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geführt von einem Augenzeugen
Aus dem französischen Manuskript übersetzt und mit Anmerkungen erläutert
1786
Ich, der HerausgeberS. Seite 10, Anm. 2., erhielt das französische Original dieses authentischen Manuskripts aus der Hand eines verehrungswürdigen Freundes vor wenigen Tagen, mit der Erlaubnis, es dem Publico als ein neues und ziemlich helles Licht über die Geschichte des sogenannten Grafen Cagliostros mitzuteilen. Folgender Auszug des Briefes, der es begleitete, wird einige Erläuterungen darüber geben.
»Sie erhalten beigehend das versprochene Tagebuch über Cagliostros Aufenthalt in Warschau, nebst meinen Anmerkungen zu beliebigem Gebrauche. Es wird dadurch eine Lücke in der Geschichte dieses famosen Mannes, die sich sowohl in allen, bisher von ihm erschienenen Nachrichten, als auch sonderlich in dem Briefe des Herrn von Mirabeau über CagliostroLettre du Comte de Mirabeau à . . . sur M. M. de Cagliostro et Lavater, Berlin 1786. Empfänger des Briefes und Herausgeber war Jakob Mauvillon (1793–99), ein hannoveranischer Ingenieuroffizier. Die Schrift erschien auch deutsch, Berlin und Libau 1786. und in dem zweiten Memoire der Madame de la MotteIn dem berüchtigten Prozeß um das Diamanthalsband der Königin Marie Antoinette von Frankreich, in den Cagliostro verwickelt war. Gemeint ist vermutlich die »Réponse pour la Comtesse de Valois-Lamotte au Mémoire du Comte de Cagliostro«, Paris (Cellot) 1786. findet, ergänzt werden können; er erscheint hier freilich noch in der Gestalt eines großen Ignoranten; daher auch die Bemerkung, daß er erst nach und nach zu der wahreren Feinheit in seinen Operationen gelangt sei und sozusagen seinen Cours damals noch nicht absolviert gehabt habe, sehr richtig ist. Genug, alle die hier wörtlich angeführten Facta sind wörtlich wahr und können täglich mit Augenzeugen erwiesen werden. Vielleicht geschieht durch deren Bekanntmachung der Wahrheit ein wichtiger Dienst, und das Publikum vergleicht mehrere ähnliche Fälle und lernt doch endlich, ein näheres und höchst nötiges Resultat daraus ziehen.
Den 26. April 1780.
Nachricht
von Cagliostros magischen und alchimistischen Operationen in Warschau.
Ein gewisser Cagliostro, nachdem er einen großen Teil von Europa durchwandert und viele Gerüchte von Wundern, die er sowohl in Kurland als Rußland getan haben sollte, vor sich hergeschickt hatte, kam zu Anfang des Mai 1780 auch hierher nach Warschau. Er ließ sich durch einen Kavalier, dessen Bekanntschaft er in Kurland gemacht hatte, an den Herren K. G. S. M., Fürsten P. und an den Grafen Moszynski präsentieren, entdeckte sich ihnen als ein sehr erfahrener ägyptischer Freimaurer und erbot sich, ihnen verschiedenes von seinen geheimen Kenntnissen mitzuteilen. Man nahm den Antrag an, und der Fürst P. logierte ihn nebst seiner Frau in sein Palais.
Einige Tage darauf erbot er sich eine reelle Probe von seinen sowohl magischen als philosophischen Operationen zu machen und schritt dabei folgendergestalt zu Werke. Er ließ einen Vorhang von schwarzem Tuche vor die Tür eines Zimmers hängen, nahm der anwesenden Versammlung ein verbindliches Versprechen vollkommener Verschwiegenheit ab und unterhielt sich eine kurze Zeit mit verschiedenen allgemeinen Gesprächen, die auf diese Sache vorbereiten sollten. Ein paar Tage darauf nahm er ein kleines Mädchen aus dem Hause zu sich, das er sowohl als seine Frau durch tausend Schmeicheleien und kleine Geschenke zu gewinnen und zu seinen Mummereien abzurichten suchte.
Tags darauf brachte er das Kind, welches ohngefähr acht Jahre alt sein mochte, in das Zimmer, vor welchem der schwarze Vorhang hing, und fing an, nachdem er ihm ein gewisses Öl in die eine Hand gerieben und verschiedene Gaukeleien mit einem bloßen Degen und einem arabischen Buche gemacht hatte, an dasselbe verschiedene Fragen zu tun, welche das Kind zwar beantwortete, aber, wie es dem Grafen M. schien, gezwungen oder nach einem erhaltenen Unterrichte. Wenn z. B. Cagliostro das Kind fragte: »Siehst du das oder jenes?« und das Kind nicht sogleich antwortete, so wußte er es überaus geschickt so fort zu fragen, bis das Kind endlich ja sagte. Nachdem dies vorbei war, stellte er das Kind in ein anderes Kabinett und fing seine Fragen an dasselbe durch die halboffen stehende Tür aufs neue an, z. B.:
Frage. Siehst du einen Engel?
Antwort. Ja.
Frage. Siehst du nicht zwei Engel?
Antwort. Ja.
Frage. Siehst du nicht drei ?
Antwort. Ja. Und so fort bis auf sieben Engel.
Frage. Siehst du mich?
Antwort. Ja.
Frage. Siehst du ein Grab?
Antwort. Ja.
Frage. Ist's von Steinen oder von Marmor?
Antwort. Von Steinen.
Gib den Engeln einen Kuß. – Man hörte, daß das Kind wirklich etwas küßte, aber – seinen eigenen Arm. Und so tat er noch mancherlei dergleichen Fragen mehr an das Kind, bei welchen der Graf M. deutlich bemerkte, daß es immer die erste Phrase der Frage als Antwort wiederholte. Hierauf ließ er alle Anwesenden ihre Namen auf ein Blatt Papier schreiben; dies Blatt verbrannte er dem Ansehen nach vor ihren Augen, rief darauf dem Kinde zu, es solle das Billett, das zu seinen Füßen fallen würde, herausgeben, steckte darauf die Hand durch die halboffene Tür in das Kabinett und brachte wirklich ein Billett, das mit einem sehr schlecht gestochenen maurerischen Siegel versiegelt war, heraus. Dies, sagte er, sei das Zeichen, daß die Geister seine Wahl der Anwesenden zu den Operationen billigten, und da man das Billett erbrach, fand jeder seine eigene Namensunterschrift wieder darin.
Dies Stückchen, welches eins von den allergewöhnlichsten Hokuspokus-Touren eines Comus, Philadelphia und mehrerer Taschenspieler ist, machte dem Grafen M. Cagliostros hochgepriesene Operationen und geheime Wissenschaften so verdächtig, daß er nicht umhin konnte, dem Fürsten P. seinen Argwohn darüber zu entdecken; aber dieser war anderer Meinung und glaubte noch dem Wundermanne, ohngeachtet das Kind tags darauf, als sein Vater es befragte, ganz offenherzig versicherte, daß es gar nichts gesehen hätte. Herr Cagliostro, der mit dieser Art von Untersuchungen und Aufklärungen sich gar nicht vertragen konnte, war sehr unzufrieden darüber, suchte durchaus den Vater des Kindes aus dem Hause zu entfernen und wählte nun, um sicher zu sein, zu seinen künftigen Geisteroperationen ein junges Frauenzimmer von 16 Jahren, welches er hatte kennen lernen und das eine reine Jungfrau sein sollte.
