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Südchina
Das China des Konfuzius wäre niemals imstande gewesen, den indischen Individualismus in sich aufzunehmen, hätten nicht seit dem Niedergange der Chou-Dynastie Taoismus wie Laoismus eine seelische Grundlage für diese beiden Gegensätze asiatischen Denkens vorbereitet.
Der Yang-tse-kiang ist kein Nebenfluß des Hoang-ho, und der allumfassende Sozialismus der seßhaft gewordenen Tataren, der an den Ufern des Hoang-ho entstand, hätte niemals den unbändigen Geist ihrer Brüder, der Kinder des Yang-tse-kiang, zu fesseln vermocht. Die undurchdringlichen Wälder und nebligen Sümpfe dieses gewaltigen Flußtales wurden von einem wilden, freiheitsliebenden Volksstamm bewohnt, der den Chou-Königen der nördlichen Provinzen kaum irgend lehenspflichtig war. Die Häuptlinge dieser Bergbewohner waren zur Zeit des Feudalismus bei den Versammlungen der Chou-Adligen nicht zugelassen, und ihr ungeschlachtes Äußere wie ihre rauhe Sprache waren selbst noch zur Han-Zeit ein Gegenstand des Spottes. Allmählich aber wurden auch diese Südländer von der Chou-Kultur durchdrungen und fanden in der Kunst ihren eigenen, von dem ihrer nordischen Landsleute sehr abweichenden Ausdruck für ihre Liebe und ihre Ideale.
Ihre Poesie, die in K'üh Yüan Kutsugen (K'üh yüar). – Ein Prinz von Ch'u, einem chinesischen Vasallenstaate am Yang-tse-kiang. Sein Rat wurde von dem König von Ch'u verworfen und er selbst in die Verbannung geschickt. Als Mittel zur Selbstbehauptung schrieb er lange Gedichte über die Einsamkeit, über den Menschen, der sich fernhält von seinesgleichen, in der Natur seinen einzigen Freund und im Reiche der Ideale seine einzige Heimat sucht, und beging schließlich Selbstmord durch Ertränken. Auch heute noch wird sein Tod bei dem seinem Andenken geweihten Drachenbootfeste vom Volke beklagt. tragischen Andenkens das beste Beispiel findet, strömt über von glühendem Naturgefühl, von Liebe zu großen Flüssen und Freude an Wolken und Nebelbildungen über den Seen, von Drang nach Freiheit und Selbstbehauptung. Insbesondere dieser letzte Punkt wird am klarsten durch das Tao-teh-king oder »Buch der Tugend« des Lao-tse beleuchtet, des großen Nebenbuhlers des Konfuzius. In diesem Werke, das fünftausend Ideogramme umfaßt, ist ständig die Rede von der Größe des in sich zurückgezogenen Ichs und seiner Befreiung von den Fesseln der Konvention.
Lao-tse, der in dem südlichen Lehensstaate Ch'u geboren und Kustos der Chou-Archive war, wurde von Konfuzius, trotz der Verschiedenheit ihrer Lehren, als Meister verehrt. Er schildert ihn als den »Drachen«, indem er sagt: »Ich weiß, daß die Fische schwimmen und die Vögel fliegen können: aber die Macht des Drachen kann ich nicht ermessen.« Lao-tses Nachfolger Chuang-tse stammte gleichfalls aus dem Süden. Er trat in seine Fußtapfen und sprach ausführlich von der Relativität der Dinge und der Veränderlichkeit ihrer Form.
Das Buch Chuang-tses ist reich an glänzenden Bildern und steht in starkem Gegensatz zu den trockenen, hausbackenen Maximen des Konfuzius. Da ist zum Beispiel von dem Zaubervogel die Rede, dessen Schwingen neunzigtausend Meilen messen, der in seinem Flug den Himmel verdunkelt und ein halbes Jahr braucht, um sich niederzulassen. Inzwischen machen sich Drosseln und Spatzen zwitschernd über ihn lustig: »Steigen wir nicht in einem Augenblick von dem Grase zu den Baumwipfeln auf? Wo ist der Nutzen dieses gewaltig langen Fluges?« Und an anderer Stelle: »Der Wind, die Flöte der Natur, fegt über Bäume und Gewässer hin und singt zahlreiche Melodien. So auch drückt das Tao, die große Weltstimmung, sich durch viele Seelen und in vielen Zeiten aus und bleibt doch immer das Tao.« Und wieder eine andere Stelle: »Die Lebenskunst, deren Geheimnis nicht auf Feindschaft und Hader beruht, sondern auf der Fähigkeit hineinzuschlüpfen in die Zwischenräume, die überall vorhanden sind.« Dieser letzte Fall wird durch das Beispiel vom geschickten Fleischhauer versinnbildlicht, dessen Messer niemals des Schleifens bedarf, da er zwischen den Knochen zu schneiden versteht und sich nie an ihnen selbst vergreift. So spottet er der konfuzianischen Lehren und der Konvention, die nur um endliche Ziele ringen und niemals das weite Ziel zu umfassen vermögen, das die große überpersönliche »Stimmung« in sich begreift.
