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Um das Publikum durch die Vorlesungen, die unser Wundermann gehalten, nicht zum Überdruß zu bringen, teile ich keine derselben weiter mit. Aber noch liegen einige Denkmäler meines damaligen Glaubens an Cagliostro in meinem Pulte.
Die letzte Zeit, die er bei uns in Mitau lebte, ward ich mißtrauisch gegen ihn, hielt ihn für einen zur schwarzen Magie Hinüberwankenden, und einige unserer Gläubigen fingen an, die nämliche Besorgnis zu hegen. Oft flehte ich in andächtigen Gebeten zu Gott, daß unser Held den Versuchungen der bösen Geister widerstehen und zum Grade der Vierundzwanziger gelangen möchte, ohne sich der Nekromantie zu ergeben.
Er hielt in Mitau für den engeren Kreis der Eingeweihten magische Vorlesungen. Ich hatte auch die Erlaubnis, diesen beizuwohnen, aber nicht die, sie nachzuschreiben. Eine dieser Vorlesungen entfernte zuerst mein Vertrauen von Cagliostro. Er trug über das sechste Kapitel des ersten Buchs Moses, zweiten und vierten Vers, einige Lehren der Dämonologie vor, die meine moralische Empfindung empörten; und ich sagte meinem Vater, daß ich diesen Vorlesungen nicht mehr beiwohnen wollte, weil ich meine Zeit besser anwenden könnte, als solche Lehren anzuhören.Cagliostro sprach von der Liebe, welche zwischen den Kindern des Himmels und der Erde geherrscht haben soll, und gab uns zu verstehen, daß nicht nur Christus, sondern er selbst solch einer Vereinigung sein Dasein zu verdanken habe. Die Halbgötter, von welchen die Griechen in ihrer Götterlehre sprechen, wären, wie er sagte, nichts als Früchte einer ähnlichen Liebe.
Durch diesen Vortrag verlor Cagliostro ganz mein Vertrauen, und ich glaubte nun, daß die bösen Geister über ihn schon gesiegt hätten. Mein guter Vater aber bat mich so inständig, ja nicht wegzubleiben, daß ich es ihm versprach, das nächste Mal wiederzukommen. Bald darauf hielt Cagliostro wieder eine andere Vorlesung. In dieser gab er Vorschriften, wie ein Frauenzimmer, das nicht lieben wollte, durch magische Mittel sogar zur physischen Liebe zu bringen sei. – Er wurde von allen seinen Schülern wegen dieses Vortrages zur Rede gestellt, wand sich aber mit einer List heraus, denn er bezeugte seine Freude über die Grundsätze seiner Jünger, die er habe prüfen müssen. Ich war über diese Vorlesung teils betrübt, teils indigniert und beschloß nun fest, diesen Alfanzereien nicht mehr beizuwohnen und die Reise nach Petersburg, wegen welcher man immer noch in mich gedrungen hatte, nun geradezu abzuschlagen. Des anderen Tages blieb ich den ganzen Tag zu Hause und gab mich krank an. Der alte würdige Herr †† wurde zu mir abgeschickt, mich zu unserer Gesellschaft zu berufen; ich schützte aber Krankheit vor. Nun ward zur zweiten Gesandtschaft an mich Herr Hinz und Herr N. N. gewählt. Diesen sagt' ich, daß ich nicht krank sei, daß ich aber ferner nicht mehr die Schülerin eines Lehrers sein wolle, der mir schon der Gemeinschaft mit bösen Geistern ziemlich nahe zu sein schien. Beide waren über mein Mißtrauen gegen Cagliostro froh und glaubten vermutlich, ich würde nun von meinen Träumereien zurückkommen. Aber noch war es nicht so weit; denn nur gegen Cagliostro, nicht gegen die Kraft und Göttlichkeit der Magie war ich damals mißtrauisch. In dieser letzten Zeit war Hofrat Schwander so krank, daß er unseren Versammlungen nicht beiwohnen konnte, doch hatte er über alles, was sich zutrug, Nachricht. Ihm war dieser Vorfall äußerst willkommen, weil er ihn als eine Seelenarzenei für mich ansah. Doch auch er bat mich, mich nicht von der Gesellschaft zu trennen; sonst würde Cagliostro meinen Starrsinn als die Ursache angeben, daß nun, weil ich abgewichen wäre, der magische Schatz nicht gehoben werden und alle die Verheißungen, die er unserm Kreise gemacht, durch meine Widerspenstigkeit nicht in Erfüllung gesetzt werden könnten. Dadurch würd' ich mir unter unsern Eingeweihten und vielleicht in meiner eigenen Familie Feinde zuziehen,Ähnlichen Rücksichten ist es oft zuzuschreiben, daß auch sehr vernünftige Leute, welche einen gespielten Betrug einsehen, denselben sich nicht zu entdecken trauen. Daher werden so viele Betrüger und Scharlatans nicht entlarvt. Sie können daher, zum großen Schaden der Vernunft, immer fortfahren zu wirken und die Absichten ihrer Oberen und ihre eigenen durchzusetzen. auch es verhindern, daß Cagliostro entlarvt und mit der Zeit als ein Betrüger dargestellt würde, der Dinge vorgespiegelt und versprochen habe, die er nie erfüllen könne. Auf Schwanders Verlangen und durch die Vorstellungen meines Vaters bewogen, wohnte ich der nächsten Vorlesung unseres Wundermannes bei. In dieser trug er aufs neue große und hohe magische bildliche Lehren vor, die meine Einbildungskraft erhitzten, in meiner Seele allerlei Systeme über Magie erweckten und mich aufs neue