Die Operation wurde nun aufs neue wiederholt; aber mit weit mehr Umständen, Pompe und so gut angelegt und ausgeführt, daß selbst der Graf M., der bisher noch immer ungläubig gewesen war, und sich ganz auf die Ehrlichkeit des Mädchens verlassen zu können glaubte, durch sie hinters Licht geführt wurde, da sie ihre Rolle so meisterlich für Cagliostro spielte. Unglücklicherweise aber fing Cagliostro an, sich in diese reine Jungfrau zu verlieben, und wollte sich unter dem Vorwande einer neuen Geisteroperation gewisse körperliche Operationen bei ihr erlauben; welcher Antrag aber das Mädchen dergestalt aufbrachte, daß sie gerade zum Grafen M. ging und ihm den Betrug entdeckte. Sie sagte, Cagliostro habe sie durch das Versprechen, ihr Glück zu machen und ihr einen Mann zu schaffen, dahin gebracht, daß sie seine Possen so gut als möglich mitgespielt hätte; er habe ihr immer die Antworten auf seine Fragen schriftlich vorausgegeben oder mit ihr verabredet, daß sie auf die anderen, welche er in unserer Gegenwart an sie tun würde, immer die erste Phrase seiner Frage oder seine erste Gestikulation wiederholen solle; daß sie statt der Engel ihren eigenen Arm geküßt und gar nichts gesehen habe. Der Graf M. säumte nicht, diesen wichtigen Bericht allen anderen mitzuteilen; aber man hatte keine Ohren dazu und hielt ihn für einen Ungläubigen.
Indessen hielt aber Cagliostro, um die Zuschauer zu amüsieren, sogenannte Ägyptische Loge, worin er ganz öffentlich einige geringe Arcana, die entweder ganz falsch oder doch schon längst in der Chemie bekannt waren, diktierte. Er versprach auch seinen neuen Schülern einen vorgeblichen medizinischen Kursus, welcher in Lästerungen gegen die Ärzte, in medizinischen Weidsprüchen, ohngefähr wie die aus der Schola Salernitana und in etlichen Rezepten zu Arzneien bestand, zu welchen entweder sehr rare Species und Ingredienzen kamen, die bei uns ganz unbekannt sind, oder die er aus den Werken eines gewissen Adepten Friedrich Gualdo,S. Seite 91, Anm. 2. die im vorigen Jahrhundert zu Köln gedruckt sind, genommen hatte.
Da Cagliostro seinem Vorgeben nach in der Stadt zu eingeschränkt war, so ging er mit der ganzen Gesellschaft nach Wola,Eine Herrschaft und Schloß nahe bei Warschau. um da seine philosophischen Operationen und das große Werk zu beginnen. Wir liefern das Journal, welches der Herr Graf M. als Aufseher der Arbeit eigenhändig darüber führte, hier treu und vollständig und nach seinen eigenen Worten.
Wola, 7. Juni 1780.
Ich mußte, nach Cagliostros Anordnung, ein Pfund gereinigten Merkur von meinem eigenen Vorrate abwägen, vorher aber Regenwasser bis zur völligen Austrocknung destillieren, um davon die feces, welche er Jungfernerde oder zweite Materie (seconde matière) nannte, davon zu erhalten; wovon ich ohngefähr 16 Gran bekam. Auf seine Ordre hatte ich auch einen Bleiextrakt machen müssen. Als diese Vorbereitungen alle fertig waren, führte er uns in die Loge und erklärte uns allen, ich solle die ganze Operation auf folgende Art nach seinen Vorschriften mit eigener Hand machen. Auf seine Ordre also tat ich die oben gedachte Jungfernerde in eine Phiole, schüttete ohngefähr die Hälfte des Quecksilbers drauf und ließ dann ohngefähr 30 Tropfen Bleiextrakt darauf tröpfeln. Nachdem ich die Masse ein wenig geschüttelt hatte, schien der Merkur seine Flüssigkeit verloren zu haben oder fixiert zu sein.Jede Flüssigkeit und sonderlich alle Säuren trennen den Merkur, wenn man ihn damit schüttelt; mischt man nun vollends eine Erde, es sei, welche es wolle, damit, so setzt sich diese zwischen die Kügelchen desselben und verhindert ihn, wieder zusammenzufließen, welches ihm das Ansehen einer Fixation gibt; und dies geschieht noch schneller, wenn die Säure, welche man dazu braucht, mit Bleiteilchen zuvor gesättigt ist. Ich goß darauf auf den Rest des Quecksilbers noch Bleiextrakt; aber er blieb, wie er war, so daß ich die beiden Portionen Merkur zusammen in eine größere Phiole tun mußte, welcher, als er eine Zeitlang geschüttelt worden war, dieselbe Konsistenz annahm und schmutziggrau aussah.
Ich tat darauf die ganze Masse in einen Schmelztiegel, welcher davon ohngefähr halb voll wurde. Dann gab mir Cagliostro in einem ganz kleinen Papier, welches noch in zwei andere eingewickelt war, dem Augenschein nach ohngefähr 1/10 Gran von einem Pulver, welches glänzend rot fast wie Karmin aussah, das ich auf den Merkur in dem Schmelztiegel werfen mußte. Er verschluckte sogleich die drei Papierkapseln, und ich mußte den übrigen Raum des Schmelztiegels mit Gips, der mit warmem Wasser angemacht war, ausfüllen. Während ich dies tat, nahm mir ihn Cagliostro aus der Hand, tat, ohngeachtet er schon ganz voll war, noch mehr Gips drauf, bestrich ihn von außen über und über ganz leicht mit der Hand ebenfalls mit Gips und gab ihn mir wieder, um ihn auf einem Kohlenfeuer zu trocknen. Als er darauf ohngefähr eine Minute gestanden hatte, nahm ich ihn herunter und setzte ihn in ein Aschenbad, brachte ihn damit auf einen Windofen und blies das Feuer an. Als indessen der Schmelztiegel etwa eine halbe Stunde in diesem Aschenbade gestanden hatte, nahm ich ihn auf seine Ordre mit der Zange heraus, trug ihn in die Loge, wo wir ihn zerschlugen und einen Klumpen geschmolzen Silber, 293/8 Lot schwer, fanden. Der Klumpen war obenher ziemlich glatt geflossen, hatte aber unten und von der Seite bis ohngefähr ein Drittel seiner Höhe ziemlich viel Blasen.
Den 8. Juni.
Indem ich heute ruhiger über die Operation nachdenke, die mich Cagliostro gestern machen ließ, so glaub' ich einen Betrug bei der Sache ziemlich deutlich zu merken. Um ihm aber sicherer auf die Spur zu kommen, muß ich etliche Umstände, die vorausgingen, wiederholen.
