Heinrich Laube
Louison
Heinrich Laube

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Neuntes Kapitel.

All' das, was zu Louisons Naturell gar nicht paßte, war wie weggeblasen, als sie nach Paris kam, Malevy sich einstellte und das Durchprobieren der Rolle begann. Louison war ganz so heiter wie sonst, war ganz Schauspielerin, welche über Malevys Mimik herzlich lachte, wenn er ihr eine Szene vorspielte. Solch Vorgespieltes konnte sie nicht brauchen. »Das mache ich mir selber!« rief sie.

Eins nur machte sie für Augenblicke stutzig: die neue Umarbeitung des Stückes und der Rolle bestand darin, daß ihre Lebensgeschichte und ihr Verhältnis zu Rambert nun ganz deutlich, ganz unverkennbar den Inhalt des Stückes bildete. Das sollte doch, meinte sie, mehr verhüllt werden! Rambert werde das sehr übel nehmen.

»Um Gottes willen nicht!« rief Malevy. »Gerade dadurch, daß es echt und wahr ist, weckt es in Ihnen die echten Naturlaute, durch welche wir den schlagenden Eindruck beim Publikum erreichen und durch welche Sie als ein Talent ersten Ranges erscheinen.«

74Das beschwichtigte sie, und sie fuhr mit ihm zur ersten Probe, nachdem auch das Singen der Couplets genügend vorbereitet war. Es hatte sich erwiesen, daß ihre Singstimme klangvoll und daß ihr musikalisches Gehör vortrefflich war; sie sang glockenrein. Die Natur hatte eben nichts vergessen zu ihrer Ausrüstung.

Der Portier des Theaters war angewiesen, keinen Menschen einzulassen während der Proben, und das Stück erhielt auch noch keinen Titel, damit nichts Klares darüber verlauten könnte, wenn etwa beschäftigte Mitglieder doch davon schwatzen sollten. Sie waren auch übrigens nicht geneigt, viel davon zu erzählen, da zu ihrem Ärger alle Effekte Louison zufielen und sie mit ihren Rollen ziemlich unzufrieden waren.

So gelang's, daß nichts Besonderes von dem vorbereiteten Stücke in den Journalen verlautete. Die Schreiber der Entrefilets, wie Juron, waren auch in der Mehrzahl noch nicht in Paris, und das Stück stand fest in den Proben, als der September schon vorgerückt war und die Gesellschaft, welche das neugierigste Theaterpublikum bildete, allmählich nach Paris zurückkehrte.

Malevy besorgte außerdem, daß Journalisten zahlreicher Blätter in die Wohnung Louisons eingeführt würden, um bezaubert zu werden von ihrer Schönheit und Anmut.

Das gelang denn auch durchweg, und plötzlich lief die Anzeige durch alle Zeitungen: »Übermorgen die erste Vorstellung der Komödie Louison, Hauptrolle Mademoiselle Louison.«

»Übermorgen,« damit viele abwesende Theaterfreunde noch Zeit fänden, für diese erste Neuigkeit der Saison nach Paris zu eilen.

Das Haus war denn auch brechend voll, und ehe der Vorhang aufflog, gab's ein dringendes Flüstern und Fragen: »Was bedeutet es denn, daß Stück und Debütantin denselben Namen führen?« – »Das Stück ist ihre Lebensgeschichte,«

75war die Antwort, welche Malevy in Umlauf gesetzt hatte. – »Ah! ah!« – Doppelte Spannung.

Der Vorhang ging in die Höhe. Louison erschien im Mädchenkleide der Brüsseler Bürgertochter, jung und frisch wie ein betautes, erst aufblühendes Röslein. Ein beifälliges Murmeln ging durchs ganze Haus. Charmant! charmant! sagte jedermann halblaut. Sie war auch wirklich reizend und zankte sich mit Vater und Mutter allerliebst, als diese nicht wollten, daß sie Schauspielerin werde.

Ebenso antwortete sie mit naiven Drolligkeiten dem wohlweisen Professor Lampré, welcher sie abhalten wollte. In Lampré war Ramberts Name verwandelt. Der brave Rambert saß still auf seinem Landsitze Beaurepos und ahnte nichts von dem Attentate, welches sein Liebling gegen ihn ausübte. Seine Schulweisheit wurde unter Zustimmung des Publikums von seinem Pflegekinde verspottet. Der Akt schloß mit einem Monologe, in welchem die ingénue Louison all' ihre herzige Naivität entwickelte, vom Publikum mit stürmischem Beifall aufgenommen. Der Sieg Louisons war hiermit schon entschieden.

In den nächsten Akten folgte die lustige Zurechtweisung Jurons, welchen sie zu großer Erheiterung des Publikums einsperrte; es folgte nach eine intime Szene mit dem Professor, der unter Vorbehalt nach Liebe fragte und dem sie auf die liebenswürdigste Weise antwortete, daß sie für dies Thema wohl noch zu jung wäre; es folgte eine ausgelassene Szene mit dem Clown Rosas, in welcher sie mehr Komik entwickelte als der Clown, und es folgte endlich der Auftritt eines rothaarigen Irländers, welcher in sehr gebrochenem Französisch erklärte: sie müsse ihn lieben, oder er schieße sie tot. Die schüchterne Grimasse, welche sie ihm machte, erregte sprudelnde Heiterkeit im Publikum, und eine Stimme rief: »Polizei!« Unter allgemeinem Gelächter erschien wirklich die Polizei und führte den Irländer ab, weil er gestörten Geistes wäre.

76Kurz, es gefiel alles unter der fröhlichen Führung Louisons, und die Vorstellung schloß mit ihrem vollständigen Triumphe, sowie mit der Überzeugung im Publikum, Paris habe ein prächtiges neues Talent gewonnen und das Theater eine außerordentliche Zugkraft.

Louison wurde denn auch unmittelbar nach dem Schlusse – sie war noch im Kostüm – vom Direktor mit hoher Gage engagiert.

Die Habitués des Theaters stürzten auf die Bühne, um ihr und dem Direktor Glück zu wünschen und den Vorschlag zu machen, daß man den erfolgreichen Abend mit einem splendiden Souper kröne bei den Frères provenceaux im Palais royal. Allgemein angenommen! Man erwartete nur die Umkleidung Louisons und brach dann mit ihr auf.

Der bittere Tropfen wird aber keinem Sterblichen erlassen. An der Ausgangstür des Theaters traten zwei Männer Louison entgegen und nötigten sie still zu stehen. Der eine war Juron, der andere O'Brien.

Juron überschüttete sie mit Vorwürfen, ihn und Rambert öffentlich lächerlich gemacht zu haben, Rambert, welcher sie mit Wohltaten überschüttet habe. Er schloß mit einem »Pfui!«, welches sie empfindlich traf, denn es war verdient.

O'Brien daneben, den Arm in der Binde, sagte lächelnd: »Sie haben mich als Irishman vor der ganzen Welt lächerlich gemacht, das ist eine Schuld, welche Sie mir abzuzahlen haben, abzuzahlen mit Liebe. Sie sehen, ich habe auch einen Arm für Sie geopfert; machen Sie sich gefaßt auf reichliche Entschädigung, welche ich mir – ich schwör's! – bei Ihnen holen werde. Also auf Wiedersehen!«


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