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Cagliostro, Casanova und der Graf von Saint-Germain – dies Dreigestirn weltberühmter Abenteurer, Schwarzkünstler und Hochstapler des 18. Jahrhunderts kreuzte sich in seinen Bahnen mehrfach. Casanova hat seine beiden Konkurrenten durchschaut und gebrandmarkt, obwohl gerade er ihnen nicht allzuviel vorwerfen durfte. Schatz- und Goldgräberei und das Geheimnis der Lebensverlängerung – durch Elixiere oder Palingenesie – das waren die Angeln, die sie alle drei auswarfen, um Dumme zu fischen. Alle drei tragen das Kainsmal des internationalen Vagantentums, weil ihnen stets nach einer Weile der Boden unter den Füßen heiß wurde, das Gefängnis ihnen drohte oder sie aufnahm, oder Ausweisungsbefehle sie nötigten, ihre Opfer anderweitig zu suchen. Alle drei sind mit einer ehernen Stirn, mit einer durch nichts zu entwaffnenden Frechheit, einer raffinierten Kenntnis der menschlichen Seele und ihrer Schwächen und mit einem erfindungsreichen Geist ausgestattet, der sie den Kopf aus mancher Schlinge ziehen, sie beim schwersten Sturze wie die Katze auf die Beine fallen ließ.
Davon abgesehen, ergeben sich freilich auch große Unterschiede in Charakter und Benehmen der drei. Der Feinste von ihnen ist Saint-Germain. Er hüllt seine Person und Herkunft in undurchdringliches, bis heute nicht gelichtetes Dunkel; selbst sein Tod1780 in Eckernförde. war bis vor kurzem schleierhaft. Er deutet sein fabelhaftes Lebensalter nur an, läßt es aus Bemerkungen erraten, die er sich wie aus Versehen entfahren läßt. Er ist ein vollendeter Weltmann, spricht fließend sechs Sprachen und verrät verblüffende Kenntnisse. Er findet dauernd Kredit bei Fürsten und Königen und entschwindet dem Gesichtskreis schließlich wie ein wunderbares Meteor. Alle grobe Marktschreierei liegt ihm fern; er weiß, welche magnetische Anziehungskraft alles Geheimnisvolle auf die Menschen ausübt. Casanova, ein Weltmann gleich ihm und voll vielseitiger Talente und Kenntnisse, ist schon ein dreisterer Glücksritter, der mit gröberen Mitteln arbeitet. Daher auch der jähe Wechsel seiner Lebensverhältnisse. Er ist Glücksspieler, Spekulant, Lebemann und Lebenskünstler zugleich; in den kabbalistischen Mantel hüllt er sich nur vor ausgewählten Opfern. Er schröpft seine Mitmenschen nicht dauernd, sondern ist freigebig und gutmütig wie ein Dieb und wird selbst von gröberen Zunftgenossen oft genug geprellt und gefährdet. Über die Freimaurerei, der er sich nur gelegentlich und äußerlich anschloß, hat er sich in seinen Memoiren (III, 7) ziemlich vernichtend ausgesprochen. Er ist weder Nekromant noch Kurpfuscher, Kuppler und Wechselfälscher, wie sein Landsmann Cagliostro. Geistig und gesellschaftlich Hochstehende bewiesen ihm bis zuletzt ihre Freundschaft; er findet auf seine alten Tage das Gnadenbrot in einem vornehmen Hause und nach seinem Tode das Interesse und die humorvolle Nachsicht der Nachwelt.
