Friedrich von Oppeln-Bronikowski
Der Schwarzkünstler Cagliostro
Friedrich von Oppeln-Bronikowski

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Nach einigen Tagen reiste Cagliostro mit seiner Frau, Herrn v. Howen, Herrn v. Korff, meinem Vater und mir nach Wilzen zu meinem Vaterbruder, woselbst wir diesen mit seiner Gemahlin, seiner Tochter und seinen beiden Söhnen schon vorfanden. Mich nahm Cagliostro allein in seinen Wagen, und da hatte er einige Gespräche über Magie mit mir, welche mir eine große Achtung für seinen moralischen Charakter (gegen den ich mißtrauisch zu werden angefangen hatte), einflößten. Nun bekam ich über manches, das mir an ihm mißfallen hatte, Licht; und ich muß gestehen, sein Scharfsinn und seine Menschenkenntnis setzten mich fast nicht minder als seine magischen Experimente in Erstaunen. Eine Geschichte muß ich hersetzen, ehe ich weiter in meiner Erzählung fortfahre.

Cagliostro fragte mich nach einigen Gesprächen: was ich von Z. hielte? ob ich ihm diesen nicht näher bekanntmachen und einige Umstände aus seinem Leben sagen könnte? Ich antwortete: Ich kenne Z. zu wenig, um Ihren Wunsch zu befriedigen. (Mir war eine Anekdote von Z. bekannt, die ihm hätte Nachteil bringen können, und von welcher ich zufällig wußte, daß außer ein paar Freunden und meiner Mutter, keine Seele sie wußte. Meine Mutter hatte sie mir unter dem heiligen Siegel der Verschwiegenheit vertraut.) Cagliostro sah mir scharf ins Gesicht und sagte mit bedeutender Stimme: »Sie wissen also nichts von Z., wodurch Sie mich näher mit seinem Charakter und Schicksale bekannt machen könnten, da mir doch sehr daran gelegen wäre.«

Ich. »Wahrlich, Z. ist wenig von mir gekannt.«

Cagliostro. Schlange, die ich an meinem Busen nähre! Du lügst! Schwöre, schwöre mir hier, daß du von Z. Lebensumständen keine Anekdote weißt, die außer dir nur dreien bekannt ist.

