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Göttingen, den 21sten April 1786
Mein wertester Freund,
Wie es hier zugeht, wie man gestört wird, was Arbeiten, zu denen man sich unterzeichnet hat, für Zeitverluste verursachen, können Sie nicht glauben. Zuweilen brüte ich 8 Tage über mir selbst und habe Muße, und da tue ich freilich was ich will, und dann, wenn die Zeit kommt, daß ich tun möchte was ich wollte, ist des Müssens so viel, daß man sich kaum einfällt.
Empfehlen Sie mich Ihrer Familie, die in aller Rücksicht vortrefflich sein muß. Ich hoffe Sie noch in loco zu besuchen, ehe ich sterbe, und damit tröste ich mich bei meinem jetzigen angebundenen Auster-Leben.
Ich soll Sie also hier sehen. Liebster Mann, lassen Sie mich es vorher wissen. Ich bewohne ein weitläuftiges Logis, aber immer als Junggeselle, wo Sie wohl wissen wie es hergeht, nur ein Wort, so sind Ihnen Logis und Tisch bei mir bereit. Der Tisch auf alle Weise, auch unvorbereitet, denn für einen Freund findet sich bei mir immer etwas, zumal bei einem, der durch sein Gespräch die Würze dazu hergibt.
In Holland habe ich wenige oder keine Bekanntschaft. Ich liebe die Leute da nicht; die Städte sind vortrefflich, und Sie werden da Einrichtungen sehen, so wie man sie sich träumt. Es ist keine beträchtliche Stadt in Holland, die ich nicht gesehn habe. Ich habe ihre Schiffahrt und ihre Häuser betrachtet, aber ihre Bewohner waren mir, einige Gelehrte ausgenommen, unerträglich. Sie verlieren gar zu viel gegen die Engländer. Wer aus England nach Holland kommt, glaubt aus einer Gesellschaft wohlgezogener Offiziere unter Tamboure und Profosse versetzt zu sein.
Wenn Sie die See in vollem Lustre sehen wollen, so versäumen Sie ja nicht Scheveningen oder Schevelingen, 1 Stunde vom Haag, am Ende eines angenehmen Waldes, fast des einzigen in Holland, zu besuchen. Der Prospekt ist da vortrefflich, weil keine Insuln gegenüber liegen, auch keine Tiefe des Hafens durch die Menge der Schiffe die Aussicht versteckt; Sie sehen die See da so, wie die Tanne am neuen Tor zu Darmstadt. Aber, liebster Freund, versuchen Sie ja eine kleine Seefahrt, wäre es auch nur auf einem Fischerboot, wenigstens 3 bis 4 Meilen vom Lande. Sie werden da Dinge sehen, wovon sich ein Mittelländer keinen Begriff machen kann. Ich bin sechsmal zur See gewesen, und einmal in Gefahr, allein im Jahr 1778, da ich nicht in Gefahr war, wiewohl der Wind heftig wehte, hatte ich einen Anblick den ich nie vergessen werde. Das Meer schlug hohe Wellen, muschelförmige tiefe Ausschnitte, die leicht 30 bis 40 Fuß in die Länge haben mochten; darauf schwebte unser Schiffchen sicher, aber wie ein Strohhalm. Ich stund auf dem Verdeck und hatte mich mit einem Strick an dem Haupt-Mast fest gemacht. Etwas Größeres habe ich nie gesehn. Das Unaufhaltsame im ganzen, die menschliche Verwegenheit und der Geist der sich hierin zeigt, verbunden mit dem Donner der Wogen, denn es ist ein wahrer Donner, was man aus der Ferne hört, haben mir in Wahrheit Tränen, ich weiß nicht wie ich sie nennen soll, der Andacht, des Entzückens oder der Demütigung vor dem großen Urheber ausgepreßt. In der Kajüte lagen Leute, die glaubten, es ginge zum Ende. Es ist kein größerer Anblick in der Natur....
Soeben werde ich wieder gestört, wiewohl auf eine sehr gute Art, es läßt sich der Herr Vizeberghauptmann von Trebra bei mir melden; ich breche also, um die Post nicht zu versäumen, kurz ab und verbleibe ganz der Ihrige
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