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Frankreich hatte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch keine einheimische Kunst. Die großen Maler wie Poussin und Claude leben in Rom. Die wenigen in Paris thätigen reflektieren nur die verschiedenen im Ausland herrschenden Richtungen.
Simon Vouet hatte während seines 15jährigen Aufenthaltes in Italien an Guido Reni sich angeschlossen und arbeitete, 1627 nach Frankreich zurückgekehrt, in diesem bolognesischen Stile weiter.
Louis Le Nain scheint mit der Frans Hals-Schule zusammen zu hängen und überrascht durch die ernste Sachlichkeit, mit der er das Volksleben schildert. Das erste der Bilder, die der Louvre von ihm besitzt, heißt »die Familie des Schmieds«. Ein Mann am Ambos hält einen Augenblick in der Arbeit inne. Frau und Kinder folgen seinem Blick, als ob sich die Thür öffne und ein Besuch ins Zimmer trete. Auf dem zweiten Bild sitzt eine Bauernfamilie bei der Mahlzeit: vorn der Mann, eine wollene Mütze auf dem Kopf, das Glas andächtig an die Lippen führend, neben ihm die Frau, die müde von der Arbeit vor sich hinblickt. Das dritte Werk, die Rückkehr vom Felde, ist auch farbig merkwürdig. Denn kein braunes Licht, sondern der einfache graue Tageston ist über die Landschaft gebreitet. Während die andern damals lustige Episoden aus dem Bauernleben herausgriffen, es karikierend im Sinne der Bambocciade behandelten, hat Le Nain schlichte, ganz modern anmutende Arbeiterbilder geschaffen.
Philippe de Champaigne, geborener Vlaame, ist teils durch Kirchenbilder, teils durch Porträts bekannt. Namentlich die Gelehrtenwelt und die jansenistische Geistlichkeit saß ihm zu Bildnissen. Und dieser Geist des Jansenismus giebt seinen Kirchenbildern etwas Kühles, Nüchternes, asketisch Herbes. Nonnen in faltigen, weißwollenen Gewändern, das Ordenskreuz auf der Brust, den Schleier über dem Haupt, sitzen betend in einfachen Zellen. Auf dem Rohrstuhl liegt die Bibel, ein hölzernes Kruzifix hängt an der Wand. Gelbliche, schwarze und braune Farbentöne steigern noch die düstere Stimmung.
Eustache Le Sueur hat in ähnlichem Sinne das Mönchsleben gemalt. Seine Bilder aus dem Leben des heiligen Bruno haben nicht die Kraft, den Gleichgültigen anzuhalten, der durch die Säle des Louvre schreitet; aber ist man stehen geblieben, fühlt man den Zauber dieser scheuen weltflüchtigen Kunst. Es ist in dem einsamen stillen Raum, als sei eine Kirche mitten ins Museum gebaut, oder als ob man die weiche ruhige Luft einer Klosterzelle atme. Ernst und schlicht sind die Kompositionen, einfach und phrasenlos Haltung und Gesten; auf braune oder grünlich bleiche Harmonien sind alle Farben gestimmt. Als hätte er selbst wie Sankt Bruno das Gelübde der Armut und Niedrigkeit abgelegt, meidet Le Sueur mit mönchischer Entsagung alles, was das Auge reizt, die Sinne bestrickt. Ein Malermönch wie Fra Angelico scheint die Werke geschaffen zu haben, und man versteht, daß die Gestalt dieses Mannes, der so still dahin lebte und so jung – mit 38 Jahren – starb, früh vom Schleier der Legende umwoben ward. Wie Memling, heißt es, hätte er als junger Mensch sich in eine Nonne verliebt und sei zum Melancholiker geworden, der als Mönch im Kloster der Karthäuser endete.
So einseitig Le Sueur, so charakterlos vielseitig ist Sebastien Bourdon. Wie er als Abenteurer begann und als Akademiker endete, bald in Rom, bald in Paris und Schweden arbeitete, taucht er auch als Maler proteusartig in den verschiedensten Masken auf. Es giebt dekorative Bilder von ihm, die aus der Carraccischule stammen könnten, und religiöse, in denen er klassisch streng wie Poussin sich giebt. Doch daneben hat er Bildnisse gemalt, wie das des Descartes, und Volksstücke, Zigeuner und Bettler, die seinen Zusammenhang mit der Caravaggioschule zeigen.
