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In Greuze und Hogarth platzen – so ähnlich sie sich äußerlich sind – zwei Welten aneinander. Während in Greuzes Werken die alte vornehme aristokratische Kunst ausklingt, setzt mit Hogarth – zum zweitenmal in der Kunstgeschichte – der Plebejer seine Stimme ein. Der Faden, den im 17. Jahrhundert die Holländer hatten fallen lassen, wird neu aufgenommen. Und nicht wieder aus der Hand gegeben. Im 17. Jahrhundert bildete Holland noch eine kleine Enklave inmitten einer aristokratischen Welt. Das Uebergewicht des monarchischen Prinzips war derart, daß eine Kunst, die bürgerlich begonnen hatte, höfisch endete. Jetzt sinkt die Wagschale des Plebejertums. Ein Stück nach dem andern stirbt ab von der alten aristokratischen Welt. Ein Land nach dem andern legt die Grundsteine zu dem neuen Tempelbau, an dem wir noch heute arbeiten. Die große bürgerliche Kultur des 19. Jahrhunderts bereitet sich vor. Und zum Führer auf diesem Wege war England berufen. Denn England war schon im 18. Jahrhundert ein demokratisches Land, hatte die Idee des modernen Freiheitsstaates durchgeführt, als auf dem Kontinent kaum die Gewitterschwüle der kommenden Stürme in der Luft lag. Keinen Druck des Despotismus gab es mehr, keine Standesunterschiede zwischen Adel und Bürgertum. Jeder hatte die Macht, seine Persönlichkeit und sein Schicksal nach eigenem Gutdünken zu gestalten.
Ein solcher Umschwung, wie ihn die Revolution von 1650 gebracht, mußte einen tiefgehenden Einfluß auf die sittliche Gestaltung des Lebens haben. Es war, als hätten sich plötzlich die Gefängnisse geöffnet und Verbrecherhorden das Land überschwemmt. Auf den Druck von früher war ein Rausch der Liederlichkeit, der zügellosesten Ausschweifung gefolgt. In Saus und Braus, unter Mord und Totschlag feierte England die ersten Jahre seiner Freiheit. In ganz London wimmelte es von Taschendieben und Räubern. Das Börsen- und Hazardspiel erreichte eine schwindelnde Höhe. Nabobs, die in Indien reich geworden, errichteten orientalische Harems. Selbst das Theater war dem Zug gefolgt. Denn die zotigen Komödien von Wycherley und Congrave haben nichts mit der zierlichen Frivolität der Franzosen gemein. Es spricht aus ihnen die unflätige Roheit des Plebejers, der mit Behagen sich im Schmutze wälzt. Die Menagerie aller Leidenschaften war entfesselt. Ueber der Freiheit war die Sittlichkeit verloren gegangen.
Es handelte sich um die Erziehung dieses neuen Menschengeschlechtes. Auf die Flegeljahre sollten die Jahre des gesetzten Mannesalters folgen. Und ein freies Land konnte nicht mehr durch polizeiliche Maßregeln die wilde Flut des entfesselten Volksgeistes eindämmen. Auf pädagogischem Wege mußte die Besserung erzielt werden. So erklärt sich der tiefmoralisierende Zug, der fortan durch das englische Geistesleben geht. Collier begann damit, daß er sein Buch über die Unsittlichkeit der Bühne schrieb. Waren bisher die Dramen so grobzotig gewesen, so wurden sie nun moralische Lehrstücke. Sowohl für Southerne wie für Rowe ist die Bühne nur ein Mittel, eine allgemeine Sittenregel möglichst anschaulich vorzuführen. Richard Steele betrachtet in ähnlichem Sinn die Presse als Kanzel der moralischen Besserung. 1709 läßt er seine moralische Wochenschrift »The Tatler« erscheinen, worin er Schlemmerei und Trunksucht, das Spiel und die Schäden des Ehelebens geißelt. Auf den »Tatler« folgte 1711 der »Spectator«, auf diesen »The Guardian«, der Vormund, der es als sein Programm bezeichnete, »die Religion und Moral so eindringlich als möglich in das Gemüt der Menschen zu pflanzen, erhabene Musterbilder der Eltern- und Kinderpflichten vor Augen zu stellen, das Laster verhaßt und die Tugend liebenswert zu machen.« Richardson begründete den moralisierenden Familienroman. Und unter dem Einfluß dieser Moralisten kam auch in die Kunst derselbe Geist. Auch sie, hieß es, müsse an der Kulturaufgabe der Epoche sich beteiligen. Auch der Maler hätte Sittenbildner seiner Zeit zu sein – dasselbe Programm, das in unserem Jahrhundert Proudhon in seinem Buch »Du principe de l'art et de sa destination sociale« verkündete.
