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Unter den vielen Dingen, die sich an den verschiedensten Orten in immer neuer, eigenartiger Weise zutragen, darf im Rahmen dieser Erzählungen nicht der Fall übergangen werden, dessen Held ein edler Rittersmann aus Burgund war. Der bewohnte, wie es seinem hohen Stande geziemte, eine schöne, feste Burg, die durch eine starke Besatzung und eine Menge Geschütze wohlbewehrt war. Zur Dienerschaft des Schlosses gehörte auch ein Kammerkätzchen, die erste Zofe der Schloßherrin, und in diese verliebte sich eines schönen Tages der Herr Rittersmann.
Seine Liebe setzte ihm bald mordsmäßig zu; er konnte es am Ende gar nicht mehr ohne sie aushalten, stieg ihr überallhin nach oder ließ sie rufen, plauderte mit ihr an allen Ecken und Enden, und kurz und gut – er war derartig in sie vernarrt, daß er ohne sie keine ruhige Minute mehr hatte.
Das Mädel hingegen war ein gutes, tugendhaftes Ding, dem seine Ehre über alles ging, und das über selbige so eifrig wachte wie über die Reinheit seiner Seele. Zudem wollte die Kleine sich auch ihrer Herrin gegenüber nichts vergeben, und darum zeigte sie dem Edelmanne keineswegs das Entgegenkommen, das er so sehr wünschte. Mußte sie auch hier und da seine Liebesklagen mitanhören, so ließ sie ihm jedenfalls, weiß Gott, die kühlsten Ablehnungen zuteil werden, hielt ihm vor, wie namenlos schwach er sich zeige, indem er sich an solche Torheit klammere, und erklärte ihm endlich: wenn er ihr weiter so zusetze, dann würde sie es ihrer Herrin sagen.
Aber alles Drohen half nichts. Er wollte sein Vorhaben nicht aufgeben, lief ihr sogar nur um so mehr nach und brachte es am Ende so weit, daß das arme Ding sich nicht mehr zu helfen wußte und seiner Herrin alles haarklein erzählte. Als die Schloßfrau von den neuesten Liebesstreichen ihres Ehegemahls hörte, da war sie sehr schmerzlich berührt. Aber sie ließ sich das nicht merken und erdachte eine List, die sie folgendermaßen hinter seinem Rücken vorbereitete:
Sie schärfte ihrer Zofe ein, sie solle fortan ihr ablehnendes Verhalten gegen den Schloßherrn aufgeben. Und wenn er sie wieder um ihrer Liebe Gunst bitte, dann solle sie ihm sagen, er dürfe am folgenden Tage in ihr Zimmer kommen und zu ihr ins Bett schlüpfen. »Und,« fuhr sie fort, »wenn er das zusagt, dann werde ich deinen Platz einnehmen, und für den Rest laß mich nur sorgen.«
Das Mädel wollte seiner Herrin nicht ungehorsam sein und erklärte sich gern zu allem bereit. Sie brauchte nicht lange zu warten, denn der edle Herr machte sich sehr bald wieder an sie heran, und seine holden Heuchelreden stellten alles in den Schatten, was er sich auf diesem Gebiet bisher geleistet hatte. Wenn man ihn so hörte, dann war ihm der Tod noch lieber als all die Qualen, die er ausstehen mußte, dafern sie seine Wunden nicht heilen, ihm keinen sanften Trost bringen würde. Was braucht man da viel zu erzählen? Das Mädel kannte seine Rolle hinreichend, die ihm von seiner Herrin eingeschärft worden war; es verkündete dem Kranken, wann er auf Heilung hoffen dürfe, und darob hüpfte sein Herz nur so vor lauter Freude, und er war sich schnell mit sich einig, daß er diese Gelegenheit nicht verpassen würde. Just an dem Abend, da der Waffengang ausgefochten werden sollte, kam unversehens ein Edelmann zu Besuch, der in der Nachbarschaft ansässig und mit dem Schloßherrn aufs innigste befreundet war. Er wurde natürlich mit offenen Armen aufgenommen; auch die Schloßherrin freute sich riesig über seinen Besuch, und das ganze Haus tat, was es dem Gast nur an den Augen absehen konnte, denn es wußte, wie sehr ihm der Schloßherr und seine Gemahlin in Freundschaft zugetan waren.
