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Eine einzige Stadt gab es in Europa, wohin noch nichts von allen Kämpfen gedrungen war, wo zur selben Zeit, als anderwärts schon die künstlerische Kultur zerstört war, die alte aristokratische Kunst noch eine feine Nachblüte erlebte. Venedig, jederzeit um Jahrzehnte hinter der allgemeinen Kunstentwickelung herschreitend, blieb auch im 18. Jahrhundert dieser Gewohnheit treu. Nachdem es so lange das Bollwerk der Kirche gewesen, war es nun weltlich und leichtsinnig, Grazie und Lachen geworden, nicht mehr von schwarzen Priestern, sondern von rosaroten und bläulichen Hirten bevölkert. Es giebt von Favretto ein Bild »Auf der Piazetta«. Auf den glatten Steinfliesen des Markus-Platzes vor der Loggetta mit ihren hellfarbigen Marmorsäulen und ihrem glitzernden Gitterwerk wogt zur Promenadenstunde eine farbenprächtige, elegante Menge. Man plaudert, lorgnettiert, begrüßt chevaleresk die Königinnen der Schönheit. Das war das Venedig der Goldoni, Gozzi und Casanova, die vom Schimmer alter Herrlichkeit umflossene Zauberstadt, die zur selben Zeit, als anderwärts die Menschen schon Hornbrillen und schwarze Tuchröcke trugen, noch in fieberhafter Lust und rauschender Festfreude, singend, kokettierend ihr Rokoko feierte.
Giampattista Piazetta hatte als erster die Bahnen der alten kirchlichen Kunst verlassen. Nur durch den Titel sind seine Madonnen als solche gekennzeichnet. In Wahrheit sind es junge Mütter, die mit ihrem Kinde tändeln. Und das Gros seiner Werke sind Backfischbilder. Junge Mädchen in jenem verführerischen Alter, das die zierlichen Füßchen mit dem ersten langen Kleide verdeckt, träumen, schmollen, lachen, blicken unschuldig und doch ahnungsvoll in die Welt. In immer neuen Varianten kehrt dieser Backfischtypus bei den Folgenden wieder. Bäuerinnen, Geflügelhändlerinnen und Blumenmädchen sind auf den Bildern Domenico Maiottos, Francesco Guarannas und Antonio Chiozzottos dargestellt. Doch sie ähneln nicht den dicken Weibern, die früh auf dem Markte sitzen. Der Backfisch Piazettas mit den rosigen Lippen und den schlanken Bewegungen hat sich zur Abwechslung als Landmädchen oder Blumenmädchen kostümiert. Rotari ist der feinste Interpret dieses aufknospenden Backfischtums. In allen Situationen hat er die hübschen Kinder gemalt: wie sie über der Lektüre eingeschlafen sind und von ihrem jugendlichen Cicisbeo geneckt werden, wie sie beim Nähzeug von märchenhaften Königssöhnen träumen, oder als Zigeunerinnen alten Herren den Kopf verdrehen. Pietro Longhi schrieb dann die ganze Chronik Venedigs. Jahrhundertelang war die Venetianerin zu orientalischem Haremsleben verurteilt. Keinem Malerauge enthüllten sich die Geheimnisse des Serails. Jetzt hatten die Thore sich geöffnet. Die Gentildonna war Name von Welt, der Mittelpunkt schöngeistiger Salons geworden. Longhi bemächtigte sich dieser Gestalt der Patrizierin und verließ sie nicht, bis er alles über sie gesagt hatte, vom Lever bis zur Heimkehr vom Ball. Ueberallhin – ins Schlafgemach, ins Boudoir, auf die Promenade, in die Spielsäle, zur Wahrsagerin, zum Ridotto folgt er ihr, und in den Bildern wird über die Beobachtungen mit mehr Sachlichkeit als Esprit berichtet.
Der Geist des Zeitalters hat in den Werken Tiepolos Gestalt gewonnen. Er ist der Fürst, der strahlende Lichtgott des Venedig, das noch wie eine verzauberte Märcheninsel sich aus einer kunstarmen Welt erhob.