in dem Vorsatz stärkten, nach überirdischen Kräften zu streben. – Cagliostro, welcher als ein verschmitzter Mensch wohl einsah, daß er unvorsichtig gehandelt hätte, und daß es zu seinen Absichten nötig wäre, mich wieder zurückzubringen und Zutrauen zu ihm bei mir zu erwecken, suchte sich nun über diese Mißhelligkeit mit mir zu erklären, sagte mir allerlei, was ihm, seinem Vorgeben nach, Hanachiel alles von mir und meinen Gedanken über ihn eröffnet habe. Ich erstaunte aufs neue über seine Kraft, in der Menschenseele zu lesen. Er verbot mir sehr schlau, mit irgend jemand über diese Unterredung zu sprechen. Ich beschwor ihn um des Heils seiner Seele willen, ja wachsam auf sich zu sein und sich der Nekromantie nicht zu nähern, sagte ihm zugleich ernsthaft und sehr determiniert: daß ich ihm und seiner Gattin nicht nach Petersburg folgen könnte, weil er mir es doch eben erst gesagt habe, daß er nun von bösen Geistern versucht würde und vom guten Prinzipium abfallen könne. Ich wolle mich also nicht in die Gefahr begeben, in einem fremden Lande im beständigen Umgange eines Magikers zu leben, der von den Dämonen überwunden werden könnte. Doch verspräche ich, daß, sobald es bestimmt sei, daß Catharina in ihren Landen die Beschützerin der Loge d'Adoption werden und sich zur Magie einweihen lassen wolle, und wenn ich von dieser erhabenen Monarchin berufen würde, um dort die Stifterin dieser Loge zu werden, daß ich alsdann, in Begleitung meines Vaters, unseres Vorgesetzten, und noch eines Bruders und einer Schwester die Reise machen wollte. Cagliostro wendete alle seine Beredsamkeit an, mich zur Reise mit ihm zu bewegen. Am Ende schien er, weil er sah, daß mein Vorsatz, nicht mit ihm zu reisen, unwiderruflich war, mit meiner Erklärung zufrieden zu sein. Er gab mir als Lockspeise, um meine Einbildungskraft noch mehr zu erhitzen, über das Dreieck und den Zirkel, wie er sagte, einen wichtigen Aufschluß; aber er sprach mir da so mystische Sachen vor, daß ich mich nicht herausfinden konnte. Da ich nun nicht die Erlaubnis hatte, dies alles nachzuschreiben (und ich seine Vorschriften, sobald ich sie nicht unbillig und meinen moralischen Prinzipien zuwider fand, gewissenhaft befolgte), so verwirrten sich meine Ideen über diese Sache so, daß ich den Faden verlor und am Ende nichts mehr wußte, als daß Cagliostro ein Dreieck und in selbigem die Figur eines Zirkels hineingezeichnet haben wollte, und daß er mir darüber viel Unverständliches gesagt hatte, welches ich aber für tiefe Weisheit hielt, die mir in der Zukunft noch erst verständlich werden würde. Soviel ich mich indessen noch entsinne, will ich hier aufzeichnen.
Folgendergestalt sah das magische Wahrzeichen aus, welches Cagliostro mir vorzeichnete, und über welches er mit großer Emphase sprach:
Vielleicht können andere, die auch durch Geisterseherei hingehalten werden, wie ich hingehalten wurde, den Schlüssel zu diesen verschlossenen geheimen Anspielungen oder Absurditäten geben und ergänzen, was ich nur zerstückt liefere. Auch sagte mir Cagliostro viel Unverständliches über das Geheimnisvolle und Heilige der Zahlen in diesem Dreiecke und Zirkel nach verschiedenen Richtungen. Die Bruchstücke, die ich hier aufsetzen will, sind von ungefähr noch so in meinem Gedächtnisse zurückgeblieben. Das Dreieck und der Zirkel, die drei Vorsteher unseres Erdballs und die sieben Hauptgeister machen zwölf aus und haben eine geheime Beziehung sowohl auf die zwölf Apostel als auf die zwölf Oberen der wahren mystischen Freimaurerei.
Wenn man das Dreieck und den Zirkel in dieser Figur mit folgenden Zahlen darstelle:
dann habe man eine Anspielung auf die zweiundsiebzig, weil man die im Zirkel und Dreiecke hingeschriebene Zahl sieben zuerst festsetze, dabei an unsere sieben Planeten denke, welche dereinst Wirkungskreise für die zweiundsiebzig werden, wenn sie zur Zahl zwölf gelangt, und aus dieser zu höheren Regionen hinaufgehoben würden. Zirkel und Dreieck müßte man zur Zahl sieben als Zahl zwei nebenan setzen, dann habe man die Zahl zweiundsiebzig. Aber zähle man zur Zahl sieben noch Zirkel und Dreieck als zwei hinzu, dann würde aus zwei und sieben die geheimnisvolle Zahl dreimal drei, deren Kraft und Aufschluß nur den zwölf Untergeordneten des Elias ganz verständlich sei und die tiefste Weisheit enthalte. Soviel erinnere ich mich noch deutlich hiervon; das, was mir nicht mehr ganz genau im Sinne ist, übergehe ich.
Wenige Tage nach dieser Geschichte kündigte Cagliostro uns an, daß er von seinen Oberen den Befehl erhalten habe, unverzüglich nach Petersburg zu reisen, und daß er uns wahrscheinlich von dort aus den senden würde, der den Schatz in Wilzen heben sollte; vielleicht könne dies auch bei seiner Rückkunft seine eigene Arbeit werden. Wir sollten nur treu im Guten verharren und nach höheren Kräften streben.
