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Die Toyotomi- und ältere Tokugawa-Periode

(1600-1700 n. Chr.)

Die Herrschergewalt der Ashikaga war durch die Zwistigkeiten der Familien Yamana und Hosokawa, die als vizekönigliche Regenten zu immer größerer Macht emporstiegen, geschwächt und mußte schließlich dem wachsenden Einfluß der Feudalherren weichen. Das Land war von den Kämpfen der benachbarten Daimyôs untereinander zerrüttet, aus deren Mitte dann von Zeit zu Zeit eine große Persönlichkeit auftauchte, die durch den Plan, sich der Hauptstadt und kaiserlichen Residenz zu bemächtigen, die Einigkeit im Reiche wiederherzustellen suchte. Die Geschichte dieser Zeit stellt eine Reihe miteinander wetteifernder Versuche, Kyôto zu erreichen, dar.

Zum Schluß gelang es drei verschiedenen Männern, Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu, dieses Werk zu vollbringen. Sie bildeten zusammen eine dreifache Macht und lösten einander in der Regierungsgewalt ab. Nobunaga vermochte, dank seiner vorteilhaften Stellung in Mitteljapan, als erster einen Keil zwischen die Kämpfenden zu treiben und in den Brennpunkt der Bewegung einzudringen. Er setzte die Ashikaga-Shôgune ab und erhob sich selbst zum militärischen Diktator von halb Japan. Seine Macht ging dann auf Hideyoshi, den größten seiner Generale, über, dem es gelang, die streitenden Barone völlig zu unterwerfen, und der nach seinem Tode den Ausbau des Reiches dem strengen und schlauen Staatsmann Ieyasu überließ.

Die überragende Persönlichkeit dieser Zeit ist Hideyoshi, ein Mann, der sich aus der niedrigsten Stellung emporarbeitete und 1586 zur höchsten Reichswürde gelangte. Seinem maßlosen Ehrgeiz erschien selbst Japan zu klein, so daß er sich an die Eroberung Chinas wagte, ein Plan, der zu der vollständigen Verwüstung Koreas und bei seinem Tode 1598 zu dem schmachvollen Rückzug der japanischen Truppen führte.

Die neuen Ritter glichen ihrem ruhmvollen Führer und waren zum großen Teil Männer, die sich ihren Adel durch das Schwert erobert hatten. Einige von ihnen hatten den im Lande umherstreifenden Räuberbanden angehört, andere den Seeräubertrupps, die der Schrecken der Bewohner der chinesischen Küste waren. Die strenge und feierliche Kultur der Ashikaga-Fürsten war diesen rohen Geistern unverständlich und darum widerwärtig. Mitunter nahmen sie zwar unter Leitung Hideyoshis auch an den feinen, ästhetischen Freuden der Teezeremonie teil, in der Hauptsache jedoch geschah dies, weil sie dabei Gelegenheit fanden, ihren Reichtum zu entfalten, und nicht aus einem inneren Bedürfnis.

Die Kunst dieser Zeit zeichnet sich daher mehr durch Pracht und Farbenreichtum als durch Innerlichkeit aus. Die neuen Daimyôs bedurften neuer Paläste und schmückten sie in dem dekadent üppigen Stil der Ming aus, eine Folge der durch den Krieg entstandenen Berührung mit Korea. An Üppigkeit und Pracht stellten sie die schlichten Behausungen der Ashikaga-Shôgune tief in den Schatten. Ungeheure Steinburgen kamen auf, die meist nach den Plänen portugiesischer Ingenieure angelegt waren. Die bekannteste von ihnen ist die von Hideyoshi selbst entworfene Burg von Ôsaka, zu deren Bau alle Daimyôs im Lande beitragen mußten, so daß sie selbst dem militärischen Genie Ieyasus uneinnehmbar schien.

Die Burg Momoyama bei Kyôto war gleichfalls ein Meisterwerk ihrer Art und erregte durch ihren Pomp und ihre Pracht die Bewunderung der ganzen Nation. Ein üppig-reicher Dekorationsstil gelangte hier zu seiner vollen Entfaltung, so daß dies Bauwerk, hätte es das denkwürdige Erdbeben von 1596 und die späteren verheerenden Brandschatzungen überlebt, selbst die glanzvollen Werke des Nikkô-Stiles übertroffen haben würde; denn der Nikkô-Stil ist nur eine Nachahmung der heute unter dem Namen Momoyama-Stil bekannten Bauweise. Momoyama selbst stellt ein japanisches Versailles dar, das alle Barone oder Daimyôs nachzuahmen suchten, indem sie aus jedem kleinen Landsitz ein Miniatur-Momoyama schufen.