Als nun solchermaßen die Freuden der Begrüßung, das Abendessen und das Festgelage vorüber waren, als die Schlafenszeit kam und die Hausfrau mit ihren Frauen eine gute Nacht gewünscht und sich zurückgezogen hatte, da hielten die beiden Edelleute noch einen kleinen Schwatz ab. Und während sie so über dies und das plauderten, erkundigte sich der Gast bei dem Schloßherrn, ob es drunten im Dorfe nicht irgendein appetitliches Ding gäbe, bei dem man es sich wohl sein lassen könne, sintemalen ihn das schöne Wetter und das gute Essen in Stimmung gebracht hätten. Der Schloßherr hatte vor seinem Freunde keine Geheimnisse und deshalb erzählte er ihm, daß er just heute nacht die Gunst eines Kammerkätzleins genießen solle. Und um ihm gefällig zu sein, wolle er gern nach den ersten Erfolgen die Schöne sachte verlassen und jenen herbeiholen, damit er den Rest ernte.
Der Gast dankte ihm für soviel Entgegenkommen von ganzem Herzen, und Gott weiß, wie lebhaft er alsbald die Stunde ersehnte, da er dieses Glückes teilhaftig werden sollte. So nimmt der Schloßherr Abschied von ihm und zieht sich seiner Gewohnheit nach in die Kleiderkammer zurück, wo er sich seiner Gewänder entledigt. – Derweile nun aber die Herren geplaudert hatten, war die Gnädige in das Bett geschlüpft, darin der Hausherr sein Zöflein zu finden hoffte. Und dort erharrte sie, was Gott ihr senden sollte. Der Ehemann hatte sich inzwischen in aller Gemütsruhe ausgekleidet und sich umsomehr Zeit dabei gelassen, als er abwarten wollte, bis sein Eheweib eingeschlafen sei. Denn sie war schon seit langem daran gewöhnt, vor ihm zu Bett zu gehen und nicht mehr so lange wachzubleiben, bis er bei ihr zu erscheinen geruhte.
Endlich schickt der Rittersmann seinen Diener fort und wandelt im langen Nachtgewand zu dem Bette, darin seine bessere Hälfte auf ihn lauerte. Er hat natürlich keine Ahnung, daß sie dort liegt: das Licht ist aus und die Gnädige hält fein den Mund. Also wirft er den Nachtkittel ab, hüpft ins Bett und umfängt das vermeintliche Zöflein. Pünktlich erfüllt er alle Pflichten, die solche Lage so mit sich bringt, und gar drei-, viermal erklärt er ihr seine Liebe, als ob es ihm auf ein paarmal mehr gar nicht ankäme, und die Gnädige nahm ihm das keineswegs übel. Als sie dann aber vermeinte, daß seine Beredsamkeit erschöpft sei, schlief sie baldigst ein.
Der Edelmann hingegen schlüpft leichtfüßiger, als er gekommen war, und möglichst sachte aus dem Bette, sowie er merkte, daß seine Partnerin schlief. Denn er war seines Versprechens eingedenk und eilte flugs zu seinem Freunde, der ordentlich vor Kampfeslust glühte. Dem sagte er, daß er jetzt kommen könne, daß er aber fein säuberlich den Mund halten müsse und dann gleich zurückkommen solle, wenn er sein Mütchen hinreichend gekühlt habe. Hurtig wie eine Ratte und flink wie ein Windhund stürmt nunmehro der andere zum Kampfplatz und begibt sich zu der ahnungslosen Schloßfrau. Und wie er überzeugt war, daß der Hausherr sich von seiner besten Seite gezeigt hatte, so suchte er ihn womöglich noch zu überbieten. Das schien der guten Dame freilich sehr verwunderlich, aber sie focht auch diesen Kampf, der ihr viel Freude machte, wacker durch, und am Ende schlief sie wieder sanftselig ein.
