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XXV. Bemerkungen über die Ansicht des Pater Malebranche, wonach wir alles in Gott schauen, mit Bezug auf die von Herrn Locke vorgenommene Prüfung dieser Ansicht

Unter den nachgelassenen Schriften des Herrn Locke, die 1706 in London erschienen sind, findet sich auch eine Prüfung der Ansicht des Pater Malebranche, wonach wir alle Dinge in Gott schauen. Herr Locke anerkennt zunächst, daß in dem Buche über die Erforschung der Wahrheit eine große Anzahl seiner Gedanken und scharfsinniger Bemerkungen enthalten sind und daß er daher gehofft habe, darin auch etwas Genügendes über die Natur unserer Vorstellungen zu finden. Er hat jedoch sogleich bemerkt (§ 2), daß der Pater den Beweis benutzt, den Herr Locke argumentum ad ignorantiam nennt, indem nämlich Herr Malebranche seine Ansicht damit zu beweisen sucht, daß es kein anderes Mittel gäbe, die Sache zu erklären. Nach Herrn Locke verliert jedoch dieser Beweis seine Kraft, wenn man die Schwäche unseres Erkenntnisvermögens in Betracht zieht. Ich bin indessen der Ansicht, daß der Beweis gut ist, sobald man eine vollständige Aufzählung der Mittel geben und alle bis auf ein einziges ausschließen kann. Herr Frenicle bediente sich dieser Methode der Ausschließung, wie er es nannte, sogar in der Analysis. Indessen bemerkt Herr Locke mit Recht, es nütze zu nichts, eine Hypothese für besser zu erklären als die übrigen, wenn sich findet, daß sie das nicht erklärt, was man eben begreifen möchte, und sogar Dinge einschließt, die nicht miteinander verträglich sind.

Nachdem er den Inhalt des ersten Kapitels des zweiten Teiles des dritten Buches, wo der Pater Malebranche behauptet, was der Geist auffassen solle, müsse unmittelbar mit ihm verbunden sein, in Betracht gezogen, fragt Herr Locke (§ 3, 4.), was unmittelbar verbunden sein heiße, da ihm dies nur bei den Körpern verständlich scheine? Vielleicht könnte man antworten, es heiße, daß das eine unmittelbar auf das andere einwirke. Malebranche zufolge ist eine unmittelbare Erkenntnis der äußern Dinge durch die Seele nicht möglich, weil jene Dinge ausgedehnt sind, die Seele aber nicht. Diese Erkenntnis wird nun durch die Ideen vermittelt, die eine reale geistige Existenz haben und in Gott sind, weil Gott die Welt nicht ohne die Ideen hervorbringen konnte und überhaupt alle Dinge auf geistige Weise in Gott sind. Soll daher die Seele die äußern Dinge erkennen, so muß sie unmittelbar mit Gott vereinigt sein, sie muß in Gott sein, denn die Objekte können ihr nur durch die Ideen bekannt gemacht werden, und diese sind in Gott. Gott ist also der Ort der Geister, wie der Raum der Ort der Körper ist. Aus dieser Darlegung erhellt, daß Leibniz durchaus im Irrtum ist, wenn er das »Unmittelbar-vereinigt-Sein« als ein Kausalverhältnis auffaßt. Da aber der Pater einräumt, daß unsere Körper mit unsern Seelen verbunden sind, und zwar in einer Weise, fügt er hinzu, daß die Seele es nicht wahrnimmt, so verlangt Herr Locke (§ 5), daß er diese Art von Verbindung auseinandersetze oder wenigstens angebe, worin sie sich von der unterscheidet, die er nicht gelten läßt. Der Pater Malebranche wird vielleicht sagen, er kenne die Verbindung der Seele mit dem Körper nur durch den Glauben, und da die Natur des Körpers einzig in der Ausdehnung bestehe, so lasse sich daraus nichts entnehmen, was die Einwirkung der Seele auf den Körper verständlich mache. Er gibt eine unerklärliche Verbindung zu, verlangt aber eine, die zur Erklärung des Verkehrs zwischen Seele und Körper dienlich ist. Er sucht auch zu begründen, weshalb die stofflichen Wesen nicht so mit der Seele verbunden sein können, wie man verlangt, nämlich deshalb, weil es, da diese Wesen ausgedehnt sind, die Seele aber nicht, kein Verhältnis zwischen beiden gibt. Hier fragt jedoch Herr Locke sehr zur rechten Zeit (§ 7), ob denn zwischen Gott und der Seele ein besseres Verhältnis bestehe? Meines Erachtens mußte der ehrwürdige Pater in der Tat nicht das geringste Verhältnis, sondern den geringen Zusammenhang anführen, der sich zwischen Seele und Körper zeigt, während zwischen Gott und den Geschöpfen ein Zusammenhang besteht, infolgedessen diese nicht ohne jenen bestehen können. Auch hier schiebt Leibniz dem Begründer des Okkasionalismus seine eigene Ansicht unter. Malebranche stellt die Verbindung zwischen Körper und Seele nicht als unerklärlich hin, sondern sucht sie vielmehr durch die Ideen (s. Anm. 194) zu erklären. Allerdings ist auch bei ihm diese Verbindung keine unmittelbare, aber doch ganz anderer Art als die von Leibniz angenommene sogenannte metaphysische