Tiepolo hat alles gemalt. Kein Stoffgebiet, keine Technik ist ihm fremd. Gerade damals wurde in Venedig eine große Bauthätigkeit entfaltet. Balthasare Longhena, Cominelli und ihre Schüler schufen jene Barockbauten, die noch heute der Lagunenstadt ihr phantastisch glitzerndes Gepräge geben: die Façade ein wildes Potpourri von Hermen und Atlanten, von Säulen und Kartuschen, das Innere kahl und leer. Hier hatte Tiepolo einzusetzen. Er erfüllte die Räume mit dem Sonnenschein seiner lichten strahlenden Kunst.
In der Jesuitenkirche in Venedig malte er die Verteilung des Rosenkranzes durch den heiligen Dominicus, in der Kirche Santa Maria della Pietà einen Triumph des Glaubens, in der Chiesa dei Scalzi die Legende, wie Engel das Haus der Maria nach Loreto überführen. Im Palazzo Rezzonico ist der Triumph des Sonnengottes, im Palazzo Labia ein Thema aus der Verfallzeit der römischen Republik – das Gastmahl und die Abreise der Kleopatra behandelt. Wie für Venedig, arbeitet er für die benachbarten Städte. Die Villa Valmarana bei Vicenza hat er mit Scenen aus Homer, Virgil, Ariost und Tasso, den Palazzo Clerici in Mailand mit einer Apotheose Apollos, den Palazzo Canossa in Verona mit einem Triumph des Herkules, den erzbischöflichen Palast in Udine mit einem Falle Lucifers dekoriert. Und nicht auf Italien beschränkt sich seine Thätigkeit. Sie erstreckt sich auf das katholische Süddeutschland und auf Spanien. Seit 1750 entstand die Dekoration der Würzburger Residenz – im Treppenhaus die Darstellung, wie die vier Weltteile dem Herzogtum Franken huldigen, im Kaisersaal eine Scene aus der ruhmreichen Vergangenheit der Stadt: wie Kaiser Barbarossa 1156 mit der schönen Beatrice von Burgund getraut wird und den Bischof von Würzburg zum weltlichen Herrscher über das Herzogtum Franken einsetzt. Im Madrider Königsschloß malt er für den Leibgardensaal eine Schmiede Vulkans, für den Vorsaal eine Apotheose Hispanias, für den Thronsaal die spanischen Provinzen.
Noch wenig ist mit solcher Angabe des Inhaltes gedient. Denn Tiepolos Kunst ist keine Mauerdidaktik. Es ist dekorative Musik, die mit jubelnden Accorden das Haus durchtönt. Auf seine Prachtbauten, auf sonnegebadete Landschaften, in den Aether des Himmels blickt man hinaus. In wildem mänadischem Taumel schweben Engel und Genien durch den Raum, singen, lachen, überschlagen sich. Junge Ritter auf weißem Zelter, wehende Fahnen in der Hand, sprengen daher. Oder säulengetragene, baldachingeschmückte Loggien, Treppenhäuser und Terrassen erheben sich. Festlich gekleidete Menschen schauen von Balustraden hernieder. Musikanten spielen auf. Diener, darunter Nubier in buntem orientalischem Kostüm, kommen und gehen. Gelbe Aegypterinnen auf goldstrotzenden Elefanten, Mekkapilger, Mohrinnen auf Kamelen, Araber, Perser, Türken, Indianer und kalifornische Goldsucher ziehen vorbei. Auch Chinoiserien sind eingestreut: Theepavillons und japanische Tempel, Chinesen und Chinesinnen, die mit roten Sonnenschirmen in feierlicher Grandezza dahergehen. Oder Pegasus stürmt durch den Aether und eine Pyramide richtet mitten in den Wolken sich auf. Alle Zeiten und Zonen geben sich Stelldichein. Götter, Menschen und Amoretten, tropische Pflanzen, Vögel und bunte Fahnen webt er zu Feenarchitekturen von märchenhafter exotischer Pracht zusammen.
