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Die Rührigkeit der Polizei ließ wirklich nichts zu wünschen übrig. Sie nahm Verhaftungen über Verhaftungen vor. Und wenn man bedenkt, daß nicht sie die Schuld an der langen Reihe von Verwicklungen trug, aus denen heraus Verdachtsmomente schwerwiegender Art sich ergaben und ein harmloser Vorgang zur politischen cause célèbre wurde – so wird man ihr weder einen Vorwurf machen, noch sie belächeln, sondern zugeben, daß sie handelte, wie eine Behörde ihrer Art, war sie auf dem Posten, handeln mußte.
Oder ist es etwa an den Haaren herbeigezogen, wenn das Vollblut Dieferle bei seiner Jagd auf blondes Edelwild im Palais mit einem Gaste, der ihm seine Beute abzujagen suchte, in Streit geriet, in dessen Verlauf er außer ein Paar schallender Ohrfeigen einen kräftigen Biß in die Nase erhielt?
Wäre Dieferle von seiner blonden Umgebung etwas weniger erhitzt gewesen, hätte er nicht so stark dem Alkohol zugesprochen, also klareren Kopf und klareren Blick gehabt, so wäre ihm vielleicht aufgefallen, daß sein Gegner ihm – wenn auch nicht im Frack als Grandseigneur – so doch schon irgendwo einmal begegnet war. Er hätte ferner bemerkt, daß der Gegner ihm etwas in die Tasche schob, den Streit ziemlich unvermittelt und absichtlich vom Zaune brach und an der Stelle, an der er ihm eine schmerzhafte Verletzung beibrachte, selbst eine ziemlich frische Narbe trug.
Aber Dieferle stand so stark unter den vielen neuen Eindrücken, daß er von alledem nichts wahrnahm. Vielleicht wäre ihm sonst auch nicht entgangen, mit welchem Eifer sein Gegner auf die Saalpolizei einredete, die gern jedes Aufsehen vermied und nur gezwungen zu Feststellungen schritt, die an die große Glocke kamen. Dieferle war schon wieder völlig den blonden Mädchen und dem Champagner hingegeben, als ein Beamter auf ihn zuschritt und ihn hinausbat. Er dachte gar nicht daran, ihm zu folgen. Er war bereit, zu zahlen, was man von ihm verlangte, aber um die Früchte des Abends, in Gestalt von einem Dutzend gutgewachsener Frauen, ließ er sich nur mit Gewalt bringen. Jedoch den Mädchen, die ihm zuredeten und versprachen, ihn zu begleiten, gelang es schließlich, ihn zu bestimmen, daß er dem Beamten folgte.
Der Fremde, mit dem er sich geschlagen hatte, mußte der Polizei wohl einen ganz bestimmten Wink gegeben haben. Anders ist es schwer zu verstehen, daß man ihm auf den Kopf zusagte:
»Sie sind ein Seeräuber, der auf der »Venezia« einem weiblichen Passagier Schmuck im Werte von mehreren Hunderttausend Mark gestohlen hat.«
Dieferle schrie vor Lachen.
»Ich habe mein Leben riskiert, um dem Strolch den Schmuck abzujagen.«
»Sie geben also zu, um den Raub zu wissen.«
»Da die Bestohlene Miß Djojo Olem ist und ich ihr Begleiter war . . .«
»So! so! – Und das Signalement des Räubers? Ein Biß in der Nase?«
Dieferle hatte die ganze Zeit über seine Nase, die ihn schmerzte, mit einem Tuch bedeckt.
»Ich habe – ich bin – das stammt von vorhin.«
»Sonderbar! – Die Wunde ist tatsächlich wieder aufgegangen.«
Man untersuchte seine Taschen und zog den gestohlenen Paß des Pampers hervor, den man nach dem Signalement der italienischen Polizei bei dem Banditen vermutete.
»Ueberführt!« sagte der Beamte. »In Ketten legen!«
»Miß Djojo wird mich identifizieren.«
»Auch das will ich Ihnen noch zugestehen – obgleich der Beweis lückenlos ist.«
Die als Miß Olem verhaftete Pina Jeff wurde Dieterle gegenübergestellt und erklärte, ihn nie gesehen zu haben. – Als der Beamte sagte:
»Dies ist der Mann, der Ihnen den Schmuck gestohlen hat«, erwiderte Pina, die von dem Raub gar nichts wußte:
»Gut, daß Sie ihn haben.«
Daraufhin wurde Dieferle abgeführt.