William Hogarth ist also Moralprediger wie Greuze. Wo das Menschengedränge am dichtesten, ist er mitten darunter. In den Caféhäusern, in denen die Politiker, die Gelehrten, die Soldaten, die Kaufleute und Wechseljuden zusammensitzen, ist er immer zu finden. Morgens geht er auf die Börse, abends ins Theater. Und nie ist er stiller Beobachter, er ist Richter. Gleich Greuze malt er seine Bilder, um einzelne Paragraphen der Sittenlehre zu beweisen. Nur richtet er seine Sendschreiben an eine andere Adresse. Greuze schlug nicht auf das Laster los, sondern weckte für die Tugend gefühlvolle Bewunderung. Den dritten Stand benutzt er als Tugendspiegel, dessen edle Eigenschaften er der Aristokratie zur Erbauung vorführt. Hogarth geißelt die Laster des dritten Standes, um diesen selbst sittlich zu heben. Er flucht, schleudert Donnerkeile auf die Auswüchse der modernen Kultur, wettert gegen den Branntwein und die Libertinage. Während in Frankreich das Volksleben noch zur Anfertigung melodramatischer Schäferspiele dient, ist in England das Bürgertum schon ein Faktor des Geisteslebens geworden.
Mit den sechs Gemälden zum »Lebenslauf einer Dirne« begann er 1733 seine Predigten. Mary Hackabout kommt vom Lande, um als Dienstmädchen eine Stelle zu suchen. Rasch erliegt sie der Verführung, wird Maitresse eines jüdischen Banquiers; dann thut sie sich mit einem Straßenräuber zusammen und endet in einem öffentlichen Hause. – Ein zweiter Cyklus behandelt in acht Bildern den ähnlichen Lebenslauf eines jungen Mannes, des »Wüstlings«. Als Student in Oxford hat er einem armen Mädchen die Ehe versprochen. Da wirft ihn der Tod eines reichen Onkels in das wüste Londoner Leben. Als Weiber- und Sportheld geht er den Weg zum Ruin, hilft durch Heirat mit einer alten Dame nochmals seinen Finanzen auf, verspielt das Geld seiner Frau und kommt ins Schuldgefängnis, wo er wahnsinnig wird. Nur seine Studentenliebe, Sara Young aus Oxford, die er so schnöd verlassen, gedenkt noch des Untreuen und besucht ihn im Irrenhaus. – Die »Mariage à la mode« von 1745 bezeichnet den Höhepunkt seines Schaffens. Ein verschuldeter Lord verheiratet seinen Sohn an die Tochter eines reichen Krämers aus der City. Ein Mädchen wird geboren, dann gehen beide ihre Wege. Der Mann überrascht die Frau mit einem Liebhaber und wird von diesem erstochen. Als junge Witwe kehrt sie in die bürgerliche Langweile des väterlichen Hauses zurück und endet, als sie die Hinrichtung ihres Geliebten erfährt, durch Gift. – In der letzten Folge ging er ganz zur Seelsorge und ins Kriminalistische über. Der Cyklus »Fleiß und Faulheit« von 1747 umfaßte zwölf Blätter, die er nur in Kupferstichen herausgab und als bildliche Wochenpredigt an die Arbeiter verteilte. In ein Tuchwebergeschäft treten gleichzeitig zwei Lehrlinge ein. Der Fleißige heiratet die Tochter des Prinzipals, wird Alderman und Lordmayor von London. Der Faule macht den umgekehrten Weg. Er wird erst Spieler, dann Vagabund und Mörder. Zum letztenmal treffen die beiden Kameraden zusammen, als der brave dem bösen das Todesurteil verkündet.