Ich muß gestehen, daß ich hier bestürzt wurde. Ich schwieg einige Minuten und ging mit mir zu Rate, wie ich hier, ohne mein Wort zu brechen, und ohne wider meine Grundsätze von Recht und Unrecht zu handeln, herauskommen sollte. Cagliostro sah mich zornig an und sagte: »Nun, Heuchlerin, was verstummen Sie? Antworten Sie mir, Sie wissen also nichts von Z. zu sagen?« Ich erwiderte mit großem Ernste: »Herr Graf? Ihr Betragen befremdet mich; ich weiß nicht, für wen Sie die Szene spielen, da Sie doch jetzt nur mich an Ihrer Seite haben: mich, die, wie Sie selbst sagen, von Ihrem dienstbaren Geiste Hanachiel beobachtet wird. Da ich das Auge des Allsehenden, der in das Innere meines Herzens lieset, nicht zu scheuen habe, so fürchte ich auch die Beobachtung Hanachiels nicht, wenn er als guter Geist in meiner Seele lieset. Und ist er es nicht; nun! so mag er Ihnen von mir berichten, was er will. Ich traue auf den, der Dämonen und Nekromantisten im Zaume zu halten weiß, und bin überzeugt, daß er alle Unordnungen in der Welt am Ende zum besten lenken wird.« – Cagliostro sah mich sehr freundlich an, drückte meine Hand, und sagte: »Gute Seele! die Verschwiegenheit, die Stärke des Geistes und die Klugheit, hätt' ich Ihnen bei Ihrer Jugend nicht zugetraut. Sie haben sich aus dieser Sache weit über alle meine Erwartung herausgezogen. Nun kann ich Ihnen sagen, wie die Sache zusammenhängt. Mir ward von meinen Oberen befohlen, Ihnen diese verfängliche Frage vorzulegen, nachdem sie mir den ganzen Zusammenhang der Sache entdeckt, und mir sogar gesagt hatten, daß Ihre Mutter Ihnen die Geschichte zur Erweiterung Ihrer Menschenkenntnis bekannt gemacht hat. Würden Sie mir das Ganze gestanden haben, nun, so war ich in Furcht gewesen, daß Sie aus Schwäche auch künftigen Versuchungen unterliegen, und an den gefährlichen Klippen der Magie scheitern würden. Hätten Sie die Frechheit gehabt, einen solchen Eid zu schwören, dann hätten Sie den ersten Schritt gemacht, um in noch größere Laster zu sinken, und ich hätte allmählich meine Hand von Ihnen abziehen müssen. Wir wollen nun von dieser Sache abbrechen; aber ich wiederhole es nochmals, die Bahn der Magie, auf welcher Sie weit kommen können, da Sie alle Gaben des Geistes und Herzens dazu haben, ist gefährlich, und unter tausend erreicht höchstens nur einer das hohe Ziel, durch welches man sich und andere beseligen kann, sobald man, ohne in einen Abgrund zu stürzen, allen Versuchungen entkommen ist.« – Hier schwieg Cagliostro, und ich antwortete nichts, doch hatte mich diese Sache sehr nachdenkend gemacht. Nach einer Weile sagte er mir: Ich sollte, was sich unter uns zugetragen, allen Brüdern und Schwestern ohne Ausnahme verschweigen; denn er hätte seine guten Gründe, diese, seine Kraft, in Menschenseelen zu lesen, noch bis jetzt zu verbergen.Wenn man den Gesichtspunkt nicht aus den Augen verliert, daß Cagliostro es darauf angelegt hatte, mich zur Reise mit ihm nach Petersburg zu bewegen, so wird man sich es leicht erklären, warum er alles anwendete, um bei mir für einen Mann zu gelten, der übernatürliche Kräfte des Geistes besitze und in den Seelen der Menschen wie in einem offenem Buche läse. Mit bewunderungswürdiger Schlauigkeit hatte Cagliostro diese Geschichte eingefädelt, und kein Wort ging aus seinem Gespräche für mich verloren, ob es gleich auf meine Seele nicht gerade die Wirkung tat, die Cagliostro hervorbringen wollte. Denn ich muß gestehen, daß ich nun seine Kraft, in Menschenseelen zu lesen, nicht mehr bezweifelte, ihn und seine Verbindung mit höheren Geistern in großen Ehren hielt und die Hoffnung in mir nährte, durch ihn zum höchsten Gipfel der Magie zu gelangen. Erst, nachdem ich überzeugt wurde, daß Cagliostro ein Betrüger sei, löste sich diese mir unerklärliche Geschichte auf, weil ich es nun wagte, Cagliostros Gebot zu übertreten und mit meiner verstorbenen Stiefmutter und mit den beiden Freunden, die um die Sache wußten, über dieses mir von Cagliostro unbegreifliche Stück zu sprechen. Da zeigte es sich, daß Cagliostro durch verfängliche Fragen dem einen Freunde die ganze Geschichte im Zusammenhange auf die listigste Art abgelockt und durch ihn erfahren hatte, daß auch ich durch meine Stiefmutter von dieser Geschichte unterrichtet sei. Damals war unserem Freunde über dies Gespräch das Gebot der tiefsten Verschwiegenheit im feierlichsten Tone von Cagliostro gegeben; so wie auch mir von unserem Helden strenges Schweigen über die Erfahrung geboten wurde, die ich von seiner vermeinten Kraft, in Menschenseelen zu lesen, gemacht hatte. Wir, von unserm Oberen zum blinden Gehorsam erzogene Schüler, befolgten seine Vorschrift; und so war Cagliostro sicher, daß sein Betrug nicht entdeckt werden konnte, solange wir an seine vorgespiegelte Verbindung mit höheren Geistern Glauben hatten.
Wie listig Cagliostro seine Rolle weiter fortspielte, da wir uns dem Walde nahten, der die vorgeblichen Schätze enthalten sollte, dies wird jedem nachdenkenden Leser meines gegenüberstehenden Aufsatzes vom Jahre 1779 auffallend sein. (1787.)

