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Siebenundachtzigstes Kapitel

Der einzige Gewinn von Ghesa war also seine Lehre für mich: nie wieder unnötig einen Kampf herausfordern, weder zum Spaß noch aus Übermut. Und nur drei Tage später wurde unsere Ehre wiederhergestellt durch ein anständiges und nutzbringendes Unternehmen, das wir von Abdulla el Feir durchführen ließen. Dieser lagerte unter uns am paradiesischen Südufer des Toten Meeres, einer von Süßwasserbächen durchzogenen Niederung mit reichem Pflanzenwuchs. Wir unterrichteten ihn von unserem Erfolg und machten ihm den Vorschlag, einen Überfall auf den Seehafen von Kerak zu machen und die dortliegende türkische Flotte zu zerstören.

Er nahm sich etwa siebzig ausgesuchte Reiter der Bersaba-Beduinen und ritt mit ihnen während der Nacht den schmalen, gut gangbaren Landstreifen zwischen den Bergen von Moab und dem Seeufer hin bis nahe an das türkische Lager. Beim ersten Morgenlicht, als sie weit genug sehen konnten, um Galopp reiten zu können, brachen sie aus dem Unterholz hervor gegen die Motorboote und Leichter, die in der nördlichen Bucht lagen, während die Bemannung am Strande oder in Schilfhütten nahebei schlief.

Sie waren von der türkischen Marine und nicht auf ein Landgefecht vorbereitet, geschweige denn auf einen Kavallerieangriff. Erst das Dröhnen der Pferdehufe bei der scharfen Attacke hatte sie geweckt, und das Gefecht war im Augenblick zu Ende. Die Hütten wurden verbrannt, die Vorräte geplündert, die Schiffe auf den See hinausgebracht und versenkt. Dann ritten unsere Leute ohne einen einzigen Verlust mit ihren sechzig Gefangenen zurück und priesen ihre Heldentat. Am 28. Januar hatten wir damit unser zweites Ziel erreicht und den Verkehr auf dem Toten Meer lahmgelegt, vierzehn Tage früher, als wir es Allenby versprochen hatten.

Unser drittes Ziel sollte sein, die Mündung des Jordans bei Jericho vor Ende März zu erreichen. Wir hätten gute Aussicht darauf gehabt, aber das Wetter lähmte uns, und seit den blutigen Tagen von Ghesa wuchs auch unsere Abneigung gegen neue Mühen. Die Zustände in Tafileh hatten sich gebessert. Faisal hatte uns Munition und Proviant geschickt. Die Preise fielen, da man Vertrauen zu unserer Kraft faßte. Die Stämme um Kerak herum, die in täglicher Fühlung mit Seid standen, beabsichtigten, sich ihm anzuschließen, sobald er vorrückte.

Gerade dies jedoch war uns nicht möglich. Des Winters Gewalt trieb Führer und Mann in den Schutz der Dörfer und lullte sie in eine lähmende Trägheit, gegen die alles Drängen zur Tat wenig vermochte. Ja, auch die Vernunft riet, in den Häusern zu bleiben. Zweimal wagte ich mich zur Probe auf die schneebedeckte Hochfläche hinaus, wo die toten Türken als armselige braune Haufen steifgefrorener Kleider umherlagen; aber da draußen war der Aufenthalt unerträglich. Tagsüber taute es ein wenig, und mit der Nacht kam wieder Frost. Der eisige Wind zerbiß die Haut; die Finger, steifgefroren, verloren jedes Gefühl; die Wangen zitterten wie totes Laub und krampften sich dann zusammen in starrem Schmerz.

Vorzudringen durch diesen Schnee auf Kamelen, die so ganz besonders ungeeignet sind für glatten Boden, hieß sich der Willkür jeder Handvoll Reiter aussetzen, die uns den Weg sperren wollten; und mit fortschreitender Zeit schwand auch diese Möglichkeit hin. Gerste wurde zum raren Artikel in Tafileh, und unsere Kamele, bereits jeder Weidemöglichkeit durch das Wetter beraubt, mußten nun auch das Trockenfutter entbehren. Es blieb nichts übrig, als sie eine Tagereise weit südlich von unserem Hauptstandort nach dem glücklicheren Ghor zu verschicken.

