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In der schönen holden Grafschaft Saint-Pol, in einem ansehnlichen Städtlein ziemlich dicht bei der Stadt Saint-Pol selbst, lebte einst ein schlichter Landmann. Er war mit einer schönen, ansehnlichen Frau verheiratet, in die sich der Pfarrer des Dorfes derart verliebt hatte, daß er weder aus noch ein wußte. Maßen er sich nun derart von den Flammen der Liebe erfaßt fühlte, wobei es für ihn sehr schwer war, an seine Liebste heranzukommen, ohne daß es bekannt oder zum mindesten beargwöhnt wurde, sagte er sich, daß er gütlich ihre Gunst nicht erlangen könnte, ohne zuvor die des Ehemannes zu gewinnen, und daß es unbedingt notwendig sei, diesen Umweg einzuschlagen.
Diesen Plan enthüllte er seiner Geliebten, um deren Ansicht zu hören, und ihr Rat war über die Maßen günstig und geeignet, ihre verliebten Absichten zu glücklichem Ende zu führen.
Indem also unser Pfarrer den Rat seiner Schönen und damit auch seine eigenen Absichten befolgte, richtet er es durch gar anmutsvolle und geschickte Mittel so ein, daß er m engen Verkehr mit dem Manne kam, dessen Gefährte oder auch Stellvertreter er sein wollte. Und richtig wußte er den guten Kerl dahin zu bekommen, daß er keinen Tag mehr trinken oder essen, ja selbst irgend etwas sonstwie tun mochte, ohne dabei regelmäßig von seinem guten Pfarrer zu reden. Tag für Tag und Woche für Woche wollte er ihn zum Mittag- und zum Abendessen bei sich haben. Kurz und gut, in dem Hause des wackeren Mannes war schon nichts mehr recht getan, wenn der Pfarrer nicht dabei war.
Auf diese Weise – ganz so wie er es wollte – kam der Pfaffe also ins Haus, zu jeder Zeit, die ihm paßte. Da nun aber die Nachbarn dieses schlichten, einfältigen Arbeitsmannes gelegentlich sahen, was er selbst nicht sehen konnte, weil Leichtgläubigkeit und Schwäche ihm die Augen geblendet und verbunden hatten, so erklärten sie ihm, es sei nicht anständig, tagtäglich den Besuch des Pfarrers zu haben. So könne das nicht weitergehen, ohne daß seine Frau gewaltig in Schande gerate, zumal ja schon die andern Nachbarn und seine Freunde darauf aufmerksam wurden und ihre Bemerkungen in seiner Abwesenheit darüber machten.
Als sich der wackere Mann derart heftig von seinen Nachbarn getadelt sah, und da sie ihm den Verkehr dieses Pfarrers in seinem Hause zum Vorwurf machten, war er genötigt, ihm zu sagen, daß er sich weiterhin dieses Umganges enthalten möge. Und wirklich verbot er ihm mit drängenden und drohenden Worten, er solle sich ja niemals mehr bei ihm im Hause betreffen lassen, wenn er nicht von ihm gerufen sei, und er verschwor sich hoch und heilig: wenn er ihn dort fände, würde er mit ihm Abrechnung halten und ihn reichlicher bedenken, als es ihm Freude machen würde, und in einer Weise, die ihm wenig lieb sein dürfte.
Dies Verbot mißfiel dem Pfarrer mehr, als man es in Worten ausdrücken kann. War es aber auch mißlich, so wurden die liebevollen Beziehungen deshalb doch nicht abgebrochen. Sie waren ja so tief in den Herzen der beiden verwurzelt, zumal durch die fröhlichen Erfolge, die sie bisher eingeheimst hatten, daß es ein Ding der Unmöglichkeit war, das Pärchen voneinanderzureißen und zu trennen, mochte auch die Drohung noch so arg sein. Hört nun, wie unser Pfarrer sich nach diesem Verbot verhielt.
Auf Anweisung seiner Liebsten nahm er es sich zur Richtschnur und zur Gewohnheit, jedesmal zu ihr zu Besuch zu kommen, wenn er merkte, daß der Ehemann abwesend war. Immerhin benahm er sich dabei recht plump, denn er wußte es nicht einzurichten, daß er in das Haus kam, ohne daß die Nachbarn, auf deren Veranlassung das Verbot zurückzuführen war, davon erfuhren. Denen mißfiel die ganze Geschichte so sehr, als wenn sie selbst im Besonderen davon betroffen würden. Der wackere Mann wurde neuerdings von ihnen gewarnt, und sie wiederholten ihm, daß der Pfarrer die Gewohnheit genommen habe, auch weiterhin in sein Haus zu kommen, um dort die Glut zu löschen wie vor dem Verbot.