Cagliostro hatte sich nämlich, wie er uns selbst gestand, unter dem Vorwande, mit den Geistern zu sprechen, eine ganze Nacht in seinem Laboratorium zu Warschau eingeschlossen, und da muß er ohnstreitig eine ziemlich starke Schmelzung vorgenommen haben. Dies beweist mir ein großer Korb mit Kohlen, der beinahe zwei Drittel leer ist, ein Schmelztiegel weniger, als zuvor drin standen, und sein ziemlich stark verbrannter Finger. Überdies hat er mich zwei Tage lang nicht in das Laboratorium gelassen, da ich die nötigen Gerätschaften und Materialien, die ich auf dem Lande zu brauchen glaubte, herausholen wollte. Er ließ mich nur einen Augenblick hinein, unter dem Vorwande, daß ich wegen der Zirkel und Charaktere, die er auf den Fußboden gezeichnet hatte, große Gefahr laufen könne. Dies strenge Verbot, mich nicht zu nähern, hatte sicher keinen andern Grund, als daß ich nicht entdecken sollte, daß er geschmolzen hatte, wovon er die Spuren wegzuräumen noch keine Zeit gehabt hatte; ebenso wollte er mich vermutlich verhindern, die Materialien zu untersuchen, und sonderlich den Gips, welchen er vermindert hatte; denn sowohl diesen als die Schmelztiegel nahm er selbst und transportierte sie nach Wola, da er mich doch alle andern Materialien ohne Ausnahme dahin schaffen ließ; auch gab er mir beides, und sonderlich den Gips, in verschiedene Pakete gebunden, ganz kurz vor der Operation erst wieder, vermutlich, damit ich, weil ich sein Gewicht wußte, ihn nicht wieder wägen und die Verringerung merken sollte. Nun zur Operation selbst.
Der Merkur war zusammengeballt; ich tat ihn selbst in den Schmelztiegel und bedeckte ihn mit Gips; dies bin ich sicher; also muß wahrscheinlich Cagliostro seinen Betrug in dem Augenblicke gespielt haben, als er mir den Schmelztiegel, den ich schon mit Gips angefüllt hatte, aus den Händen nahm, um noch mehr darauf zu tun, und ihn ganz ohne Not auch außerhalb mit Gips bestrich. Letzteres tat er wahrscheinlich darum, damit ich erstens keine Marke an dem Schmelztiegel wiederfinden sollte, wenn ich ihn allenfalls gezeichnet hätte; zweitens, um auch auf den schon fertigen Schmelztiegel, den er mir für den meinigen in die Hände spielen wollte, noch frischen und nassen Gips schlagen zu können; weil ich außerdem, wenn ich ihn auf die Kohlen gesetzt hätte, augenblicklich bemerkt haben würde, daß der Gips schon trocken und alt sei. In diesem Momente also muß er mir den Schmelztiegel, den ich angefüllt hatte, aus den Händen gespielt und einen andern, schon präparierten, an dessen Stelle geschoben haben. Nichts ist einem nur halb geschickten Taschenspieler leichter, als solch ein paar kleine Schmelztiegel, die einander vollkommen gleichen, zu verwechseln, zumal da Cagliostro einen Freimaurerschurz vorhatte, die Sache bei Lichte, auf einem schwarzen Teppich und in einem Augenblicke vorging, wo die Imagination des Zuschauers gespannt und die Aufmerksamkeit aller auf die Wichtigkeit des Gegenstandes gerichtet war. Ich bekenne gern und offenherzig, daß die meinige so sehr mit der chemischen Ignoranz und Betrügerei, welche ich ihn mit den Materialien treiben sah, beschäftigt war, daß ich in diesem Augenblicke gar an keinen Hokuspokus einer Taschenspielerei, mit der er sich helfen könne, dachte. Was hatte er denn nötig, mir den Schmelztiegel so schnell aus den Händen zu nehmen? Er konnte mir ja nur sagen, daß ich noch mehr Gips darauf tun und ihn von außen damit bestreichen sollte! Dies war um so weniger bedenklich, da er mich alle die übrigen Operationen machen ließ. Man sieht also, daß es sein ausdrücklicher Wunsch sein mußte, mir ihn aus den Händen zu bringen.Zur Erläuterung dieses Vorfalls muß man noch folgenden Umstand wissen, den der Herr Graf M. hier anzuführen vergessen hat. Cagliostro spielte eigentlich unter einem Dispute dem Grafen M. den Schmelztiegel aus der Hand, indem er vorgab, daß der Schmelztiegel nicht richtig und gut lutiert sei. Diesen Vorwurf nahm Graf M. als ein sehr geschickter Schmelzer und Chemiker übel, zankte sich mit ihm darüber und ließ also in der Hitze des Wortwechsels, welcher natürlich auch die Aufmerksamkeit der andern von der Sache abzog, geschehen, daß Cagliostro ihn selbst nehmen und lutieren (verkitten) durfte. Diesen Augenblick benutzte Cagliostro also, durch Taschenspielerkunst den rechten Schmelztiegel (den man ohnedies in der Folge zusamt den noch ungeschmolzenen Materialien stückweise wiederfand) wegzubringen, und einen andern mit dem schon vorher geschmolzenen Silberkönige unterzuschieben. – D. H. Der Schmelztiegel hat übrigens auch nicht im Schmelzfeuer, sondern nur eine halbe Stunde im Aschenbade gestanden, in welchem Grade von Hitze also kein Metall schmelzen konnte; und wär' es bei dieser Operation wirklich geschmolzen, wie hätte ich dann drei oder vier Minuten drauf den Schmelztiegel und Metallklumpen mit bloßen Händen angreifen und behandeln können? Ich hätte mich sicher noch eine halbe Stunde nach der Schmelzung daran verbrannt.
Der Metallklumpen hat unten Blasen und Höhlungen und oben eine glatte Oberfläche; ein sicheres Kennzeichen, daß der Schmelztiegel, worin er geschmolzen worden, in Wasser getaucht und abgelöscht worden sei, als welches immer diese Wirkung auf geschmolzenes Metall tut. Ich bemerkte überdies, daß er den Abend vor der Operation, nach welcher er mich nicht in das Laboratorium in der Stadt lassen wollte, einen großen Krug voll Wasser hineintrug; diesen fand ich, als ich einige Tage darauf das Laboratorium aufräumen wollte, leer, und das Wasser alles in einen Eimer ausgeschüttet. Ich schließe daraus sicher, daß der kleine Silberklumpen, den wir bei Zerschlagung des Tiegels fanden, nicht hier in Wola, sondern in Warschau geschmolzen ist.
Cagliostro verschluckte auch die drei kleinen Papiere, worein sein rotes Pulver oder sogenannte erste Materie gewickelt war, vermutlich nur darum, damit ich aus der Farbe und Versuchen nicht merken sollte, daß es weiter nichts als Karmin gewesen, den ich auf den Merkur schütten mußte.
Als ich die Form des Gipses, der dem Schmelztiegel zur Lutierung und Decke gedient hatte, genau betrachtete, fand ich, daß der untere Teil davon, der auf dem Metall gelegen hatte, von hohler Gestalt war; welches nicht anders sein konnte, da er die Form und den Abdruck eines geschmolzenen Metallklumpens, der immer in der Mitte erhaben ist, hatte. Bedenkt man nun, daß ich den Gips auf das noch weiche Quecksilber tat, ihn eindrückte, der Druck in der Mitte am stärksten war, und so der Gips erhärtete, so ist klar, daß er unten eher eine konvexe Gestalt bekommen mußte, welche das Metall auch in seiner stärksten Schmelzung zwar hätte kalzinieren, aber in Ansehung der Form nicht ändern können. Überdies zeigt die strenge Sorgfalt, welche Cagliostro hatte, daß wir den Schmelztiegel und Gips durchaus in ganz kleine Stückchen zerschlagen sollten, damit, wie er vorgab, den Profanen jede Spur dieser wichtigen Operation entzogen würde, wie viel ihm daran gelegen war, daß man die Überbleibsel davon nicht zu genau untersuchen könne.