Obwohl das Ghor infolge des Umweges, den die Straße machte, weit weg lag, betrug die direkte Entfernung wenig mehr als sechs Meilen; wir konnten es deutlich sehen, fünftausend Fuß unter uns. Das streute Salz in unsere Wunden, diesen Wintergarten am Gestade des Sees gerade unter unseren Füßen zu sehen. Wir waren in kalten Steinhäusern voller Ungeziefer eingepfercht und litten Mangel an Feuerung, Mangel an Nahrung, von eisigen Stürmen, Regen und Hagelschauern an Wege gefesselt, die Morästen glichen, während unten im Tal die Sonne auf frische, von Blumen übersäte Wiesen schien und auf milchreiche Herden und die Luft so warm war, daß die Menschen ohne Mäntel gingen.

Meine persönliche Gefolgschaft traf es günstiger als die meisten andern, da Saagi ein leerstehendes, noch unvollendetes Haus für uns gefunden hatte, mit zwei fertigen Räumen und einem Hof. Meine Barschaft ermöglichte es uns, Brennmaterial zu beschaffen und sogar etwas Getreide für unsere Kamele, die wir in einer geschützten Ecke des großen Hofs untergebracht hatten. Dort konnte Abdulla, der Tierfreund, sie striegeln und jedes einzelne bei Namen herbeirufen und es lehren, ein Stückchen Brot mit der Spitze der Lippen aus seinem Mund zu nehmen, vorsichtig und sanft wie in einem Kuß. Aber dennoch waren es unerquickliche Tage; denn machte man Feuer, um es ein wenig warm zu haben, so erstickte man fast in dem beißenden Rauch des grünen Holzes, und die leeren Fensterhöhlen waren nur notdürftig mit roh zusammengeschlagenen Holzklappen verschlossen, die wir uns selbst gemacht hatten. Durch das Lehmdach tropfte es unablässig den ganzen Tag; und des Nachts hopsten die Scharen der Flöhe auf dem Steinboden vergnügt durcheinander, aus Freude über die ihnen so reichlich zuteil werdenden Mahlzeiten. Wir hockten zu achtundzwanzig in den beiden winzigen Räumen, die von der säuerlichen Ausdünstung der Dichtgedrängten nur so dampften.

Ich hatte in meiner Satteltasche ein Exemplar des »Morte d' Arthur«; und das Lesen erleichterte ein wenig mein Unbehagen. Meinen Leuten gebrach es natürlich an geistiger Ablenkung, und in dieser erzwungenen Untätigkeit und kläglichen Enge verrohten ihre Gemüter. Ihre Wunderlichkeiten, sonst wohl erträglich, gleichsam wie ein aus der Entfernung gesehener Film, widerten mich jetzt an; dazu kam, daß eine Streifwunde an meiner Hüfte sich durch Frost entzündet hatte, und das ewige schmerzhafte Puckern peinigte mich und machte mich gereizt. Die Spannung wuchs zwischen uns von Tag zu Tag, je schmutziger und tierischer unser Zustand wurde.

Schließlich zankte sich Awad, der wilde Scherari, mit dem kleinen Mahmas, und im Augenblick klirrten die Dolche aneinander. Die übrigen unterbrachen die Tragödie, so daß es nur eine leichte Verwundung gab. Aber das war ein Bruch des obersten Gesetzes meiner Leibgarde, und da das böse Beispiel und die Schuld zum Himmel schrien, verzogen sich die anderen alle in den Nebenraum, während die Führer sofort den Urteilsspruch vollstreckten. Aber Saagis durchdringende Peitschenhiebe waren zuviel für meine aus Erfahrung schöpfende Vorstellung, so daß ich ihm aufzuhören befahl, noch bevor er richtig warm geworden war. Awad, der während der Exekution, ohne einen Laut von sich zu geben, dagelegen hatte, erhob sich langsam auf die Knie und wankte mit eingeknickten Beinen und hängendem Kopf zu seinem Schlafplatz.