Neben Veronese erscheint er als größter venetianischer Dekorateur, als der Erbe, Verwender und Verschwender einer alten Kultur. Das enorme Können eines kunststarken Ahnen lebt in dem leichtsinnigen Kinde des 18. Jahrhunderts auf. Nur wird es zum Ausdruck ganz neuer Ideen verwendet. Veroneses Kunst war eine Tochter des 16. Jahrhunderts, klar, ruhig, klassisch, von festem Aufbau und wohlabgewogenen geometrischen Linien. Bei Tiepolo erklingen keine majestätischen Stanzen, sondern kecke prickelnde Gesänge. Wo bei Veronese Rhythmus und Ruhe, ist bei ihm Freiheit und Nonchalance, Nervosität und Laune. Der venetianische Geist, damals noch feierlich, ist zum geschmeidigen Jongleur geworden, fliegt, springt, tanzt, schlägt Capriolen. Alle Last ist aufgehoben. Aller Körperlichkeit entkleidet schweben die Wesen durch den silberklaren Aether. Alle großen Perspektiviker der Vergangenheit, Mantegna wie Melozzo, Correggio wie der Pater Pozzo, erscheinen als schwerfällige ringende Geister neben Tiepolo. Er ist der Geschickteste der Geschickten, ein Mensch, der immer wieder ein neues Fest auf dieser Erde bereitet, ein Prestigiateur, dessen Hand wie in logischen Reflexbewegungen jedem Blitzen seines Auges folgt.
Aber er ist noch mehr. Denn die Fresken bilden nur einen Teil seines ungeheuren Lebenswerkes. Zu den dekorativen Arbeiten kommen die Radierungen und Oelbilder. Seine Radierungen, die Capriccios und die Scherzi di fantasia lassen sich in Worten nicht beschreiben. Es ist ein Hexensabbath von Magierphantastik und orientalischem Zauberspuk. Da beschwört ein alter Magier neben einem antiken Sarkophag eine Schlange. Dort hockt einer an einem heidnischen Grabmal und verbrennt einen Totenkopf. Dort betrachtet einer sinnend, an einen Dionysosaltar gelehnt, das Skelett des Todes, während ein Mädchen mit einem Satyr kost. Und hier sogar, wo er in Schwarz und Weiß nur arbeitet, scheinen die Figuren von glühendem Sonnenlicht umflossen.
Seine Oelbilder zeigen ihn wieder von anderer Seite. Nicht im Inhalt liegt das Neue. Denn Tiepolo hat – im Unterschied zu Piazetta und Longhi – selten Scenen aus dem modernen Leben gemalt. Seine meisten Werke sind Altarbilder: Visionen, Martyrien, Konzeptionen. Grausamkeit mischt sich mit hysterischer Sinnlichkeit und katholischem Mysticismus. Tote Augen starren hoffnungslos uns an, blasse Lippen murmeln Gebete, bleiche Hände heben zum Kreuz sich empor. Und kein Zufall ist, daß gerade in Venedig, allein in Venedig, noch am Schlusse des 18. Jahrhunderts diese alten Stoffe der Gegenreformation vorkommen. Aber welch unbeschreibliche pathologische Verfeinerung hat ihnen Tiepolo gegeben! Wie hat er auf dem Berliner Bilde das alte Thema vom Martyrium der Agathe für die Nerven des Rokoko umgestaltet! Daß er als Kolorist nur helle, feinschmeckerisch blasse Harmonien liebt, ist selbstverständlich bei dem Sohne des 18. Jahrhunderts. Er beruhigt und dämpft die Farbe, gefällt sich in weichen, ersterbenden Accorden, in dunklem Schwarz, zartem Weiß, feinen gebleichten rosa und lila Nuancen. Ihm allein