Kurz vor seiner Abreise aus Mitau entzweite Cagliostro sich mit seinem Diener, suchte Händel mit ihm und jagte ihn mit Schlägen aus dem Hause und aus seinen Diensten; dabei verbot er uns allen, dieses Menschen uns auf irgendeine Art anzunehmen. Dies Gebot von Cagliostro blieb natürlich unerfüllt, und die unedle Art, sich gegen seinen Untergeordneten zu betragen, setzte den Cagliostro tief in meiner Seele herunter. Ich fürchtete, daß dies schon Äußerungen der Gewalt wären, welche die bösen Geister über ihn zu gewinnen anfingen; und dies befestigte mich noch mehr in meinem schon festgefaßten Vorsatz, mit ihm und seiner Frau nicht nach Petersburg zu reisen. Eben dieser von Cagliostro mißhandelte Diener (den er wahrscheinlich auf seinen weiteren Abenteuern, weil er von ihm zu sehr gekannt war, nicht als Zeuge um sich haben wollte) sagte uns nachher: »Cagliostro habe in Venedig einen Bankier um mehr als 2000 Zechinen durch die Hoffnung betrogen, daß er Quecksilber in Silber verwandeln wolle, und sei mit dieser Summe Geldes in der Stille davongegangen, nachdem er seinen Namen, den er in Venedig geführt, abgelegt und den Namen und Titel eines Grafen von Cagliostro angenommen habe.«
Freilich erfuhren wir diese Geschichte erst nach mehr als einem Jahre und legten damals dem Diener selbst Verschwiegenheit über diese Sache auf, weil wir uns teils schämten, von solch einem Menschen angeführt zu sein, teils auch diese Geschichte für eine Erfindung des Dieners hielten. Dieser ist seit einigen Jahren nicht mehr in Kurland, daher ich außerstande bin, den Namen anzugeben, den Cagliostro in Venedig geführt haben soll.
Noch muß ich, ehe ich den weiteren Fortgang von Cagliostros Geschichte bekannt mache, einen Vorfall anführen, der wider ihn zeugt. Bald nachdem Cagliostro den Betrug mit der Zitation des Herrn v. N. N. gespielt und die Stunde der Unpäßlichkeit desselben bestimmt hatte, machte er und seine Frau einer unserer verehrungswürdigsten und angesehensten DamenDie Frau Starostin v. Korff, geb. von der Wahlen, meine noch lebende geliebte Großmutter. seinen zweiten Besuch und wurde von dieser würdigen Dame, deren Haus sonst jedem angesehenen Fremden offen ist, weil sie Cagliostro für einen Scharlatan hielt, kalt aufgenommen und sozusagen ihres Hauses verwiesen. In voller Wut kam Cagliostro nun zu meinem Vaterbruder und führte über diese Beleidigung die bittersten Klagen. Bald darauf sagte er mit einer Art von begeistertem Zorn: »Kommendes Jahr den 13. Mai wird diese Frau ihre Beleidigung gegen mich büßen. Ehe sie ihre Mittagssuppe ißt, wird sie des Todes sein.« Wir alle erschraken, weil wir diese würdige Dame liebten, und wir suchten Cagliostros Zorn, da wir ihn gewissermaßen für allmächtig hielten, zu mäßigen. Er zog auch bald andere Saiten auf und sagte, daß er, als der zum Wohl der Menschheit Gesandte Gottes, die ihn so beleidigt hätte, bloß deshalb besucht habe, um ihr wohlzutun, und sein Zorn sei daher rege geworden, weil er durch sie in seiner guten Absicht für sie gehindert sei. Er würde vielleicht ihre Todesstunde weiter hinaus haben setzen können, nun aber sei ihr Schicksal unvermeidlich, 1780 den 13. Mai müsse sie sterben. – Cagliostro bekam diese Dame nach diesem Vorfall nicht mehr zu sehen; und noch bis auf diese Stunde lebt diese verehrungswürdige Frau, zur Freude ihrer Angehörigen und ihrer Freunde.
Der Tag zu Cagliostros Abreise erschien. Er zeigte Schmerz über die Trennung von seinen Schülern und verhieß jedem von uns, ihn in einen Wirkungskreis zu setzen, durch welchen seine Fähigkeiten zum Wohle der Welt ausgebildet werden sollten. Auch Schätze dieser Erde, Gesundheit und langes Leben, wurde einigen versprochen. Uns alle forderte er abermals in einer feierlichen Rede auf, für ihn zum Schöpfer aller Dinge in andächtigen Gebeten zu flehn, auf daß er sein angefangenes Werk gut vollenden und zu immer höherer Vollkommenheit steigen möge.
In der ersten Zeit, nachdem Cagliostro seine Rolle bei uns ausgespielt hatte, waren die meisten von uns noch gar sehr seine Anhänger; obwohl wir zwar oft, zufolge dem schimärischen Systeme, das Cagliostro uns so tief eingeprägt hatte, die Furcht hegten, daß er ein schwarzer Magiker sei. Andere aber hielten ihn für einen intriganten Betrüger; doch fanden die meisten die Experimente mit dem Kinde unerklärlich. Auch wollten die meisten noch desfalls keine schlechte Meinung von Cagliostro fassen, weil keine Geldschneiderei vorgefallen war. Aber Se. Exzellenz der Herr Oberburggraf von der Howen, dem ich diese Blätter als unserm ehemaligen Vorgesetzten vor dem Drucke zur Durchsicht gab, sagt mir nun: daß Cagliostro durch ein gutes savoir faire von ihm 800 Dukaten und einen sehr schönen brillantnen Ring erhalten habe; auch glaubt er, daß ihm noch von einem anderen Freunde eine ansehnliche Summe Geldes gegeben sei. Bis jetzt ward dies verschwiegen; denn wer gesteht gern, daß er von einem Betrüger hintergangen worden sei! Nun aber hat der Herr von der Howen aus Liebe zur Wahrheit mir die Erlaubnis zugestanden, auch dies, zur richtigen Beurteilung der Cagliostroschen Betrügereien, öffentlich bekannt zu machen. Man kann hieraus ungefähr beurteilen, was von dem Vorgeben zu halten sei, daß Cagliostro in Straßburg und anderen Orten sich uneigennützig bezeugt habe.