Es heißt, man habe ihn eines Tages aufgefordert, ein Amt zu übernehmen. Er aber deutete auf einen Stier, der zum Opfer geschmückt dastand, und sprach: »Glaubst du, das Tier fühlt sich glücklich, wenn es die Axt spürt, mag es auch noch so sehr von Edelsteinen glänzen?« Dieser ausgeprägte Individualismus erschütterte den Konfuzianismus bis in seine Grundfesten hinein, so daß Mencius Mencius. – Môshi (Meng-tse), von den katholischen China-Missionaren des 17. Jahrhunderts in Mencius latinisiert, ist etwa 100 Jahre nach Konfuzius' Tode in dessen Heimatsstaate Lu (Shantung) geboren; er lebte von 372 bis 289 v. Chr., der erste große Jünger des Konfuzius, sein ganzes Leben der Bekämpfung laoistischer Theorien widmete. Hervorzuheben ist, daß der Kampfplatz, auf dem dieses Ringen zwischen den beiden treibenden Kräften des Ostens, dem Kommunismus und seiner Reaktion, dem Individualismus, sich abspielte, keineswegs ein wirtschaftlicher, sondern ein rein geistiger und künstlerischer war. Niemandem konnte an den starken moralischen Eroberungen des Konfuzius mehr gelegen sein als gerade Lao-tse, seinem geistigen Nebenbuhler.
Auch in der Staatskunst hat der Geist des Südens große Denker erzeugt, die unmittelbare Gegner der konfuzianischen Ideale waren. So arbeitete Han-Fei-tse sechzehn Jahrhunderte, ehe der Italiener seinen »Fürsten« schrieb, ein macchiavellistisches System aus. Das Zeitalter war überaus fruchtbar an militärischen Theorien; ein napoleonisches Genie gründete eine Wissenschaft der Taktik. Denn das feudalistische Zeitalter zu Ausgang der Chou-Dynastie war ja vom freien Gedankenaustausch beherrscht. In der Politik, Soziologie und Jurisprudenz wurden die Gründe zu selbständigem Denken und Forschen gelegt, während Freiheitsliebe und eine reiche Begabung die Südchinesen befähigten, sich der gebotenen Gelegenheit vollauf würdig zu erweisen.
Während dieser ganzen Zeit sogen die langsam vordringenden Ts'in China allmählich auf, und nach dem Dynastienwechsel drohte der Ts'in-Imperialismus, wie der Konfuzianismus der Han-Kaiser, der laoistischen Schule gefährlich zu werden. Allein der Strom philosophischer Energie grub sich ein unterirdisches Bett, aus dem er gegen Ende des Han-Zeitalters in den freien und vielverzweigten Ausläufen des Konversationalismus hervorbrach.
Der Laoismus herrschte unbestritten in den drei Reichen, in die das Land während der Han-Dynastie zerfiel, wodurch das Ansehen des konfuzianischen Einheitsgedankens notgedrungen leiden mußte. Ho Yen und Wang Pih schrieben neue Kommentare zum Tao-teh-king, und wenn diese Denker auch den Konfuzianismus nicht offen anzugreifen wagten, machten sie doch durch ihre Lebensführung mit vollem Bewußtsein Front gegen die Konvention. Es war das Zeitalter, da die Gelehrten sich in Bambushaine zurückzogen, um ungestört über Philosophie reden zu können; wo ein Premierminister seine Kutsche vor einer Schenke an der Landstraße halten ließ, um angesichts einer erstaunten Volksmenge mit seiner Dienerschaft zu trinken; wo ein schlichter Student einen hohen Würdenträger anzuhalten wagte mit der Bitte, ihm auf der Flöte vorzuspielen, da er deswegen berühmt war: worauf der liebenswürdige Staatsmann stundenlang seiner Bitte willfahrte; wo Philosophen, des Vergnügens halber, in einer Schmiede arbeiteten und der hohen Gäste nicht achteten, die sie inzwischen aufsuchten und sie durch die Vorlegung wichtiger Fragen beehrten. Die Poesie dieser Zeit und des Zeitalters der Sechs Dynastien (265-618) spiegelt die gleiche Freiheit wider, und die Einfachheit und Anmut dieser »Rückkehr zur Natur« steht in starkem Gegensatze zu dem Bilderprunk und der klug ausgearbeiteten Metrik der Han-Poeten.