Wenn der Pater in § 6 behauptet, daß es keine rein begreifliche Substanz gäbe außer Gott, so muß ich bekennen, daß ich ihn nicht hinlänglich verstehe. Es gibt etwas in der Seele, was wir nicht deutlich erfassen, und in Gott gibt es sehr viele Dinge, die wir gar nicht erfassen.

Herr Locke macht (§ 8) über den Schluß des Malebrancheschen Kapitels eine Bemerkung, die mit meiner Anschauung übereinstimmt. Um nämlich zu zeigen, daß der Pater nicht alle Mittel, durch welche sich die Sache erklären läßt, ausgeschlossen hat, fügt er hinzu: »Wenn ich es für möglich erklärte, daß Gott unsere Seelen in der Weise gebildet und sie so mit dem Körper verbunden habe, daß auf gewisse Bewegungen des Körpers diese oder jene Vorstellung in der Seele folgte, aber in einer für uns unfaßlichen Weise, so würde ich etwas ebenso Wahrscheinliches und Belehrendes gesagt haben als das, was der Pater sagt.« Herr Locke scheint bei diesen Worten mein System der vorherbestimmten Harmonie oder etwas Ähnliches im Auge gehabt zu haben.

Weiter wirft Herr Locke ein (§ 20), daß die Sonne überflüssig sei, wenn wir sie in Gott sehen. Da dieser Grund auch mein System treffen würde, demzufolge wir sie in uns sehen, so erwidere ich, daß die Sonne nicht bloß für uns geschaffen ist und daß Gott will, daß wir Vorstellungen von Wahrheiten haben in Gemäßheit dessen, was außer uns ist. Malebranche gegenüber ist der Einwurf Lockes allerdings unzutreffend, denn dessen Ideen sind nur die Spiegelbilder des Seienden, die mit diesem selbst verschwinden würden. Das Leibnizsche System aber trifft Lockes Einwand ganz und gar, und Leibniz sieht weiter keinen Ausweg als die Berufung auf den Willen Gottes. Dies Mittel ist sehr bequem, aber auch sehr unzulänglich.

Ferner wendet er ein (§ 22), er begreife nicht, wie wir etwas in Gott verworren schauen könnten, da doch in Gott keine Verworrenheit ist. Darauf ließe sich erwidern, daß wir die Dinge verworren sehen, wenn wir zu viele auf einmal sehen.