Salvator Rosa und Michelangelo Cerquozzi erhielten in Jacques Courtois genannt Le Bourguignon ihr Gegenstück. Ein dunkler, von grellgelben Wolken durchzogener Himmel, Staub und Pulver, kämpfende Landsknechte – das ist gewöhnlich der Inhalt seiner Bilder.
Frankreich hatte einige große Persönlichkeiten, die aber eine »französische Schule« um so weniger bildeten, als die führenden Geister nicht in Paris, sondern in Rom arbeiteten. Damit die französische Kunst ein Ganzes werde, mußte der Schwerpunkt der Kunstthätigkeit von Rom nach Paris verlegt, ein gemeinsames Arbeitsfeld den Künstlern eröffnet werden. Diese Zeit brach mit Ludwig XIV. an.
Die Franzosen nennen dieses Zeitalter le grand Siècle, und sofern man unter groß grandios versteht, ist die Bezeichnung berechtigt. Kein Herrscher der Welt machte in großartigerem Maßstabe die Kunst sich dienstbar. Keiner hat dermaßen mit Pomp und Pracht sich umkleidet, Ludwig ist ein Bauherr par excellence. Wie Augustus von sich sagen durfte, daß er seine Residenz aus Stuck und Kalk als eine Stadt aus Stein und Erz hinterlassen habe, stampfte Ludwig – nicht in Paris, aber in Versailles – aus sandigem Erdreich Feenpaläste hervor. Und da alle seine Bauwerke auch malerischen Schmuck erheischten, begann eine Thätigkeit, wie sie in diesem Umfang die Welt nicht gesehen. In ebenso großer Zahl wie vorher in dem kleinen Holland wachsen die Maler aus dem Boden. Frankreich, das bisher seinen Kunstbedarf meist aus dem Ausland, aus Italien und den Niederlanden bezogen, versorgt nun seinerseits die europäischen Höfe mit Kunst und mit Künstlern.
Stößt man in den Galerien auf Werke dieser Meister, die dem Zeitalter Ludwigs XIV. das Gepräge gaben, so wird man sie mehr kolossal als fein, mehr bombastisch als vornehm finden, Da ist van der Meulen, der die militärische Laufbahn Ludwigs XIV., seine Feldzüge, Belagerungen, Paraden und feierlichen Einzüge in Riesenbildern verewigte; Alexandre Desportes, der dafür angestellt war, die Jagdhunde des großen Königs zu porträtieren, und Jean Baptiste Monnoyer, unter dessen Händen selbst die Blume etwas sehr Feierliches, Steifes, Repräsentierendes wurde. Da sind Lebrun, Coypel, Blanchard, Audran, Houasse, Jouvenet – wie manieriert und gespreizt, pompös und aufgeblasen erscheinen ihre Werke. Nichts kann abgehen ohne großen Apparat. Die Säulen müssen sich drehen, der Sammet muß sich bauschen. Wie die »Précieuses ridicules« scheinen sie sich Mühe zu geben, das Einfachste affektiert, in phrasenhaftem Schwulst zu sagen. Biblische Bilder enthalten stets die nämlichen theatralischen Köpfe und hohl deklamierenden Gesten. Bei antiken Stoffen ist immer die gleiche Römertragödie in monoton schwülstigen Alexandrinern vorgetragen.