Da wir unweit Wilzen waren, sprach und betete er still für sich in einer fremden Sprache, las etwas in einem kleinen, roten, magischen Buche und sagte, da wir einen Wald sahen, mit wildem Feuer: »Dort, dort liegen die magischen Schriften vergraben! Du großer Baumeister der Welten, hilf mir das Werk vollenden!« – Nach einer Weile sagte er: »Diese magischen Schriften und Schätze werden von den stärksten Geistern bewacht, und nur Geister können sie heben. Ob ich der Glückliche sein kann, durch dessen Vermittlung sie gehoben werden sollen, weiß der allein, der mich gesandt hat. Aber binden werd' ich die Geister, die den Schatz bewahren, dergestalt, daß mein Nachfolger nichts ohne mein Wissen und meine Beihilfe unternehmen kann, selbst wenn ich dreihundert Meilen entfernt sein sollte.« – Gleich nach seiner Ankunft in Wilzen ging er ohne Wegweiser mit Herrn v. Howen, meinem Vater und meinem Vaterbruder nach dem Walde, den er beschrieben hatte, und zeigte dort den abgebrochnen Baum, unter welchem die von den Geistern bewachten Schätze liegen sollten. Dort soll er wieder allein für sich eine Beschwörung gemacht und einen seiner Geister an diese Stelle gebunden haben. Den andern Morgen, zwischen zehn und elf Uhr, machte er wieder ein magisches Experiment mit dem Kinde, in Gegenwart aller anwesenden Mitglieder unserer Loge. Er verfuhr bei diesem wie bei dem ersten Experimente, welchem ich beigewohnt hatte, nur mit dem Unterschiede, daß das Kind in dem nämlichen Zimmer, wo wir im Kreise saßen, hinter einem Schirme war, und Herr v. Howen in demselben Kreise neben Cagliostro stand. Dem Kinde hatte Cagliostro einen großen eisernen Nagel zu halten gegeben und dem Kleinen geboten, niederzuknien und nicht eher aufzustehen, als bis er den ihm schon bekannten, schönen Jungen gesehen habe. Nachdem dieser dem Knaben erschienen war, gebot er dem Geiste mit dem roten Kreuze zu erscheinen, sich an den Nagel zu binden und den Schatz im Walde so zu bewahren, daß keiner sich diesem ohne sein Wissen nahen könnte. Auch sollte der Schatz ohne Herrn v. Howen nicht gehoben werden und nie zu finden sein. Darauf gebot er Herrn v. Howen niederzuknien und dem Geist mit dem roten Kreuze, sich an ihn zu fesseln. – Nun mußte Herr v. Howen dem Kinde einige Fragen, die Cagliostro ihm vorsagte, tun. Aber wenn Herr v. Howen sprach, so berührte Cagliostro ihn mit dem magischen Schwerte. Herr v. Howen mußte nun folgendes dem Cagliostro nachsprechen:

»Im Namen meines Meisters und Lehrers Cagliostro gebiete ich dir, du zum Seher auserkorenes Kind, dir von den dienstbaren Geistern unseres großen Lehrers den Wald, der die Schätze enthält, zeigen und die Erde, welche diese deckt, öffnen zu lassen.«

Das Kind. Der Wald ist da, die Erde ist offen, und ich sehe eine Treppe und einen langen Gang.

Hier gebot Cagliostro Herrn v. Howen, der immer noch kniete, aufzustehen, aber im magischen Zirkel zu bleiben, und setzte nun selbst die Fragen an das Kind fort.

Cagliostro. Gehen Sie die Treppe hinunter. Zählen Sie die Stiegen so laut, daß wir es hören können, und dann gehen Sie bis ans Ende des Ganges und sagen Sie mir, was Sie da sehen.

