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Rosalie an Frau van Guden Pinndorf.
Mein Cleberg hat Ihnen unsere Trauer gemeldet, und Sie haben ihm die guten Nachrichten von der völlig hergestellten Gesundheit des Herrn von Pinndorf gegeben: Es war auch ganz natürlich, daß der Mann, welcher nur 48 Jahre zählt, seine Lebenskräfte erhalte, und daß der 76 Jahr alte zu Grabe gehe.
Sie wünschten, mich ruhig zu wissen; mich dünkt, der Anfang und der Ton meines Briefs zeigen, daß dieser freundliche Wunsch in etwas erfüllt ist: aber Sie denken doch, daß vieles Weh und viele Hülfsmittel vorausgegangen sind. –
Die Betrachtung der allgemeinen Verordnung des Himmels, die Sicherheit des bessern und ewigen Glücks des edeln geliebten Verwandten, und die Pflichten, welche ich zu erfüllen habe, um ihn dort anzutreffen, wurden meine Stärke im Innern der Seele. Mein Mann, meine Freunde thaten mehr zu meinem Trost, als ich zu wünschen gewagt hätte; und das Schicksal, Gott! wie gütig legte es edle Freude in die Waagschale meines Lebens, um das Gegengewicht des Kummers zu seyn, welchen dieser Verlust mir gab. Mariane ward in der nämlichen Zeit frei, hinzugehen wohin sie wollte, und sie kam zu mir – begehrte aber die drei große Zimmer, welche mein Oncle bewohnte; Cleberg freute sich darüber, und ließ uns vierzehn Tage länger in Edelbach bleiben, während welchen er alles Geräthe des lieben Verstorbenen zwischen sich und meinem Vetter theilte, auch die obere Stuben für sich einrichtete, und das Portrait meines Oncles über seinem Schreibtisch befestigte, indem er sagte: »Das Bild des weisen gütigen Führers seiner jungen Jahre zeige ihm jetzo noch das Muster eines thätigen und klugen Menschenfreunds, dessen Fustapfen er verehre, und ihnen nachfolgen wolle. – Marianens Zimmer hat er neu mit grünem Papier ausgeschlagen, seine schöne englische Kupferstiche da aufgehängt, und die Brustbilder des Apolls, der Diana, der Venus, der Niobee, der Martiana, des Socrates und Pythagoras, wovon Sie selbst die schönen Abdrücke bewunderten, auf grau marmorirten Gestellen zwischen den Kupfern erhoben geordnet. Ein kleiner Abschnitt des wirklich sehr großen Zimmers schafte Raum für Marianens Bücher und ein Schreibkabinet, an dessen Ende eine Abtheilung mit niedlichen Schränken angebracht ist, wo sie alles, was ihr lieb und schätzbar ist, unter ihrem Schlüssel und ihren Augen hat; das zweite ist auch abgeheilt, und zum Schlafzimmer für sie und ihre zwei Nichten verwendet; das dritte wurde zur Hälfte für das Kammermädchen, halb zur Kleiderkammer eingerichtet, und dadurch nicht nur Mariane und ihre Pflegtöchter besser und gemächlicher besorgt, als in Edelbach selbst, sondern auch mein Auge vor Trauererinnerungen gesichert, – welche Cleberg mit einemmal zu schwächen wußte. Nachdem bei unserer Ankunft meine Leute, die Ottens und die Sands, mich gleich im Vorplatz stillschweigend gegrüßt hatten, und fortgiengen, Mariane aber in ihre Zimmer eingeführt war, und mein Mann mich über die Aendrung darinn, da selbst die Thüren anders waren, beinahe freudig staunen sah, faßte er mich bei der Hand und sagte: »Liebe Rosalie! ich danke dem Himmel herzlich für deine glückliche Ankunft, und für die Zufriedenheit, welche ich in deinen Blicken sehe. Komm doch, Liebe! bis der Tisch gedeckt ist, und Mariane ihre Reisekleider ausgezogen hat, in mein neues Arbeitzimmer. – Ich folgte ihm, und da er mich langsam die Treppe hinaufführte, sagte er unterwegs: »Du denkst wohl, mein Kind! daß ich die Zimmer unserer Freundinn mit den wenigsten Kosten einzurichten suchte, und du wirst bemerkt haben, daß nichts als die Tapeten und die Abtheilungen neu sind, indem ich alles Uebrige aus den obern Zimmer nahm, in welchen ich mich aufhalten, und arbeiten will, wobei ich das ältere Geräthe benützen konnte.«