Der gröbste von allen dreien ist Cagliostro. Roh, ungeschliffen und halbgebildet, ein Taschenspieler und Urkundenfälscher, ein Quacksalber und Kuppler mit den Reizen seiner unglücklichen Frau, durchzieht er die Welt, um sie dauernd zu betrügen, dringt in die Freimaurerzirkel ein, um sie zu seinen Zwecken zu »reformieren«, und bereitet so seinen schlimmen Künsten einen breiten, soliden Boden, um nach schwindelnden Erfolgen im Kerker der Inquisition zu enden. Er hat zweifellos – beschämend für die menschliche Geistesart – bei Lebzeiten und selbst noch darüber hinaus die meiste Popularität genossen, ja sogar im Schrifttum die tiefsten Spuren hinterlassen. Während Saint-Germains geheimnisvolle Gestalt sich nur in einigen Memoiren spiegelt, ja Casanova nur Spuren in denen des Grafen Lamberg, des Fürsten von Ligne sowie in den zweifelhaften Aufzeichnungen der Marquise von Créqui hinterlassen hat und wie Saint-Germain meteorgleich erloschen wäre, hätte er nicht durch seine eigenen Memoiren für seinen Nachruf gesorgt, hat Cagliostro eine ganze zeitgenössische Literatur wachgerufen, in der Goethes »Großkophta«, Schillers Fragment »Der Geisterseher«, zwei Lustspiele der Katharina II., Tiecks Novelle »Die Wundersüchtigen« und ein Roman von Alexander Dumas figurieren. Der gröbste Betrüger hat es also am weitesten gebracht!
Goethes Interesse an diesem Abenteurer rührt, wie er selbstTag- und Jahreshefte, 1785. erzählt, von jener berüchtigten Halsbandgeschichte (1785) am Hofe Ludwigs XVI. her, in die Cagliostro verstrickt war und die einer der letzten Anstöße zur französischen Revolution war. Dieser Blick in den unsittlichen »Stadt-, Hof- und Staatsabgrund« erfüllte Goethe sofort mit einem ahnungsvollen Grauen. Er verfolgte den Prozeß mit gespannter Aufmerksamkeit, bemühte sich 1787 in Palermo erfolgreich um Nachrichten von Cagliostro und seiner Familie und befreite sich schließlich in seiner gewohnten Weise von dem ihn quälenden Gegenstand durch sein Drama »Der Großkophta«.
Es war indes nicht allein das äußere Ereignis, das ihn quälte, sondern auch eine innere Abrechnung: Hatte doch auch der junge Goethe sich mit Magie und Alchimie beschäftigt, so gut wie sein Doktor Faust! Der mystische Zug ging durch das ganze Zeitalter der Aufklärung, das den frommen Glauben der Väter als »gothisch« verspottete, aber in seinem metaphysischen Bedürfnis Ersatz dafür suchte und so vielfach in den gröbsten Aberglauben hinabsank. Schätze und langes Leben – zum Genuß dieser Schätze – verhießen ihm die Adepten, und sie fanden im Zwielicht der heraufdämmernden Wissenschaften nur zu leicht Anhänger. Macht, Genuß und Befriedigung seines Wissensdurstes – sie begehrt selbst Goethes »Faust«, dieser Repräsentant nicht nur Goethes, sondern des ganzen 18. und 19. Jahrhunderts.
»Haben wir nicht in den neueren Tagen gesehen«, sagt Goethe selbst an anderer Stelle,Tag- und Jahreshefte, 1805. »wie Cagliostro, große Räume eilig durchstreifend, wechselweise im Süden, Norden und Westen seine Taschenspielereien treiben und überall Anhänger finden konnte? Ist es denn zuviel gesagt, daß ein gewisser Aberglaube an dämonische Menschen niemals aufhören, ja daß zu jeder Zeit sich ein Lokal finden wird, wo das problematisch Wahre, vor dem wir in der Theorie allein Respekt haben, sich in der Ausnutzung mit der Lüge auf das Allerbequemste begatten kann!«
Zu jeder Zeit! Auch zu der unseren, die es gleichfalls bis an die Sterne weit gebracht zu haben wähnt, die den ganzen Bildungsdünkel der Aufklärung durch ihre Allwissenheit oder durch tiefbohrende Skepsis noch in Schatten zu stellen vermeint! Auch heute huldigt man dunklen Wissenschaften, die das problematisch Wahre in der Ausnutzung mit der Lüge aufs allerbequemste zu begatten verstehen. Sie haben heute nur andere Namen: Spiritismus, Mediumismus, Somnambulismus, kurz alles, was man nach den damaligen, die Welt in Erstaunen setzenden Operationen des Wiener »Magnetiseurs« Mesmer als Mesmerismus bezeichnete. Und daneben machen sich die uralten Künste der Astrologie und Wahrsagekunst wieder breit. Damals kleidete man sie alle mit Vorliebe in das religiöse oder (wie die Freimaurer) in das politische Mäntelchen; heute ist das wissenschaftliche modern.