Das Kind zählte nun Stiegen, und wir konnten die Tritte hören, auch hörten wir noch, daß er einige Schritte weiter ging. Darauf sagte der Kleine:

Hier sind viele goldne Ruten, Gold- und Silbermünzen, allerlei Sachen von Eisen, beschriebene Papiere und rotes Pulver.Wie viele Quellen, die Erwartungen der Menschen zu spannen und durch Hoffnungen über ihre Seelen zu herrschen, wußte Cagliostro sich zu öffnen! Und wie ähnlich ist der Gang, den alle solche intrigante Betrüger gehen! Reichtum, Gesundheit, langes Leben, Herrschaft über die Geister- und Körperwelt, bieten sie ihren Schülern aus ihrem magischen Füllhorne dar, herrschen durch alle diese Vorspiegelungen über ihre gläubigen Eingeweihten und brauchen diese dergestalt als Maschinen, deren Gang sie nach ihrem Belieben leiten. Das rote Pulver, welches der Knabe unter den Schätzen zu sehen vorgab, war nach Cagliostros Aussage die erste Materie, durch welche man alle Metalle zur Reife des Goldes zu bringen vermöge. So wie man durch den Hang zur Magie in die Gefahr gerät, von der wahren Religion abzuweichen, die Welt für eine Zauberlaterne zu halten und Gott, den Schöpfer der Welt, den Allvater in unserer Idee, zu einem ohnmächtigen Wesen zu erniedrigen, welches eine Menge Gehilfen braucht, um das Werk seiner Schöpfung in Ordnung zu halten; so führt auf der anderen Seite der Hang zur Alchimie von der wahren Wissenschaft der Physik und Chemie ab und führt dagegen oft den sicheren Weg zum Bettelstabe. Beide Leidenschaften setzen diejenigen, die sie hegen, der Gefahr aus, ein Spiel intriganter Gaukler zu werden, die teils durch lebendigen Umgang und teils durch mystische und mysteriöse Schriften der Seele eine falsche Richtung geben, durch welche sie Aberglauben und Irrtum als heilige Wahrheit annimmt und verehrt. (1787.)

Cagliostro gebot der Erscheinung, zu verschwinden. Dann machte er eine andere Beschwörung und fragte:

»Was sehen Sie jetzt?«

Das Kind. Ich sehe sieben sehr schöne Menschen, alle in weißen langen Kleidern: der eine hat ein rotes Herz vor der Brust, die anderen alle haben rote Kreuze und etwas vor der Stirne geschrieben, aber ich kann nicht lesen.

Cagliostro gebot diesen Geistern, sich so, wie er es im Sinne hatte, an gewisse Gegenstände zu fesseln, und hieß das Kind alle sieben Geister umarmen, jedem einen Kuß geben und sich von jedem küssen zu lassen (diese vierzehn Küsse hörten wir auch). Endlich gebot Cagliostro den Erscheinungen, zu verschwinden, ließ das Kind hervortreten und ging mit dem Kinde und den anderen Herren nach dem Walde und befestigte dort, wo die magischen Schriften vergraben liegen sollten, den durch Beschwörung geheiligten Nagel. Nach acht Tagen fuhren wir in Gesellschaft unserer Brüder, die im magischen Kreise eingeweiht waren, zu meiner Mutter nach Alt-Auz. Denn mein Vater war beständig um Cagliostro, der nun in Mitau das Haus meiner Eltern bezogen hatte. In Alt-Auz fanden wir meinen Oheim, dessen Gemahlin, ihre Tochter und ihren kleinen Sohn vor uns. Dort hielt Cagliostro einigemal eine Art von öffentlicher Vorlesung; doch waren nur wir Mitglieder der Loge d'Adoption, meine verstorbene Stiefmutter und noch zwei Profane seine Zuhörer. Er blieb sich in diesen Vorlesungen gar nicht gleich: Zuweilen sagte er erhabene Dinge, und dann war so viel Plattes dazwischen, daß wir alle an ihm irre wurden. Aber ich kann mir dies wunderbare Gemisch von tief verborgener Weisheit und bisweilen gar Torheit und anscheinender Bosheit gar wohl in ihm erklären.Man wird mir den pathetischen Ton, mit welchem ich über Cagliostro in meinem Aufsatze vom Jahre 1779 spreche, zugute halten, wenn man bedenkt, daß dieser Aufsatz in vollem Glauben an seine Wunderkraft niedergeschrieben wurde, und daß Cagliostro sich es angelegen sein ließ, sein ganzes Betragen gegen mich zu beschönigen, und seinen vielen Ungereimtheiten in meinen Augen ein ehrwürdiges Ansehen zu geben. Aber eben daraus, daß ich, obgleich in vollem Glauben an ihn, dennoch die Ungleichheit in seinem Betragen bemerkte, kann man urteilen, daß er bei aller seiner Schlauigkeit sich nicht genug habe zu verstellen gewußt, und daß er teils seine Unwissenheit, teils seinen schlechten rohen Charakter zuweilen durchscheinen ließ. Es ist also kein Wunder, daß einige unter uns, die weniger für Cagliostro eingenommen waren als ich, ihn noch genauer beobachteten und ihn damals schon für das erkannten, was er ist: für einen Betrüger; ungeachtet sie damals die Art des Betruges nicht ausmachen konnten oder auch nicht ausmachen durften. (1787.) Auch teilte er unseren Brüdern das Geheimnis mit, aus schlechtem Flachse Kastor zuzubereiten.

