Friedrich von Oppeln-Bronikowski
Der Schwarzkünstler Cagliostro
Friedrich von Oppeln-Bronikowski

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Nachschrift.

Ein Freund, der diese Epistel bei mir las, riet mir, den Eingang wegzulassen und mit der Zeile anzufangen: Könnt' ich nur noch ein einzigmal usw. Er hielt es besser für mich, die Mystiker, Schwärmer und Geisterseher, welche jetzt ihre Herrschaft so weit ausgebreitet haben, ganz zu übergehen. Aber, so leicht ich sonst aus meinen poetischen Versuchen etwas wegstreiche, so wenig konnte ich mich diesmal dazu entschließen. Ich sehe es wohl ein, wie bedenklich es ist, sich auf eine Materie einzulassen, die nur wenig Leute in ihrem rechten Lichte sehen können, und welche durch mancherlei Umstände so oft noch mehr verdunkelt wird. Allein, die Gefahr der überhandnehmenden Schwärmerei, des Geistersehens und aller geheimen Künste macht, daß ich mich über alle Rücksichten wegsetze. – Ich bin, mit den besten Absichten von der Welt, noch vor wenig Jahren in Gefahr gewesen, in Schwärmerei und finsteren Aberglauben zu geraten. Da ich selbst am Rande des Abgrundes gestanden, so kann ich so viele gute Menschen, welche durch mißverstandene religiöse Begriffe sich irreführen lassen, mit wahrer Überzeugung warnen; und ich halte es für meine Pflicht, es zu tun. Ich ergreife diese Gelegenheit dazu. Ich will allenfalls gern ertragen, daß ich unrichtig beurteilt werde, wenn ich durch dies mein freies Bekenntnis, welches ich der Wahrheit hier bringe, auch nur eine Seele von den gefährlichsten Irrtümern, die ich kenne, retten kann.

Der aus gewissen neueren mystischen Schriften geschöpfte Glaube, daß die Wunderkraft der Apostel noch fortdauere, und der Wunsch, für das Wohl vieler Tausender tätig zu sein, – entflammten einst meinen jugendlichen Geist und ließen mich nach überirdischen Kräften streben. In dieser Seelenstimmung starb mein liebster Bruder, ein zwanzigjähriger Jüngling, der durch Kopf und Herz die Freude der besten Menschen, die ihn kannten, war, und den ich mit der innigsten Schwesterliebe ganz unaussprechlich liebte. Sein Tod vermehrte meinen Hang zur Mystik. Manche Nacht verbracht' ich in stillen Gebeten auf Kirchhöfen und hoffte des Glückes gewürdigt zu werden, Umgang mit Verstorbenen und höheren Geistern zu genießen. Ich verlor bei diesem Streben meine Gesundheit; nur die Aussicht jenseit des Grabes lächelte mich an, wie sie mich, Dank sei es Gott, bei meinem jetzigen Glauben an Vernunft noch anlächelt. Aber ich halte nun für Menschen, solange die unsterbliche Seele in ihrer sterblichen Hülle wohnt, den Umgang mit höheren Geistern unmöglich. – Wenige Monate nach meines Bruders Tode kam der jetzt so berüchtigt gewordene Cagliostro nach Mitau. Er wußte sich auf mehrere Personen Einfluß zu verschaffen; und er schien mir in meiner damaligen Seelenlage ein Mann Gottes, durch den ich mich über dieser Endlichkeit Schranken hinaufschwingen würde. Er begünstigte diesen meinen Glauben. Ich lernte ihn und seine Absichten dadurch näher kennen, und auf diese Art ward er das Werkzeug, durch welches die Vorsehung mich tiefer in die Pläne und Betrügereien heutiger Mystiker und Propheten hineinschauen ließ, so daß ich nun aus eigener Erfahrung davor warnen kann.

Ich schweige hier und würde über dieses Geheimnis der Bosheit noch länger geschwiegen haben, wenn ich nicht in der Hamburger Zeitung einen Artikel gelesen hätte, woraus ich sehe, daß Cagliostro in seiner Verteidigungsschrift sich auf seinen hiesigen Aufenthalt und auf unser Zeugnis berufen hat. Ich befürchtete nun, ich möchte durch längeres Stillschweigen mir den Vorwurf zuziehen, Aberglauben und Betrügerei gefördert zu haben. Denn wahrscheinlich würde Cagliostro, wenn keiner der Betrogenen laut spricht, wieder auf der Bahn der Welt auftreten und ferner fortfahren, Aberglauben und Betrügerei zu fördern. – Ob er an der bekannten Halsbandgeschichte unschuldig ist oder nicht, lasse ich dahingestellt. Aber ich kann mit der vollkommensten Überzeugung versichern: daß schon sein hiesiger Aufenthalt, und auch sein Aufenthalt in Warschau, genugsam zu erkennen geben, welch ein schlauer Betrüger er ist; ein Betrüger, der weitaussehende Pläne hat, welche durchzusetzen er Welt- und Menschenkenntnis genug besitzt, und sie dazu auf die unwürdigste Art mißbraucht.

        Mitau,
den 22. März 1786.

C. E. K. v. d. Recke,
geb. Gräfin v. Medem.

 


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