Ich mußte diese Anstalt gut heißen; er freute sich darüber, »um so mehr, (setzte er hinzu) weil er die neue Einrichtung seines Arbeitzimmers unendlich liebte.«
Nun waren wir an der Thüre; er legte eine Hand auf die Schlinge, mit dem andern Arm umfaßte er mich, und, indem mich küßte, öfnete er das Zimmer und sagte: »Theures Weib! du findest hier das Bild und die Meuble unsers Oncles, die mir heilig und schätzbar sind, weil sie mich immer, nicht nur an den Wohlthäter meines Lebens, sondern auch an die Nachfolge seiner Tugend erinnern, und ich hoffe, deine Fühlbarkeit über seinen Verlust solle sich nicht auf der schwachen Seite des Weinens und Fliehend bei diesen Erinnerungen, sondern auf der schönen gerechten Stelle der ewigen Liebe und Verehrung seiner und alles dessen zeigen, was sein war. Ich (fuhr er mit erhöhter aber doch sehr zärtlichen Stimme fort, indem er mich wieder küßte) ich versichere dich hier vor dem Bild des edeln Mannes, der uns vereinigte, daß dein Glück mir immer so theuer seyn soll, als mein Leben, und daß ich deine Liebe immer verdienen will.«
Ich weinte, an seinen Hals geschmiegt, einige Minuten recht herzlich. Cleberg wischte dann, schweigend und liebreich ernst mich ansehend, meine Thränen einigemal von meinen Wangen; nun umarmte ich ihn, und so standhaft ich es konnte, sagte ich: Mein Cleberg! ich danke dir auch im Angesicht des besten Verwandten für diese Versicherung, und bitte dich, überzeugt zu seyn, daß deine Rosalie ihr Glück nur in deiner Liebe, und in deiner Zufriedenheit mit ihr finden kann.
Er antwortete munter: »Dank sey dem Himmel und dir für diesen Moment! Wir wollen nach dem Willen unsers Oncles heiter auf der Bahn der Tugend unsers Standes fortwandeln, unsern Geist, Leben, Wohlstand und Freunde geniessen, wie es war, als er lebte. Gewiß, daß es ihn freute, wenn er Zeuge davon seyn könnte.« –
Nun zeigte er mir alles, was er für sich vom Oncle nahm, machte mich auch als von ungefähr eines und das andre berühren, führte mich in die gegenüber liegende Stube meines Vetters, und wies mir, was er diesem gegeben hatte. – So brachte er mich in der ersten Stunde dahin, wo ich nach der Vernunft seyn sollte, und ich wußte ihm Dank, denn es war mir wohl dabei. Die von dem Oncle eingeführte Tagordnung wurde neu befestigt, und noch Abends mit Mariane verabredet. Sie war auch froh, daß Cleberg sogleich rasch, ohne viele Vorbereitungen, einen Durchschnitt (möchte sie sagen) durch meine Trauergefühle machte, denn sie hatte die ganze Reise von Edelbach aus den Kampf bemerkt, welcher bei dem Gedanken des Eintritts in mein Haus, des Anblicks von Cleberg, und der Zimmer meines Oncles, entstand. – Julie und Ott kamen noch den Abend zu uns; den andern Morgen waren Alle, Sands zwar nur auf einige Minuten, da; doch half dieses alles meine Ideen in den natürlichen und schicklichen Gang leiten. Mariane wurde mit ihnen bekannt, und sie begehrte auch sogleich, zu den Vorlesungen über die Naturlehre aufgenommen