Den ersten Tag unserer Ankunft in Alt-Auz sagte Cagliostro zu dem kleinen Sohn meines Vaterbruders, ohne daß er irgendeine magische Vorbereitung machte: »Gehen Sie in das Nebenzimmer, dort werden Sie eine Person in einem langen weißen Kleide sehen; sagen Sie dieser, daß sie mir die Nacht um ein Uhr erscheine und sich darauf vorbereite, mir auf alles, was ich fragen werde, gewissenhaft zu antworten. Wenn Sie dies getan haben, dann gebieten Sie der Erscheinung, zu verschwinden.« – Der Knabe ging dreist nach dem anderen Zimmer, kam nach einer kleinen Weile zurück und sagte: »Ich habe alles gefunden, wie Sie gesagt, und alles bestellt, wie Sie befohlen haben.«Jetzt wird man es sehr begreiflich finden, daß der Knabe zu dieser Antwort wohl abgerichtet war und den Bericht von der Erscheinung brachte, ohne etwas gesehen zu haben. Aber nach unsrer damaligen Seelenstimmung erstaunten wir über die Kraft des kleinen Sehers und herzten und liebkosten in dem Kinde, nach unsrer Meinung, einen künftigen Geisterbeherrscher.
Noch muß ich hier eine Anmerkung hersetzen, die zeigt, wie schlau Cagliostro auch durch Kleinigkeiten seine Schüler zu prüfen wußte, um sein Betragen gegen sie durch Kenntnis ihrer Charaktere bestimmen zu können.
Bevor Cagliostro in Alt-Auz seine Gaukelei mit der Geisterbeschwörung spielte, waren einige von uns auf seinem Zimmer, die noch keiner Beschwörung beigewohnt hatten, wohl aber von denen, welchen dies Heil widerfahren war, durch die Erzählung aller dieser Wunder zu hohen Erwartungen gespannt waren. Cagliostro zeigte also seinen neuen Zuschauern in seinem Zimmer einen Kasten, der durchaus von einem aus der Gesellschaft in dem Zimmer vor der Beschwörung umhergetragen werden mußte; aber er sagte dabei, daß dies Geschäft für den, der den Kasten trage, Gefahr habe, obgleich der Kasten nicht schwer sei. Herr v. Medem aus Tittelmünde, ein sehr entschlossener Mann, erbot sich sogleich dazu, und trug den Kasten so, wie Cagliostro den Wink gab, ohne im geringsten dekontenanciert zu werden, im Zimmer umher. – Noch bitte ich die Leser meines Aufsatzes vom Jahre 1779 zu bemerken, daß der Knabe beinahe immer die nämlichen Erscheinungen hersagte, die er die ersten beiden Male angezeigt hatte. Es war dem Cagliostro also um so viel leichter, dem Knaben Winke zu geben. (1787.)