Befremdend war es den Gläubigen unseres Kreises gar nicht, als wir in den Zeitungen lasen, der spanische Gesandte in Petersburg habe dagegen protestiert, daß Cagliostro ein Spanier sei; denn weislich hatte unser Held uns auf diesen Zufall vorbereitet (s. S. 91) und sich auch in Petersburg recht gut herausgewickelt. Von dort aus liefen hier einige Briefe ein, die uns sagten, daß Cagliostro durch seine magischen Experimente daselbst großes Aufsehen mache; und einigemal schrieb er noch aus Petersburg an uns. Der Inhalt seiner Briefe war meistenteils: daß die Stunde noch nicht erschienen sei, da er seine Kraft, so wie er wünschte, zu unserm Wohle anwenden könne. Einen dieser Briefe an mich füge ich hier zur Probe und Beurteilung bei.
»Cara Figlia e Sorella!Es ist auch seine schlechte Orthographie beibehalten.«
»In questa potrete imaginarvi, se ho della stima per Voi, mai ho scritto a donne, e per questo è il primo vincolo che rompo in voi perche vi stimo, e il futuro sarà che vi dara prove del mi ooperare. Ed intanto cara, non vi dimenticate i mie consigli e l'amore fraternale. Il silenzio è quello che vi indurrà alla vera strata dei Sabbini, e vi fàra unire alla gloria celeste, e sarete sodisfarta dai trovagli che farto avete.
Sicche sappiate, cara Sorella, che io sono il medesimo sempre per voi, e avrò tutta la cura possibile per farvi contenta; ma il silenzzio ritorno arreplicarvi.
Ed intanto v'incarico imbasciatrice per tutta la logia dei F.·.e S.·., acciò l'abbracciate per me, e specialmente il vostro Caro Padre e Madre e Sorella, alli quale farete tutto quello che il vostro cuore vi dirà, e direte che spero in breve tempo di abbracciarli di presenzza. Ma nel tempo istesso v'incarico di pregare al Grande Iddio per me, perche mi ritrovo circondato di nemici, e pieno di amarezzi, in unione di mia moglie vostra cara sorella; ma bisognia sofrire con pasienzza, e battere l'ingnioranzza profanesca.
Per adesso non posso dirvi di pìv ma fra poco vi dirò di pìv. E con questo finisco con darvi i saluti di mia moglie, come il consimile osserva con tutti j F.·.e S.·. E per non pìv dilungarmi, mi resto con abbracciarvi di quore, come osservo con tutti j F.·.e S.·., e non vi dimentichiate di me ut Deus.«
Vostro per sempre che
vi ama die quore
1255
Cagliostro unterschrieb gewöhnlich nicht seinen Namen, sondern machte nur dies Z (mit einem perpendikulären Striche am Querstriche) und die folgende Zahl 1255 dreimal unterstrichen.
Auch wenn er seinen Namen unterschrieb, setzte er diese Zeichen hinzu. Man glaubt, weil diese zusammensummierte Zahlen 13 ausmachen, so möchten sie vielleicht N. oder Noster, ein Beiwort der Jesuiten andeuten sollen. Das Z soll auch in einer gewissen geheimen Gesellschaft gebraucht werden.
»Liebe Tochter und Schwester!
Hieran können Sie sehen, ob ich Achtung für Sie habe; denn noch niemals habe ich an Frauenzimmer geschrieben.Cagliostro gab vor, daß er das weibliche Geschlecht verachte. (S. oben S. 28, Anm. 1.) Dies ist das erste Band, das ich Ihretwegen breche, weil ich Sie hochschätze; das zweite wird sein, das Ihnen Proben von meinen Operationen geben wird. Indes, meine Teure, vergessen Sie nicht meinen Rat und brüderliche Liebe. Das Stillschweigen ist es, was Sie auf den wahren Weg der Sabbinen bringen und Sie mit dem himmlischen Glanze vereinigen wird, so daß Sie mit aller Mühe sehr wohl zufrieden sein werden. Sie werden auf diese Art erfahren, liebe Schwester, daß ich stets derselbe für Sie bin und alles mögliche anwenden werde, um Sie zu befriedigen; aber das Stillschweigen muß ich Ihnen noch einmal empfehlen.
Inzwischen gebe ich Ihnen den Auftrag an die ganze Loge der Brüder und Schwestern, sie in meinem Namen zu umarmen, und vorzüglich Ihren lieben Vater und Mutter und Schwester, gegen welche Sie alles das, was Ihnen Ihr Herz eingibt, tun werden; sagen Sie ihnen, daß ich in kurzem hoffe, sie persönlich zu umarmen. Zugleich trage ich Ihnen auf, den großen GottGrande Iddio. Es wird im Italienischen das I. eigentlich nur vorgesetzt, wenn ein Konsonant vorhergeht. Man glaubt, daß Cagliostro mit den Anfangsbuchstaben G. I. Finesse suchte. für mich zu bitten, weil ich mich mit Feinden umgeben und voll Trübsalen finde, nebst meiner Frau, Ihrer lieben Schwester. Aber man muß in Geduld aushalten und die profane Unsicherheit besiegen.