Nun sollte Mahmas an die Reihe kommen, ein junger Mensch mit schmalen Lippen, spitzem Kinn und vorspringender Stirn, dessen kugelige Augen nach innen zu abfielen, was ihm einen jähzornigen Ausdruck gab. Er gehörte nicht eigentlich zu meiner Leibgarde, sondern war ein Kameltreiber; seine Fähigkeiten waren geringer als seine Auffassung davon, und wegen seines ständig gekränkten Stolzes war er ein heftiger und gefährlicher Genosse. Wenn er im Wortwechsel unterlag oder ausgelacht wurde, beugte er sich vor, griff nach seinem kleinen Dolch, den er stets bei der Hand hatte, und stach drauflos. Jetzt verkroch er sich in eine Ecke, fletschte die Zähne und schwor unter Tränen, daß er es allen zeigen würde, die ihm etwas antäten. Die Araber pflegten nicht bei der Standhaftigkeit im Ertragen, für sie die höchste Probe der Männlichkeit, eine physische und eine moralische Seite zu unterscheiden und machten keinerlei Zugeständnisse an die Nerven. Deshalb wurde Mahmas' Geheul für nichts als Angst angesehen; und als man ihn freiließ, kroch er entehrt hinaus in die Nacht, um sich zu verbergen.

Awad tat mir leid. Seine Charakterfestigkeit beschämte mich; besonders als ich am nächsten Morgen seinen humpelnden Schritt im Hof hörte und sah, wie er sich anstrengte, seinen täglichen Dienst bei den Kamelen zu verrichten. Ich rief ihn herein, um ihm ein gesticktes Kopftuch als Belohnung für treue Dienste zu schenken. Er kam jämmerlich geknickt herbei, mit einer scheu-unruhigen Bereitschaft, noch weitere Strafen auf sich zu nehmen; meine veränderte Art machte ihn fassungslos. Nachmittags aber sang und gröhlte er wieder, glücklicher als je zuvor, denn er hatte in Tafileh einen Narren gefunden, der ihm vier Pfund für mein seidenes Geschenk gegeben hatte.

Diese nervöse Empfindlichkeit gegeneinander wurde zuletzt so unerträglich, daß ich beschloß, die Gesellschaft auseinanderzubringen und wenigstens mit einem Teil meiner Leute aufzubrechen, um das nötige Geld herbeizuschaffen, das wir später bei Eintritt besserer Witterung dringend brauchen würden. Seid hatte die Hälfte der für Tafileh und das Tote Meer ausgesetzten Summe ausgegeben teils für Besoldung, teils für Ankauf von Lebensmitteln und Belohnungen an die Sieger von Seil Ghesa. Wohin immer wir später unsere Front verlegten, wir mußten in jedem Fall dort neue Mannschaft anwerben und bezahlen; denn nur die ortsansässige Bevölkerung hatte die genaue und sichere Kenntnis ihres heimatlichen Bodens und kämpfte zugleich für die Verteidigung von Haus und Hof.

Joyce mochte wohl Geldsendungen für mich in die Wege geleitet haben, aber das Schicken hatte seine Schwierigkeiten zu dieser Jahreszeit. Sicherer war es schon, selbst hinunterzugehen, und jedenfalls verlockender als dieser ewige Gestank und das untätige Beieinanderhocken in Tafileh. So brachen wir denn unserer fünf in der Frühe eines Tages auf, der etwas heller zu werden versprach als sonst. Wir kamen ziemlich rasch vorwärts bis Reschidiya, und als wir auf den Sattel jenseits hinaufstiegen, sahen wir uns plötzlich über den Wolken im matten Schein der Wintersonne.

Am Nachmittag wurde das Wetter wieder schlecht, und ein rauher Wind fegte von Nord und Ost über die kahle Ebene hin, die wir eben durchritten. Als wir die Furt des Schobek durchwatet hatten, begann es zu regnen, erst mit heftigen Güssen, dann in gleichmäßigen schrägen Strömen, die sich wie ein rauschender Mantel um unsere linke Schulter legten, als wollten sie uns schützen gegen die erste Gewalt des anstürmenden Windes. Auf dem Boden zu unsern Füßen spritzte es weißlich wie in kleinen Springbrunnen auf vom niederprasselnden Regen. Ohne Aufenthalt ging es weiter, und noch lange nach Sonnenuntergang trieben wir unsere zitternden Kamele, die oft ausglitten und stürzten, durch die grasbewachsenen Täler. Wir schafften, trotz aller Schwierigkeiten, fast zwei Meilen die Stunde; und dieses unerwartet rasche Vorwärtskommen erfrischte uns den Geist und wärmte uns die Glieder.