Den zweiten Abend machte Cagliostro unter verschlossenen Türen im Beisein aller Anwesenden beinahe das nämliche Experiment, welches er in Wilzen gemacht hatte. Doch mit der Abänderung, daß er hier keinen Nagel brauchte, und daß er mitten in seiner Zitation Herrn v. Howen winkte, zu ihm zu kommen, ihn niederknien hieß und das Kind fragte, wer jetzt erscheine.

Das Kind sagte: »Howen liegt auf den Knien.« – Darauf gab Cagliostro ihm seine Uhr in die Hand. »Was sehen Sie jetzt?« Das Kind antwortete: »Howen hält die Uhr in Händen.«

Ich muß dabei erinnern, daß das Kind in dem nämlichen Zimmer hinter einem Schirme stand. Allein Cagliostro hatte mich, ehe die Zitation anging, den Platz sehen lassen, auf welchem der Knabe die Erscheinung haben würde. Und da war weder magischer Spiegel, noch konnte das Kind, wenn es sich auch auf alle Seiten wand, auf eine natürliche Art sehen, was außer dem Bezirke, den es einnahm, geschah.Jedem unbefangenen Leser wird Cagliostros Dreistigkeit und betrügerische Schlauigkeit in seinem Gespräche mit mir auffallend sein. Ich muß es gestehen, daß er mich damals durch seinen Schwall von Worten und durch seine auf Schrauben gesetzten Ausdrücke befriedigt und meine Einbildungskraft aufs neue durch hohe Erwartungen erhitzt hatte. Jetzt, nachdem ich über alle diese Dinge reiflich nachgedacht habe, kann ich es freilich kaum begreifen, wie ich durch die ganz kahlen Entschuldigungen und das leere Wort ›magisch‹ mich so ganz habe zufrieden stellen lassen. (1787.)

Ich muß es gestehen, bei dieser Zitation waren mir einige Dinge auffallend. Erstlich schien es mir, daß er diesmal gar keinen zureichenden Grund gehabt, eine Beschwörung zu machen;Man sehe oben, S. 52, Cagliostros Vorgeben: er dürfe bloß aus eitler Neugierde nicht Beschwörungen machen. (1787.) und dann hatte doch Herr v. Howen den magischen Kreis übertreten, ohne daß es irgendeine üble Folge gehabt hätte; auch schien mir die ganze Geschichte mit dessen Erscheinung und dem Halten der Uhr unter der Würde der Magie zu sein. Ich entdeckte Cagliostro diese meine Zweifel.

Cagliostro erwiderte: »Sie urteilen immer noch wie der Blinde von der Farbe. Sagen muß ich es Ihnen, daß, solange Sie noch bloß in den Vorhöfen dieser heiligen Wissenschaften sind, Sie manches unerklärlich finden werden. Was den magischen Kreis betrifft, den Herr v. Howen übertreten hat, so kann ich Ihnen sagen, daß es in dem Plane meiner heutigen Zitation war,Der Leser wird einsehen, daß dies und das folgende bloß leere Ausflüchte waren, mit welchen sich Cagliostro zu entschuldigen wußte, da ich ihm unvermutet einen Zweifel machte. Er hatte mir eine so hohe Meinung von sich beigebracht, daß ich mit diesen Ausflüchten mich zufriedenstellen ließ, ungeachtet bei etwas reiferem Nachdenken einzusehen ist, daß es nichts als leere Worte waren. (1787.) Herrn v. Howen diesen übertreten zu lassen; und so hab' ich meinen Geistern bei meiner Beschwörung zugleich geboten, die Stellen zu bewachen, die Herr v. Howen heute betreten würde. Warum ich Herrn v. Howen aber heute erscheinen ließ, kann ich Ihnen nicht sagen. Die Uhr, die ich ihm zu halten gab, ist eine magische Uhr, die, wenn sie zur Stunde der Zitation von dem gehalten wird, den Hanachiel oder Gabriel bewacht, die Wirkung hat, welche meine Oberen wünschen, daß sie haben soll. Zu jeder anderen Stunde ruht die Kraft dieser Uhr. Aber wenn die Geister mich durch Zitation umschweben, dann wollt ich es keinem raten, diese Uhr ohne Vorbereitung zu berühren. Auch kann ich in der Seele dessen, der unter diesen Umständen die Uhr einige Minuten in Händen hält, ungleich schneller lesen als in andern.«

