Sophie von La Roche
Rosalie und Cleberg auf dem Lande / 1
Sophie von La Roche

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Vier und zwanzigster Brief.

Rosalie an van Guden Pinndorf.

Theure, theure Freundinn! was für ein Familiengemälde haben Sie uns in Ihrem letzten Brief zugeschickt! Die Pinndorfs – Sie – o vergeben Sie, wenn meine Antwort etwas verwirrt lautet; aber Sie vermutheten selbst, daß die Nachrichten Ihrer neuen Begebenheiten, und das lange vorhergehende Stillschweigen, Unruhe und Staunen erregen mußten. Es ist auch so gegangen, meine Liebe! ungeachtet Cleberg und mein Oncle schon lange eine Zusammenkunft mit Ihnen und der Familie von Pinndorf ahndeten und mir vorhersagten. Aber es war niemals weder Tod noch Heurath damit verbunden, welche doch jetzt aus den Zuständen folgen mußten. Mein ganzes Herz wünscht, daß das Ihrige sein Glück und seine Ruhe in der jetzigen Lage finden möge! Für Ihren Geist der Ordnung und für Ihren Hang zur Wohlthätigkeit haben Sie nun Beschäftigung genug. Der Himmel erhalte Sie dazu, so wie ich wünsche, daß er den Herrn von Pinndorf erhalte, und das um Ihrentwillen, denn ich kann Sie nicht an seinem Sterbebette denken, ohne Sie selbst sterbend zu sehen; aber ich und alle Ihre Freunde glauben an seine Genesung. –

Wahr ist es, der Weg zu Erreichung Ihrer Wünsche war sehr mit Dornen bepflanzt, und als ein wahres Labyrinth gezeichnet, wenn ich nur die Linien annehme, welche Cleberg gestern von Ihrer Geburtsstadt aus nach den Ländern, welche Sie durchreisten, und nach den abgeänderten Wohnorten, bis auf den Landsitz des Herrn von Pinndorf zog. Verzeihen Sie ihm den kleinen Muthwillen über den Ausdruck Labyrinth, dessen ich mich bediente, als ich bei Ihrem Brief von Ihrem änderbaren Schicksal sprach, und er hinzusetzte: »Herr von Pinndorf wäre auf einer andern Seite, durch einen sehr bösartigen Geist, durch Moräste und Abgründe geführt worden, ehe die glückliche Stunde Ihrer Erscheinung in Savoyen kam, die ihn gewiß zu wahrem Wohlergehen leiten würde.« – – Nachdem folgte aber auch der Wunsch: »Daß er das in der That theuer erworbene, uns nun entzogene Glück immer verdienen möge!« Aber wie viel hatten Sie zu tragen und zu überwinden, ehe Sie zu dem ernsten grosmuthvollen Schritt kamen, einem Sterbenden Ihre Hand anzubieten! – Ich verehre Sie deswegen, und schätze in Herrn von Pinndorf die stille Bescheidenheit der großen Wünsche, die er machen, und Sie errathen mußten. – Für die guten unschuldigen Kinder freue ich mich der edeln Mutter, welche der Himmel ihnen gab; derselbe segne Sie für Ihr Erbarmen! – Denn was würde aus diesen lieben Geschöpfen geworden seyn? – Ich habe nun wieder die Aussicht, Sie zu meiner Nachbarinn zu erhalten, da Seedorf zwei Stunden näher bei den Pinndorfischen Güthern liegt, als die Stadt. Doch sehe ich deutlich, daß Sie jetzt nicht mehr mit uns leben können wie sonst; aber da man immer das größere Gute dem kleinern vorziehen soll, und Sie in dieser Familie, wie mein Oncle sagt, erst in ordentliche Uebung und wahrhaft wohlthätige Verwendung Ihres Geistes und Ihres Herzens kommen, so beuge ich mich bei diesem neuen Verlust eines von mir geliebten Vergnügens unter die Hand des Schicksals, und sage mir wohl auch: Daß Ihre und Marianens Entfernung mit vieler Güte herbeigeführt wurdet da es just zu der Zeit geschah, als meine Kinder und ihre Bildung, neben der vermehrten Landwirtschaft, die erste und angenehmste Pflicht und Beschäftigung meines Lebens wurden. Es kommen doch manche Festtage vor, wie die Besuche meiner Freunde sind, und besonders der Ihrige seyn wird. –

Diesen Augenblick kam Herr Wolling zu uns, um das Ganze von Ihrer veränderten Lage zu hören. Sein redliches und dankvolles Herz ergoß sich in tausend Segenswünschen für seine Wohlthäterinn. Er erzählte uns auch, daß er gestern viele Besuche von dem Pinndorfischen Amt bei sich hatte, welche vorher nie da waren, aber jetzo gleich das Haus und das Guth sehen wollten, welches die neue Frau von Pinndorf im Wald angelegt hätte. Er versichert, daß alle sich über dies freuten, was er ihnen von dem Glück erzählte, welches er aus Ihrer Hand erhielt. – Ich hoffe, meine edle Freundinn! Herr von Pinndorf soll durch Sie für seine eigenen Unterthanen werden, was mein Cleberg für die von seinem Fürsten ist, indem ich sehr überzeugt bin, daß dieses meine grosmüthige Freundinn für jedes Opfer lohnen, und ganz glücklich machen wird.

Lassen Sie mich doch hier sogleich bei dem Bild, welches mir nun von Ihnen als herrschaftliche Landfrau vorschwebt, eine Frage und eine Bitte anschließen: Kennen Sie des Abbe Rosier landwirthschaftliche Schriften? – und wollen Sie mir nicht, da sie gewiß in Geneve sehr leicht zu haben sind, ein Exemplar mitbringen? – Sie sehen, wie ich auf das Leben und Wohlseyn Ihres Gemals zähle, da ich schon auf Ihre Rückreise denke – aber gewiß sein Uebel lag meistens in seiner Seele, und diese muß nun geheilt, und glücklich seyn. – Sagen Sie uns doch bald nur mit wenigen Zeilen etwas von seiner Besserung, weil sie als wichtiger Theil des Wohls unserer unschätzbaren Freundinn uns sehr angelegen ist. – Und nun, nebst den Grüßen und Glückwünschen des Oncles und Clebergs, Adieu! – Der Himmel erhalt Sie, und bringe Sie bald zu uns! –


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