Ob die Kunst Kunst bleibt, wenn sie zur pädagogischen Hilfswissenschaft sich herabwürdigt, ist eine Frage für sich. Die Aufgabe, die er sich stellte, hat Hogarth drastisch gelöst. Da er nicht wie Greuze für seine Marquis und zarte Comtessen, sondern für betrunkene Engländer arbeitete, konnte er sein Ziel nur erreichen, wenn er seine Gedanken plump unterstrich. Keine schonende Rücksicht war angebracht. Faustdick ist alles aufgetragen. Während Greuze nur angenehm rühren will, braucht Hogarth erbarmungslos die Knute. Ueber menschlichen Bestien schwingt er den derben Knüttel der Moral als handfester Policeman und puritanischer Bourgeois. Auch keine Pforte für sentimentale Reue läßt er offen. Er zeigt das Laster in seiner ganzen Gemeinheit, taucht es in den Schmutz, schleppt es zur Bestrafung. Rad und Galgen ist im Hintergrund jedes seiner Werke errichtet. Und da die neue plebejische Welt von der Kunst noch nichts anderes als gemalte Wochenpredigten verlangte, wurde er nicht nur als »Erzieher«, auch als großer Maler gepriesen.
Die beiden Porträtisten Reynolds und Gainsborough führen in die Kreise, die diese Erziehung des Volkes leiteten. Ist Hogarth der Plebejer, die bösartige Bulldogge, die Verkörperung des John Bull, so sind sie die Maler der vornehmen Welt. Die berühmtesten Männer, die schönsten Frauen Englands saßen ihnen. Doch auch hier bei aller Vornehmheit zeigt sich, daß man Menschen eines neuen Zeitalters gegenübersteht. Freundlich seine Minister, galante zierliche Erzbischöfe, duftende anmutige Marquis, die mit eleganter Leichtigkeit sich auf dem Boden des Parketts bewegen und deren weiße Stirn kein ernster Gedanke trübt, sind auf den französischen Bildnissen dargestellt. Alle sind heiter und lebenslustig, von entnervter, effeminierter Eleganz. Alle haben das stereotype Lächeln der anerzogenen Höflichkeit auf den Lippen; alle die welken, zarten blassen Gesichter von Männern, die mehr im Salon als im Freien leben; deren kostbare Toilette nicht für Jagd und Sport, für Wind und Wetter gemacht ist; die nicht zu Fuß, nur im Wagen und in der Sänfte sich bewegen. Selbst bei Bürgerlichen ist Kleidung und Haltung durchaus aristokratisch. Das Vornehme, Lächelnde, Gepuderte, Kokette des Marquis ist auch für sie maßgebend. Die Gelehrten sogar verleugnen den Beruf. Nicht auf dem Katheder oder im Studierzimmer, redend oder arbeitend sind sie dargestellt. Kein Buch, keine Tinte, keine Feder ist in der Nähe. Diplomatengesichter haben sie. Von verbindlichem Lächeln ist der Mund umspielt. Nicht den Fachmann, nur den abgeschliffenen Weltmann wollen sie zeigen.
In England begann gerade damals der große litterarische und dramatische Aufschwung. Gibbon hatte sein Geschichtswerk, Burke die Juniusbriefe und die Ideen über das Schöne, Sterne Tristam Shandy und die empfindsame Reise, Johnson sein Wörterbuch, Fielding die Geschichte des Tom Jones, Smollet »Peregrine pickle« geschrieben. Richardson, der Verfasser der Clarissa, hatte den Gipfel seiner Volkstümlichkeit erreicht, Oliver Goldsmith den Vicar of Wakefield vollendet; Garrick, der Schauspieler, stand auf der Höhe seines Ruhmes. Solche Schriftsteller- und Künstlerbildnisse überwiegen in Reynolds' und Gainsboroughs Porträtwerk. Und sie sind keine Diplomaten. Am Arbeitstisch sitzen sie. Der taucht die Feder ein. Jener, kurzsichtig, hält sein Buch dicht unter die Nase. Ungepflegt ist die Hand, vernachlässigt die Toilette. Aber denkende, ausdrucksvolle Köpfe sieht man, Menschen, die hinter ihren Stirnen schon all die Probleme wälzen, die das neue Weltalter gebar.