Zu dem Ausspruche des Pater Malebranche, Gott sei der Ort der Geister, wie der Raum der Ort der Körper sei, bemerkt Herr Locke (§ 25), daß er kein Wort davon verstehe. Aber er versteht doch zum mindesten, was Raum, Ort und Körper ist. Ebenso versteht er, daß der Pater eine Analogie zwischen

Raum, Ort, Körper,
und Gott, Ort, Geist

aufstellt. Also ist ein guter Teil dessen, was er hier sagt, verständlich. Man kann nur einwenden, daß diese Analogie nicht bewiesen ist, obgleich man mit Leichtigkeit gewisse Beziehungen erkennt, die zu dem Vergleiche Anlaß geben können. Wie ich oft schon bemerkt habe, suchen gewisse Leute das, was man ihnen sagt, durch diese verstellte Unwissenheit zu umgehen, als ob sie nichts davon verständen: sie tun das nicht, um sich selbst einen Verweis zu erteilen, sondern vielmehr entweder um den Sprechenden bloßzustellen, als ob dessen Ausdrucksweise unverständlich wäre, oder um sich über die Sache und den, der sie vorträgt, zu erheben, als ob dieselbe nicht ihrer Aufmerksamkeit wert wäre. Doch kann Herr Locke mit Recht sagen, daß diese Ansicht des Pater Malebranche mit Bezug auf seine andern Ansichten unverständlich sei, da bei ihm Raum und Körper dasselbe ist. Die Wahrheit ist ihm hier entschlüpft, und er hat hier den Raum als etwas Gemeinsames und Unveränderliches aufgefaßt, zu dem die Körper eine wesentliche Beziehung haben, und das sogar ihre Beziehungen zueinander ausmacht. Diese Auffassung gibt Anlaß, sich eine Fiktion zu bilden und den Raum für eine unveränderliche Substanz zu nehmen, allein das Wirkliche an dieser Vorstellung betrifft die einfachen Substanzen, unter denen auch die Geister zu verstehen sind, und findet sich in Gott, der dieselben vereint. Man muß hier beachten, daß Leibniz bei seiner Anschauung vom Raume als eines Idealen allerdings eine Analogie zwischen Gott und Raum anerkennen konnte, während Locke dergleichen unmöglich war. Übrigens vertritt Leibniz auch hier wieder nur seine eigene Anschauung, nicht die Malebranches.

Sagt der Pater, die Ideen seien vorstellende Wesen, so hat Herr Locke allerdings Ursache zu der Frage (§ 26), ob diese Wesen Substanzen, Zustände oder Beziehungen seien? Meiner Ansicht nach darf man sagen, sie sind nur Beziehungen, die sich aus den Eigenschaften Gottes ergeben. Nach Malebranche dagegen sind die Ideen wirkliche Substanzen.

Wenn Herr Locke erklärt (§ 31), er begreife nicht, wie die Mannigfaltigkeit der Ideen mit der Einfachheit Gottes verträglich sei, so scheint er mir aus diesem Umstande keinen Einwurf gegen den Pater Malebranche entnehmen zu dürfen, denn es gibt kein System, das eine derartige Sache begreiflich machen kann. Wir können die Inkommensurabilität und tausend andere Dinge nicht begreifen, deren Wahrheit uns nichtsdestoweniger bekannt ist und die wir mit Recht benutzen, um von andern Dingen Rechenschaft zu geben, die davon abhängen. Etwas Ähnliches hat bei allen einfachen Substanzen statt, wo es in der Einheit der Substanz eine Mannigfaltigkeit der Erregungen gibt. Das Beispiel der Inkommensurabilität ist hier nicht zutreffend, denn diese ist eine in jedem Augenblick beweisbare Tatsache und kann daher jedem Erklärungsversuche zugrunde gelegt werden. Die Malebranchesche Aufstellung aber, die weder bewiesen noch beweisbar ist, verfehlt durch diese Unbegreiflichkeit eben ihren Zweck: die Erklärung.

Der Pater behauptet, daß die Idee des Unendlichen der des Endlichen vorangehe. Herr Locke macht dagegen geltend (§ 34), daß ein Kind eher die Vorstellung einer Zahl oder eines Quadrates als die des Unendlichen hat. Er hat recht, wenn er die Vorstellungen für Bilder nimmt, nimmt er sie aber für die Grundlage der Begriffe, so wird er finden, daß im Stetigen der Begriff eines Ausgedehnten, unbedingt genommen, dem Begriffe eines Ausgedehnten vorangeht, dem eine Beschränkung beigefügt ist. Dies gilt auch von dem in § 42 und 46 Gesagten.