Jetzt kann ich Ihnen nicht mehr sagen, aber in kurzem werde ich es tun. Ich schließe mit Vermeldung des Grußes meiner Frau, wie sie auch alle Brüder und Schwestern grüßt. Um nicht weitläufiger zu werden, höre ich hier auf und umarme Sie herzlich, wie ich auch gegen alle Brüder und Schwestern tue. Vergessen Sie meiner nicht, ut DeusDiese zwei lateinischen Worte sollen vermutlich die abgekürzte biblische Redensart bedeuten: »Damit Gott sie wiederum nicht vergesse.«.«
Vostro per sempre che
vi ama die quore
1255
Der sel. Schwander, der durch die Geschichte mit Cagliostro nun erst meinen wahren Hang zur Mystik ganz kennen gelernt hatte, suchte mit weiser Vorsicht meiner Seele allmählich eine andre Richtung zu geben. Aber die Arbeit ward ihm schwerer als Nathan dem Weisen Rechas Belehrung.
Oft, wenn Schwander mit hinreißender Beredsamkeit und wahrer Weisheit der Wirklichkeit der Magie widersprach, alle Cagliostrosche Stücke für Taschenspielereien wie Comus und Philadelphias Künste erklärte, sagte ich ihm aus meinem zusammengewebten Spinnengewebe magischer Systeme so viele Gegengründe, daß es diesem weisen Mann klar wurde: auf diesem Wege könne er mich nicht bekehren. Er widerlegte daher vorderhand meine magischen Träumereien nicht. Nur versuchte er, mir es anschaulich zu machen, daß ich über dem Streben nach höheren Kräften Pflichten gegen meine Mitmenschen versäume; aber ich bewies ihm wieder aus meinem magischen Systeme: daß man gar nicht auf dem rechten Wege der Magie sei, solange man nicht Tätigkeit für diese Welt mit dem Streben nach höheren Kräften verbinde. Bisweilen versuchte Schwander doch die ganze Sache gegen mich lächerlich zu machen. Er sagte: die ganze Schöpfung käme ihm nach Cagliostros Lehren wie eine Zauberlaterne vor, und der Schöpfer solch einer Welt stünde weit unter dem Gotte, den er sich dächte; und so würde er sich selbst am Ende ehrwürdiger als der Gott, der so weit unter dem Ideale stände, das er sich vom Weltschöpfer gemacht. Auch wären die Geister, die unter Cagliostro stünden, wahre Fratzenwesen; er würde, sobald er mit ihnen in Verbindung käme, sie rebellisch machen; sie sollten sich nicht mehr unter Cagliostros Fußsohlen schmiegen und sich vor seinem magischen Sehwerte fürchten u. dgl. Diese Spöttereien befestigten meinen Glauben an Cagliostro noch mehr, und ich bewies Schwandern, daß er das magische System gar nicht gefaßt habe. Die Geister, die Cagliostro mit dem Degen und durch Stampfen der Füße im Zwange hielt (sagte ich), wären die mittleren bösen Geister; und damit glaubte ich was Rechtes bewiesen zu haben. Schwander erzählte mir hierauf die Geschichte eines Atheniensers, der ein sehr kluger Mann gewesen sei und nur die einzige Narrheit gehabt habe, zu glauben, alle Schiffe, die in dem Hafen ankämen, gehörten ihm. Durch einen geschickten Arzt sei er von dieser Idee kuriert worden, aber er habe denselben nachher verklagt und verlangt, man sollte ihn wieder so reich machen als er gewesen sei. Er bäte mich, ich sollte ihm nur die Versicherung geben, ihn nicht vor Gericht zu fordern, wenn er mich am Ende um meine magischen Wunder, wie der Arzt den Athenienser um seine Schiffe bringen würde. Dieser freundschaftliche, wohlgemeinte Spott tat mir sehr wehe, gab meiner Seele aber um kein Haarbreit eine andere Richtung. Nun versuchte Schwander, mich von der Seite zu fassen, daß er weder bei Cagliostro, noch bei Schröpfer, noch bei irgend jemand, der in Verbindung mit höheren Geistern zu stehen vorgäbe, große ausgezeichnete Tugend gefunden habe. Cagliostro hätte mehr als einmal Stolz, Zorn und Rache verraten. Er wolle, solange er nicht die Überzeugung habe, daß diejenigen, die über Geister zu gebieten hätten und mit höheren Wesen in Verbindung stehen sollten, dadurch edler und besser als der gewöhnliche Haufen der Menschen werden, lieber mit simplen Menschen umgehen, sich und diese zu Tugenden bilden, die in dieser Welt glücklicher machen, und bei der Verwandlung unseres Seins die Empfänglichkeit zu höherer Seligkeit vermehren. – Diese Vorstellungen fanden mehr Eingang bei mir; doch sucht' ich sie folgendergestalt zu widerlegen:
»Gott erzieht (sagte ich damals) alle seine Geschöpfe soviel als möglich zur Tugend und Glückseligkeit. Er setzt jeden von uns in die Lage, durch welche wir am vollkommensten werden, am glücklichsten machen und sein können. Nero und Kaligula, in anderen Lagen, wären noch lasterhafter geworden, hätten noch mehr Unglück verbreitet. Würde Cagliostro diese Kräfte nicht besitzen, alsdann würde er vielleicht sich und andere durch Laster unglücklich machen; dahingegen er doch jetzt manches Gute wirkt und gewiß immer mehr an Vollkommenheiten zunehmen wird, wenn er nur nicht zur schwarzen Magie übergeht.« Denn diese schwarze Magie war noch immer das Schreckensbild, was sich meiner Seele zeigte, sobald ich etwas Verabscheuungswürdiges denken wollte. Ach! wenn ich noch in den damaligen Zustand meiner Seele zurückschaue, so seh' ich, daß nichts schwerer ist als die Nebel zu zerteilen, die Irrglauben mit Aberglauben verbunden um uns verbreiten. Durch sie verleitet, weiß man die abenteuerlichsten Lehren in das ehrwürdige Gewand der Religion zu hüllen; und selbst bei den größten Trieben zur Tugend können wir uns nicht mehr aus den Labyrinthen des finstersten Aberglaubens herausfinden, sobald uns erst gewisse Dinge, gegen die Stimme der Vernunft, durch Vorspiegelung der Erlangung höherer Kräfte und höchster Glückseligkeit aufgedrungen worden sind.