Ich habe eine kleine Portion von dieser Masse probieren lassen und finde, daß sie genau sechzehnlötig an Gehalt ohne Verminderung noch Vermehrung in der Kapelle ist, und daß die Mark davon gerade 31/2 Gran Gold hält. Wäre dies Metall nun ein alchimistisches Produkt, so hätte notwendig erfolgen müssen, daß entweder ein Teil des Merkurs noch nicht ganz in Silber verwandelt worden sei, oder daß es für ein Pfund Merkur zu viel Tinktur gewesen und diese also einen Teil des Bleis, womit er in die Kapelle gesetzt wurde, in Silber verwandelt habe.
Den 9. Juni.
Indem ich heute den kleinen Silberklumpen klar feilte, bemerkte ich an ihm einen kleinen Fleck, darin einige ganz kleine und reine Goldkörnchen. Dies ist ein neuer Beweis, daß dieser Metallklumpen kein Produkt einer Metallverwandlung und Veredlung ist, sondern daß man auf das geschmolzene Metall eine kleine Portion pulverisiertes Gold, vielleicht auch Königswasser, oder mit Quecksilber kalziniert, oder ein Korn Kapellengold geworfen und ihm nicht einmal Zeit gelassen habe, ganz vollständig zu schmelzen. Ein Einfall, den nur ein Mensch haben konnte, der gar nichts von dem praktischen Schmelzwesen der Metalle versteht; denn hätte das rote Pulver das Gold hervorgebracht, so hätte es gar nicht so kornweise und merkbar in dem Silber sitzen, sondern sich mit der ganzen Masse innigst vereinigen müssen.
Den 10. Juni.
Hier folgt nun der ganze Prozeß, wie wir nach Cagliostros Anweisung dies sogenannte philosophische Gold (denn er ist so unverschämt, den Klumpen geschmolzen Silber so zu nennen) durchaus in rotes Pulver oder Tinktur verwandeln sollen. Cagliostro behauptet, daß dieser philosophische Klumpen mit dem Universalkeim der Grundmaterie imprägniert sei und durch folgenden Prozeß selbst Grundmaterie werden könne. Man soll den Klumpen klar feilen, ihn in eine offene Phiole tun, noch einmal soviel seines Gewichts Scheidewasser darauf gießen und ihn in einen Digerierofen über ein Lampenfeuer setzen, um alle Feuchtigkeit davon abdampfen zu lassen; da wird die Materie schwarz erscheinen.Ganz richtig; denn das Gold, was darinnen ist, fällt als ein schwarzes Pulver nieder und wird die Oberfläche bedecken. – M. Dies heißt die erste Passage. Die zweite geschieht also: Man gießt neues Scheidewasser, so schwer als die Materie nach Abdünstung der Feuchtigkeit wiegt, drauf und verfährt damit wie zuvor. Dann wird nach der Abdampfung die Materie weiß erscheinen.Auch dies, glaub' ich, kann sein, wegen der vielen Salpeterteilchen, die sich an die Masse hängen und sie gleichsam überziehen werden; sonderlich wenn er ein wenig Meersalz mit hineintut, welches das Gold auflöst. – M. Ebenso geschieht die dritte Passage und so fort bis zur siebenten; und zwar soll jede Passage diejenige Farbe geben, welche er vorausbestimmt. Die siebente soll schon eine schöne rote Farbe geben, so daß man damit den Merkur in philosophisches Silber verwandeln kann. Mit dem Produkt der achten Passage aber verwandelt man ihn ohne Anstand in Gold. –
Himmel, ist's möglich, gescheiten Leuten solch ein Märchen vorzuschwatzen! Denn wie kann die ganz elende Operation, so wie er sie da angibt, etwas anderes liefern als einen Silberkalk, mit einer Menge Salzteilchen überladen, die entweder an der Luft oder einem feuchten Orte zerfließen, oder bei der ersten Schmelzung, die man damit vornimmt, davonfliegen und ein ganz ordinäres Silber zurücklassen? Nun, die Zeit wird's lehren!
Den 11. Juni.
Da uns Cagliostro vermutlich mehr Zutrauen und Glauben an ihn einflößen zu müssen glaubt, so hat er uns gestern eine neue Szene gegeben und einen neuen Proselyten, den ägyptischen Großkophta, der einige tausend Jahre alt sein soll, sehen lassen. Er war sehr dick, weiß gekleidet, hatte weiße Haare und einen großen Turban auf dem Kopfe. Der neue Lehrling aber, den der Großkophta mit einer tiefen und rauhen Stimme fragte, was er sähe? antwortete zum Unglück ganz naiv: er sehe wohl, daß er, Cagliostro selbst, sich so gekleidet und eine weiße Maske mit einem Barte vor dem Gesichte habe. Diese Antwort mochte dem ägyptischen Großpriester vermutlich nicht ganz angenehm sein, denn er löschte sogleich mit den Händen die beiden Lichter, zwischen welchen er saß, und man hörte deutlich das Geräusch von dem Pudermantel und dem übrigen Anzuge, den er im Dunkeln abwarf, um leichter nach Ägypten zurück zu reisen und Herrn Cagliostro an seiner Stelle erscheinen zu lassen.
Bei Gott, es ist unbegreiflich, wie sich nur so viele Menschen durch so schlecht erdachte und so ungeschickt ausgeführte Prahlereien und Gaukeleien hinter das Licht führen ließen und noch betrügen lassen!
Den 12. Juni.
Meine Geduld ist zu Ende. Jeden Tag gibt's neue Narrheiten und neue Betrügereien. Unterdessen der hochheilige und gesegnete Stein der Weisen gemacht wird, – welches eine nicht ganz kurze Operation ist, denn er kündigt uns an, daß jede Passage sechs bis acht Wochen Zeit erfordern soll – diktiert uns Cagliostro indessen, um die Loge zu amüsieren, chemische Operationen; zum Beispiel die Quintessenz vom Weine zu machen, wenn man ihn in Mist gräbt; oder die Quintessenz von Gold, wenn man es in Spiritus vini ablöscht und dann mit Merkur kalziniert; oder Korallen- und Perlen-Quintessenz usw. Ebenso will er uns die Eigenschaft aller Öle, Talköl, und sogar die Kunst, Perlen zu machen, die schon in dem kleinen Albertus steht, lehren, und wovon ich kein Wort glaube. Sein korinthisch Erz ist nichts als ein etwas geschmeidiges Kupfer, und sein weißes Metall ein Zinn, das alle Chemiker kennen. Seine Mittel machen nichts weniger als das Eisen zähe und geschmeidig, und seine Manier, es zu härten, ist die gewöhnliche, die alle Messerschmiede kennen; sein Wasser, womit er das Eisen vergolden will, gibt ihm kaum eine schlechte Kupferfarbe, und seine Arzeneien haben bis jetzt noch keine merkwürdige Kur bewirkt; denn bei vielen haben sie gar keine Wirkung getan; und ich höre auch noch keine Wunder von seinem Waschwasser für die Haut bei den Weibern, denen er es gegeben hat.
Den 13. Juni.
Ich arbeite aus langer Weile an verschiedenen Kompositionen nach Cagliostros Vorschrift und halte meine Quartierwache so strenge, wie ein Matrose auf dem Schiffe, um meinen Dienst bei dem heiligen Feuer der gesegneten Lampe, die so große Wunder tun soll, zu verbringen. Da aber der Heilige, für den sie brennt, nicht der meinige ist, so betrachte ich sie ungefähr ebenso, als die Wunderlampe in der Tausend und Einen Nacht.
Den 14. Juni.
Das Wetter fängt an trübe zu werden, und unser teurer Herr Graf hat üblen Humor. Wenn die Sachen gehen, wie sie sollen, so wird er bald noch schlechtern bekommen. Mit der Lampe ist's wie gestern, und er trinkt Hippocras, um sich Herz und Magen zu stärken.