zu werden. Nachdem gieng sie, die Einrichtung in ihrem und ihrer Nichten Zimmer zu besorgen. Ich besuchte mein ganzes Haus, nebst allen Schränken und Vorrath, und machte mich meinen Leuten neu bekannt. Nachmittags zeigten wir den Edelbachischen Kindern den Garten, und Marianen Geßners Denkmal. Abends waren unsere Seedorfer Freunde bei uns zum Thee, und ich spielte Klavier. Den zweiten Tag nach dem Frühstück, da wir, weil es kein Post und kein Amtstag war, durch nichts Fremdes gestört werden konnten, nahm Cleberg die sonst den Neuigkeiten gegebene Zeit zu einer der wichtigsten Unterredungen, indem er Marianen und mich mit innigen, ernsthaften Blicken ansah, und Folgendes sagte: »Ich darf wohl meine zwei Freundinnen bitten, heute mit mir einen Blick auf unsere jetzige und künftige Tage zu werfen, damit wir den Genuß unsers Glücks, und die dafür schuldige Abgabe in Pflichten und Arbeiten, festsetzen, und ruhig darüber übereinkommen?«
Recht sehr gerne; (sagte Mariane) ich liebe Ordnung in allem: man kann mehr thun, und mehr genießen. Aber, Cleberg! Sie müssen Ihre Ideen zuerst sagen.
»Ja, und auch zuerst für Sie, theure Mariane! Ihr eignes Glück lieget, wie dasjenige aller edlen und guten Menschen, in den Kenntnissen und Grundsätzen Ihrer Seele; Sie sind auch dadurch glücklich, so wie Sie uns durch Ihre Liebe und Ihre Gegenwart beseligen. – Dieses, und die Leitung Ihrer Nichten auf dem Weg der Tugend und Klugheit, das Beispiel, welches Sie auch andern jungen Frauenzimmern geben, ist eigentlich die schöne edle Berufsarbeit eines unverheuratheten Frauenzimmers.« Er wandte sich dann zu mir: »Unser Oncle, liebe Rosalie! und sein Lieblingslehrer Mark-Aurel, sagten uns, die erste wichtige Arbeit sey, seinen Stand zu kennen, und zu wissen, was man darinn Gutes und Nützliches thun kann. Dies, meine Liebe! glaube ich wissen wir; und ich weis auch, daß wir es befolgen werden: nur ist die Frage von dem Genuß unsers Glücks in gesellschaftlichen und Erholungsstunden. Lesen Sie, liebe Freundinnen! (sagte er, ein Papier aus der Tasche ziehend) diesen Entwurf miteinander, bis ich wiederkomme, und sagen Sie mir beide freimüthig Ihre Bemerkungen darüber.« Er verließ uns, als wir mit einer Art Staunen ihn und uns anblickten. Mariane las sogleich den Aufsatz; bescheiden erröthete sie bei den erstem Zeilen:
»Die schöne Gegend bei Seedorf, der tägliche Umgang mit Mariane von Edelbach, die Freundschaft der Otts, unsers vortreflichen Pfarrherrn, und der Sands, nenne ich Glück, welches die Vorsicht um uns verbreitete. Ich schätze und liebe den Zufall, der oft Freude und nützliche Entdeckungen hervorbringt; aber ich bekenne, daß ich, ohne Mann nach der Uhr zu seyn, doch sehr auf eine Richtschnur zu Verwendung meiner Tage halte: denn nur Gott allein konnte aus einem verwirrten Chaos das Schöne und Nützliche auf der Stelle schaffen. Wollten wir nicht eine Art Cirkelbesuche einrichten? Zum Beispiel: Sonntags Nachmittags den Thee im Pfarrhaus trinken, wo auch der Schulmeister und der Chirurgus dazu gebeten würden: da sprächen wir von religiösen Gegenständen, den Schulen, den Armen und Kranken, von moralischen Schriften, und Kirchengeschichte. – Montags blieben wir alle für uns zu Hause. – Diensttags Vorlesung der Naturlehre und Thee bei Sand dem Jüngern. Der folgende Tag ist Mittwoch, also mein lieber Schulzentag, und der Abend gehört unserm Haus. Donnerstag