Ein Blick auf die magischen Künste und Betrügereien eines Cagliostro dürfte also recht lehrreich sein. Er zeigt, daß die Staffage gewechselt hat, aber nicht die Menschen, und daß die Dummen nie alle werden. Geradezu verblüffend ist es, wie dieser ungebildete, grobe, jüdelnde Geselle mit seinem schlechten, von italienischen Brocken durchsetzten Französisch seine Zuhörer durch stundenlanges Gerede berauschen konnte. Seine Geschwätzigkeit allein erklärt dies nicht; er muß auch eine starke suggestive Begabung gehabt haben, um die verschiedenartigsten Menschen zu faszinieren. Wir wissen heute zwar ebensowenig vom Wesen des Hypnotismus wie von dem anderen rätselhaften Vermögen, z. B. dem der Quellenfinder. Aber wir wissen auch vom Wesen anderer Naturerscheinungen, die wir in unsere täglichen Dienste gezwungen haben, z. B. der Elektrizität, nichts. Wir glauben nur nicht mehr, daß okkulte, magische Kräfte dahinter stehen, sondern setzen voraus, daß alle Naturvorgänge natürlich sind. Somit kann man auch bei Cagliostro eine hypnotische Begabung annehmen, ohne den Vorwurf zu verdienen, daß man in seine Fußtapfen träte.
Wir lassen im folgenden Darstellungen über Cagliostro von Zeitgenossen folgen, ohne der Unmittelbarkeit ihrer Dokumente etwas hinzuzufügen. Es können natürlich nur Ausschnitte sein. Die Hauptschrift jener Zeit: »Leben und Taten des Joseph Balsamo, sogenannten Grafen Cagliostro«,Zürich 1791, die Verdeutschung des gleichzeitigen »Compendio della Vita e delle gesta di Giuseppe Balsamo, denominato il Conte Cagliostro«, Rom 1791, wahrscheinlich von einem Geistlichen Barbèri. Gleichzeitig erschien eine französische Übersetzung: »Vie de Joseph Balsamo, connu sous le nom de Comte Cagliostro«, Paris 1791. die nach seinem Prozeß vor dem römischen Inquisitionsgericht mit Erlaubnis des Papstes veröffentlicht wurde, ist wegen ihrer Weitschweifigkeit und ihres Umfanges fortgeblieben; sie hat zudem den Mangel, daß sie sich bei der Darstellung von Cagliostros Lebenslauf im wesentlichen auf dessen eigene, vielfach romanhaft ausgeschmückte und prahlerische Aussagen stützen mußte. Doch sei das Wesentliche daraus hier unter Hinzuziehung einiger neuerer Quellen wiedergegeben.
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Joseph Balsamo wurde am 2. Juni 1743 zu Palermo geboren, als Sohn eines jüdischen HändlersSo nach Goethe, nach dem er Buchhändler war. Auch die römischen Prozeßakten – siehe das Zitat daraus am Schluß dieser Einleitung – heben seine jüdelnde Sprechweise hervor. Nach der Darstellung von Pericle Maruzzi in der Einleitung zu seinem Neudruck des sogen. »Vangelo di Cagliostro« (Todi, 1914, S. 10), die sich auf neuere Forschungen beruft, soll freilich Cagliostro väterlicher- wie mütterlicherseits von »adligen und erlauchten Familien« abstammen! und einer einfachen, frommen Frau, die wir aus Goethes Darstellung näher kennen lernen.Nachtrag zum »Großkophta« (1792), später in Goethes »Italienische Reise« übergegangen. Nachdem sein Vater im Geburtsjahr des Knaben bankrott gemacht hatte und gestorben war, wurde er von einem mütterlichen Oheim aufgenommen und mit dreizehn Jahren zu den Barmherzigen Brüdern in Cartagirone gegeben. Einem Apotheker, der sich seiner annahm, verdankte er die ersten Kenntnisse in der Medizin und Chemie. Nach Ausschweifungen und schlimmen Streichen entzog er sich bald der Schulzucht und kehrte zu seinem Oheim nach Palermo zurück. Hier führte er ein ausschweifendes Leben, suchte Händel mit der Polizei und begann seine Gaukeleien als Schatzgräber und Zauberer. Sein zeichnerisches Talent benutzte er zur Fälschung von Theaterbilletts und einer Testamentsurkunde und mußte deswegen schließlich fliehen. In Messina lernte er angeblich einen Griechen Altotas kennen, der sein Lehrer in der Alchimie wurde, und mit dem er weite Reisen nach dem Orient und nach Ägypten gemacht haben will. Die Wahrheit dieser abenteuerlichen Erzählungen ist indes stark anzuzweifeln; seine Familie, die Goethe besuchte, wußte jedenfalls nichts davon. In Malta lernte er den Großmeister des Malteserordens, Pinto, kennen, der ein Freund der Alchimie war und ihm Empfehlungen an vornehme Häuser in Neapel gab. Von dort fand er Eingang in Rom, wo er sich durch seine Zeichenkunst ernährte und 1768 die schöne Lorenza Feliciani, ein Mädchen aus niederem Stande, heiratete.Ettore Mola, in Le Livre, II (1881), S. 336 ff., der auch seinen Heiratskontrakt veröffentlicht. Nach diesem erhielt die Frau eine kleine Mitgift von 150 Scudi.