Noch inmitten dieser blendenden Historien hängen auch die Bildnisse von Rigaud und Largillière. Hier lernt man die Menschen kennen, denen die Maler dienten. In einer selbstbewußten, herausfordernden Würde, die zu erhaben ist, um lächerlich zu sein, inmitten eines pomphaften Apparates steht Ludwig XIV. da. Der Glorienschein einer Riesenperücke mit schweren gewellten Locken umfließt sein Haupt. Ein ungeheurer blausammtener, mit den goldenen Lilien bestickter Mantel umwallt ihn. Mit dicker goldener Krone ist der üppig prunkende Rahmen geschmückt, Velasquez, van Dyck, Rigaud – das sind drei Welten inmitten des höfischen Porträtstils. Die spanischen Könige wissen noch nichts von einer Welt außerhalb des Alcazars. Ihre Bildnisse sind Ahnenbilder, die sich in der königlichen Familie vererben. Die Aristokraten des van Dyck sind schon in Berührung mit der Plebs gekommen. Fein und blaß, nur mit leiser Stimme redend, werden sie nervös, wenn ein lautes rohes Wort an ihr Ohr dringt, weichen zitternd aus, wenn ihr Aermel in Gefahr ist, von einem grobklobigen Plebejer gestreift zu werden. Ludwig XIV. zeigt der Welt nicht sein blaues Blut, sondern seine königliche Macht, ist nicht, wie Karl I., Edelmann gegenüber der Plebs, sondern König gegenüber Unterthanen. Die Vornehmheit, die bei van Dyck in der blassen Gesichtsfarbe, den weißen, blaugeäderten Händen, der gebrechlichen Zartheit liegt, liegt bei Rigaud in der imposanten Pose, den wallenden Vorhängen, den Insignien des Königtums, die er ringsum anhäuft. L'état c'est moi. Und wie der König sind die andern. Steif repräsentierend, in gravitätischer Hoheit lassen sie sich malen, in jenen feierlichen Pas, die das Parket des Hofes verlangt. Jeder nimmt eine pomphafte Miene an und macht mit der Hand einen bedeutsamen Gestus. Alle Damen haben einen Fürstenmantel um die Schultern drapiert. Der Dichter läßt sich darstellen, wie er, von einem Königsmantel umwogt, mit heroischer Gebärde auf eine Leier sich stützt. Der Prediger hält wohl die Bibel und hebt gestikulierend die Hand. Der Kaufmann sitzt am Schreibtisch, der Astronom am Globus. Aber nicht mit ihren Gedanken sind sie beschäftigt; dem Betrachter wenden sie sich zu, repräsentierend wie der König. Wie Ludwig XIV. seine Krone, zeigen sie die Insignien ihrer Macht: die Bücher, die sie geschrieben, die Kunstwerke, die sie geschaffen, die Schiffe, die ihr Kaufhaus über die Meere sendet. Selbst wenn sie zuweilen im Schlafrock erscheinen, ist dieser Schlafrock aus blauer Seide oder aus rotem Sammet. Sogar das häusliche Leben des Privatmannes ist eine Galavorstellung, wie das Lever des Königs. Und wohlgemerkt – Rigaud und Largillière sind keine Schönredner, sie sind die unerbittlichen Geschichtschreiber ihrer Zeit. Alles und jedes, Degen und Schuhschnallen, Pelze und Spitzen, Perücken und Fächer malen sie genau nach der Natur. Wenn sie so pomphaft erscheinen, den Kothurn nie abschnallen, so kommt das nicht auf Rechnung ihrer Kunst. Sie malen so, weil die Menschen selbst so pomphaft feierlich, so gespreizt hoheitvoll waren. Es war die Zeit, als selbst in die Familie der Geist des Royalismus drang, die Kinder ihre Eltern mit »Sie«, mit Herr Vater und Frau Mutter anredeten.
Nach der Betrachtung dieser Porträts erscheinen auch die Galeriebilder Lebruns und seiner Genossen in anderem Licht. In diese Zeit paßte nicht mehr die klassische Ruhe Poussins und das stille Wesen Le Sueurs. Was die Kunst ausdrücken sollte, war Majestät, steifes Ceremoniell und repräsentierende Hoheit. Sie mußte prunkhaft blendend, bombastisch rauschend sein wie die Perioden Bossuets und die Verse Racines, mußte das Einfache mit der breiten getragenen Würde pomphafter Weitschweifigkeit umkleiden. Und namentlich: die Gemäldegalerie ist für die Werke überhaupt kein Heim, da sie nur Teile einer großen Dekorationskunst bilden.