ist wieder der Physik bei Sands geweiht. Freitag gehört Ott, wo von allem, was der Gutsherrn Landleben, Ackerbau und Gärten betrift, gesprochen, und in Journalen die Artikel gelesen werden, welche davon handeln. Sonabend ist wieder unserm Haus; so wie die Morgenstunden und Nachmittage bis vier Uhr, Familienbeschäftigungen gehören, und die Frauenzimmer auch allezeit ihre Arbeiten mitbringen. An Nachmittagen, wo wir zu Haus bleiben, können Freunde zu uns kommen – nach dem Thee kleine Parthieen Ombre und Wist, wie bei Ott Billard, gespielt werden. Kommen die Sands mit ihren Kostgängerinnen, weil diese Familien nicht spielen, so machen wir Musik, besehen Kupferstiche, durchblättern, loben und tadeln neue Bücher, lesen Lebensbeschreibungen interessanter Menschen, wohl auch Romane, besonders aber in der Sammlung nützlicher Uebersetzungen aus dem Englischen, Poesien und anderes. So werden wir nach gewissenhafter Erfüllung unserer Berufsgeschäfte, welches die einzige Quelle wahres Vergnügens ist, abwechselnde Ergötzungen des Verstandes und Herzens genießen, und auch unsern Kindern dadurch das Muster des Vergnügens der Tugend geben.«
Mariane sah bei Endigung des Blatts mich an, eine Thräne der edeln Freude war in meinem Auge – sie sagte nun: »Rosalie! Vernunft und Geschmack können nichts gegen diesen Plan einwenden, und Sie, Beste, müssen noch die Politik einer guten Frau dazusetzen: Die Anstalten des klugen Mannes gerne zu befolgen.«
Wir unterschrieben also beide unsern Namen, bis er wieder zurückkam, und uns die Einwilligung der Familien von Sand, der Otts und des Pfarrherrn, mitbrachte. Er freute sich sehr, als Mariane und ich ihm mit so vieler Zufriedenheit von den nützlichen und angenehmen Aussichten dieses Plans sprachen. – Gestern war schon die erste Cirkelgesellschaft bei mir, und Alles schienen äusserst vergnügt über diese Anstalt zu seyn. Cleberg hatte, als er die Zimmer des Oncles für Mariane zurecht machte, jenes, welches sie ehemals neben dem Saal bewohnte, zur Bibliothek gemacht, weil er seinem Haus, so viel ihm möglich ist, den Ton von den englischen Landhäusern geben will, welches auch einer meiner brittischen Grillen zu statten kam, indem ich nun auch ein eben so artiges Milchhaus habe, als Julie auf ihrem Berg. Unsere viele Obstbäume haben auch eine Kelter und eine Dörrstube nöthig gemacht, die beide für Aepfelweinmachen und Obsttrocknen sehr niedlich eingerichtet sind; denn ich möchte um alles nicht das Geringste versäumen, was nur irgend einen Vorteil oder Ersparnis verschaffen kann. Sowohl Cleberg als ich haben unsern Geschmack für Ordnung und schöne Formen auf das höchste getrieben, doch auch die Klugheit damit verbunden, nichts Kostbares, weder in Kleiderzeug, noch Holzwerk, noch anderm Hausgeräthe zu kaufen, so wie auch nicht ein unnützes oder überflüssiges Stück in unserm Haus ist, hingegen auch nichts mangelt. – Die täglichen Arbeiten unsrer Domestiquen sind eingetheilt, wie Räder einer Uhr, und genau auf die Stunde bestimmt, so wie auch keines unrein oder mürrisch seyn darf, aber auch sehr selten eines gescholten wird, und doch gewiß viele Arbeit in meinem Hause geschieht. – Auch die Dienstboten haben Antheil an der Bibliothek, da alles, was für ihre Klasse geschrieben wurde, angeschaft wird, und sie Reisebeschreibungen, Erbauungs- Viehzucht- Ackerbau- Küchen- und Gartenbücher zum Lesen bekommen.