aber gehört dieser Frauentypus von raffinierter Sinnlichkeit und orientalischer Verträumtheit, von bleicher augenumränderter Müdigkeit und zitternder Lebenslust. Es steht nicht fest, ob Tiepolo dem alten Adelsgeschlecht gleichen Namens entstammte, das mehrere Jahrhunderte hindurch der Markusrepublik Dogen, Prokuratoren und Kriegshelden schenkte. Aber man denkt ihn sich gern als Sproß einer altadligen Familie, so groß ist seine Scheu vor allem Banalen, Plebejischen. Als vorletztes Kind eines schon bejahrten Vaters hatte er die Jugend unter der Obhut seiner Mutter verlebt, war als aristokratischer Dandy früh der Liebling der Frauen geworden. Das erklärt den femininen Zug, der durch sein Wesen geht, die krankhafte Feinfühligkeit, mit der er das Parfüm der Frau atmet. Die älteren Venetianer liebten eine königlich machtvolle, animalische Schönheit. Tiepolo als Abstraktor von Quintessenz pflückte bleiche Theerosen von betäubendem Duft. Wie Baudelaire schreibt: »Zwei Frauen wurden mir vorgestellt, die eine widerwärtig durch Gesundheit, ohne Haltung, ohne Blick, kurz die einfache Natur; die andere eine jener Schönheiten, die die Erinnerung beherrschen und bedrücken, ihrem tiefen eigenartigen Reiz die Beredsamkeit ihrer Toilette einen, Herrinnen ihres Ganges, bewußte Herrscherinnen ihrer selbst, mit einer Stimme wie ein gestimmtes Instrument und Blicken, die nur das ausdrücken, was sie wollen« –, so liebt Tiepolo nicht die gesunde, sondern die kranke, die herbstliche, ausgebrannte Schönheit, den Krater, der nur im Innern noch glühende Lava birgt, den Reiz der Cameliendame. Selten wird einem pikanten braunen Mädchen aus dem Volk die Rolle der Madonna überwiesen. Gewöhnlich verwendet er als Heilige die Frauen der höchsten Stände, bleichsüchtige Comtessen mit müdem Lächeln und mit nervösen weißen Händen, die die Aufregungen des Spiels und alle zarten Sensationen einer überfeinerten Liebe kennen. Ebenso scharf wie für das Mienenspiel ist sein Blick für Gang und Geste. Im 16. Jahrhundert waren die Bewegungen rund, majestätisch. Im 17. wurden sie pathetisch, ausladend. Ein leises Biegen des Fingers, ein Achselzucken, eine flüchtige Kopfwendung genügt bei Tiepolo. Ganz unbeschreiblich ist die herausfordernde Grazie, mit der seine Frauen oft die Schleppe ihres steifen Brokatkleides emporraffen. Nur der Sproß einer uralten, raffinierten Kultur, zu deren Vorbereitung es vieler Jahrhunderte brauchte, konnte einen solchen Sinn für Nuancen haben.
Und auch dieser alten Kultur war schon das Grab bereitet. Tiepolos Thätigkeit bedeutet nur das »Sterben in Schönheit«. Es ist kein Zufall, daß er in einem seiner herrlichsten Werke ein Thema aus der Verfallzeit Roms behandelte. Denn für Venedig war die nämliche Zeit gekommen. Der Hautgout der Verwesung, die fahle Atmosphäre eines schwülen und doch bleichen Herbsttages ist über seine Werke gebreitet. Nicht nur einer uralten, sondern einer überreifen, mürben Kultur sind sie entsprossen, und auch jetzt wieder, wie in den Tagen der Völkerwanderung, brauchte die Welt Barbaren.