Den 15. Juni.
Unser edler Meister, der Großkophta, rollt alle Morgen im Kabriolett in die Stadt, um seine Patientinnen zu besuchen. Ein Philosoph, ein Adept, ein Großkophta en Cabriolet! Wahrhaftig, die Weisen unserer Zeit verkündigen uns mit Recht unerhörte Wundererscheinungen. Indessen verbrenne und beschmutze ich mir hier die Finger und laboriere seine Rezepte.
Die erste Passage geht sehr langsam vonstatten. Unser geschickter Meister dekantiert, gießt frisches Scheidewasser in unser kostbares philosophisches Ei und läßt uns bemerken, daß das große Werk weit leichter zu vollenden sei, als man glaube. Wie er uns ankündigt, so wird nächster Tage der Teufel unter der Gestalt eines Affen, einer Katze oder eines schwarzen Hundes erscheinen und das Werk zu stören suchen; aber unser guter Herr und Meister hat schon dafür gesorgt, daß dieser Schadenfroh kein Unheil anfangen kann; denn er hat den Ofen schon auf beiden Seiten mit seinen kabbalistischen Charakteren verwahrt und seine Pentakel mit Kohle umhergezogen, so daß er nun vor den Anfällen aller bösen Geister, sowie auch durch große Vorlegeschlösser, aller bösen Nichtgeister sicher ist.
Den 16. Juni.
Malum signum in urina! Der Großkophta hat sich mit seiner Sultanin favorite brouilliert; und sie ist Frau, aufgebracht und hat eine Zunge; dies ist genug gesagt. Sein Gevatter Schutzgeist hat ihm in diesem Falle einen sehr schlechten Rat gegeben, sich mit einer Frau zu entzweien, welche die Vertraute aller unserer erhabenen Geheimnisse ist. In der Tat, das muß nur in Ägypten so üblich sein! In unserem philosophischen Ei erscheint schon viel Schwarzes; dies stärkt die schwachen Brüder wieder und belebt ihre sinkende Hoffnung aufs neue. Nur ich bin der einzige Ungläubige unter den Jüngern, und den auch der ehrwürdige Meister schon für einen Gotteslästerer und ein Ungeheuer erklärt, weil ich zuweilen unter der Kappe lache und die Kühnheit habe, ihm zu widersprechen. Der böse Mensch! Wenn er nur nicht die übrige Herde mit seinem Unglauben ansteckt!
Den 17. Juni.
Abends und morgens betet jeder Jünger andächtig den Psalm, der allein die Kraft hat, die Geister zu zwingen. Das Ungeheuer, welches ihrer schon genug gesehen, oder wenigstens genug von ihnen reden gehört hat, hat manche ernstliche Vermahnung auszuhalten, daß es sich diesem frommen Gebrauche nicht mit unterwerfen will. Indessen hat weder der Psalm noch der Degen des Großkophta die Geister zwingen können, uns zu erscheinen, nicht einmal im Traume.
Den 18. Juni.
Eine jede chemische Gärung entdeckt sich entweder durch den Geruch, durch das Ansehen oder durch den Geschmack. Andere Arten von Gärungen hingegen entdeckt man durch die Ohren; und meine Ohren hören gewisse Töne, die aus der Stadt kommen und sich an unserm Hause brechen. Um nicht durch sie betäubt zu werden, arbeite ich mit verdoppeltem Fleiße an meinem Werke. Es wird nicht lange mehr dauern, oder ich müßte mich sehr irren.
Den 19. Juni.
Wenn man einen Kranken matt werden sieht, so ist es gut, wenn man ihm einen kleinen Stoß gibt, um seine Organe wieder in Wirkung zu setzen. Man trägt mir also auf, vor Aufgang der Sonne an einem Montage eine Haut Pergament, und zwar ohne dabei zu dingen, zu kaufen, um ein Fünfeck, ein Pentakel, einen Talisman – und was weiß ich sonst noch, denn ich bin noch ein Novize in der Kunst – zu machen. Dies soll große Wirkung tun und die Ungläubigen bekehren. Ah! Das wird schön sein!
Den 20. Juni.
Das Pergament ist gekauft, und wir wollen nun sehen, was es für Wunder tun wird. Mit der Lampe geht's seinen Gang, und unser ehrwürdiger Meister weissagt uns noch immer den glücklichsten Erfolg, ohngeachtet der Kleingläubigkeit manches Jüngers und sonderlich des Erzungläubigen, der fortan nicht anders als das Ungeheuer heißen soll, da er die Augen vor jedem ihn überzeugen sollenden Beweise zudrückt und durchaus die edlen und charakteristischen Gebräuche der ägyptischen Logen, als r–lps–n, f–rz–n, schnaufen, mit dem Fuße stampfen, nicht mitmachen will. Welche Tollheit!
Den 21. Juni.
Toutes vérités ne sont pas bonnes à dire! Mein Mitbruder bringt Neuigkeiten aus der Stadt mit, über welche der Großkophta seine fürchterlichen Augenbrauen schrecklich runzeln wird. Arme Stadt, wie beklag' ich dich, daß du das Verdienst so verkennen kannst! Nimm dich in acht, daß unser großer Meister nicht aus dir hinausgehe und den Staub von seinen kleinen Füßen und weißen Schuhen mit roten Absätzen schüttle.
Die Neuigkeiten sind sehr übel aufgenommen worden. Der Großkophta hat nämlich nach und nach, jedoch nicht durch seinen dienstbaren Geist, sondern durch sehr profane Wege erfahren, daß sein Schüler, das Ungeheuer, an ihm ein gewisses Taschenspielertalent entdeckt zu haben glaubt. Darüber entrüstet sich der heilige Mann gewaltig und erklärt öffentlich, daß er nichts mehr mit solch einem Ungeheuer von Undank, dessen Glück er doch zu machen willens gewesen sei, zu tun haben wolle; und das Ungeheuer unterwirft sich dieser Strafe gutwillig.
Den 23. Juni.