Unser schlichter Mann wurde, als er diese Nachricht erfuhr, über die Maßen in Staunen gesetzt und um so heftiger gegen seine bessere Hälfte erzürnt. Und um einen Ausweg und ein wirksames Heilmittel zu finden, erdachte er einen Plan, den ihr nun hören sollt.
Er sagte zu seiner Frau, ohne ein anderes Wesen zu zeigen, als man sonst an ihm gewöhnt war, er wolle an einem bestimmten Tage, den er ihr nannte, einen Wagen mit Korn nach Saint-Omer fahren, und damit seine Angelegenheiten besser gewahrt würden, beabsichtige er, selbst dorthin zu gehen. Als dann besagter Tag kam, an dem er fort wollte, tat er, wie das in der Picardie und zumal in der Umgegend von Saint-Omer Brauch ist: er lud das Korn um Mitternacht auf seinen Wagen und rüstete dann auch für eben diese Zeit zum Aufbruch. Als alles vorbereitet und in Ordnung war, nahm er von seiner Frau Abschied und zog mit seinem Wagen von dannen. Sobald er zum Tor hinaus war, schloß die Frau den Umgang und alle Türen des Hauses ab.
Nun müßt ihr wissen, daß unser Getreidehändler aus dem Hause eines seiner Freunde, der am Ende der Stadt wohnte, besagtes Saint-Omer machte: er begab sich nämlich dorthin, fuhr seinen Wagen auf den Hof besagten Freundes, der um die ganze Geschichte wußte, und schickte dann diesen aus, um die Umgegend seines Hauses zu bespähen, zu erkunden und nachzuschauen, ob ein Dieb etwa dort einbräche.
Als sein guter Freund und Nachbar an Ort und Stelle angelangt war, wo er sein Späheramt zu vollziehen hatte, verkroch er sich in einem Eckchen einer starken Fichtenhecke, von wo aus er alle Eingänge besagten Hauses übersehen konnte. Denn er war dem Kaufmann in dieser Sache bereitwillig ergeben und sein aufrichtiger Freund. Kaum hatte er angefangen, die Ohren zu spitzen, da kam auch schon Meister Pfarrer, um sein Kerzlein in Flammen zu setzen, oder richtiger, um das Feuer zu löschen, und ganz still und sacht pochte er an das Hoftor. Das wurde alsbald von der Frau gehört, die nicht die Gabe hatte, in solch erwartungsvollen Augenblicken zu schlafen. Seine Liebste nämlich kam hurtig im Hemde hinunter und ließ ihren Beichtiger hinein, sperrte dann die Tür wieder zu und führte ihn an die Stätte, die ihr Mann eigentlich einnehmen sollte.
Um nun auf unseren Späher zurückzukommen: sobald dieser alles, was da vorging, wahrgenommen hatte, kam er aus seiner Ecke herausgekrochen und ging hinweg, um die Warnungstrompete zu blasen, – kurz, er setzte dem guten Ehemann den Vorfall haarklein auseinander. Daraufhin wurde sofort Kriegsrat gehalten und folgender Plan festgestellt:
Der Getreidehändler tat, als käme er wegen gewisser Umstände mit seinem Wagen wieder zurück, wegen Zwischenfällen, die er entweder angeblich zu befürchten hatte oder erlebt zu haben glaubte. So gelangte er denn zum Tor, pochte an und rief seine Frau heraus, die aus allen Wolken fiel, als sie seine Stimme hörte. Aber so verblüfft war sie denn doch nicht, daß sie nicht noch schnell die Gelegenheit ergriff, ihren Liebsten, den Herrn Pfarrer, in ein Möbel zu stecken, das sich im Zimmer befand.