Nach einigen Monaten verließ Cagliostro wiederum Petersburg und reiste ganz in der Stille durch Kurland, um nach Warschau zu gehen. Einer von den Leuten meines Vaters war ihm in Mitau begegnet, und da Cagliostro ihn erkannte, gab er diesem den Auftrag: meinen Vater und uns alle zu grüßen und uns zu sagen, jetzt müsse er nur schnell durchreisen und könne keinen von uns sprechen, aber bald hoffe er wieder bei uns zu sein.
Nun wurden fast alle von uns über unseren Helden unzufrieden. Wir fingen an, ihn für einen Betrüger zu halten, und gaben nun die Hoffnung auf, daß er nur irgendeine seiner uns gegebenen Versicherungen zu erfüllen imstande sei; obgleich keiner von uns seine vorgeblichen magischen Stücke zu der Zeit zu erklären wußte.
In dieser Epoche erschien Nathan der Weise und ward auch bei uns in Kurland bekannt. Schwander las mir dies Meisterstück unseres unsterblichen Lessings mit Begeisterung vor und begleitete Nathans Reden mit seinen weisen Betrachtungen, die mir ans Herz gingen.
Vorzüglich war die Stelle mir aufgefallen:
Begreifst du aber,
Wie viel andächtig schwärmen leichter, als
Gut handeln ist? Wie gern der schlaffste Mensch
Andächtig schwärmt, um nur, – ist er zu Zeiten
Sich schon der Absicht deutlich nicht bewußt –
Um nur gut handeln nicht zu dürfen?
Meine Augen wurden naß! Ich erforschte mich, schlug das Buch wieder auf, und nun fielen meine Augen auf die Stelle:
»Stolz! und nichts als Stolz! Der Topf
Von Eisen will mit einer silbern Zange
Gern aus der Glut gehoben sein, um selbst
Ein Topf von Silber sich zu dünken.«
Mein Herz schlug heftiger, ich las den Nathan wieder; und obgleich ich damals immer noch den Gedanken hegte, daß es viele verborgene Kräfte der Natur gäbe, und daher den Glauben hatte, daß Magie möglich sei, so erschien mir nun doch bei fortgesetztem reiferen Nachdenken das ganze System magischer Philosophie endlich als ein ganz schimärisches Ding, durch welches man außer aller wahren Tätigkeit für die Welt gesetzt und ein Spiel intriganter Gaukler wird.
Jetzt brachte jedes Gespräch, das ich über diese Materie mit Schwander hatte, mich zur Vernunft mehr zurück. Alles, was Graf P. uns in der Folge von Cagliostros Aufenthalt in Warschau sagte, und was zum Teil in der schon angeführten kleinen Schrift »Cagliostro in Warschau« enthalten ist, bestätigte den Glauben in uns, daß dieser vermeinte Wundermann nichts als ein grober Betrüger sei, der nach den Charakteren, mit denen er zu tun habe, die Schwachheit und Neigung der Menschen mit schlauer List zu benutzen und seine Rolle nach Umständen, zwar ziemlich plump, aber doch auch sehr verschmitzt zu spielen wisse.
Nachdem ich meiner zerrütteten Gesundheit wegen, auf Anraten der Ärzte, eine Reise nach Karlsbad, Brückenau und Pyrmont machen mußte, und auf meiner Reise durch einen großen Teil von Deutschland den Glauben an Mystik, an geheime Kräfte, an Wunder so weit verbreitet fand; da erst fing der versteckte Plan an, mir sichtbar zu werden, vermittelst dessen ein unsichtbares Häuflein so sehr bemüht ist, den Verstand im Schlamme des Aberglaubens versinken zu lassen, um dadurch allmählich über Länder und Völker leichter herrschen zu können.
Wenn ich mir jetzt die Gefahr ausmale, in welche ich bloß durch wohlgemeinte dunkle Gefühle kam, in den Händen eines Betrügers ein Ball zu werden, welchen er nach Belieben, wohin er wollte, werfen konnte, um ihn seinen Absichten gemäß zu gebrauchen; dann danke ich Gott, daß ich so glücklich dieser großen Gefahr entkommen bin, und dann stellt sich diese mir so lebhaft dar, daß ich es nicht bereue, mich entschlossen zu haben, die Geschichte Cagliostros, soweit sie mir bekannt ist, und den Gang meiner Seele dabei aufzuzeichnen, und beides zur Warnung für andere öffentlich bekannt zu machen. Dankt nur eine Seele mir es dereinst, daß ich sie durch diese offenherzigen Bekenntnisse der Irrtümer meines Verstandes vom Verderben errettet und zur wahren, vernünftigen Gottesverehrung zurückgebracht habe; so will ich mir ruhig den Tadel des großen Haufens gefallen lassen und mich in das Bewußtsein hüllen, daß Liebe zu meinen Mitmenschen und zur Wahrheit mir die Stärke gab, mich und meinen Irrglauben meinen Zeitgenossen treuherzig darzustellen.
Von Cagliostros Aufenthalt in Petersburg weiß ich nichts Zuverlässiges zu sagen. Nur so viel ist gewiß, daß, ob er zwar dort auch verschiedene Personen durch allerlei abenteuerliche Aussichten einige Zeit hingehalten, er seinen Hauptzweck dennoch ganz verfehlt hat.
