mich oder den Baron.«
Djojo streckte ihm die Hand hin und sagte:
»Mein Wort darauf!«
»Haben Sie denn solchen Einfluß auf sie?«
»Sie tut, was ich will. Sie muß tun, was ich will – denn ich weiß etwas von ihr.«
»Was?«
»Das werde ich Ihnen zu allerletzt auf die Nase binden.« –
Das Telephon läutete.
Djojo nahm den Hörer ab, und es entwickelte sich folgendes Gespräch:
Djojo rief: »Hallo!« – Und als Antwort kam die Frage:
»Miß Olem?«
»Ja! – das heißt: nein.«
»Also doch! – Ich warne Sie, in diesem Hotel zu bleiben.«
»Weshalb?«
»Weil es polizeilich überwacht wird.«
»Ich habe von der Polizei nichts zu fürchten.«
»Aber ich.«
»Wer sind Sie?«
»Ein Gentleman, der Ihnen in wenigen Augenblicken seine Aufwartung machen wird.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Das werden Sie erfahren, nachdem ich Sie verlassen habe. Bitte, bleiben Sie am Apparat! Sie werden gleich eine Ihnen bekannte Stimme vernehmen.«
»Sonderbar!« sagte Djojo und horchte gespannt. Auf Harrys Frage, mit wem sie spräche, erwiderte sie: »Ich weiß es nicht – mit niemand – es soll einer kommen – aber er kommt nicht – ja, wie lange soll ich denn hier stehen und warten?«
»Sie warten ja noch keine zehn Sekunden,« erwiderte Harry. »Seien Sie doch nicht so ungeduldig.«
»Also gut, ich warte« – sie trat von einem Fuß auf den anderen – »ein Betrieb ist das in Europa – hallo! ist dort jemand? – noch immer nicht!«
»Vielleicht ist es Miß Djojo, die Sie sprechen will.«
»Unsinn! – Wie? – Jetzt ist ein Geräusch – ja?«
Dieselbe Stimme von zuvor war im Apparat. Deutlich vernahm Djojo:
»Danke! – Bitte, hängen Sie an.«
»Was wollen Sie denn?« rief Djojo. Aber es meldete sich niemand mehr. »Das ist doch unheimlich,« sagte sie, wartete noch eine Weile und hing dann an.
Gleich darauf klopfte es an die Tür.
»Herein!« rief Djojo und vermutete sofort einen Zusammenhang mit dem Telephongespräch.
Ein älterer untersetzter Herr trat ein und rang nach Atem.
»Papa!« rief Harry. »Was suchst du hier?«
»Ich bin Max Sülstorff aus Hamburg,« erwiderte der zu Djojo gewandt. »Verzeihen Sie den Ueberfall – noch dazu zu so später Stunde. Aber ich wollte meinem Sohn zuvorkommen. – Ich hoffe, er hat noch nicht um Sie angehalten.«
»Ich verstehe Sie gar nicht.«
»Er soll der Firma das Opfer nicht bringen. Lieber will ich . . . Aber nun, wo ich Sie sehe, da scheint mir, es wäre vielleicht gar kein Opfer – im Gegenteil – ich für meine Person würde es jedenfalls für einen Vorzug halten . . .«
»Was wollen Sie denn?«
»Sie sind verrückt!«
»Papa! Es ist ja die Zofe.«
Der Alte sank entsetzt auf einen Sessel und hauchte mehr, als er sprach:
»Ich – ziehe – meinen – Antrag – zurück.«
»Bin ich denn hier in einem Tollhaus?« rief Djojo. »Verlassen Sie sofort das Zimmer!«
»Ja – aber!« sagte Harry.
»Sie auch! – Ich will allein sein!«
»Dürften wir dann vielleicht – morgen?« fragte der Alte.
»Nichts dürfen Sie! Ich will Sie nicht sehen!«
Sülstorff Vater und Sohn verbeugten sich und gingen hinaus. Djojo riß das Fenster auf und ging eilig in ihr Schlafzimmer. Die Tür zum Flur stand halb offen – der Toilettentisch war durchwühlt – ihr Ring mit der schwarzen Perle, das einzige Schmuckstück, das ihr geblieben war, fehlte.
Djojo schlug Lärm. Etagenkellner, Stubenmädchen, Boy, Direktor und Detektiv stürzten herbei. Djojo erzählte:
»Ein Herr am Telephon, der seinen Namen nicht nannte, von der Polizei sprach und mich zwang, am Apparat zu bleiben – und zu warten – der nach ein paar Minuten wiederkam und rief: »Danke! Bitte, hängen Sie an!« – Wieder ein paar Minuten, da klopfte es an die Tür. Ein unbekannter Herr erschien, stellte sich vor und hielt, ganz sinnlos und unvermittelt, um meine Hand an.«
»Plump und klar!« rief der Detektiv und stürzte aus dem Zimmer. Hinter ihm her der Direktor, der Etagenkellner, das Zimmermädchen, der Boy.
Sülstorff, Vater und Sohn, wurden gestellt und verhaftet, als sie eben durch die Drehtür hinaus ins Freie wollten.
Der Kommissar, der sie im Präsidium in Empfang nahm, sagte zu dem Beamten:
»Sülstorff Söhne? Import von Bananen? Das ist mal wieder ein Beweis für die Umschichtung der Gesellschaft. So'ne Leute haben früher nicht geklaut.«