Jeder kennt die Gedichte T'ao Yüan-mings, des konfuzianistischsten aller Laoisten und laoistischsten aller Konfuzianer, des Mannes, der einen Gouverneurposten aufgab, weil es ihm mißbehagte, ein Staatsgewand anzulegen, um den Abgesandten des Kaisers zu empfangen. Seine Ode »Die Rückkehr« war der unmittelbare Ausdruck seiner Zeit. T'ao Yüan-ming und den übrigen Dichtern des Südens ist es zu verdanken, daß die »taubeschwerte Chrysantheme, die zarte Anmut des im Winde schwankenden Bambus, der unschuldige Duft der Pflaumenblüten, die im Zwielicht den Fluß hinuntertreiben, das friedliche Grün der Tanne, die ihr stummes Leid dem Winde klagt, und die göttliche Narzisse, die ihre stolze Seele tief in Abgründen verbirgt oder in einem flüchtigen Streifen Himmels den ersten Blick des Lenzes zu erhaschen sucht«, zu Vorwürfen poetischer Eingebung wurden, die in der großen, alles befreienden T'ang-Periode mit buddhistischen Idealen verquickt, in den Sung-Dichtern abermals neue Blüten trugen. Die Sung-Dichtung ist, wie T'ao Yüan-ming, ebenfalls eine Frucht des Yangtse-Intellekts, der immer wieder von neuem die Seele in der Natur auszudrücken sucht.
Freiheitsliebe wird von Chuang-tse als die wichtigste Charaktereigenschaft bezeichnet. Er berichtet von einem mächtigen Adeligen, der einen tüchtigen Maler suchte, um ein Bild anzufertigen. Ein Bewerber nach dem anderen erschien, grüßte geziemend und fragte nach dem Vorwurf und der Art der Ausführung, die gewünscht wurde. Aber sie alle konnten ihn nicht zufriedenstellen. Zu guter Letzt trat ein Künstler auf, der unangemeldet zur Tür hereinstürmte, seine Gewänder abwarf, sich in ungeschlachter Stellung niederließ und nach Pinsel und Farbe verlangte. »Dieser ist mein Mann«, erklärte der Mäzen ohne Umschweif.
Ku K'ai-chi war ein Dichtermaler aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts, der der laoistischen Schule angehörte und wegen dreier Tugenden bewundert wurde: »Als erster unter den Dichtern, als erster unter den Malern und als erster unter den Narren.« Er hob zuerst die Notwendigkeit hervor, sich bei einer künstlerischen Komposition auf eine herrschende Note zu konzentrieren. »Das Geheimnis des Porträtierens«, heißt es bei ihm, »beruht auf dieser Eigenschaft, die sich im Auge des Porträtierten enthüllen muß.« Eine weitere Frucht laoistischen Denkens war die erste systematische Geschichte und Kritik der Malerei, die um diese Zeit entstand, und die in China wie in Japan den Grund zu einer künftigen Verallgemeinerung der Ästhetik legte.
Sien Hoh stellt im fünften Jahrhundert sechs Grundregeln der bildenden Kunst auf, die die Idee einer Nachbildung der Natur an die dritte Stelle rücken und den Hauptprinzipien unterordnen. Die erste lautet: »Lebendige Bewegung des Geistes, ausgedrückt durch den Rhythmus der Dinge.« Ihm ist die Kunst Ausdruck für die große Stimmung des Alls, die nach den harmonischen Gesetzen der Materie schwingt. Sie sind für ihn gleichbedeutend mit dem Weltrhythmus.
Seine zweite Grundregel handelt von der Komposition und der Linienführung und heißt: »Das Gesetz der Knochen und der Pinselführung.« Ihm zufolge muß der schöpferische Geist, will er sich auf eine malerische Komposition niedersenken, organische Struktur annehmen. Das großangelegte Gebilde der Phantasie ist das Gerüst oder das Gerippe des Werkes; die Linien treten an die Stelle der Nerven und Arterien, und das Ganze wird von der Haut oder Farbe bedeckt. Daß er die Frage von Licht und Schatten einfach übergeht, rührt daher, daß die Malerei seiner Zeit noch bei den früheren asiatischen Methoden stehen geblieben war. Der Bildergrund wurde mit weißem Kalk überzogen, die rohen Pigmente darauf aufgetragen und durch dicke schwarze Linien betont und gegeneinander abgegrenzt. Daher das Wort des Konfuzius: »Jede Malerei hat Weiß zur Voraussetzung.« Dieselbe Methode finden wir in den Wandmalereien Ajantâs in Indien und des Hôryû-ji in Japan wieder.