Ich hatte eigentlich vor, die ganze Nacht durch weiter zu reiten. Aber nahe von Odroh lagerte sich Nebel wie ein dichter Vorhang rund um uns her, während über uns am stillen Nachthimmel Wolkenfetzen, dünn wie Schleier, durcheinanderwirbelten und tanzten. Die Gegenstände veränderten ihr Aussehen: ferne Berge schrumpften ein, und nahe Hügel erschienen gewaltig groß. Wir merkten, daß wir zu weit rechts abgekommen waren.

Der Boden, obgleich anscheinend hart, brach morsch unter dem Gewicht der Kamele durch, so daß sie bei jedem Schritt vier bis fünf Zoll tief einsanken. Die armen Tiere, durchfroren von dem kalten Tag, waren so oft gestolpert und gestürzt, daß ihre zerschundenen Knochen ganz steif waren. Diese neue Schwierigkeit nun machte sie widerspenstig. Sie rannten ein Stück vor, standen plötzlich, schauten rundum und suchten seitlich auszubrechen.

Wir mußten ihnen ihre Wünsche leider versagen und trieben sie vorwärts, bis wir, unkundig des Wegs, in Felstäler gerieten mit zackiger Kammlinie; rechts und links Finsternis und vor uns Berge, wo eigentlich keine Berge sein sollten. Es fror von neuem, und der Steinboden im Tal überzog sich mit Glatteis. In dieser Nacht des Irrens noch weiter vorzudringen, wäre Wahnsinn gewesen. Wir fanden einen breiten Felsvorsprung. Hier mochte etwas Schutz sein, und dahinter lagerten wir unsere Kamele enggedrängt nebeneinander, die Schwänze nach dem Wind, denn mit dem Kopf dem Wind entgegen konnten sie über Nacht vor Kälte eingehen. Wir verkrochen uns zwischen sie, in der Hoffnung auf etwas Wärme und Schlaf.

Warm wurde mir überhaupt nicht, und schlafen konnte ich kaum. Einmal war ich eingeschlummert, um gleich wieder aufzufahren von dem Gefühl, als strichen sanfte Finger über mein Gesicht. Ich starrte in eine Nacht, fahl von großen, weichen Schneeflocken. Nach wenigen Minuten ging der Schnee in Regen über, und dann fror es wieder; ich rollte mich zu einer Kugel zusammen, von Schmerzen gepeinigt, aber zu elend, um mich noch zu rühren bis zum Morgengrauen. Nur zögernd kam die Dämmerung, doch man konnte nun wenigstens sehen. Ich drehte mich im nassen Schmutz herum zu meinen Leuten – in ihre Mäntel gewickelt, kauerten sie verloren an die Flanken ihrer Tiere geschmiegt. In ihren Gesichtern lag ein qualvoller Ausdruck stumpfer Hoffnungslosigkeit.

Es waren vier Leute aus dem Süden, die vor lauter Angst vor dem Winter in Tafileh krank geworden waren und sich in Guweira erholen sollten, bis es wieder warm wurde. Aber hier im Nebel hatten sie es sich, wie es die Art der Kamelhengste ist, in den Kopf gesetzt, daß sie an Ort und Stelle sterben müßten, und obwohl sie zu stolz waren, sich darüber zu beklagen, waren sie doch nicht erhaben darüber, mich stillschweigend fühlen zu lassen, daß sie ein Opfer für mich brachten. Sie rührten sich nicht und gaben mir keine Antwort. Wenn ein Kamel sich hingeworfen hat und nicht weiter will, bekommt man es am besten wieder durch ein kleines Feuer auf die Beine, das man unter ihm anzündet; ich aber nahm den kleinsten dieser Hampelmänner bei seinem Krauskopf und bewies ihm, daß er noch zu fühlen imstande war. Daraufhin erhoben sich auch die anderen, und wir brachten die steifen Kamele mit Fußtritten zum Aufstehen. Unser einziger Verlust war ein Wasserschlauch, der am Boden festgefroren war.