Die von Herrn Locke in § 40 geprüfte Begründung des Paters, daß Gott allein, da er das Ziel der Geister ist, auch deren alleiniger Gegenstand sei, ist nicht zu verachten. Allerdings mangelt derselben noch einiges, als daß sie ein Beweis genannt werden könnte. Auch gibt es einen triftigern Grund, welcher dartut, daß Gott der einzige äußere unmittelbare Gegenstand der Geister ist, und zwar deshalb, weil nur er auf dieselben einwirken kann. Nach dem Systeme der vorherbestimmten Harmonie nämlich.

In § 41 wird der Einwurf gemacht, daß der Apostel mit der Erkenntnis der Geschöpfe den Anfang macht, um uns zu Gott zu führen, und daß der Pater das Gegenteil tut. Mich dünkt, diese beiden Methoden kommen überein. Die eine verfährt a priori, die andere a posteriori, und diese letztere ist die gewöhnlichere. Allerdings ist der beste Weg zur Erkenntnis der Dinge der, welcher von den Ursachen ausgeht, aber er ist nicht der leichteste. Er fordert zu viel Aufmerksamkeit für die sinnfälligen Dinge. Indem nämlich aus diesen sogleich die höchsten Begriffe ausgesondert werden müssen, von denen die Methode a priori auszugehen hat.

Bei der Beantwortung des § 34 habe ich den Unterschied hervorgehoben, der zwischen Bild und Idee besteht. Wie mir nun scheint, bestreitet man diesen Unterschied in § 38, indem man bei der Unterscheidung zwischen Idee und Empfindung Schwierigkeiten findet. Ich glaube indessen, der Pater versteht unter Empfindung eine bildliche Vorstellung, während man Ideen von Dingen haben kann, die weder sinnlich wahrnehmbar noch bildlich vorstellbar sind. Ich räume ein, daß man, wie hier eingeworfen wird, eine ebenso klare Idee von der violetten Farbe wie von der Gestalt hat – aber sie ist weder ebenso deutlich noch ebenso faßlich. Abermals setzt Leibniz hier seine eigene Anschauung anstelle der des Verfassers der Recherche de la vérité. Nach Malebranche gibt es gar keine besondern Vorstellungen von den äußern Dingen neben den Ideen derselben, es kann also bei ihm nicht von »bildlichen Vorstellungen« im Leibnizschen Sinne die Rede sein.

Herr Locke fragt, ob eine unteilbare und nicht-ausgedehnte Substanz gleichzeitig verschiedene Zustände haben kann, die sich auf unzusammenhängende Dinge beziehen. Ich sage: gewiß. Bei der Vorstellung verschiedener Gegenstände, die man mit einem Male erfaßt, findet sich ein Unzusammenhängendes. Es ist dazu nicht notwendig, daß es im Punkte verschiedene Teile gebe, obschon verschiedene Winkel in demselben zusammentreffen. Locke verlangt hier eine Erklärung dafür, warum die Seele bei der gleichzeitigen Wahrnehmung mehrerer Dinge diese Dinge nicht als eins auffaßt, sondern für gesonderte erkennt. Die Leibnizsche Erklärung reicht in keiner Weise aus, denn sonst hätten auch die Peruaner die Reiter des Pizarro als aus Pferd und Mensch bestehende und unzusammenhängende Dinge erkennen müssen.

Mit Recht wirft Herr Locke die Frage auf (§ 43), wie wir die Geschöpfe erkennen, wenn wir nur unmittelbar Gott schauen? Es kommt dies daher, daß die Gegenstände, deren Vorstellungen uns Gott mitteilt, etwas an sich haben, und dies bringt uns zu dem Schlusse, daß es noch andere Substanzen gibt. Auch diese Erklärung ist Leibnizsches Eigentum, im Hauptwerke Malebranches wenigstens findet sie sich nicht.

Herr Locke nimmt an (§ 46), daß Gott die Idee eines Winkels habe, der dem rechten der nächste ist, daß er sie aber niemand zeige, so sehr man sie auch zu haben wünsche. Darauf entgegne ich, daß ein derartiger Winkel eine Fiktion ist, wie der Bruch, der der Eins am nächsten kommt, oder die Zahl, die der Null am nächsten steht, oder die kleinste von allen Zahlen. Die Natur des Stetigen gibt nicht zu, daß es dergleichen gebe.