Nach allem hier Gesagten glaub' ich es nicht, daß man mir noch die Beschuldigung wird machen können, ich habe vor dem Hange zur Mystik und vor Cagliostro ohne zureichenden Grund gewarnt, wie einige mir dies in freundschaftlichen Briefen zu erkennen gegeben haben. Noch weniger aber glaub' ich, daß irgend jemand, der diese Schrift liest, fernerhin den Wahn wird hegen können, Cagliostro habe irgendeine Verbindung mit höheren Wesen gehabt. Er, der in seinem Mémoire justificatif seine vorgeblichen magischen Experimente mit dem Kinde selbst für nichts weiter als einen gesellschaftlichen Scherz ausgegeben hat! Er, dem weder ein dienstbarer Geist aus Gabriels noch aus LucifersAlle Geister, die sich in iel endigen, sind den weißen, und alle, die sich in fer endigen, sind den schwarzen Magikern dienstbar. Diese wichtige Lehre der Dämonologie muß ich auch noch hersetzen. Reiche in Warschau und Paris etwas ins Ohr gelispelt hat!
Doch, ist mir denn der Geist und Gang der Magie so fremd geworden, daß ich nicht selbst in Cagliostros vorgeschriebener Sprache sagen kann:
»Auf Geheiß des großen Kophta hat Cagliostro selbst seine magischen Experimente für Fratze erklärt, um die Blinden, denen das Licht schädlich werden könnte, noch mehr irre zu führen. In Warschau hat er keine wahre Verwandlung der Metalle vornehmen wollen und alles so eingefädelt, daß der Anschein wider ihn ist, weil diese undankbaren Jünger keine bessere Begegnung verdient haben und er sie nichts von seiner wahren Größe hat ahnen lassen wollen. In Paris ist er unschuldig in den Kerker geworfen, um mit neuem Glanze die Bahn der Welt zu betreten und eine Sonne zu sein, die einen Teil des Erdballes erleuchtet.« Verschiedene meiner Leser werden glauben, es sei allzu töricht, so zu reden, und niemand könne jetzt eine solche Sprache führen. Ich müßte mich aber sehr irren, wenn nicht diese Sprache in manchen geheimen Kreisen geführt und dadurch für die Magie und Cagliostro neue Anhänger zugestutzt werden.
Mein Herz schlägt voll trauriger Besorgnis, wenn ich so manche edle Seele von diesem Hange zur Mystik ergriffen sehe! Doch, ich traue auf Gott, der mich aus den Labyrinthen der Schwärmerei und des Aberglaubens herausgeführt hat, und dessen ewige Weisheit selbst durch Irrglauben und Aberglauben die Seelenkräfte der Menschen allmählich entwickelt und zur Glückseligkeit reifen läßt. Dieser allweise Regierer aller Wesen wird auch zum Besten der Vernunft das herumschleichende Gift des Aberglaubens endlich zur wohltätigen Arzenei auflösen.
* * *
Ich will hier noch eine Geschichte anhängen, die auf den Gütern meines Vaters vor einigen Jahren vorfiel. Herr Professor Meißner hat schon diese Geschichte aus mündlicher Erzählung in seinen SkizzenMeißners Skizzen, siebente und achte Sammlung, S. 235. öffentlich bekannt gemacht. Meiner Erzählung mangeln die Reize, welche dieser berühmte Schriftsteller dem, was er vorträgt, zu geben weiß. Ich glaube aber doch, diese merkwürdige Geschichte werde hier nicht am unrechten Orte stehen. Sie kann zeigen: wie ähnlich sich die Menschen aus allen Klassen sind, daß die Prätension einer besonderen Frömmigkeit und dadurch bewirkter geheimer Kenntnisse und Vorhersagungen sehr oft aus der Quelle des Stolzes, der Herrschsucht und des niedrigsten Eigennutzes kommt, und daß sie durch verkehrte Religionsbegriffe noch vermehrt wird. Es sind hauptsächlich diese Neigungen und Leidenschaften, wodurch mehrere neuere Scheinheilige und Wundermänner gebildet werden, welche die äußeren Übungen der heiligen Religion, die ihrer Stiftung nach die größte Wohltäterin des menschlichen Geschlechts sein sollte und wirklich ist, zu den unverantwortlichsten Absichten mißbrauchen.
Ein junger Bauer, der im GesindeIn Kurland sind keine eigentlichen Dörfer, sondern einzelne Wohnungen. Eine solche Wohnung des Bauers mit allen dazu gehörigen Wirtschaftsgebäuden wird ein Gesinde genannt. seines Bruders als Knecht lebte, suchte sich vorzüglich durch scheinbare Andacht und frommen Lebenswandel auszuzeichnen. Dreimal des Jahres feierte er das Gedächtnismahl unseres göttlichen Vorgängers mit solch einer sichtbaren äußerlichen Rührung des Herzens, daß manche gute Seele diesem Frömmling nachzuahmen suchte. Allmählich verbreitete sich das Gerücht der ausgezeichneten Frömmigkeit dieses Bauern im ganzen Gebiete,Das Gebiet heißt in Kurland die gesamte Besitzung eines Edelmanns. und man bekam für ihn, als einen besonderen Liebling Gottes, eine vorzügliche Achtung. Denn man hatte schon bemerkt, daß, sobald er von jemand beleidigt wurde, die Strafe Gottes diesen sogleich verfolge, so daß oft das beste Pferd im Stalle des Bauern tot gefunden wurde, welcher diesem Lieblinge der Vorsehung etwas in den Weg gelegt hatte. Keiner war dann trauriger und teilnehmender an diesem Unfall des Nachbarn, als der Held dieser Geschichte selbst. Ja oft ging er gar so weit in der Teilnahme an dem Unfalle seines Beleidigers, daß er von seinen Ersparnissen ihm eine kleine Beisteuer gab, mit der Vermahnung, ihm als einem Lieblinge Gottes nie mehr zuwider zu handeln.