Nachdem er sich mit seinen Schwiegereltern, bei denen er wohnte, verzankt hatte, fand er Spießgesellen in einem falschen Marchese Agliata, dessen angebliches Patent als preußischer Oberst er fälschte und sich selbst zulegte, um als solcher aufzutreten, und mit einem Ottavio Nicastro, der später als Mörder gehängt wurde. Mit diesem verzankte er sich und wurde von ihm als Wechselfälscher angezeigt, so daß er mit Agliata und seiner Frau die Flucht ergriff. Deren Reize hatte er bereits verschachert, und sie lebte mit Agliata wie Mann und Frau. In Bergamo trat er als preußischer Oberst auf und warb sogar Rekruten, wurde jedoch ins Gefängnis geworfen und ausgewiesen. 1771 trat er mit seiner Frau eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostella in Spanien an, die er aber nach den römischen Akten gar nicht ausgeführt zu haben scheint. Danach trieb sich das Paar vielmehr in Südfrankreich herum, wo Casanova es in Aix kennen lernte.Memoiren XI, 6. Jetzt erst wandte sich Cagliostro nach Spanien, verkuppelte seine Frau in Barcelona, Madrid und Lissabon, mußte aber überall das Weite suchen und ging 1772 nach London.
Hier beging er im Einverständnis mit seiner Frau Erpressungen an einem Quäker, der sich in ihre Reize vernarrt hatte, verführte die Tochter eines Wohltäters, der ihn aus der Schuldhaft befreit hatte, und wurde von ihm aus dem Hause geworfen. 1773 wandte er sich nach Paris, verkuppelte seine Frau an einen wohlhabenden Mann namens Duplessis, wurde aber in seinen Forderungen an diesen so frech, daß der Liebhaber ihn fortjagte und die Frau zu sich nahm. Nun wandte Cagliostro sich an die Behörden, ließ seine Frau einsperren und lebte vom Verkauf eines Schönheitsmittels und von alchimistischen Künsten, die er Leichtgläubigen aufschwatzte. Nachdem seine Frau durch die Haft mürbe geworden war, verließ er Paris mit ihr unter Hinterlassung von Schulden für sein verschwenderisches Leben. Er floh nach Brüssel und kehrte über Deutschland nach Palermo zurück, wo ihm wegen seiner Testamentsfälschung der Prozeß gemacht wurde.
Ein großer Herr befreite ihn aus der Haft und vor den Galeeren, aber er mußte seine Heimat sofort verlassen. Er hielt sich drei Monate wieder in Malta auf und ging dann abermals nach Neapel, wo er von seinen alchimistischen Praktiken lebte. Dann reiste er mit seiner Frau und seinem Schwager, den er gut verheiraten wollte, nach Marseille, wo er neue Opfer fand, und von da nach Spanien, meist als preußischer Offizier und unter dem Namen Don Tiscio. Nachdem er in Cadix ein neues Opfer ausgebeutet hatte, trennte er sich von seinem Schwager und ging zu Schiff nach London.