Gleichzeitig mit diesen Methoden sehen wir auch den Traum und die unauslöschliche Klage um den verloren gegangenen großen griechischen Stil in der Malerei auftauchen, jenen Stil, der Griechenland eigen war, ehe die Schule des Apelles zu einem unechten Helldunkel und einer falschen Nachahmung der Natur gekommen war. Wir denken hierbei an die »Kassandra« des Protogenes, jenes Meisters der starken Linie, von dem es heißt, daß er den ganzen Fall Trojas in den Augen der Seherin wiederzugeben verstand, und können uns dabei der Bemerkung nicht enthalten, daß die abendländische Kunst, indem sie sich der späteren Schule anschloß, an Gewalt der Komposition und Ausdruck der Linie viel einbüßte, wenn sie auch an naturgetreuer Wiedergabe gewann. Die große Stärke der chinesischen wie der japanischen Kunst lag von jeher in der Linie und im Linienaufbau. Die Künstler der Sung- und der Ashikaga-Periode fügten dann noch die Reize von Licht und Schatten hinzu, ohne indes zu vergessen, daß ihr Ziel ein künstlerisches und kein wissenschaftliches war. Zur Toyotomi-Zeit gesellte sich dann noch die Farbenkomposition hinzu. Die Heilighaltung der Kalligraphie, die um diese Zeit ihre erste hohe Blüte erreichte, ist eine ausschließliche Folge des reinen Linienkults. In jedem einzelnen Pinselstrich liegt das Prinzip von Leben und Tod, und er verschlingt sich mit den übrigen Linien innig zur Schönheit eines Ideogramms. Es wäre falsch, anzunehmen, der Wert eines großen chinesischen oder japanischen Gemäldes beruhe einzig und allein auf dem Ausdruck oder der Betonung der Umrisse; dennoch besitzen sie, als reine Linien betrachtet, einen abstrakten Reiz für sich.
Da uns keine Bilder aus der laoistischen Periode erhalten geblieben sind, müssen wir uns ihren Stil aus solchen Werken der darauffolgenden Zeit herzuleiten und zu rekonstruieren versuchen, die sich die charakteristischen laoistischen Merkmale bewahrt haben. Wir wissen, daß man sich an ganz neue Gegenstände heranwagte. Die dieser großen Schule eigene Liebe zur Natur und zur Freiheit mußte sie notgedrungen zur Landschaftsmalerei führen, und wir lesen von Bildern, auf denen das Wildgeflügel sich in Rohr und Dickicht lockt. Vor allen Dingen aber sind diese neuen Maler Schöpfer der gewaltigen Idee des Drachen Der Drache. – Seit dem Aufstieg des Taoismus finden wir überall in der chinesischen wie japanischen Kunst, wo es gilt, die Unendlichkeit zu versinnbilden, dieses Symbol. Es stellt die Macht der Veränderlichkeit, die höchste Gewalt, dar. Der Kaiser wird stets als der »drachenleibige« oder »drachengesichtige« bezeichnet., jenes furchtbaren, aus Wolkennebel erzeugten Symboles der Macht der Veränderlichkeit; und ihre Tiger- und Drachenbilder stellen das rastlose Ringen der materiellen Kräfte mit dem Unendlichen dar. Der Tiger brüllt seinen nimmermüden Schlachtruf dem grauenvoll unbekannten Geiste zu.
Es liegt in der Natur der Sache, daß die laoistische Bewegung die große Masse des Volkes unberührt ließ. Weder Lao-tse–Chuang-tse noch ihre legitimen Nachkommen, die Konversationalisten – unter gravitätischem Schwingen ihrer yakschwänzigen, nephritstieligen Fächer schwelgten sie in gelehrten Diskussionen über das Reine und Abstrakte –, sind für den unter dem Namen Taoismus bekannten Kult verantwortlich zu machen, der auch heute noch einen großen Teil der chinesischen Rasse zu seinen Anhängern zählt und sich auf den »greisen Philosophen« als seinen Gründer beruft.