Noch zwei Jahrzehnte, nachdem er in Madrid das Auge geschlossen, dauerte der lustige Todeskampf der alten Venetia. Die beiden Canaletto, Antonio und Bernardo, kamen noch und fertigten die Totenmaske der Königin der Adria an, malten die edle Schönheit der venetianischen Architektur, den phantastischen Glanz der Kirchen, die verwitterte Pracht der Paläste. Francesco Guardi kam, besang das glühende Licht, das über die Lagunen sich breitet. Bekränzte Gondeln gleiten feenhaft wie in den Tagen Carpaccios über das Grün der Kanäle; marmorne Prachtpaläste spiegeln ihre Säulen und Balkons, ihre Bogen und Loggien in den Wellen. Fremde Gesandtschaften bewegen sich in großer Gala auf dem Markusplatz, von dem stolzen venetianischen Adel begrüßt. Es ist alles wie einst, nur nicht mehr mit dem Auge des Realisten, sondern mit dem des Romantikers gesehen. Denn als Guardi seine letzten Werke schuf, war das Dogenreich schon gefallen. –
Selbst an den Pfeilern des Madrider Königsschlosses, wo Tiepolo, der Aristokrat, seine letzten Werke geschaffen, rüttelte der plebejische Zeitgeist. Seltsame Gestalten, höhnend und drohend, erschienen unter den Fenstern des Alcazar. Spanien, das Land blinder Frömmigkeit, glaubte nicht mehr, lachte über die Inquisition, zitterte nicht mehr, wenn ihm mit Höllenstrafen gedroht ward. Ja, wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte ist es, daß hier gerade, im mittelalterlichsten Lande Europas, der Sturmvogel der Revolution geboren ward. Auf eine Kunst, die katholischer als der Katholicismus, aristokratisch und ritterlich gewesen, folgt in Goya der denkbar größte Rückschlag. Ein wilder Plebejer, der in seinem Hirn dunkle Freiheitsgedanken wälzt, schleicht sich ein in die Mauern des Alcazar, wo soeben noch der feine Tiepolo weilte. Ein Skeptiker, der an nichts mehr glaubt, bemalt die Wände der Kirchen, die einst Zurbaran schmückte. Ein stiernackiger Bauernjunge wird der Porträtist desselben Königshauses, dessen Hofmaler einst Don Diego Velasquez gewesen. Goya hat das Verschiedenste gemalt. In seinen religiösen Fresken parodiert er Tiepolo. Schöne Frauen kokettieren vom Plafond hernieder. Engel spreizen mit herausforderndem Lachen die Beine. Seine Mädchenporträts – besonders das berühmte Doppelporträt der bekleideten und der nackten Maja – gehören zu den feinsten Akten des Jahrhunderts. In anderen Bildern sind Scenen aus dem Volksleben in wuchtigen Pinselstrichen festgehalten: Prozessionen, Stierkämpfe, Bettler, Briganten. Doch so verführerisch er sein kann, wenn ihn der Zauber eines Modells bezaubert – im Grunde ist er kein Maler. Seine Bilder sind rasch gesehen und rasch gemalt, ohne künstlerische Liebe und feines Gefühl. Er ist ein Empörer, ein Agitator, ein Nihilist.
Schon in seinen Bildnissen der königlichen Familie verrät sich seine Gesinnung. Es ist, als habe er gelacht über die pompöse Nichtigkeit, die da vor ihm stand; sich geärgert, die hohen Herren und Damen in so feierlichen Posen malen zu müssen, statt sie wie seine Engel die Beine spreizen und über Balustraden springen zu lassen. Alle seine Porträts haben etwas heillos Plebejisches. Als Sohn eines revolutionären Zeitalters nahm er den armen Fürsten, die ihm saßen, den Talisman der Majestät und ließ sie nackt vor dem Auge der Welt erscheinen.
Seine Radierungen zeigen den wahren Goya. Nur in solchen Blättern, nicht in Oelbildern, konnte sein wildes Feuer, sein herber, stürmischer Geist sich äußern. Eine tolle unheimliche Phantastik herrscht. Hexen reiten auf Besenstielen und weißen Katzen daher. Weiber reißen gehenkten Verbrechern die Zähne aus. Räuber balgen sich mit Dämonen und Zwergen. Ein Toter entsteigt seinem Grabe und schreibt mit seinem Leichenfinger das Wort Nada. Doch der Tyrannenhaß ist die durchgehende Note. Nichts entgeht seinem Hohn, was früher als Autorität gegolten. In den »Capriccios« stürzt er sich mit rasender Wut auf die Könige und Magnaten, lacht über den Priesterrock, der menschliche Leidenschaften verdeckt. In den »Misères de la guerre« setzt er der kriegerischen Herrlichkeit, die die Früheren feierten, das blutige Verderben gegenüber, mit dem die gloire erkauft wird. Ueberall kämpft er mit schneidender Ironie gegen Despotismus und Heuchelei, gegen die Einbildung der Großen und die Unterwürfigkeit der Kleinen, macht aus allem Laster der Zeit eine schreckliche Hekatombe. Es dröhnt in seinen Werken der dumpfe Lärm der Revolution, die unterdessen ihren Krater geöffnet hatte.