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(1200-1400 n. Chr.)
Mit der Errichtung des Shôgunats Shôgunat: Shôgun ist eine Abkürzung von Sei-i-tai-shôgun oder »Oberbefehlshaber der Armeen zur Bekämpfung der Barbaren«. Dieser Titel wurde zuerst Yorimoto aus dem Geschlecht der Minamoto verliehen, der die Taira vernichtete. Von nun ab hieß die lange Reihe der Militärregenten, die in Japan herrschten, Shôgune. Die Minomoto saßen in Kamakura, die Ashikaga in Kyôto und die Tokugawa in Yedo (Tôkyô). oder militärischen Vizekönigtums im Jahre 1186 durch Yoritomo aus der Minamoto-Familie von Kamakura beginnt eine neue Entwicklungsstufe der japanischen Geschichte, deren Hauptmerkmale sich bis zur Meiji-Restauration unserer Tage erhalten haben.
Die Kamakura-Epoche ist als Übergangszeit von der Fujiwara-Periode zur Tokugawa-Epoche von Bedeutung. Sie zeichnet sich durch die höchste Steigerung des Begriffs der Feudalrechte und des berechtigten Individualitätsbewußtseins aus und gewinnt, wie alle Zwischenperioden, dadurch noch an Interesse, daß in ihr, gleichsam aufgelöst, bereits alle Entwickelungsfaktoren enthalten sind, die in ihrer vollen Entfaltung erst zu einer späteren Zeit in Erscheinung treten sollten. Wir sehen das Individualitätsbewußtsein inmitten der faulenden Trümmer einer Aristokratenwirtschaft nach Ausdruck ringen und ein Zeitalter der Heldenverehrung und heroischen Romantik einleiten, das mit dem Geiste des Individualismus zur Ritterzeit in Europa eng verwandt ist; nur daß die Verehrung der Frau durch orientalische Schicklichkeitsbegriffe eingeschränkt wird und die in der milden Freiheit der Jôdo-Sekte wurzelnde Religion des strengen Asketentums entbehrt, kraft dessen das alles beschattende Papsttum das abendländische Gewissen in eiserne Fesseln schlug. Die Aufteilung von Grund und Boden in Lehnsherrschaften, an deren Spitze das edle und mächtige Geschlecht der Minamoto von Kamakura stand, hatte zur Folge, daß der ganze Provinzadel sich um die alteingesessenen Herren und Ritter als um die Blumen und Vorbilder der Tapferkeit zusammenschloß. Das Vordringen über den Hakone-Paß der sogenannten östlichen Barbaren mit ihrer schlichten Tapferkeit und geradsinnigen Denkweise brachte überdies die weibische Überkultur, die Hinterlassenschaft des übermäßig gesteigerten Formalismus der Fujiwara, zu Fall. Jeder, auch der kleinste Ritter, suchte sich nicht nur im Gebrauch der Waffen, sondern vor allem auch in der Übung der Selbstzucht, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft auszuzeichnen, und diese Disziplin galt als Wahrzeichen der echten Tapferkeit höher als die reine Körperkraft.
»Wissen um das Weh aller Dinge«, so lautete der Wahlspruch der Zeit, die das erhabene Ideal der Samurai gebar, deren Lebenszweck es war, für andere zu leiden. In Wahrheit ist allein schon in der Etikette des Ritterstandes zur Kamakura-Zeit eine offenkundige Verwandtschaft mit den Ideen der buddhistischen Mönche zu erkennen, ebenso wie das Leben jeder indischen Frau dem Leben der Nonnen gleicht. Viele der Samurai oder Offiziere, die sich mit ihren Anhängern um ihre Lehnsherren oder Daimyôs scharten, trugen über ihrer Rüstung ein Priestergewand, und einige gingen sogar so weit, sich den Kopf scheren zu lassen. Im Kriegshandwerk selbst lag nichts, was den Gesetzen der Religion widersprach, und der Adlige, der der Welt entsagte, wurde einer der streitbaren Mönche des neuen Ordens. Die indische Idee des Guru oder Gebers geistigen Lebens wurde hier auf den Kriegsherrn der Samurai, wer er auch sein mochte, übertragen, und die leidenschaftliche Treue zum »Bannerherrn« war das oberste Gesetz des Kriegers. Männer gaben ihr Leben hin, um den Tod ihres Führers zu rächen, so wie in anderen Ländern die Frauen für ihre Gatten oder die Gläubigen für ihren Gott starben. Wohl möglich, daß dieses mönchische Feuer das japanische Rittertum seines romantischen Elementes beraubte. Es möchte scheinen, als sei die Idealisierung der Frau bereits in den ältesten Zeiten ein wesentlicher Bestandteil des japanischen Lebens gewesen. Stammen wir nicht alle von der Sonnengöttin ab? Jetzt erst, nach der Fujiwara-Zeit, die ganz im religiösen Gefühl aufging, nimmt die Liebe des Mannes zur Frau echt orientalische Formen an; sie wird zur Andacht, die um so tiefer ist, als der Altar, vor dem sie verrichtet wird, im Verborgenen steht, zur Quelle der Begeisterung, die um so stärker rauscht, als sie geheim ist. Eine fast religiöse Scheu siegelt die Lippen der Kamakura-Dichter, aber es wäre falsch, daraus schließen zu wollen, daß die japanische Frau keine Verehrung genoß. Die Zurückgezogenheit des östlichen Zenanalebens ist nichts weiter als ein verschleiertes Heiligtum der Frau. Vielleicht haben auch die Troubadoure zur Zeit der Kreuzzüge die Kraft erkannt, die im Geheimnisvollen und Verborgenen ruht, denn bekanntlich war es eine geheiligte Tradition, den Namen der »gentil donna« in Dunkelheit zu hüllen. Dante zum mindesten gleicht als Dichter der Liebe vollkommen einem Orientalen, der von Beatrice, der Orientalin, singt.