Bei diesem zweiten Aufenthalt (1776–77) gelang es ihm, in die Freimaurerlogen zu kommen und sich großen Anhang zu schaffen. Jetzt legte er sich den Namen Graf Cagliostro zu, trat als Wunderdoktor und Goldmacher auf, gewann einen Prozeß, den eins seiner Opfer gegen ihn angestrengt hatte, und lebte auf großem Fuße, mit Kurieren, Läufern, Kammerdienern und Domestiken in prächtigen Uniformen. Dabei spielte er den Großmütigen gegen Arme, die er umsonst kurierte, und nahm selbst keinerlei Geschenke an. Dies besorgte seine Frau, indem sie den Gebern tiefste Verschwiegenheit gegenüber ihrem uneigennützigen Gatten gebot. Schließlich aber wurde ihm der Boden zu heiß, und er ging nach dem Haag, wo er wieder zahlreiche Anhänger in Freimaurerkreisen fand. Er schloß keine Religion von der Aufnahme in seinen Bund aus, weder Juden, Kalvinisten, Lutheraner noch Katholiken, wenn sie nur Freimaurer waren.Zur Ehre der Freimaurer sei jedoch gesagt, daß auch starke Bedenken gegen ihn laut wurden.
Wegen einer Schwindelei mit Lotterienummern floh er nach Brüssel und tauchte dann in Venedig als Graf Pellegrini auf, beschwindelte einen Kaufmann mit alchimistischen Versprechungen und floh (1779) nach Mitau. Über seinen dortigen Aufenthalt sind wir durch die von uns abgedruckte Veröffentlichung der Elisa v. d. Recke hinreichend informiert.Auch durch den Aufsatz »Cagliostro in Mitau« vom preußischen Oberbergrat J. J. Ferber in der »Berlinischen Monatsschrift«, 1790, XVI, S. 302 ff., der die Schrift der Frau v. d. Recke teils ergänzt. Diese Zeitschrift der Aufklärung befehdete ihn überhaupt dauernd. Vgl. den Jahrgang 1778, S. 449 ff. Um so weniger ist man über seinen Aufenthalt in Petersburg unterrichtet. Sein dortiger Einfluß in den besten Kreisen muß jedoch sehr groß gewesen sein, denn die Zarin Katharina wußte ihn nicht anders zu brechen, als indem sie ihn durch zwei selbstverfaßte Lustspiele lächerlich machte. In Warschau blitzte er 1780 ab.Die Verdeutschung der Schrift »Cagliostro in Warschau« (Straßburg 1786), die wir gleichfalls abdrucken, stammt von dem Weimarischen Legationsrat und Redakteur Friedrich Johann Justin Bertuch (1747–1822). Dagegen fand er in Frankfurt am Main und in Straßburg begeisterte Anhänger. Nach seiner Behauptung verfolgte ihn aber die dortige medizinische Fakultät wegen seiner Wunderkuren, dagegen wandte sich der Kardinal von Rohan eben deswegen an ihn und ließ sich auch durch seine kabbalistischen Künste umgarnen. In dessen Begleitung reiste er nach Paris.
Nachdem er sich abermals über Straßburg nach Neapel begeben hatte, wo er nur drei Monate blieb, sehen wir ihn von 1783 ab wieder in Frankreich. In Bordeaux fand er 1783 starken Anhang in Freimaurerkreisen; in Lyon gründete er 1784 eine ägyptische Mutterloge. Sein Ruf eilte ihm voraus, als er 1785 nach Paris ging, wo man einen wahren Kult mit ihm trieb. Es wurde Mode, seine häßliche Larve auf Fächern und Ringen abgebildet zu tragen und Büsten von dem divo Cagliostro aufzustellen. Ein hoher Würdenträger wie der Kardinal Rohan verkehrte bei ihm und unterstützte ihn reichlich. Als dessen Bekannter kam er in Verdacht, an dem betrügerischen Verkauf des berühmten Diamantenhalsbandes beteiligt zu sein, und so ward er 1785 nebst Rohan in die Bastille eingekerkert, aber 1786 gleich diesem entlassen, da beiden nichts nachzuweisen war; wahrscheinlich waren beide unschuldig.Emile Compardon, »Marie Antoinette et l'affaire du Collier«, Paris 1863. Seine Anhänger begingen seine Freilassung durch Illuminationen und Freudenfeiern. Doch am nächsten Tage wurde er aus Frankreich ausgewiesen. Zahlreiche Personen geleiteten ihn bis Boulogne sur Mer; nach seinen Behauptungen sollen 5000 Menschen seiner Einschiffung beigewohnt und den Scheidenden kniend um seinen Segen gebeten haben!
