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Während unseres Aufenthaltes in San Franzisko hatte ich Gelegenheit, auch die am südöstlichen Ufer des Meerbusens gelegene Indianermission von San José kennenzulernen. Bei dieser Gelegenheit fiel mir auf – es klingt beinahe unglaubhaft –, daß im Hafen von San Franzisko kein einziges Boot vorhanden war. Wahrscheinlich fürchteten die Missionare, daß Boote den Indianern ihre Fluchtversuche erleichtern könnten. Wenn deshalb Spanier oder Indianer sich den Wellen anvertrauen müssen, dann binden sie so viel trockenes Riedgras, Schilf und Stroh zusammen, wie sie zu einem Fahrzeug, von ihnen Walza genannt, benötigen, und lassen diese Strohbündel vorn und hinten in eine Spitze zusammenlaufen. Die Ruder bestehen aus einem langen und schmalen, an beiden Enden etwas breiten Stab, mit dem abwechselnd bald rechts, bald links gerudert wird.
Die Missionsanlage von San José besteht erst seit acht Jahren und wird von zwei Patres verwaltet. Große Vorräte an Korn, Mais, Bohnen, Gerste, Erbsen u. a. lagerten in den Magazinen, denn der Boden ist überaus fruchtbar und gewährt reiche Ernten. Seit einigen Jahren hat man angefangen Weinberge anzulegen, deren Reben vortrefflich gedeihen. Einrichtung und Organisation dieser Mission stimmen im übrigen mit der von San Franzisko überein. Allerdings sind die Wohnungen für die Indianer noch nicht fertig, und die Zöglinge leben noch familienweise in kegelförmigen Strohhütten.
Der Pater, der mich durch alle Räume geführt hatte, schlug mir vor, die Tanzvorbereitungen der Indianer anzusehen. Er führte mich zu einem Bache, an dem die Tänzer versammelt waren. Die einen beschmierten sich mit Kohle, roter Tonerde und Kreide, andere beklebten sich den nackten Körper mit Daunenfedern. Kopf, Hals und Ohren waren mit verschiedenartigem Schmuck behangen, sonst trugen sie nur eine Schambedeckung. Die Frauen putzten sich in ihren Hütten; sie waren bekleidet und bemalten sich nur Gesicht und Hals, den sie mit Muscheln, Federn und Korallen behingen.
Die Indianer dieser Mission sind von denen in San Franzisko an Größe, Ansehen und Bildung gänzlich verschieden. Die Männer sind wohlgebaut, beinahe alle über Mittelgröße, nur wenige klein und untersetzt. Ihre Hautfarbe war zwar dunkel, aber doch nicht negerartig; in ihren Gesichtszügen ähnelten sie den Bewohnern der Nordwestküste. Auch die Frauen standen in Körpergröße den Männern nicht nach und wirkten auch nicht so abstoßend wie die von der Mission in San Franzisko.
Inzwischen hatten sich die Tänzer in zwei Gruppen getrennt, von denen jede ihren besonderen Schmuck und Gesang hatte. Das eine waren die Küstenbewohner, das andere Leute aus dem Innern. Erstere waren schwächlicher, weniger gut gebaut und unansehnlicher als letztere. Diese beiden benachbarten Völker lebten seit jeher in Feindschaft. Durch die Religion waren sie zwar miteinander ausgesöhnt, doch scheint der alte Haß immer noch nicht ganz erloschen zu sein, denn trotz aller Bemühungen der Missionare heirateten diese Völkerstämme nur unter sich.
Bei ihren Tänzen blieben sie beinahe auf ein und derselben Stelle stehen und suchten, teils mit Bogen und Pfeilen, teils mit Federn in den Händen und auf dem Kopfe, während eines taktmäßigen Springens unter allerlei Körperverrenkungen Szenen aus dem Kriege oder aus dem häuslichen Leben darzustellen. Ihre Musik bestand aus Gesang und dem Klappern eines Stäbchens, das an dem einen Ende gespalten war. Die Frauen hatten ihre eigenen Gesänge und Tänze. Sie hüpften in der Nähe der Männer, aber nie gemeinsam mit ihnen. Ihre hauptsächlichste Bewegung bestand darin, mit dem Daumen und Zeigefinger einer jeden Hand taktmäßig den Unterleib bald nach der einen, bald nach der anderen Seite zu schieben.
Ein Männertanz stellte eine Schlacht vor. Eine große Strohpuppe war der Feind; auf diesen Gegner tanzten die Indianer unter drohend geschwungenen Bogen und Pfeilen zu. Einer aus ihrer Mitte gab schließlich ein Zeichen, worauf im gleichen Augenblick die Puppe von einer Menge Pfeile durchbohrt und dann dem Oberhaupt im Triumph überbracht wurde.
Die andere Indianergruppe stand und hüpfte hinter einem großen Feuer. Von ihnen nahmen mehrere Personen von Zeit zu Zeit gleichsam zu ihrem Vergnügen glühende Kohlen von Nußgröße in den Mund und verschluckten sie. Es war keine Täuschung, denn ich sah es mit eigenen Augen. Es ist mir unbegreiflich geblieben, wie die Leute sich dabei nicht den Mund verbrennen konnten.
Auch wurde mir eine Jagdpartie vorgeführt. Die Indianer hatten sich ein Hirschfell übergeworfen und auf dem Kopfe ein Geweih befestigt. In dieser Verkleidung beschleichen sie nämlich auf den Weideplätzen Rehe und Hirsche und ahmen dabei die Bewegungen des Wildes so täuschend nach, daß sie sich ihrem Opfer bis auf wenige Schritt nähern können.