Nach Verlauf weniger Jahre wurde er unter den Bauern als ein halber Heiliger verehrt. Er konnte dadurch gewissermaßen über einen ziemlichen Teil der Bauernschaft nach seinem Belieben herrschen und sich dabei einen guten Tag pflegen, denn die beste Butter, Käse und Schinken, sowie die wenigste Arbeit, ward immer diesem Frommen zuteil.
Sein Bruder, bei dem er als Knecht diente, wollte ihn einst bei übler Jahreszeit und schlechtem Wege mit Getreide nach Libau einige Meilen weit schicken, weil dieser glaubte, daß er als sein Bruder auf seinen Vorteil vorzüglich bedacht sein würde. Er aber weigerte sich dagegen, in so schlechter Jahreszeit zu reisen, und schlug einen anderen Knecht vor. Der WirtIn Kurland wird der Besitzer eines Gesindes der Wirt genannt. aber bestand darauf, daß er diese Reise machen müsse, weil dem anderen Knechte eine andere Arbeit aufgetragen sei. »Gut,« erwiderte der Frömmling, »ich will also reisen; aber ich bedaure dich und deine Kinder: denn das wird Gott nicht ungerächt lassen, daß du seinem Lieblinge zuwiderhandelst.« – Der ältere Bruder spottete über die Vorstellung, die der jüngere ihm von Gott zu machen suchte, und war so kühn zu sagen, daß ein Liebling Gottes keine Arbeit scheuen müsse. Der jüngere Bruder unterzog sich also dem Verlangen des älteren und versprach, seinem Befehle gemäß, mit dem Anfange der Woche zu reisen.
Dieser kleine Zwist unter den Brüdern war am Freitag vorgefallen, und den Sonntag darauf wollte ein Teil der Bauernschaft kommunizieren. Am Sonnabend pflegen unsere Bauern insgesamt sich des Abends in einer kleinen, von der Bauernwohnung etwas entfernten Badehütte zu baden. Gerade da der Bruder unseres Frömmlings mit seinem Hausgesinde in der Badestube war, erhob sich ein großes Geschrei über Feuer. Die erschrockenen Bauern liefen hinaus, und nun sahen sie, daß ihre Wohnung mit allen umliegenden Gebäuden in lichter Flamme stand. Alles Hab und Gut des Bauern und seiner Knechte und auch das Getreide, das zur Stadt geführt werden sollte, ward in Asche verwandelt, so sehr sie auch bemüht waren, das Feuer zu löschen. Der Frömmling, der das Feuer zuerst erblickte und das Geschrei zuerst erhoben hatte, war über den Verlust, der seinen Bruder, ihn selbst und alle Mitknechte betroffen hatte, äußerst traurig, hielt seinem Bruder den gestrigen Zwist vor und ging nun mit allen diesen traurigen Bauern des andern Morgens zur Kirche. Auf dem Wege dahin machte er noch in rührenden Ausdrücken Beobachtungen über die Rache Gottes bei diesem Vorfalle.
Unser Frömmling, um auch in der Kirche durch Demut zu glänzen, hatte schon längst immer affektiert, in der Reihe der Kommunikanten der letzte zu sein, der vor dem Altar kniete. Als nun der Prediger, dessen Hände vor Alter sehr zitterten, den Kommunikanten die Oblaten reichte und am Ende auch an unseren scheinheiligen Mann kam, so entfiel den zitternden Händen des Greises der Teller und Oblaten, ohne daß der Kommunikant eine derselben empfangen hatte. Als nun der Prediger den Kelch herumreichte, verdoppelte sich das Zittern des schon ermüdeten alten Mannes; und der Kelch stürzte, als er an diesen Bauern kam, mit dem Weine vor dessen Füße hin, ohne daß er etwas vom Weine genossen hatte. Jetzt bemächtigte sich die fürchterlichste Gewissensangst dieses Menschen. Er flog nach dem Gottesdienste zum Prediger, beschwor ihn, durch das Blut Jesu ihn von seinen Sünden zu waschen, und gestand in der Angst seines Herzens, daß er glaube, Gott wolle sein Verbrechen nun strafen und habe ihm das Versöhnungsblut Jesu entzogen, weil er tags vorher das Feuer bei seinem Bruder angelegt habe, und weil er oft, um sich bei den dortigen Bauern das Ansehen eines von Gott geliebten Menschen zu geben, den man nicht beleidigen dürfe, nach kleinen Zwistigkeiten die Pferde, das Vieh, die Hühner und Gänse der Nachbarn erwürgt habe. Der Prediger erschrak über dies Geständnis und zeigte bei meinem Vater die Sache an. Bei uns haben alle Gutsbesitzer auf ihren Gütern das Recht über Leben und Tod der Missetäter. – Mein guter Vater ersetzte den Verlust der Bauern, die durch den Brand gelitten hatten, legte dem Mordbrenner nur eine Leibesstrafe und dreijährige Bauarbeit in Ketten auf, ließ diesem unglücklichen Menschen richtigere Begriffe der Religion beibringen und gestattete ihm nicht eher den Genuß des Liebesmahls Jesu, als bis er der besseren moralischen Gesinnungen dieses Menschen versichert zu sein glaubte. Noch jetzt lebt dieser Bauer schon seit verschiedenen Jahren als ein guter, fleißiger, moralischer Mensch auf Alt-Auz, dem väterlichen Gute, welches jetzt mein ältester Bruder hat.
Ich überlasse es meinen Lesern, ob ich unrecht habe, zu glauben, daß diese Geschichte beweist, wie leicht irrige Religionsbegriffe zu Verbrechen leiten können, wenn Stolz und Herrschsucht den Hang erzeugen, für einen Liebling Gottes zu gelten und mit Wunderkräften ausgerüstet zu scheinen.