Nun, glaube ich, können Sie sich mitten in unsern Cirkel denken. – Die lieber Lattens kommen ziemlich oft zu uns – aber Karolinens und ihres Mannes Gesundheit, so wie auch die Gewohnheit zu reisen, führen sie im Frühjahr und Sommer bald in diese, bald jene Gegend, – wobei wir dann unsern Gewinnst in ihren Erzählungen finden, auch wohl den Plan zu eigenen, noch dabei großen Reisen für künftige Zeiten machten, wenn unsere Kinder, deren wir, wie Cleberg sagt, nur vier haben wollen, Antheil daran nehmen können, und zwar nur die Töchter, nicht die Söhne, welche er beide solchen Studien widmet, die sich seinem Fach nähern, indem unser Karl die Bergwerks-, Wilhelm aber Forst- und Landwirthschaftkenntnis sich eigen machen, und dann miteinander reisen sollen, wenn wir mit den Mädchen wieder zu Hause sind, denn wir machen unsern Zug, während sich die Söhne auf der Universität befinden.
Unsere schätzbare Linkens kamen, wie Sie wissen, nachdem sie zwei Mädchen hatten, immer seltener in unsere Gesellschaften, indem sie auf einer Seite die gute alte Grosmutter nie verlassen wollten, auf der andere aber Linke seine Töchter ohne Ausnahme erzogen haben will, wie sein Hannchen erzogen wurde, und also, wie er sagt, den zu eleganten Anblick unsers Hauses, so wie den gesellschaftlichen Ton, für seine Mädchen fürchtet, vielleicht wohl gar für seine Frau besorgt ist, (weil sie einige Zeit bei mir wohnte) es möchten alte Ideen in ihr erwachen, welche er nicht vergnügen könnte, indem er niemals etwas anders als Stadtschreiber seyn will.
Die Stiegens und Kahnberge sind, wie Sie wissen, wegen Verbesserung ihrer Familienumstände links und rechts von uns entfernt worden, und können uns daher keine Besuche mehr geben. –
Herr und Frau von C** aber sind wirklich in eine moralische Erkältung gegen uns und die Otts gerathen, welche sie und uns, wie ein Eismeer, von einander abscheidet. Unsere theure liebe Grafens hingegen kommen gewiß jede Woche; es mag auch einen Tag treffen, welcher es sey, so gehen Sie mit zu unsern Seedorfer Freunden, und theilen, was wir nach der eingeführten Ordnung an Unterredung, Spaziergängen und Unterricht genießen, bleiben gewöhnlich ein paar Tage, erzählen uns Stadtneuigkeiten, bringen manchmal Fremde mit, welche, wie Frau Grafe sagt, die wunderbare Seedorfer Leute, oder die schöne Anlage der neuen Höfe, und das nützlich verschönerte Dorf sehen wollen, wo ein junger Mann so viele Veränderungen machte, und doch seinen Leuten lieb ist. Diese Bemerkung hat in den Sands einen ganz neuen Entwurf hervorgebracht: – Da im Frühjahr die zwei junge Frauenzimmer wieder nach Haus gehen, wollen sie vier Kostgänger annehmen, weil sie glauben, Seedorf sey zu einer Pflanzschule guter, einem Staat so unentbehrlichen geschickten Landbeamten geschaffen, und sie wollen sich, wie sie sagen, das Verdienst bei ihrem Vaterland erwerben, die Kenntnis der weisen Tugend, und Verbreitung einer edeln wohlthätigen Handlungsart, für die Klasse wahrer Menschenfreunde allgemeiner bekannt zu machen, besonders die obige Frage aufzulösen: »Woher es komme, daß Cleberg, der so viele Veränderungen vornahm, doch von seinen Landleuten geliebt wird?« Sie wollen den jungen Leuten sagen: »Das Geheimnis bestehe in dem Betragen des Beamten, den seine anvertrauten Unterthanen immer gerecht und liebreich fanden, und der ihnen sagte: Kinder, wir wollen dies und das zu unserm Besten vornehmen – und sich sehr hütete, das widerliche und abschreckende Befehlen: Ihr müßt das thun, vorauszuschicken. Denn unweiser Uebermuth, stolze und harte Behandlung, erzeugen die Schwierigkeiten, und das Widerstreben; lassen so viele Gegenden unangebaut, und machen unzufriedene Unglückliche.«
Cleberg hat nun auch eine Anlage zu guter Pferdezucht im Sinn, welche bei einem nahe an die Pinndorfische Güther gränzenden Weiler sehr vorteilhaft angelegt werden kann. Er berechnete mir dabei auch das Vergnügen Ihrer Nachbarschaft, denn Wollinghof ist nur eine Stunde von Wiesenholz entfernt, und man kann dieses von einer Ecke Ihres neuangelegten Waldes ganz übersehen.