So hüllte sich die Zeit bei Dingen der Liebe in Schweigen, daneben aber war sie erfüllt von epischem Heldentum, aus dessen Mitte die gewaltige und romantische Gestalt Yoshitsunes aus dem Hause Minamoto emporragt. Sein Leben ruft die Erinnerung an den Sagenkreis der Tafelrunde wach und ist, gleich dem des Ritters von Pendragon, im Nebel der Dichtung versunken, so daß es der Phantasie späterer Zeiten glaubwürdige Gründe bot, ihn mit dem mongolischen Dschingis Khan zu identifizieren, dessen wunderbare Laufbahn etwa fünfzehn Jahre nach Yoshitsunes Verschwinden in Yezo beginnt. Sein Name wurde auch Dschengi Khei ausgesprochen, und die Namen einiger Generale des großen mongolischen Eroberers haben gleichfalls Ähnlichkeit mit denen der Ritter Yoshitsunes. Daneben sehen wir Tokiyori, den Reichsverweser der Shôgune, wie Harun-al-Raschid als verkleideten Mönch das Land durchwandern, um sich über die Zustände im Reiche selbst zu erkundigen. Alle diese Begebenheiten dienten Abenteurerromanen als Anregung, die sich um irgendeinen Helden als Mittelpunkt aufbauen und im Gegensatz zu der Weibischkeit der Fujiwara-Schriften von rauher und herber Einfalt sind.
Der Buddhismus war genötigt, einfachere Formen anzunehmen, um den Anforderungen der Zeit zu genügen. Das Jôdo-Ideal sucht nunmehr das Gemüt des Volkes durch ungeschlachte Bilder der Vergeltung aufzurütteln. Darstellungen des Fegefeuers und der Höllenqualen tauchen auf, um die unter der neuen Herrschaft emporgekommenen Massen im Zaum zu halten. Gleichzeitig nehmen sich die Samurai die Lehren der in China unter der Sung-Dynastie zu hoher Blüte gediehenen Zen(Ch'an)-Sekte, die das Heil durch Selbstzucht und Willenskraft zu erringen sucht, zum Vorbild. So kommt es, daß die Kunst dieses Zeitalters sowohl der idealistischen Vollkommenheit der Nara-Periode wie der vollendeten Feinheit der Fujiwara-Zeit entbehrt; sie zeichnet sich jedoch durch die Rückkehr zur Linie und durch Lebendigkeit und Kraft der Formengebung aus.
Die für die Schöpferkraft eines heroischen Zeitalters so bezeichnenden Porträtstatuen nehmen in der Plastik jetzt den größten Raum ein. Erwähnt seien hier die Statuen der Mönche der Kegon-Sekte im Kôfuku-ji zu Nara. Selbst die Buddhas und Devas gewinnen individuelle Züge, so zum Beispiel die großen Ni-ô vom Nandaimon in Nara. Der große Bronzebuddha von Kamakura ist nicht frei von menschlicher Rührung, die bei den mehr abstrakt gestalteten Bronzen von Nara und Fujiwara fehlt.
Die Maler geben sich ebenfalls mit Porträtieren, daneben aber noch vielfach mit der Illustration von Heldensagen ab, zumeist in der Form der Makimono oder Rollen, auf denen die Bilder zwischen den geschriebenen Text verstreut sind. Nichts schien den damaligen Künstlern als zu hoch oder zu niedrig, um als Vorwurf genommen zu werden, und auch der formalistische Kanon adeliger Geburt wurde in der Begeisterung des neu erwachten Individualitätsbewußtseins vergessen. Die größte Freude hatten die Künstler indes an der Darstellung der Bewegung. Das treffendste Beispiel hierfür sind die wunderbaren Straßenbilder des Makimono aus dem Besitz des Prinzen Tokugawa von Bandainagon und die drei Schlachtenszenen der Heiji-Erzählungen, die in den Sammlungen des Mikado, des Barons Iwasaki und des Bostoner Museums aufbewahrt sind, und die fälschlicherweise Keion zugeschrieben werden, einem Künstler, dessen Existenz nicht einmal erwiesen ist.
Die prunkvolle Serie von Abbildungen der Höllenqualen in den Makimonos »Jigoku-sôshi« und »Kitano-tenjin-engi«, bei denen sich der kriegerische Geist des Zeitalters an dem furchtbaren Schauspiel der Vernichtung und des Grauens ergötzte, rufen ganz unmittelbar Bilder aus Dantes Inferno wach.