Um euch nun begreiflich zu machen, was für ein Möbel das war, so hört: es war ein Speiseschrank nach Art einer Truhe, deshalb lang, schmal und ziemlich tief. Nachdem der Pfarrer dort hineingesteckt war, wo ansonsten Eier, Butter, Käse und andere derartige Lebensmittel untergebracht zu werden pflegen, zeigte sich die wackere Hausfrau, als wäre sie halb wach, halb verschlafen, vor ihrem Mann und sagte zu ihm:
»Ach, guter Mann, was mag dir denn begegnet sein, daß du so hastig zurückkehrst? Sicher kam dir irgendein Mißgeschick oder sonst eine Geschichte dazwischen, die dich deine Reise nicht ausführen ließ?! Ach, bei Gott, sage es mit nur schnell.«
Der gute Mann kochte innerlich schier zum Zerbersten, wenn er es sich auch möglichst wenig merken ließ. Er erklärte, er wolle in sein Zimmer gehen und ihr dort den Grund seiner eiligen Rückkunft erzählen. Als er dann dort war, wo er den Pfarrer zu finden glaubte, nämlich in seinem Zimmer, begann er die Gründe zu erzählen, die ihn zum [... Zeile fehlt im Buch. d.K. ...] er es sich auch möglichst wenig merken ließ. Er erklärte, [... Zeile fehlt im Buch. d.K. ...] er, es sei aus Mißtrauen vor ihrer möglichen Untreue geschehen, und er habe gar sehr befürchtet, mit Hörnlein geziert zu werden, wie man ja zu sagen pflegt, und dieser Verdacht sei der Grund gewesen, daß er so eilig heimgekehrt sei. Item sei dieser Verdacht so hartnäckig und unablässig in seinem Sinn umherspaziert, daß er von dem Augenblicke an, da er außer Hause gewesen sei, an nichts anderes mehr hätte denken, nichts anderes sich hätte vorstellen können, als daß der Pfarrer seine Stelle verträte, während er zu Geschäften abwesend sei. Item habe er seine Vorstellungsgabe etwas erproben wollen, und deshalb, erklärte er, sei er derart zurückgekehrt, und wolle auf der Stelle die Kerze haben und nachsehen, ob seine Frau es wage, in seiner Abwesenheit ohne Gesellschaft zu schlafen. Als er mit der Auszählung der Gründe für seine Rückkehr fertig war, erhob seine Frau ein groß Geschrei und erklärte:
»Ach, mein guter Mann, woher kommt Euch nur jetzt diese grundlose Eifersucht? Habt Ihr denn irgend etwas bei mir bemerkt, was mich in anderem Lichte erscheinen läßt denn als gute, getreue und tugendhafte Frau? Ach, verflucht sei die Stunde, da ich Euch kennen lernte und mit Euch vermählt wurde. Denn ich habe nicht verdient, derart zu Unrecht wegen einer Sache beargwöhnt zu werden, an die mein Herz nicht einmal im Traume je gedacht hat. Ach, Ihr kennt mich noch schlecht und wißt nicht, wie rein und ganz mein Herz sein und bleiben wird.«
Vielleicht wäre der gute Kaufmann gezwungen worden, ihrem Geschwätz und Schwindel zu glauben, wenn er nicht ihren Wortschwall unterbrochen hätte. Er erklärte aber, daß er die Richtigkeit seiner Gedankenbilder erproben wolle. Ohne sie weiterschwatzen zu lassen, begann er alsbald alle Ecken und Winkel der Stube zu durchsuchen und zu durchstöbern, wo er nur irgend hingucken konnte. Als er sie alle abgesucht hatte, ohne dort zu finden, was er suchte, faßte er den Speisekasten ins Auge und kam zu der Ansicht, daß er gerade das Rechte sei, um seinen Gefährten zu bewahren. Er ließ sich aber nichts merken, sondern rief seine Frau und sagte ihr:
»Meine Liebe, wirklich, ich habe Euch ohne jeden Grund und mit Unrecht der Untreue gegen mich verdächtigt. Ihr seid nicht so böse, wie meine irrenden Gedanken es mir vorgestellt haben. Und trotzdem bin ich der festen Überzeugung, des Glaubens, und wie darin verrannt, daß es mir nie wieder möglich sein wird, zärtlich mit Euch zu sein. Deshalb bitte ich Euch, erklärt Euch mit einer Scheidung und Trennung zwischen uns beiden einverstanden, also daß wir in Liebe und Güte unsere Habe in zwei gleiche Teile teilen.«
Das verliebte Weiblein, das diesen Handel gar beglückend fand, maßen sie ja dann um so leichter mit ihrem Pfarrer zusammen sein konnte, stimmte, ohne sich groß zu verstellen, dem Vorschlage ihres Mannes zu, unter der einzigen Bedingung freilich, daß sie die Teilung des Hausrates vornehme, zuerst darüber zu bestimmen und die Wahl zu treffen habe.