Mariane und ich haben auch einen weitaussehenden Plan für unsere Nadel entworfen, indem wir neben der Beschäftigung der Bildung unserer Kinder, und den täglich nutzbaren Haus- und Putzarbeiten, die Tapeten für ein Zimmer unternehmen, in welches wir vier Stücke bestimmen, wovon eines die schöne halbruinirte gothische Kirche in dem Garten des Herzogs von Athol in England, zwischen Bäumen, neben dem an dem großen Spaziergang hinlaufenden Fluß, und einem Denkstein mit Thomsons Namen bezeichnet, vorstellen soll. Das zweite zeigt die Ueberreste des Tempels der Sybillen mit einem Theil des Wasserfalls zu Tivoli unweit Rom, nebst Bäumen und Gesträuchen, welche dieser Gegend eigen sind, und einem mit Virgils Namen gezierten Altar. Das dritte wird das in Frankreich nahe bei Bourdeaux liegende altgothische, aber noch völlig bewohnbare Schloß des großen Montesquieu, neben den von ihm angepflanzten Theilen der sonst so unfruchtbaren Heide, und auf dem Grasplatz gegen den Garten ein Denkmal mit den Namen Rouget und Abbe de Lille, vorstellen. Das vierte zeigt den Pavillon und einen Theil des Gartens des Grafen von Stadion in Budenheim, mit der Aussicht auf den Rhein und die Rheingauer Berge, sammt einem an den Gränzen des Feldes errichteten Obelisk mit dem Namen unseres Salomon Geßners. Cleberg läßt uns die Bilder dazu von Herrn Georg Schütz, würdigen Sohn des großen Landschaftmalers in Frankfurt, malen, der eben von Rom kommt, wo er sechs Jahre seine Kunst studirte. Kanefas und Seide kommen von Lyon. Dieser große Nährahm wird in meinem Saal stehen, welchen wir diesen Winter durch einen Ofen von der vortreflichen Erfindung des Herrn Rieß in Frankfurt wärmen werden, wodurch dieses Zimmer eines der angenehmsten und nützlichsten seyn wird: – indem die anstoßende Bibliothek alle merkwürdige Arbeiten des männlichen Geistes faßt, und Cleberg auf der Seite gegenüber einen großen Schrank mit Musikalien und Instrumenten versehen hat, neben diesem aber einen eben so großen Behälter mit allen möglichen Werkzeugen und Maschinen füllte, welche zu alten und neuen Frauenzimmerarbeiten nöthig sind. Latten und Karoline mußten auf ihren Reisen dazu sammeln; Linkens Grosmutter und Frau Itten haben Beiträge ihrer Zeiten geliefert, und ich nebst Julie und Mariane mußten allerlei Arbeiten anfangen und hinlegen, damit, wenn Frauenzimmer zum Besuch kämen, und bei dem Anblick unsers Fleißes jammerten, ihre Arbeit vergessen zu haben, sie sogleich eine wählen, und ihre Geschicklichkeit zeigen könnten. Nun hat Mariane diesem Schrank seine Vollkommenheit damit zugedacht, daß sie eine Büchersammlung von den Werken weiblicher Schriftstellerinnen in allen uns bekannten Sprachen darinn aufstellen will. Ich habe Kochbücher, das ökonomische Lexikon, Geißlers Archiv weiblicher Kenntnisse, Zeichnungen zum Sticken und Stricken, und alle für uns geschriebene Bücher schon hineingestiftet; da uns nun Emilie und Sophie von Edelbach bei unserer Arbeit gewisse Stunden vorlesen, so