Niemand kann sich vor dem Versailler Schloß des imposanten Eindrucks erwehren. Nicht in eine schöne Natur ist der Bau gesetzt. Die bürgerliche Anschauung, daß ein Haus dem Charakter des Bodens zu entsprechen habe, auf dem es steht, wird geflissentlich verachtet. Der König bethätigt seine Allmacht desto mehr, wenn er aus der Oede ein Paradies hervorzaubert, in sandiger, wasserloser Gegend Fontänen sprudeln läßt.
Aus einem künstlich geschaffenen Erdreich, losgelöst von der plebejischen Erde, wächst das Schloß empor. Jeder Stein predigt, daß die Majestät hier wohnt. Mächtige Treppen führen zu den weiten Sälen empor, wo es funkelt und leuchtet von goldener Pracht. Bronze- und Marmorfiguren, Hermen und Atlanten füllen Nischen und Simse oder beugen sich, dem König huldigend, vom Plafond herab. Weit wie der Horizont ist der Park, jede plebejische Umgebung dem Auge entrückend. Wohin es blickt, hat selbst die Natur ihre Hoheit abgelegt, sich dem Willen des großen Einen gebeugt. Die geradlinigen Wege, die scharf geschnittenen Laubwände, die steif feierlichen Rondelle – alles bringt zum Ausdruck, wie trotzige Ungebundenheit Zucht und Regel annimmt. Kein Baum darf wachsen wie er will. Die Schere des Gärtners giebt ihm die Form, die der König befiehlt. Kein Bach darf fließen, wohin er mag, dem Willen des Königs folgend steigt er als Wassersäule gen Himmel oder strömt als Cascade weiße Marmor-Treppen hernieder. Es spricht das Königtum von Gottes Gnaden, das nicht nur die Menschen beherrscht, auch Thal und Berg, das wilde Wasser und den freien Wald der Allmacht seines Scepters unterwirft. Es spricht der Geist jenes jungen Ludwig, der 14 Jahre alt mit der Reitpeitsche im Parlament erschien. Suprema lex regis voluntas!
Und denkt man sich in diese Welt auch die Menschen hinein, diese Herren mit der wallenden Perücke und dem goldgestickten Rock, diese Damen mit der hohen Fontange und dem starren Seidenkleid, die in langem strahlenden Cortège über den blankgebohnten Boden schreiten, da erkennt man, wie wahr und machtvoll diese Kunst den Geist ihrer Epoche spiegelt. Keine Zeit ist dermaßen vom Begriff des »Gesamtkunstwerkes« ausgegangen. Der Louis XIV. Stil arbeitet im großen, mit Bauten und Gärten, mit Bäumen und Wasser. Der Palast mit seinen dekorierten Sälen, seinen Höfen und Treppenhäusern, seinen Parkanlagen, Cascaden und Statuen – das alles zusammen ist erst das Kunstwerk, jedes einzelne darin nur dekoratives Element. Das darf bei der Beurteilung der Bilder nicht übersehen werden.
Wohl empfindet man in den Sälen des Schlosses zunächst nur Grausen, da der Inhalt der Gemälde, die Vergötterung eines Königs, so wenig dem Empfinden unserer Zeit entspricht. Auch wäre es verlorene Liebesmüh', hinter den Bildern die Individualität ihres Autors zu suchen. Ein Mann wie Ludwig XIV. gestattet einem andern »Individualität« so wenig wie ein Hauptmann, der seine Compagnie exerziert. Mögen die Plafonds von Blanchard oder Coypel, von Houasse, Audran oder Jouvenet sein, künstlerische Persönlichkeiten bedeuten diese Namen nicht. Alle beugen sich dem souveränen Willen des Königs von Frankreich und seines Ministers der schönen Künste. Hundert Maler verkörpern sich in einem Maler. Ludwig XIV., als oberster Kriegsherr für Architektur, Plastik, Malerei und Gartenkunst, hat zum kommandierenden General des Malerheeres Lebrun ernannt. Dieser leitet die Manöver und läßt durch Adjutanten allen übrigen seine Befehle zukommen, die sie mit gebührendem Subordinationsgeist ausführen. Das ist für psychologische Betrachtungen sehr unergiebig, Andernteils ward Versailles gerade wegen dieser einheitlichen Leitung ein so imposantes Kunstwerk, ein Werk, das eine Epoche ausdrückt, ein historisches Dokument.