Mit Tageslicht öffnete sich ein wenig der Horizont, und wir stellten fest, daß unser richtiger Weg eine Viertelmeile links von uns lag. Auf diesem arbeiteten wir uns nun zu Fuß weiter. Die Kamele waren zu herunter, um noch unser Gewicht zu tragen (außer dem meinigen gingen alle auf dem Marsch ein); doch war der lehmige Boden so glitschrig, daß wir gleich den Tieren fortwährend rutschten und hinfielen. Wir halfen uns jedoch auf dieselbe Art, wie ich es bei Dera gemacht hatte, und klammerten uns bei jedem Schritt mit weitgespreizten Zehen am Lehmboden fest. Auf diese Weise kamen wir, eng aneinandergedrängt und uns gegenseitig stützend, langsam weiter.

Trotzdem es kalt genug schien, fror es nicht; denn der Wind hatte sich über Nacht gedreht und fegte uns nun von Westen in orkanartigen Stößen entgegen. Unsere Mäntel bauschten sich auf und drückten wie gestraffte Segel hindernd gegen uns. Schließlich zogen wir sie aus, und in dem losen, hemdartigen Kleid der Araber, das wir fest zusammenknüpften, damit die langen nassen Enden uns nicht um die Beine klatschten, ging es sich leichter. Die Richtung der Sturmwirbel erkannte man schon von weitem an den weißen Nebelfetzen, die sie über Berg und Tal fegten. Unsere Hände waren klamm bis zur völligen Gefühllosigkeit, und die Wunden und Risse darauf merkten wir nur an den roten Furchen in der Lehmkruste, mit der sie überzogen waren. Doch waren unsere Körper nicht so erstarrt, um nicht zusammenzuschauern unter dem Hagelgeprassel einer jeden Sturmböe. So gut es ging, drehten wir dann jedesmal dem Unwetter unsere weniger mitgenommene Seite zu und hielten das Kleid weit vom Leibe ab wie einen Schild.

Am späten Nachmittag hatten wir die zehn Meilen nach Aba el Lissan hinter uns. Maulud war mit seinen Leuten talwärts gezogen, und niemand zeigte sich, uns zu begrüßen. Das war uns ganz lieb, denn wir waren verschmutzt und elend, hager wie geschorene Katzen. Die letzten zwei Meilen bis auf die Höhe von Schtar ging es besser, da der Boden steinhart gefroren war. Wir stiegen wieder auf die Kamele, die unwillig den Atem in weißen Dampfwolken aus den Nüstern stießen, und galoppierten zur Höhe hinauf, wo wir, durch Wolkenklüfte hindurch, das erste wunderbare Leuchten der Ebene von Guweira erspähten: warm, rot, verlockend. Die Wolken hatten die Tiefe seltsam überdacht, gleichsam wie mit einer flachen Schicht geronnener Milch, die quer durch den Himmel hin in Höhe unseres Gipfels lagerte. Minutenlang standen wir in den Anblick versunken. Zuweilen riß sich eine Flocke von diesem meerschaumartigen Wolkenvlies los und trieb auf uns zu. Wir auf der steilen Höhe fühlten sie an unsern Gesichtern vorbeistreifen; und uns umwendend, sahen wir, wie sie sich über den rauhen Kamm zog als ein weißer Saum, der dann in Fetzen zerriß, um als ein Schauer von Hagelkörnern oder Regengeriesel in dem moorigen Grund zu verschwinden.

Nachdem wir dieses Himmelsschauspiel genügend bewundert hatten, glitten und rutschten wir munter den Paßweg hinab zu trockenem Sand und milder, stiller Luft. Doch war die Freude nicht so ungetrübt, wie wir gehofft hatten. Der Schmerz des in unsere abgestorbenen Glieder und Gesichter zurückströmenden Blutes war weit heftiger als der Schmerz des allmählichen Erstarrens; und wir wurden jetzt erst gewahr, daß unsere Füße zum Teil bis auf die Knochen zerfetzt und zerschunden waren. In dem eisigen Schlamm hatten wir nichts gespürt; jetzt aber biß der warme, salzige Sand wie Pfeffer in den Wunden. In unserer Verzweiflung stiegen wir wieder auf die kranken Kamele und trieben sie mit Stockschlägen Guweira zu. Immerhin hatte die Wärme sie etwas aufgemuntert, und, wenn auch langsam, brachten sie uns schließlich an unser Ziel.


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