wird manches aus diesem Vorrath geholt werden, obgleich sie vor das erste die Geschichte von Deutschland nehmen mußten, weil Mariane und Cleberg wollen, daß man vor allem sein Vaterland kennen und schätzen lernen solle; und deswegen wird auch das deutsche Tapetenstück zuerst vorgenommen. Glauben Sie nicht, daß sie schön und leicht vorüberfließen werden, die Tage, deren Eintheilung und Verwendung von der Vernunft, der Pflicht, und edler Kenntnis, vorgezeichnet wurde? Sie sind gewiß eben so weit von der Einförmigkeit entfernt, als die Arbeiten des Landmanns, welche bald im Haus, bald auf dem Felde, oder in dem Wald, im Großen und Kleinen, einen verschiedenen Gebrauch und Anstrengung seiner Kräfte und seines Nachdenkens fordern. So ist es auch mit den Geschäften meines Mannes, unserer Freunde, und den meinigen, indem der Eifer, unsern Kinder überhaupt gut, und so viel möglich nach der Vorschrift und dem schönen Plan unseres lieben verewigten Oncles zu erziehen, von Cleberg und mir Aufsicht über die Kinder und ihren Lehrer fordert. Nanny ist ohnehin meist bei mir. Mein ziemlich großes Hauswesen ist in dem Innern völlig nach der Art eingerichtet, wie wir in der Stadt lebten, in dem Aeusserlichen aber zeigt es eine nette und nützliche Landwirthschaft, die ich ernstlich und fleißig studiren mußte, und jetzt neben den altern Gewohnheiten zu leiten und zu besorgen habe; aber es geht doch recht hübsch, weil nach Clebergs Grundsatz der Natur, der Sonne und Jahrzeiten nachzuahmen, Tag und Stunden mit ordentlicher Arbeit erfüllt sind; wobei unsere Dienstboten selbst nach ihrem Mittagessen eine halbe, und Abends eine ganze Stunde frei haben, wo sie thun können, was ihnen gefällt – so wie alle Montage meine Mägde, wenn die täglich nöthige Hausarbeit gethan ist, nicht für mich spinnen oder nähen, sondern ihre eigenen Sachen besorgen, woher ich auch um so eher fordern kann, daß keine von ihnen unordentlich erscheine – so wie wir die Pflicht getreu gegen sie erfüllen, ihnen mit gutem Beispiel der Ueberlegung, des Fleisses, der Ehrliebe, Religion, Demuth, Güte, Ordnung und Menschenliebe, vorauszugehen.
Ich hoffe, es soll auch während meinem Wochenbette an nichts fehlen, da ich die jüngste Schwester von Frau Mooß, eine verwittwete Pfarrerinn, zu mir nahm, welche als Gehülfinn um mich und meine Kinder lebt, wodurch ich ohne Sorgen in meinem Bette, und sie ohne Kummer auf der Welt seyn kann, mithin unserem beiderseitigen Bedürfnis wechselsweise abgeholfen wurde.
Nun haben Sie, theure Freundinn, das ganz ausgemalte Bild meines neuen Schicksals, Lebens und Arbeitens vor sich, wie Sie es wünschten. – Mögte es Ihnen gefallen, und Sie bei den ersten Strahlen der Frühlingssonne begierig werden, es in der Nähe zu sehen, und Marianens süßen geistvollen Umgang mit mir zu theilen! Der Himmel erhalte Sie, edle liebe Frau! in vollem Segen Ihres wohlthätigen Lebens, durch das Glück und Leben Ihrer Pinndorfe! – Wir lieben, ehren und segnen Sie Alle. Adieu