Nocte pluit, tota redeunt spectacula mane! Der Mann Gottes, unser teurer Meister, will zwei seiner Jünger nicht mehr sehen, noch mit ihnen sprechen, will auch seinen hohen Unterricht nicht mehr in der ägyptischen Loge erteilen. Doch besinnt er sich nach Tische anders und kommt zum Ungeheuer, um mit ihm zu reden. Dies erklärt ihm dann mit möglichster Kaltblütigkeit alle chemischen, moralischen, politischen und physischen Gründe (die man schon aus der Einleitung kennt), aus welchen es überzeugt zu sein glaubt, daß der edle Meister sich einen Spaß daraus mache, uns Ammenmärchen zu erzählen und einen Schmelztiegel im eigentlichen Verstande aus der Tasche zu spielen. Der gute Meister, der Mitleid mit des Ungeheuers Unwissenheit hat, versichert es vor Gott, daß er es ohngeachtet seiner Undankbarkeit dennoch mit Reichtümer überhäufen wolle; und der Undankbare bezahlt ihn dafür einstweilen mit ein paar falschen Vertraulichkeiten. Der ganze Areopagus wird zusammengerufen. Der Meister spricht mit unglaublicher Salbung und trägt seinen ganzen Schmerz vor, den er fühle, da er sehe, daß man die Talente, welche er wirklich besitze, verkennen wolle, um ihm andre dafür beizulegen, welche er durchaus leugne. Er rechtfertigt darauf sein Betragen gegen seine Favorite, welche sich soweit vergessen hatte, ihm weltliche und irdische Absichten schuld zu geben, indessen er doch nichts als himmlische hatte. Diese salbungsvolle Rede rührte einen der Zuhörer dergestalt, daß er ihm meine Argumente ans Herz legen wollte; ich nahm aber sogleich das Wort und sagte, daß ich dem Meister schon alle meine Gründe und Zweifel entdeckt habe und nichts mehr verlange, als widerlegt und meines Unrechtes überwiesen zu sein. Der Großkophta schwur hierauf bei seinem großen Gotte und auf seine Ehre, daß er das Werk vollenden und alle glücklich machen wolle. Er trieb sogar seine Bescheidenheit so weit, daß er sich erbot, mit Ketten an den Füßen dran zu arbeiten, und daß ihn seine Jünger auf der Stelle ermorden sollten, wenn er nicht vor Endigung der vierten Passage sein Wort hielte. Er legte hierauf die Hände auf die Erde, küßte sie, erhob sie wieder gen Himmel, nahm Gott zum Zeugen, daß er wahr rede, und forderte, daß er ihn vernichten solle, wenn er lüge. Überdies verlangte er, man solle Schloß und Siegel an die Tür des Zimmers legen, worin die Lampe stehe, um ganz sicher zu sein, daß er keinen Betrug mehr damit machen könne. Er gab mir hierauf Ordre, die ganze Materie, welche in dem philosophischen Ei enthalten, in ein anderes, größeres überzugießen, weil er gar nichts mehr anrühren wolle, aus Furcht, neuen Verdacht zu erregen. Die Freude blühte nun wieder in den Gesichtern der Jünger aufs neue auf.
Den 24. Juni.
Ein schlimmes Zeichen! Ich fand das heilige Feuer der Lampe verloschen, zündete sie frühmorgens um 4 Uhr wieder an, schüttete die Materie in ein größeres Gefäß über, setzte dies wieder auf die Lampe und ging gleich darauf einiger Geschäfte wegen in die Stadt. Der Großkophta erwacht, sieht das Ei nur noch halb so voll als gestern, macht Lärm, ruft den ganzen Areopagus zusammen und verkündigt ihm, daß das Ungeheuer, welches sich zuvor erfrecht habe, sein Werk zu verachten und ihn für einen Taschenspieler zu erklären, jetzt selbst einen Raub begangen und einen großen Teil der Materie entwendet habe, um sie für sich selbst allein und in der Stille fertig zu arbeiten. Alle zusammen, sobald sie nur die Phiole sahen, waren von der Richtigkeit dieser schändlichen Tat, der gerechten Klage des edlen Meisters und folglich auch von dem hohen Werte dieses kostbaren Schatzes ganz überzeugt. Man fängt an, schwierig und aufgebracht zu werden, aber der Großkophta besänftigt die kleine Herde und versichert sie, daß er innerhalb drei Tagen schon Rat schaffen und machen wolle, daß das Ungeheuer keinen Vorteil von seinem Raube haben solleDer famöse Graf St. Germain benahm sich in einem ähnlichen Falle genau auch so. Sein sogenannter Kammerdiener war ihm heimlich durchgegangen und hatte ihm das Rezept zu seinem Wunderpulver gestohlen. Man bringt ihm die Nachricht, daß der Kerl sich irgendwo etabliert habe und damit kurieren wolle, und sagt ihm, es müsse ihm doch höchst unangenehm sein, sein Arcanum auf diese Art gemißbraucht zu sehen. – »Nichts weniger,« antwortet St. Germain darauf, »ich werde machen, daß es in des Kerls Händen nicht wirkt!« – So ähnlich sind sich solche Charlatans einander an Geist und Sprache! – D. H. und daß übrigens dieser Zufall weiter keine üblen Folgen haben, als nur das Werk um einige Wochen verlängern werde. Der Enthusiasmus dafür nimmt sogar einige beim Schopfe. Ei – sagen sie – Graf M., so arg er auch Ungeheuer ist, ist doch Kenner, und er würde wahrhaftig nicht beinahe ein Drittel der Materie entwenden, wenn sie nichts wert wäre, wie er spricht. Lassen wir uns nichts weismachen. Er will sie sicher für sich benutzen und ist heute nur fort, um sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Eilen wir daher, ihm zuvorzukommen und dem Könige die üble Meinung zu benehmen, die er ihm vielleicht durch seine nachteiligen Berichte von der Sache gegeben hat. Fort, und laßt uns andern Freunden wichtige Anträge tun, um unserm edlen Meister neue Protektionen zu schaffen.
Gerührt von diesem edlen Eifer, ruft Cagliostro einen zu sich hin und zeigt ihm unten in dem philosophischen Ei die Figur eines auf dem Rücken liegenden Kindes, gerade so, wie man es in den hermetischen Sinnbildern sieht. Dies seltsame Phänomen erweckt auf einmal den tiefsten Respekt gegen die Worte des Meisters, und man entschließt sich nun noch einmütiger, einen neuen mächtigen Proselyten zu suchen, um durch ihn das Ansehen und den schlimmen Einfluß des Ungeheuers zu vernichten.Dies zu verstehen, muß man wissen, daß der Graf M. bei dem Könige, den man gern mit in diesen Handel gezogen hätte, in großem Kredit stand und der König sich ganz auf die Berichte des Grafen in dieser Sache verließ und auch sicher verlassen konnte. – D. H. In diesem Augenblicke der Abwesenheit geht ein unschuldiger Lehrling, dem aber leider schon das Ungeheuer den Kopf eingenommen hatte, hin an die Phiole und betrachtet das arme Kind darinnen mit Aufmerksamkeit, hat Mitleiden mit ihm und will es aus dem Wasser, in dem es schwimmt, retten. Aber siehe da, was der Teufel doch für ein Schelm ist! Denn in dem Augenblicke kommt er dazu und verwandelt den armen Embryo in ein Rosmarinblatt, welches der edle Meister, vermutlich aus Versehen und ganz unvorsätzlicher Weise, hatte fallen lassen. Dieser kleine Umstand, den man doch für nichts als einen bloßen Zufall halten kann, kühlte indessen doch wieder ein bißchen die Hitze des Eifers der Jünger ab. Man erwartete etwas gelassener die Zurückkunft des Ungeheuers. Es kommt gegen Abend zurück, hört, was vorgefallen, und zeigt, daß die Verminderung der Materie in dem Ei nur scheinbar sei, weil eine kleine Phiole, ob sie gleich ganz voll, eine andere, um ein Drittel größere, unmöglich wieder vollmachen könne. Diese boshafte Bemerkung und das Rosmarinblatt stürzt nun wieder die arme Herde aufs neue in die schrecklichsten Zweifel über die Güte des Werkes. Man erhitzt sich und legt dem edlen Meister die Gründe des Ungeheuers aufs neue vor, aber er bleibt auf seinem Kopfe und behauptet, daß man das heilige Gefäß bestohlen habe. Das Ungeheuer antwortet auf alles dies weiter nichts, als daß man andre immer nach sich messe, und geht ruhig schlafen.
Den 25. Juni.