Es gelang den konfuzianischen Gelehrten, trotz ihrer hartnäckigen Bemühungen, nicht, den tatarischen Aberglauben auszurotten, der den Chinesen aus ihrer frühen Heimat nach China gefolgt war. Die rohen Waldbewohner des Yang-tse-kiang waren die Hüter dieser primitiven Überlieferung. Sie schwelgten in Geschichten von Dämonen, Hexen und Zauberern. In Wahrheit war das Ringen nach Unsterblichkeit auf Erden eine unmittelbare und notwendige Folge des Konfuzianismus; die Frage nach einem Leben nach dem Tode wurde einfach übergangen. Der bessere Teil des Menschen, hieß es, kehre in den Himmel zurück, der schlechtere vereinige sich aufs neue mit der Erde.
Schon in den späten Chou-Schriften ist viel von dem Sien-jen oder Zauberer der Berge die Rede, der sich durch allerlei seltsame Mittel und durch die Entdeckung eines Zauberelixiers die Macht, ewig zu leben, errungen hat und jetzt auf den Rücken der Störche am hellichten Mittagshimmel einherreitet, um sich zu den geheimnisvollen Versammlungen seiner dunklen Brüderschaft zu begeben.
Der erste Ts'in-Kaiser schickte eine Expedition östlich über das Meer, um das Elixier der Unsterblichkeit zu finden. Da sich ihre Mitglieder aber fürchteten, mit leeren Händen heimzukehren, ließen sie sich, wie man annimmt, in Japan nieder, wo sich eine ganze Reihe von Familien heute noch der Abstammung von ihnen rühmt.
Die gleichen Gewohnheiten waren auch den Han-Kaisern nicht fremd. Immer wieder bauten sie palastartige Kultstätten für ihre eigenen Götzen, die dann regelmäßig durch die protestierenden Konfuzianer gestürzt wurden. Ihre alchimistischen Experimente führten indes zur Entdeckung zahlreicher nützlicher Stoffe. Ja, wir dürfen die wundervolle Porzellanglasur Chinas getrost auf eine ihrer zufälligen Erfindungen zurückführen.
Der endgültige Zusammenschluß der Taoisten als Sekte ist den Bemühungen Luh Siu-tsings und Sokensis zu Anfang der Sechs Dynastien zu verdanken. Sie übernahmen die Philosophie Lao-tses und das buddhistische Ritual und gingen von dem Gedanken aus, Wert und Bedeutung der volkstümlichen Ideen zu vermehren. Leider waren sie aber auch die Urheber einer Reihe von furchtbaren Verfolgungen, die vernichtend auf die Buddhisten Nordchinas einwirkten, bis der Liberalismus der T'ang-Dynastie es Konfuzianern, Buddhisten und Taoisten ermöglichte, in gegenseitiger Toleranz nebeneinander zu leben.
Die Philosophie des Buddhismus fand bei den Laoisten bereitwillige Aufnahme, die in ihr einen Fortschritt gegenüber ihren eigenen Lehren sahen. Die ersten Verkünder des indischen Glaubens in China waren zumeist Schüler Lao-tses und Chuang-tses. Yeon nimmt sogar die buddhistischen Schriften zur notwendigen Voraussetzung für das Verständnis des abstrakten Idealismus Açvaghoshas und Nâgârjunas.
Was die mehr konkrete Seite des Buddhismus betrifft, so hießen die frühen Taoisten die Götterbilder Buddhas als Bildnisse ihrer eigenen Götter willkommen.
Der goldene Sennin, den Hanchow (Par Ch'oo?), einer der Han-Generale, im ersten Jahrhundert n. Chr. als Siegesbeute von einem Einfall über die tibetische Grenze heimbrachte, galt, wie schon aus dem Namen hervorgeht, als in keiner Weise verschieden von den taoistischen Bildnissen, die damals bereits in China existierten. Darum stellte man ihn auch mitten unter den taoistischen Götterbildern im Kan-ts'üan-Palaste oder in der »Halle der süßen Quellen« auf und verehrte ihn nach den gleichen Riten. Man vergleiche die Erbeutung des von den Chinesen, später als Buddhastatue gedeuteten goldenen Götterbildes der Hiung-nu (Hunnen) durch den Feldherrn Hoh K'ü-ping im Jahre 121 v. Chr., von der die Han-Annalen berichten.
Der im zweiten Jahrhundert n. Chr. lebende König von Ch'u war gleichzeitig ein ausgesprochener Taoist und ein frommer Buddhist. Im dritten Jahrhundert ließ Kaiser Kôrei ein Standbild Buddhas in Gold gießen und zugleich eines von Lao-tse anfertigen. Aus alledem geht hervor, daß sich die beiden Religionen zu dieser frühen Zeit keineswegs feindlich gegenüberstanden, wie die späteren taoistischen Schriftsteller behaupten.