Um diese Zeit entdeckte man die wunderbare Wirkung der seither vielfach als Wand- und Schirmschmuck verwandten Goldblättchen. Einige Wandschirme aus den berühmten »Hundert Serien« der Schloßburg sind uns bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben, ebenso ein Teil der Schirme, die bei den Prozessionen Hideyoshis meilenweit die Landstraßen zu beiden Seiten des Weges schmückten. Die Wände der Audienzsäle wurden in einer Breite von vierzig bis fünfzig Fuß mit riesigen Fichtenstämmen bemalt, und hitzköpfige Daimyôs überhäuften, miteinander wetteifernd, die müden Künstler mit Aufträgen, die nicht selten dahin lauteten, daß man ihnen die Innenausstattung eines ganzen Palastes an einem einzigen Tage fertigstellen möge. Und Kanô Eitoku arbeitete mit seiner ganzen Schülerschar inmitten des tumultuarischen Glanzes seiner Gönner, unermüdlich weiter an der Wiedergabe ganzer Fichtenwälder, in denen sich buntfiedrige Vögel, Löwen und Tiger als Symbole der Tapferkeit und Königswürde tummelten.

Nach der zweiten Erstürmung der Burg von Ôsaka im Jahre 1615 gelangte endlich Tokugawa Ieyasu zur Macht, zentralisierte die Verwaltung im ganzen Lande und stellte sie, dank seiner wunderbaren Staatskunst, auf eine einfache und solide Basis. In der Kunst wie in den Sitten erstrebte er die Rückkehr zu dem Ashikaga-Ideal. Sein Hofmaler Tan-yû und dessen Brüder Naonobu und Yasunobu hatten es sich mit ihrem Neffen Tsunenobu zum Ziel gesetzt, die Reinheit Sesshûs von neuem zum Leben zu erwecken, ohne indes ihren Vorsatz zu erreichen. Das Zeitalter strömte über von der Lebenslust eines kaum erst aus tiefem Schlaf erwachten, befreiten Volkes, das zum erstenmal eine naive Freude an der Welt des Schönen bekundete. In diesen Dingen spiegelt die japanische Gesellschaft jener Tage einige der auffallendsten Erscheinungen des neunzehnten Jahrhunderts in Europa um zweihundert Jahre voraus. Die Sitten und Neigungen jener Zeit zielten auf Prunk an Stelle der Einfachheit, und diese Gewohnheiten waren so stark, daß sie sich selbst hundert Jahre nach der Errichtung des Tokugawa-Shôgunats, in der Genroku-Periode, noch erhalten hatten.

Die frühe Tokugawa-Architektur folgt, wie bereits erwähnt, in ihren Hauptmerkmalen dem Toyotomi-Stil, von dem uns Proben in den Mausoleen von Nikkô und Shiba wie in den Wandverzierungen der Nijô-Burg und des Nishi-Hongwanji -Tempels erhalten geblieben sind.

Die Zertrümmerung der sozialen Unterschiede, die der neue Adel herbeigeführt hatte, bewirkte überdies, daß die Kunst von einem bisher unbekannten Geiste der Demokratie beseelt war.

Hier liegen auch die Anfänge der Ukiyo-e oder volkstümlichen Schule der Malerei verborgen, wenn auch die Auffassung der damaligen Künstler in vielen Dingen von der der späteren Tokugawa-Zeit abweicht, da wiederum schärfste Klassenunterschiede den plebejischen Begriffen eine Schranke setzten. Der wilde Freudentaumel jener Tage war für das von halbhundertjährigem Blutvergießen erlöste Volk eine süße, bisher unbekannte Kost, und es verschwendete seine Kraft an kindliche Spielereien und Phantasiegebilden. Auch die Daimyôs waren eins mit ihm in der Freude am fessellosen Genuß.

Sanraku, der begabte Nachfolger und Adoptivsohn Eitokus, Kôi, der große Lehrer Tan-yûs, Iwasa Katsushige, der sogenannte Vater der Ukiyo-e-Schule und der durch seine Panegyrika auf das zeitgenössische Leben bekannte Itchô waren alle erstklassige Künstler – und doch malten sie mit Vorliebe Szenen aus dem täglichen Leben, ohne dabei ein Gefühl der Erniedrigung zu empfinden, wie es die hochstehenden Künstler der späteren Tokugawa-Zeit getan haben. Dieses Zeitalter der Freude und des Genusses erzeugte daher eine große dekorative, aber ungeistige Kunst. Die einzige Schule, die hiervon eine bedeutende Ausnahme bildet, ist die Sôtatsus und Kôrins. Ihre Vorgänger, Kôetsu und Kôho, fußten auf den Trümmern der dekadenten und fast erloschenen Schule der Tosa und suchten ihr den kühnen Geist der Ashikaga-Meister einzuhauchen. Sie behandelten die Farben mehr flächen- als linienmäßig, so wie die alten Koloristen es taten, und erzielten mit einem einfachen Pinselstrich die breitesten Wirkungen. Sôtatsu vermag uns den Geist der Ashikaga noch am reinsten zu vermitteln, während Kôrin gerade durch seine Überreife dem Formalismus und der Pose verfällt.

Kôrins Leben birgt eine rührende Geschichte, nach der er sich zum Malen stets auf ein Brokatkissen zu setzen pflegte, mit den Worten: »Wenn ich schaffe, muß ich mich als Daimyô fühlen«, ein Beweis dafür, daß sich bereits um diese Zeit leise Spuren des Klassenunterschiedes in das Künstlerleben eingeschlichen hatten.

Diese Schule, die den französischen Impressionismus um zwei Jahrhunderte vorausnimmt, wurde leider schon im Keime durch den eisigen Konventionalismus der Tokugawa getötet und ihrer großen Zukunft beraubt.


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