Langsdorff
Eine Reise um die Welt
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Tier- und Pflanzenwelt auf Kodiak

Das Naturreich ist hier wesentlich mannigfaltiger ausgestattet als auf den übrigen Alëuten; im Gegenteil, es hat mancherlei Beziehungen zum amerikanischen Festland.

Wale und Seehunde giht es in großer Menge, seltener sind Seebären und Seelöwen. See-, Fluß- und Sumpfottern bildeten geradezu die Hauptquelle des Reichtums der Handelskompanie, doch sind sie jetzt fast ganz ausgerottet. Die Alëuten sind ganz vortreffliche Schützen und im Schleudern der Harpunen sehr geschickt. Sie fahren gewöhnlich mit mehreren Booten auf die Seeotterjagd, und sobald sich eines der Tiere sehen läßt, wird es umringt und kann nur selten seinen Verfolgern entgehen. Es muß nämlich ebenso wie der Wal und Seehund von Zeit zu Zeit an die Wasseroberfläche kommen, um frische Luft zu schöpfen.

An Füchsen findet man in den Magazinen die seltensten Arten: den ganz schwarzen Fuchs, daneben schwärzliche, rötliche und silbergraue Arten, doch fehlen hier Steinfüchse, die auf St. Georg und St. Paul so häufig sind. Zahlreich sind bräunliche und rötliche Bären, deren Felle allerdings nicht besonders wertvoll sind; dagegen sind die des schwarzen Bären, der an der amerikanischen Küste gejagt wird, sehr kostbar.

Die Zieselmarmotte (Arctomys Citillus) kommt auf einer kleinen Insel nördlich von Kodiak in unglaublichen Mengen vor und liefert den Alëutenfrauen eine leichte Winterkleidung. Die gewöhnliche Marmotte ist auch ziemlich häufig, seltener sind dagegen der Biber, das Rentier, der Vielfraß, der weißlichgrau gefärbte und mit blassen Flecken gezeichnete Luchs sowie der behaarte ungeschwänzte Igel (Erinaceus ecaudatus); diese Tiere treten jedoch auf Alaska häufig auf.

Herr Bander zeigte mir die Wolle von einem amerikanischen Wildschaf, die weißlich, fein und sehr lang war und von den Eingeborenen an der Nordwestküste zu Decken und Kleidern verarbeitet wird. loh habe nie etwas von dem Tiere erfahren können. Es muß von dem sogenannten wilden Stammschaf (Capra Ammon) oder dem Argali sehr verschieden sein, denn dieses hat ein schlichtes hirsch- oder rentierartiges Fell und keine Wolle.

Land- und Singvögel habe ich gar keine bemerkt; dagegen Sumpf- und Wasservögel, wie Schwäne, Enten, Gänse, Kraniche, Reiher, Seepapageien, Taucher, Strandläufer usw., besonders im Herbst und Frühjahr in unzähliger Menge. Die bei uns so scheue Elster ist hier so zahm wie ein Sperling.

Die gewöhnlichsten Fische, die frisch und getrocknet als Nahrung dienen, sind Heringe, Kabeljau, Heilbutt, Salmenarten u. a. m. Die letzteren steigen zu bestimmten Zeiten in den Flüssen hoch und werden dann durch Netze und Dämme in unglaublichen Mengen gefangen. Ebenso reich ist die See an Mollusken, Medusen, Conchylien, Muscheln und Seetang.

Insekten sah ich nur wenige. In der kleinen Wohnung, die mir zugewiesen wurde, gab es so viele Wanzen, daß ich meines Lebens nicht froh wurde. Die Einwohner behaupteten, daß dieses Ungeziefer erst seit einigen Jahren mit Schiffen aus Ochotsk und Kamtschatka eingeschleppt wurde.

Hinsichtlich der Flora unterscheidet sich Kodiak offenbar von allen anderen alëutischen Inseln, da hier zum ersten Male wieder hochstämmige Wälder mit Lärchen, Fichten, niedrigen Birken, Pappeln, Espen, Erlen und Weiden auftreten. Wie auf Unalaska kommen auch hier schmackhafte Beeren und Wurzeln mancherlei Art vor.

Die Kürze unseres Aufenthaltes erlaubte mir keine intensiveren Studien. Dagegen möchte ich die segensreichen Anordnungen des Herrn v. Resanoff nicht unerwähnt lassen.

Er veranlaßte Geistliche und Offiziere, den Kindern einen geregelten Schulunterricht zu geben, hatte eine aus mehreren tausend Bänden bestehende Bibliothek aus Petersburg hierher kommen lassen und erreichte in kürzester Zeit, daß noch vor unserer Heimreise bereits 60-70 Kinder unterrichtet wurden.

Der Jäger, der uns aus Kamtschatka beigegeben war und Anweisung hatte, mir beim Abstreifen und Ausstopfen naturhistorischer Gegenstände zu helfen, mußte zwei junge Leute in die Lehre nehmen und den Grundstock zu einer Sammlung legen, die dem Unterricht dienen und die Eingeborenen mit den Naturprodukten ihrer Insel näher bekannt machen sollte. Während unseres Aufenthaltes wurden daher alle gesammelten Gegenstände dem projektierten Museum einverleibt.

Die gute Küche, die wir bei Herrn Bander genossen, veranlaßte Herrn v. Resanoff, Madame Bander zu bitten, mehrere junge Mädchen im Haushalt und Kochen anzuleiten, damit den Seefahrern stets eine gute Mahlzeit geboten werden könne.

Unser Schiff, die Brigg »Maria«, hatte man nun wieder mit Holz, Wasser und Proviant, der meist in Fischen, Walfischspeck und Beeren mit Tran bestand, versorgt. So segelten wir am 20. August mit Angst und Furcht vor dem uns bevorstehenden Winterquartier aus dem Hafen und sichteten bereits am 25. abends das Kap Edgecumbe, das die Nordwestspitze des Norfolk-Sundes bezeichnet. Am folgenden Tage kamen wir in der russischen Handelsniederlassung Neu-Archangel an und wurden von Herrn v. Baranoff aufs freundlichste empfangen.


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