Das benutzte der Edelmann, um sich zu verflüchtigen und zu dem Schloßherrn zurückzukehren, der nun seinerseits wieder seine Schöne aufsucht und sich erneut und mit staunenswertem Schwung in den Kampf stürzt, an dem er so viel Gefallen gefunden hatte. Und so verging die Nacht in sanftem Wechsel zwischen Schlafen und Liebkosen, und der Tag dämmerte heran. Wie sich nun aber im Morgenlichte der Ehemann umwandte, um sein Auge am Anblick des Kammerkätzleins zu laben, da erblickt und erkennt er seine bessere Hälfte, die alsbald das Gehege ihrer Zähne auftut und zu ihm spricht:
»Aha, du Wicht, du hinterlistiger, nichtsnutzer Hurenjäger! Du dachtest, das sei die Zofe und darum konntest du dir gar nicht genug tun an Liebesbeweisen, Umarmungen und Zärtlichkeiten! Wie maßlos kannst du doch sein, wenn deine Begierden auf Abwege geraten! Aber du hast dich, Gott sei Dank, getäuscht: denn diesmal sind deine Liebesbeweise, die mir allein zukommen, keiner anderen, sondern eben mir zuteil geworden!«
Als der Ehemann die Sachlage überschaute, war er ebenso verdutzt wie wütend, was ja nicht weiter verwunderlich ist. Und als er endlich Worte fand, da erwiderte er ihr:
»Meine Liebe, ich kann dir meine Torheit freilich nicht abstreiten. Aber jetzt tut es mir furchtbar leid, daß ich mich auf solche Dummheiten einließ. Bitte, gib dich zufrieden und schlag dir die Sache aus dem Sinn, denn nie mehr im Leben wird mir so etwas begegnen – das verspreche ich dir hoch und heilig. Und damit du künftig überhaupt nicht mehr daran erinnert wirst, werde ich die Zofe fortschicken, die in mir den Wunsch erweckte, dich zu hintergehen.«
Die Gnädige war über dies nächtliche Abenteuer im Grunde weit beglückter als das Zöflein; und als sie nun die große Reue ihres Ehemannes wahrnahm, da ließ sie sich ohne große Umstände von ihm beruhigen – das heißt, nachdem sie ihm noch gehörig ihre Meinung gesagt und die Leviten gelesen hatte. Schließlich aber ward die Streitaxt begraben, und als sich dann der Ehemann erhoben hatte, begab er sich zu seinem Freunde, erzählte ihm, was sich da heute zugetragen hatte und bat ihn flehentlichst: zum ersten das Geheimnis und sein (des Hausherrn) beklagenswertes Mißgeschick sorgfältig und vor jedermann zu verschweigen; zum zweiten aber nie mehr irgendwo hinzukommen, wo die Schloßherrin sich befände.
Dem Freunde war der betrübliche Vorfall auch im höchsten Grade peinlich; er tröstete den Edelmann, so gut er konnte, und versprach ihm, seine sehr begreiflichen Wünsche strengstens zu erfüllen. Dann aber bestieg er sein Roß und ritt davon. Die Zofe, die doch eigentlich an nichts schuld war, was sich da zugetragen hatte, mußte trotzdem die Sache ausbaden, indem sie entlassen wurde. Der Schloßherr aber lebte fortan gar lange Zeit mit seinem Weibe im schönsten Einvernehmen, und nie wieder ist die gute Dame mit dem fremden Rittersmanne zusammengekommen.