Er ging nach London und schleuderte ein paar wilde Pamphlete gegen seine Verfolger und an die französische Nation, prophezeite die baldige Revolution und die Zerstörung seines Kerkers, der Bastille. Aber in London begann sein Glücksstern rasch zu verbleichen. Der Herausgeber des Courrier de l'Europe, Morand, griff ihn öffentlich als Betrüger an. Er mußte fliehen und ging über Basel, Biel,Berlinische Monatsschrift 1789, S. 449 ff. Aix in Savoyen nach Turin, wo ihn sofort ein Ausweisungsbefehl traf, ebenso in Roveredo und bald auch in Trient. Damals erschien eine ihn entlarvende lateinische Schrift: »Liber Memorialis de Caleostro«, auch das »Evangelium Cagliostros« genannt.Mori 1789. Verfasser war ein Geistlicher, Clementino Vannetti, der ein Tagebuch über Cagliostro in Roveredo geführt hatte, das er in Briefform veröffentlichte. Neudruck mit ausführlicher, leider von Druckfehlern wimmelnder Bibliographie von Pericle Maruzzi, Todi 1914 (s. S. 6, Anm. 2). Im Mai 1789 erschien er in Rom, wo er sehr vorsichtig auftrat und wo es mit seiner Herrlichkeit rasch bergab ging. Aus bitterem Mangel nahm er seine maurerische und kabbalistische Tätigkeit wieder auf, aber mit größter Vorsicht, denn er fürchtete mit gutem Grunde die Inquisition. In einem kleinen vornehmen Kreise, zu dem auch der französische Botschafter, der aus Casanovas Memoiren bekannte Kardinal de Bernis und dessen Freundin, die Marchesa von Santa Croce gehörte, trat er in der Villa Malta auf, vollbrachte dort einige »Wunder« und prophezeite den baldigen Sturz der französischen Monarchie, was freilich nicht schwer war, denn die Generalstände waren bereits einberufen. Da er an diese eine Petition um Rückkehr nach Frankreich richtete und auch sonst mit seiner revolutionären Gesinnung prahlte, erschrak man im Vatikan, und am 27. Dezember wurde er nebst seiner Frau von der Inquisition verhaftet und in der Engelsburg eingekerkert, nachdem seine schwer belastenden, später teils veröffentlichten Papiere beschlagnahmt worden waren. Umsonst suchte er sich nun zu retten, indem er den reuigen Sünder spielte; nach langen Verhören verurteilte die Inquisition ihn 1791 zum Tode. Pius VI. verwandelte das Urteil indes in lebenslängliche Kerkerhaft im Fort San Leo bei Urbino, und seine Frau wurde in ein Strafkloster gesteckt. Im Kerker soll Cagliostro Qualen erduldet und gestöhnt haben, daß man es auf der Straße hören konnte, bis der Tod seinen Leiden am 28. August 1795 ein Ende machte. Man behauptet, er sei erdrosselt worden. Als die französischen Revolutionsheere ihn im nächsten Frühjahr befreien wollten, war er schon tot. Er war 52 Jahre alt geworden.
Die römischen Prozeßakten schildern ihn als »klein von Statur, von brauner Gesichtsfarbe; er sprach einen sizilianischen Dialekt, beinahe wie ein Hebräer, war ohne jede Eleganz, Kenntnisse und Wissenschaften«.
Ein bekanntes Bild Cagliostros von Charles Guerin ist 1781 in Straßburg entstanden. Die prahlerische Unterschrift lautet auf deutsch etwa:
»Ein Menschenfreund zeigt sich in diesem Bild;
Mit Wohltun ist sein Tagewerk erfüllt.
Er macht das Leben lang und stillt der Armen Pein:
Die Lust am Wohltun ist sein Lohn allein.«
Die wenigen Anmerkungen, die ich im Text gemacht habe, sind »v. O. B.« gezeichnet.
Friedrich von Oppeln-Bronikowski