Der Pater hatte behauptet, daß wir unsere Seele vermöge eines innern bewußten Gefühls kennen und daß daher die Kenntnis von unserer Seele unvollkommener sei als die der Dinge, die wir in Gott schauen. Dagegen bemerkt Herr Locke sehr treffend (§ 47), da die Idee unserer Seele ebensogut in Gott ist wie die der übrigen Dinge, wir dieselbe ebenfalls in Gott schauen müßten. Die Wahrheit ist, daß wir alles in uns und in unserer Seele sehen und daß die Kenntnis, die wir von der Seele haben, sehr wahrhaft und richtig ist, sofern wir nur darauf achtgeben; vermöge dieser Kenntnis von der Seele kennen wir das Sein, die Substanz und Gott selbst, und vermöge der Betrachtung unserer Gedanken erlangen wir die Kenntnis von der Ausdehnung und von den Körpern. Indessen steht allerdings fest, daß uns Gott alles Positive daran und alle darin enthaltene Vollkommenheit vermittelst einer unmittelbaren und fortwährenden Ausströmung verleiht, und zwar kraft der Abhängigkeit, in der alle Geschöpfe zu ihm stehen, und danach kann man also dem Satze, daß Gott der Gegenstand unserer Seelen sei und daß wir alles in ihm schauen, einen sehr guten Sinn beilegen. Durch die Erklärung: »Die Wahrheit ist, daß wir alles in uns und in unserer Seele sehen« tritt Leibniz offenbar und absichtlich in scharfen Gegensatz zu Malebranche, den er hier überhaupt mehr in seiner Weise umdeutet und verarbeitet als auslegt und verteidigt. Nach Malebranche sind die Seelen infolge der göttlichen Allgegenwart tatsächlich und wirklich in Gott als dem »Ort der Geister«. »Bleiben wir bei der Ansicht«, sagt er wörtlich (Recherche de la vérité II, 6), »daß Gott die intelligible Welt oder der Ort der Geister ist, wie die materielle Welt der Ort der Körper ist. Von seiner Macht empfangen sie alle ihre Modifikationen, in seiner Weisheit finden sie alle ihre Vorstellungen, durch seine Liebe werden sie in allen ihren sittlichen Neigungen bewegt. Da aber seine Macht und seine Liebe nichts anderes sind als er selbst, so wollen wir mit St. Paulus glauben, daß er nicht fern ist einem jeglichen unter uns, und daß wir in ihm das Leben, die Bewegung und das Sein haben.« Dies In-Gott-Sein der Seelen bei Malebranche ist also ganz etwas anderes als die bloße Abhängigkeit von Gott, die Leibniz hier dafür setzt. – Auch Locke hat die Malebranchesche Lehre von den Ideen nicht richtig erfaßt. Diese Ideen vermitteln die Erkenntnis der körperlichen Objekte seitens der Seele, zur Erkenntnis geistiger und unräumlicher Dinge sind sie dagegen nicht vonnöten, da die Seele das Unausgedehnte, und mithin auch ihre Zustände, unmittelbar zu erfassen vermag. Dabei ist es denn allerdings merkwürdig, warum diese unmittelbare Wahrnehmung oder Erkenntnis unvollkommener sein soll als die mittelbare durch die Ideen: diesen Punkt aber hat Locke gar nicht berührt.

Bei dem im § 53 geprüften Ausspruche, daß wir die Wesenheiten der Dinge in den Vollkommenheiten Gottes sehen und daß die allgemeine Vernunft uns Aufklärung gebe, geht vielleicht die Absicht des Paters Malebranche dahin, bemerklich zu machen, daß die Eigenschaften Gottes die einfachen Begriffe begründen, die wir von den Dingen, vom Sein, von der Macht, vom Wissen, von der Ausgießung, von der Dauer im unbeschränkten Sinne haben, da diese in ihm sind, in den Geschöpfen aber nur in beschränkter Weise bestehen.


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