O Nacht! Auf ewig unglückliche Nacht! Warum deckst du nicht mit deinen Finsternissen ein Geheimnis, dessen Schleier nun fallen sollte! Es gebührt profanen Augen nicht, hinzuschauen. – – – Der Geschichtschreiber schweigt hier über das Faktum und die Mittel der Entdeckung,Indessen ists seinem Kommentator erlaubt, das Nähere davon anzugeben. Schon am 8. Juni bekam der Graf M. einen Argwohn, daß bei der Operation in der famosen Loge eine Betrügerei vorgegangen sei. Er war nämlich, in tiefes Nachdenken über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit dieser Operation versunken, der letzte, der sich bei der, nach gemachtem Versuche zu haltenden Tafelloge einfand. Im Hinaufgehen der Treppe hörte er deutlich, daß der Gräfin Cagliostro in einem hart an die Treppe stoßenden Kabinette ein lauter Dankseufzer entfuhr, daß diesmal die Operation so glücklich abgelaufen sei, und daß ein Paket von ihr zum Fenster hinaus in eine Mistgrube geworfen wurde, wo man nachher die Stücken eben dieses verwechselten Schmelztiegels mit der völlig ungeschmolzenen Materialmasse fand. Auf letzteres aber war Graf M., der, im Vorbeigehen gesagt, die Möglichkeit einer Transmutation auch dermalen nicht leugnete, und also mehr über das quomodo als über das an? der Sache selbst nachdachte, – damals gar nicht weiter aufmerksam geworden; besonders da ihm Cagliostro bei dem Souper, nicht nur in Ansehung seiner Neigung zur Kabbalistik und geheimen Wissenschaften sowohl als seiner wirklichen Kenntnis von Chemie (weshalb auch die ganze Sozietät auf ihn gezählt hatte) Gerechtigkeit widerfahren ließ; sondern ihm auch noch mehrere Wissenschaften und wichtige Prozesse an die Hand zu geben versprach; ein Mittel, dessen sich Cagliostro überhaupt bediente, um eines jeden Privatinteresse zuerst zu schmeicheln, und dadurch seiner selbst Meister zu werden. – D. H. aber so viel ist gewiß, daß gleich am frühen Morgen jeder, auch der leichtgläubigste Diszipel, durch authentische Proben überzeugt war, daß der edle Meister bisher mit der Leichtgläubigkeit und Gutherzigkeit seiner Jünger sein unverantwortliches Spiel getrieben hatte; denn ein neugieriges Auge hatte entdeckt, daß der Schmelztiegel, welcher den in der famosen Loge vom 7. Juni präparierten Merkur enthielt, in ein Boskett des Gartens war geworfen worden, und daß das Produkt des andern, welches in die Phiole gekommen war, nichts andres als reines Silber war, das Cagliostro zu Warschau gekauft und geschmolzen hatte. Diese kleinen Vorfälle, welche nun zusammenkamen, machten die Herde so mutlos, daß einige Hitzige darunter den Respekt für den Großkophta verlieren und im Ernste den Versuch machen wollten, ob seine Geister ihn vor der Wirkung der Holzmaterie auf seinem Rücken sichern könnten. Aber das Ungeheuer war hier andrer Meinung und sagte, man müsse ihm lieber eine goldne Brücke bauen und das Possenspiel mit Dezenz endigen. Man nahm diesen Rat zwar an, konnte sich aber doch nicht so weit zwingen, daß der Großkophta nicht durch seine Kabbala entdeckt haben sollte, daß hier eine Schlange unter dem Grab liege; ohngeachtet er sich nicht träumen ließ, daß man neue Entdeckungen gemacht habe, und alles auf die Intrigen des Ungeheuers schob, so dachte er doch nunmehr auf weiter nichts, als Zeit zu gewinnen, die Gemüter zu beruhigen und das Gewitter, wie er gewiß glaubte, abzuwenden. Zu dem Ende versammelte er diejenigen von seinen Schülern, welche er nur noch für schwankend hielt, und sagte ihnen, daß die Verlegenheit, welche er auf ihren Gesichtern bemerke, sicher von nichts anderm als von dem Mißtrauen herkomme, welches ihnen von dem Ungeheuer eingeflößt worden sei; aber er wolle ihnen bald beweisen, wie verwegen man dergleichen Gedanken von ihm hege, und was er für ein Mann sei. Zum Beweise dessen erbot er sich, morgen eine neue Operation mit einem Kinde, welches nichts als Polnisch verstehe, zu machen, und welches er folglich auch nicht zu seinem Zwecke vorbereiten oder einnehmen könne. Darauf wolle er mit ihnen um Mitternacht mit einer Laterne in den Garten gehen, sich aber etwas von dem Hause entfernt halten, damit der gewaltige Lärm, welcher entstehen würde, nicht die Fenster im Palais einschlage; und da wolle er sie eine Wirkung sehen lassen, welche sie alle in Erstaunen setzen würde. Tags drauf wolle er fünfzig Pfund Merkur zum Besten der Armen in feines Silber verwandeln, und darauf noch eine große Operation machen, worüber die ganze Stadt, welche davon Zeuge sein solle, erstaunen werde, und dann wolle er abreisen und ganz Polen seiner leeren Reue überlassen, welches keinen Großkophta oder Cagliostro je mehr sehen solle.
Die arme erschrockene Herde kam, hierüber bestürzt, sogleich zum Ungeheuer und gab ihm von allem diesem Nachricht; und dieser Ungläubige versuchte es abermals, ihnen das neue Rätsel folgendergestalt zu lösen: Unser teurer Meister ist jetzt in der Angst, fürchtet einen Generalaufstand und daß seine Schäflein vielleicht eine unangenehme Operation mit ihm selbst vornehmen mögen; er will nur Zeit gewinnen, um auf eine gute Art entwischen zu können. Wollt ihr ihm also noch Zeit zu seinen vorgeschlagenen Operationen geben, so seid wenigstens auf eurer Hut, daß er nicht mit den Brillanten, welche er schon verzaubert hat, entwischt. Dies ist sehr leicht möglich, denn er wird das Kind solange mit seinen Fragen, hundertmal wiederholten Gesten, Treten mit dem Fuße und Gaukeleien mit dem Degen plagen, bis es alles antwortet, was er will. Dann glaubt er vielleicht eurer Vertrauen gewonnen und eure Aufmerksamkeit auf ihn eingeschläfert zu haben, und macht sich in dem ersten günstigen Augenblicke dazu auf und davon. Oder bleibt er auch bis auf den Abend und will seine Mitternacht-Operation euch machen, so muß ich euch sagen, daß er immer eine Partie Schießpulver bei sich führt und euch vielleicht eine Operation mit einer Petarde machen will, die höchst gefährlich werden kann. Was mir dies wahrscheinlich macht, ist, daß er sagt, er müsse die Operation in einiger Entfernung vom Palais machen, um die Fenster nicht einzuschlagen. Nun kann er leicht die Mine mit einem Pulver anlegen, das sich in gewisser Zeit von selbst entzündet, euch in einen Zirkel einschließen und euch in der Ferne halten. Die Explosion und große Flamme wird, wenn sie auch sonst keinen Schaden anrichtet, euch blenden, und der Großkophta wird samt den Diamanten auf dem feurigen Drachen durch die Lüfte davonfliegen, um nimmer wiederzukommen. Ihr werdet seine arme hinterlassene und in Tränen schwimmende Gattin beklagen, und diese wird auch abreisen, um ihren teuren Gemahl in einem der vier Weltteile, oder 10 bis 12 Meilen von hier, wieder aufzusuchen. Also, ihr Herren, macht, was ihr wollt. Laßt ihr ihn aber seine Operation noch machen, so bitte ich, gebt nur auf den feurigen Drachen und auf meine Weissagungen acht.
Den 26. Juni.