Ganz erstaunlich ist die Lungenkraft Lebruns. Er hat es fertig gebracht, 50 Jahre lang im Kanzelstil Bossuets zu reden, ohne daß ihm jemals der Atem ausging. Den ganzen Olymp setzt er in Bewegung, die Macht und Weisheit seines Herrn zu preisen; alle Könige und Helden der Vergangenheit werfen sich vor Ludwig in den Staub. Da feiert er ihn unter der Chiffre Alexanders des Großen. Dort muß der Sonnengott Apollo dem Ruhme des Sonnenkönigs dienen. Dort nahen huldigend die orientalischen Monarchen Nabuchodonossor und Cyrus. In der Spiegelgalerie wird die kriegerische Laufbahn des Königs vorgetragen und mit pomphaften Allegorien – den vier Weltteilen oder den Musen, wie sie dem König huldigen – verbrämt. Nicht minder erstaunlich ist, wie Lebrun verstand die Wirkung zu steigern. Die ersten Säle sind in einfachem Weiß gehalten. Je mehr man den Gemächern des Königs sich nähert, desto mehr steigert sich der Glanz. Grüner Marmor wechselt mit Gold, tiefes Blau mit Silber. Im letzten Saal, dessen Wand das große Reiterrelief des Königs einnimmt, giebt es nur noch Gold, in breiten Massen Kamine, Thüren und Fenster überflutend. Es ist bei allem bombastischen Byzantinismus alte große Kultur. Das zeigt sich, wenn man aus den alten Teilen des Schlosses in die neuen kommt, wo Horace Vernet den Ruhm der großen Nation ebenso phrasenhaft, doch plebejisch banal besang. Seine Bilder unterscheiden sich von denen Lebruns, wie der König mit dem Regenschirm von dem Sonnenkönig.
Neben dem Schloßbau spielte in der letzten Zeit Ludwigs XIV. der Kirchenbau eine große Rolle. Denn auch der König war Mensch. Nachdem er den Becher des Lebens bis zur Neige geleert, fühlte er das Bedürfnis, sich mit Gott zu versöhnen. Frau von Maintenon beeinflußte ihn im Sinne jesuitischer Frömmigkeit. Es entstand der Invalidendom in Paris, die Notredamekirche, die Kirche Saint Louis und die Schloßkapelle in Versailles, jene Werke Mansarts, die gegenüber dem prunkvollen Barockstil des Versailler Schlosses eine Rückkehr zur strengen Klassicität bedeuten, mehr mit Palladio als Bernini gemein haben. Noël Coypel hatte den Invalidendom, Charles de la Fosse die Schloßkapelle von Versailles zu dekorieren. Pierre Mignard, nach dem Tode Lebruns mit der Oberleitung aller Unternehmungen betraut, schuf die Kuppelfresken der Kirche Val de Grâce. Und mögen diese Bilder noch so eklektisch, seine Madonnen noch so weichlich fad sein, er hat das Porträt der Maria Mancini, der Nichte Mazarins gemalt, unvergeßlich jedem, der in der Berliner Galerie davor stand.
Das Zeitalter Ludwigs XIV. war ein stolzes, steifes, bombastisch ruhmrednerisches Zeitalter. Nur die Galavorstellung liebte man, die bedeutsame Gebärde, den repräsentierenden Glanz. Der feierliche Pomp des Barock hat seinen Gipfel erreicht. Nach dieser Seite war ein weiterer Schritt nicht möglich. So erscheint der Louis XIV. Stil nicht nur als natürliches Produkt seiner Zeit. Er war auch die notwendige Vorstufe für das, was nun erfolgte. Man mußte erst am Wuchtigen, Imposanten sich abgesehen haben, bevor auf das Grandiose das Graziöse, auf die Deklamation die Delikatesse, auf das Erhabene das Elegante, auf das Ceremonielle das Zierliche, auf das Barock das Rokoko folgen konnte.