»Aber aus welchem Grunde wollt Ihr denn als erste die Wahl treffen?« fragte der Mann. »Das ist doch gegen alles Recht und alle Gerechtigkeit!«
Lange Zeit stritten sie sich hin und her, wer als erster die Wahl treffen solle. Schließlich aber siegte der Ehemann, traf seine erste Entscheidung und wählte den Speisekasten wo nur Kuchen, Gebäck, Käse und andere Lebensmittel darin waren, mitten unter ihnen begraben aber unser Pfarrer, der all die schönen Reden hörte, die um seinetwillen gehalten wurden.
Als der Ehemann den Speiseschrank gewählt hatte, wählte die Frau den Kessel, dann der Ehemann ein anderes Möbelstück, dann sie wieder ein anderes, und so fort, bis alles geteilt und bestimmt war. Als dann die Teilung beendet war, meinte der gute Ehemann:
»Ich bin damit einverstanden, daß Ihr in meinem Hause bleibt, bis Ihr Unterkunft für Euch gefunden habt. Ich aber will gleich zur Stunde mein Teil fortschaffen und es ins Haus meines Freundes bringen.«
»Tut, wie Ihr wollt,« versetzte sie.
Nun ließ er sich einen guten langen Strick geben, band ihn um den Speiseschrank, verschnürte ihn, ließ dann seinen Wagen kommen und ein Pferd vor seinen Speiseschrank spannen, damit er zum Hause dieses und dieses Nachbarn hingebracht würde.
Als die wackere Frau diesen Befehl hörte, stellt sie sich, als wäre sie ganz einverstanden, denn sie wagte nicht, einen entgegengesetzten Rat zu geben. Sie hatte nur eine Angst: daß der Kasten aufgemacht werden könnte. Deshalb ließ sie alles gehen, was auch für Dinge daraus entstehen mochten.
Der Speiseschrank wurde also, wie gesagt, hinten bei dem Gespann aufgeladen und die Straße dahin gefahren, um dorthin gebracht zu werden, wo der gute Mann es angeordnet hatte. Aber er hatte noch keinen langen Weg zurückgelegt, da begannen die Eier und die Butter unserm Pfarrer schon die Augen vollzulaufen, und er schrie um Gottes willen um Gnade.
Als der Karrenführer diese klägliche Stimme aus dem Speiseschranke herausjammern hörte, sprang er ganz erschrocken ab, rief die Leute und seinen Herrn herbei, und die öffneten alsbald den Kasten, allwo sie den armen Gefangenen auffanden. Von lauter Eiern, von Milch, Käse und sonstigen hunderterlei Dingen war er ganz vergoldet und besudelt. Ja, der ärmste Liebhaber war so jämmerlich zugerichtet, daß man nicht wußte, womit er am meisten bekleckert war. Als ihn der wackere Ehemann in diesem Zustande erblickte, konnte er trotz seiner berechtigten Wut nicht umhin, in lautes Gelächter auszubrechen. Er ließ allen Zorn fahren, kam zu seiner Frau gelaufen und zeigte ihr, daß er gar nicht so sehr im Unrecht gewesen war, ihre Untreue zu beargwöhnen.
Als sie sich durch diesen Beweis überführt sah, bat sie um Gnade, und ihr wurde unter der Bedingung Verzeihung gewährt, daß sie, wenn ihr Ähnliches noch einmal begegnen sollte, etwas schlauer sein müsse, als den Mann ausgerechnet in den Speiseschrank zu stecken. Denn hier war ja der Pfarrer Gefahr gelaufen, seinen Kittel für immer zu verderben. Fortan blieben sie noch lange Zeit miteinander. Der Mann trug seinen Schrank wieder heim, und ich weiß nicht, wo der Pfarrer sich künftig in Sicherheit brachte. Für dies Abenteuer jedenfalls erlangte er den Spitznamen, den er heute noch trägt: Herr Baudin-Speiseschrank.