Diese Nacht wird nicht für alle gleich ruhig sein. Sicher präpariert sich jetzt schon der Großkophta zu seinen Zauberbeschwörungen, d. h. er packt sein Bündel. Er hatte ja schon für 2500 Dukaten Diamanten in seiner Tasche, ehe er noch in dies Haus aufgenommen wurde.
– Er ist fort! Mit gutem Willen seiner Jünger fort! Er hat zwar einem aufgetragen, das Werk der Lampe sorgfältig fortzusetzen, und versprochen, in Kurzem eine Portion Pulver zum Beweise, daß er kein Betrüger sei, zu schicken. Seine anderen Diszipel waren so grausam, nicht einmal seinen Abschied annehmen zu wollen, und sahen ihn nur von ferne in den Wagen steigen, ohne eine Träne zu vergießen. Er verschwand vor ihren Augen, die ihn, nach seiner Weissagung von gestern, schwerlich jemals wiedersehen werden. Nun sage man mir noch, wir haben keine Propheten mehr.
Den 27. Juni.
Nachdem ich hier die Hauptfakta der Operationen, welche ich gesehen, gesammelt und alles, was in der kurzen Zeit vorgegangen ist, mit kaltem Blute untersucht habe, so kann ich nicht umhin, noch einige Anmerkungen darüber niederzuschreiben.
Ich kann nicht begreifen, wie es Cagliostro gemacht haben muß, sich einen so großen Ruf im Norden zu verschaffen; denn waren sein Betragen und seine Operationen dort ebenso wie hier, so ist's zum Erstaunen, wie man ihm nur glauben konnte. Ohne eben ein Adler von Scharfsinnigkeit zu sein, habe ich ihn doch gleich bei der zweiten Unterredung schon ohngefähr für das genommen, was er wirklich ist. Allein weil ich mich nicht auf den ersten Eindruck allein verlassen wollte, und sonderlich auf die Zeugnisse unterrichteter Personen von ihm und den Proben seiner Kenntnisse Rücksicht nahm, so beschloß ich ihm ohne Vorurteil ganz genau zu folgen und sowohl seine Mittel als die Art von Wirkung, welche man von ihm gesehen haben wollte, genau zu beobachten. Dies bewog mich, ihn sowohl bei seinen Operationen als in seinem Privatleben fast nicht aus den Augen zu verlieren. Meine Bemerkung über die ersteren habe ich in diesem Journale niedergeschrieben, und meine Gedanken über das letztere will ich hier noch hinwerfen.
Cagliostro zankt und entzweit sich gleich nach seiner Ankunft hier in Warschau mit einem Freunde, den er in Mailand gekannt hatte, der ihn an viele Personen von Stande präsentierte und in der ganzen Stadt die Verdienste des berühmten Reisenden ausposaunte. Dies war seine erste Dummheit!
Er wählt zu seinen Operationen ein gescheites Mädchen, von dem er weiß, daß es Personen angehört, denen alles daran gelegen ist, den Kredit und Despotismus, den er sich in einem der ersten Häuser angemaßt hat, zu untergraben. Zweite Dummheit!
Anstatt zurückhaltend und bescheiden zu sein, prahlt er vielmehr in Gegenwart unserer ersten Schönheiten und immer gegen die Weiber, von den großen Wissenschaften, welche er besitze. Jedes Wort ist eine Aufschneiderei oder eine höchst unwahrscheinliche Sache. Der geringste Widerspruch macht ihn wütend, und seine Eitelkeit bricht von allen Seiten aus, wenn er erlaubt, daß man ihm eine Fête gibt, welche die ganze Stadt in Bewegung setzt. Die meisten Betrüger sind sonst geschmeidig und suchen sich gute Freunde zu machen. Dieser hingegen scheint darauf zu studieren, recht ruhmredig zu scheinen und sich alle Welt durch seine groben und beleidigenden Reden und durch die schändlichsten Klatschereien zwischen den vertrautesten Freunden zum Feinde zu machen. Leute seiner Art suchen sonst mäßig und keusch zu scheinen. Er tut gerade das Gegenteil. Andere Scharlatans erhalten sonst sorgfältig ihre Verbindung mit Leuten, die ihnen ihren Hokuspokus ausführen helfen; er hingegen zankt und entzweit sich mit ihnen um ein Nichts und glaubt hernach mit einem trotzigen »Es ist nicht wahr« sie vor dem Publikum zu Lügnern zu machen, wenn sie aus der Schule schwatzen. Dritte Dummheit!
Er kommt mit seiner Frau in ziemlich schlechtem Aufzuge, ohne Wäsche und kaum mit etlichen mäßigen Kleidern in Warschau an. Kurz darauf equipieren sich beide sehr geschmackvoll, ja selbst prächtig, und suchen diesen schleunigen Übergang so wenig zu verstecken, daß sogar die Bedienten deutlich merken, daß diese Verwandlung aus einem fremden Beutel geschieht; und indessen fordert der Prahler das ganze Publikum trotzig heraus, man solle auftreten und ihm beweisen, daß er Geschenke und Geld annehme, da doch heimlich markierte Dukaten gerade das Gegenteil beweisen. Vierte Dummheit!
Der völlige Mangel aller Kenntnisse jeder Art nötigt Cagliostro zu dem elenden Behelfe, Kindern hinter einer Türe Geister zu zeigen. Schröpfer in Leipzig war in dieser Kunst weit geschickter; denn er ließ sie seinen Zuschauern selbst sehen. Cagliostro verachtet alle Religionen und schließt ihre Gebräuche von seinen Mummereien aus; da er doch, wenn er sein Handwerk recht verstünde, wissen sollte, daß gerade Religionsgebräuche eins der wirksamsten Mittel für dergleichen Schurken sind, auf eine lebhafte Einbildungskraft Eindruck zu machen und die Sinne zu täuschen. Wäre dieser Mensch ein wenig mehr in der Optik, Akustik, Mechanik und in der Physik überhaupt erfahren; hätte er ein wenig die sonderbaren Künste eines Comus und Philadelphia studiert; was für Dinge hätte er nicht mit der Art von Reputation eines Wundermannes, die er schon erworben hatte, mit der Geschicklichkeit, alle Handschriften nachzumachen, mit den guten Anlagen zur Taschenspielerei, die er zeigt, mit der eisernen Stirn, die er hat und die nicht erröten kann, in der Welt tun können! Er hätte sich nur noch einen Bauchsprecher beigesellen dürfen, und gewiß, er hätte eine der größten Rollen dieser Art in der Welt spielen und die aufgeklärtesten Männer und Feinde aller dergleichen Betrügereien gewiß hintergehen können. Hätte er dann noch zu seinen Geisteroperationen sich einen kleinen Vorrat von echten chemischen Künsten aus der Lektüre guter chemischer Schriftsteller, z. B.: eines Lemeri, Macquer, Le Sage, Kunkel, Glauber, Vogel, Cartheuser, Bergmann usw. gesammelt, richtige chemische Theorie und Manipulationen, davon er gar nichts weiß, gelernt, so hätte er, bei Gott, sogar denjenigen, die ein langes und eigenes Studium aus dieser Sache gemacht haben, Staub in die Augen werfen können. Kurz, man muß es für ein eigenes Schicksal halten, daß ein so vollkommener Ignorant, als der Mensch ist, und dem es sowohl an Kenntnissen als nötiger Klugheit fehlt, es dahin bringen konnte, alle diejenigen, die das Unglück hatten, ihm in die Hände zu fallen, aufzusetzen und zu plündern.