Oder Parlamentarier, reiche Kaufleute, wettergeprüfte Seebären, Geistliche, Militärs, sind dargestellt: auch sie in nichts den blassen gepuderten Aristokraten des Ancien Régime ähnlich, sondern ein Geschlecht von derberem Knochenbau und weniger feinen Zügen: manche Gesichter roh und aufgedunsen, die Nase plump, der Blick von kalter Entschlossenheit, die breitbeinige Haltung voll selbstbewußter Würde und vierschrötigem plebejischem Stolz. Da steht ein General, grobklobig, feist, breitschulterig, mit gerötetem Fleischergesicht, der brutale Kraftmensch. Dort ein Prediger, kurz und stämmig, mit blühender Gesichtsfarbe und energischem Blick. Nirgends giebt es lächelnde Anmut, feingezeichnete Nasenflügel, weiße Hände und zierliche Eleganz. Tauchen neben den Bürgerlichen zuweilen knorrige Landbarone auf, so hat auch ihnen das Plebejertum schon etwas von seiner derben, vollblütigen Lebenskraft abgegeben. Selbst die Gewandung – das einfache, dunkle Tuch, das an die Stelle von Sammet und Seide getreten – verkündet den Anbruch einer neuen Zeit.
Auch die Frauen, trotz aller Eleganz, haben nichts mit der Französin des 18. Jahrhunderts gemein. Die französische Aristokratin lebte im Salon. In der Toilette, die sie beim Ball oder im Theater trug, umflossen von Kerzenglanz ließ sie sich malen. Mrs. Siddons, auf dem Porträt von Gainsborough, ist in Straßentoilette dargestellt: einen großen Hut auf dem Kopf, den Muff in der Hand, keinen Perlenschmuck, sondern ein einfaches Seidenband um den Hals. Auf die Lebenskünstlerin ist die Schauspielerin gefolgt und diese Schauspielerin schon wieder große Dame geworden. Hoch und frei ist die Stirn. Das ernste Auge mit den streng zusammengezogenen Brauen kündigt die Frauenbewegung des nächsten Jahrhunderts an. Bei den Französinnen noch Festesstimmung und weiche Sinnlichkeit, hier schon die intelligente, emanzipierte Frau, die sich anschickt, auf allen Gebieten geistigen Schaffens dem Manne es gleich zu thun. Selbst die Art des Sitzens ist bezeichnend: Dort die Pose der Schloßfrau, die keine Besuche macht, sondern nur empfängt. Hier die Haltung der Dame, die von der Straße zu flüchtigem Besuch bei einer Freundin heraufgekommen.
Für andere Bildnisse ist bezeichnend, daß der Schauplatz fast nie die Stadt, gewöhnlich das Land ist. Sport, Lektüre und Landleben – Dinge, die die Französin noch nicht kennt –, sind die Motive der Bilder. Die Dame sitzt im Parke ihres Landgutes, unter hohen Bäumen und träumt, einen Roman auf den Knieen, strahlend frisch, kein Parfüm, sondern Waldduft im Haar, das Gesicht von breitem Strohhut beschattet. Mechanisch gleitet ihre Hand über den Rücken des großen Bernhardiners, der zu ihren Füßen liegt. Oder sie blickt auf, um dem Spiele der Kinder zu lauschen. Denn im Gegensatz zur Französin leitet sie selbst die Erziehung der Kinder. Jubelnd, von einem kleinen Hündchen begleitet, kommen sie über den Rasen daher. Die Mutter nimmt das jüngste Töchterchen zu sich, küßt es, ordnet ihm das vom Winde zerzauste Haar. In Frankreich sind schon die Knaben kleine Herren und die Mädchen kleine Damen, die im Reifrock mit würdiger Miene an der Seite der Bonne daherstolzieren. Ihre kostbare Kleidung, ihr gepudertes Haar gestatten kein Toben. Gemessen und elegant sind die Bewegungen, nicht von unbewußter Kindlichkeit, sondern von jener studierten Grazie, die das Menuett verlangt. In England giebt es keine Schnürleibserziehung. Die Babys sind echte Naturkinder, die fessellos wie das Wild im Walde sich tummeln. Sie holen die Mutter ab, um mit ihr nach dem Hühnerhaus zu gehen und das Geflügel zu füttern. Oder sie klatschen in die Hände und springen ihr entgegen, wenn sie mit der Reitpeitsche, das Pferd am Zügel, vom Spazierritt zurückkommt. Sind die französischen Bildnisse von schwüler Salonatmosphäre umflossen, so atmet man hier reine Landluft, den Duft der Wiesen und Wälder. Denn wie es ein englischer Zug ist, daß die Namen und Kinder fast immer im Freien dargestellt sind, hat auch die Natur, in der sie sich bewegen, nichts mit der französischen gemein. Beim Parkstil Lenôtres soll jede Einzelheit zeigen, daß ein souveräner Wille alles regelt und leitet. Der englische Gartenstil, dem Geschmack des freien Volkes entsprechend, läßt der Natur ihre Freiheit. Nur veredelt er sie, frisiert sie, mäßigt ihre Wildheit, so wie die gebildeten Klassen den wilden Naturmenschen zum gesitteten Bourgeois zu frisieren suchten.
Bei Gainsborough kommt dieses englische Element noch mehr als bei Reynolds zum Ausdruck. Denn Reynolds, der Denker und Grübler, betrachtete seine Modelle nicht ganz unbefangen, sondern sah sie durch das Medium der alten Meister. Wie die Italiener des 17. Jahrhunderts liebte er die Personen, die ihm saßen, in mythologischer oder geschichtlicher Auffassung darzustellen, hat die Schauspielerin Mrs. Siddons als tragische Muse, die Fräulein Montgomery als die drei Grazien, Mrs. Sheridan als heilige Cäcilie, den Schauspieler Garrick neben den allegorischen Figuren der Tragödie und Komödie gemalt. Auch durch die Farbe und Pose suchte er seinen Modellen eine Ähnlichkeit mit den Renaissancemenschen, etwas Stilvolles, Klassisches zu geben. In den Bildern Gainsboroughs spricht sich rein der Engländer aus. Nicht auf die warmbraunen Töne der alten Meister, sondern auf eine helle grünlichblaue Skala sind sie gestimmt. Nicht umstrahlt vom Glanze der Renaissance, haben sie das feine angelsächsische Aroma, das noch heute so duftig aus den Werken der englischen Maler strömt.
Auch dadurch unterscheiden sich die beiden, daß Reynolds, wenn er keine Porträtsitzung hatte, Geschichtsbilder, Gainsborough Landschaften malte. Die Historien des Akademiepräsidenten – der Tod Didos, die Enthaltsamkeit des Scipio, Cupido und Venus – weisen ins 17. Jahrhundert zurück. Gainsborough wird als Vorläufer der großen Landschafter des 19. Jahrhunderts gefeiert.
Die Litteratur war auch auf diesem Wege vorausgegangen. Schon 1727, als in Frankreich noch Lenôtre den Geschmack beherrschte, war Thomsons »Frühling« erschienen, wo das Lauschige und Idyllische, Waldschatten und Wiesenhelle, die grüne Ueppigkeit des englischen Bodens und das Lied der Vögel besungen wird. Gainsborough übersetzte Thomson in die Malerei. Neben Wilson, dem Nachahmer Claude Lorrains, steht er als erster englischer Landschafter. Sein Heimatdorf Sudbury liegt mitten in der frischen, zarten englischen Natur. Kleine Flüsse ziehen sich durch leichtgewelltes Gelände. Weite Wiesen wechseln mit sanften Thälern. In eingehegten Rasenplätzen weiden Damhirsche und Rehe, die neugierig herbeikommen, wenn der Zug vorbeibraust. Duftige Linden stehen träumerisch in der milden, parkartigen Landschaft, durch die wie ein silbernes Band der Stour sich windet. Hier trieb sich Gainsborough als Knabe umher, und was er in der Jugend lieben gelernt, malte er später. Seine Landschaften kennen keine wildbewegte Großheit, sind keine Bühnen für arkadische Schäferspiele, sondern ein Tummelplatz der Kinder, ein Ruheort der Herden. Hochstämmige Bäume breiten ihre Aeste schützend über einsame Hütten, an deren Thür kleine Bauernkinder spielen. Oder ein Bauer kommt mit seinem Holzbündel aus dem Wald zurück. Tiefgrüne Rasenflächen, wogende Kornfelder ziehen sich hin. Ziegen, von kleinen Zicklein begleitet, grasen auf der Wiese. Es liegt über seinen Werken die frohe Empfindung des Städters, der aus dem Schmutz der City ins Grüne kommt. Durch Bilder wie diese ist England das Heimatland der »intimen Landschaftsmalerei« geworden, jener feinen, bescheidenen Kunst, die erst das Großstadtleben gebären konnte. Literarisch und künstlerisch wies es den übrigen Nationen den Weg.