Nach acht Tagen reisten wir, die wir mit ihm nach Alt-Auz gekommen waren, wieder nach Mitau zurück. Unterwegs sprach Cagliostro viel über die Standorte, auf welche er die Mitglieder unserer Loge stellen wollte, um die Kräfte eines jeden dergestalt zu brauchen, daß sie am tätigsten für das Wohl der Welt würden. Alles, was er über diese Sache sagte, flößte mir Ehrerbietung für seinen Charakter und Bewunderung für seinen Verstand ein, und söhnte mich mit mancher anscheinenden Marktschreierei und Schiefheit seines Charakters aus.In diesem Gespräche schmeichelte Cagliostro mir mit der überspannten Idee, die mir aber damals sehr glaublich schien: daß ich, wenn ich mich unermüdet der Magie weihte, bald so weit kommen würde, nicht nur des belehrenden Umgangs der Verstorbenen zu genießen, sondern auch von meinen Oberen zu geistigen Reisen in die Planeten gebraucht und nachgehends zu einer der Beschützerinnen unsers Erdballs erhöht zu werden, bis ich, als eine bewährte Schülerin der Magie, zu noch höheren Regionen emporgehoben würde. Sicher zieht mir dies offenherzige Geständnis, daß ich diese Feenmärchen glauben konnte, den Spott mancher Leser zu. Aber diejenigen, die dem Hange zur Schwärmerei und den Stiftern geheimnisvoller Sekten nachgespäht haben, werden meine damalige Gemütslage der Natur unserer Seele sehr angemessen finden und werden sich es nicht befremden lassen, daß, da ich einmal durch den blinden Glauben an die magischen Vorspiegelungen des Cagliostro aus der wahren in die ideale Welt versetzt war, ich nun auch notwendig alle meine Träumereien, zu welchen mich verschiedene Dinge veranlaßten, für beseligende Wahrheit hielt. Sollten andere, die meinen vormaligen Weg noch jetzt wandeln, sich an meinen Verirrungen des Verstandes spiegeln, und ferner nicht nach übernatürlichen Dingen lüstern sein wollen, so wäre ich hierdurch für das Opfer, welches ich der Wahrheit durch die offenherzige Bekanntmachung meines damaligen Gemütszustandes bringe, mehr als belohnt. (1787.)

Wenn er mir nicht schon zu große Beweise seiner Kraft, in den Seelen der Menschen zu lesen, gegeben hätte, so würde er mich bei unserer diesmaligen Versammlung in Alt-Auz völlig überzeugt haben, daß höhere Kräfte in seiner Gewalt stehen. Er nannte mir nicht nur die Namen jedes Zweiflers, sondern sagte mir auch den Grund, auf welchem jeder seine Zweifel stützte, und wodurch sie sich bei so vielen guten Eigenschaften um das Glück brächten, Magiker zu werden. N. N. sagte er, wäre seiner Lieblingswissenschaft zu sehr ergeben. Solange die Seele für eine Wissenschaft allzu vorspringende Neigungen hätte, so wäre man, freilich auf die edelste Art, aber dennoch für höhere Geister allzu irdisch gesinnt, als daß die Seele sich entfesseln und die Geister sie zu der Seligkeit, für das menschliche Geschlecht und für höhere Regionen tätig zu werden, führen könnten.Sicherlich muß alle gesunde Vernunft unterdrückt werden, wenn die Seele sich vorzüglich mit mystischen und magischen Dingen beschäftigt. Um diese Absicht bei mir zu erreichen, tadelte Cagliostro den Hang des Herrn N. N. zu den Wissenschaften; auch gab er mir den Rat, meinen Hang zur Dichtkunst, wenn ich mich der Magie weihen wollte, ganz zu unterdrücken, weil die Seele nur mit diesem einzigen Gegenstande beschäftigt sein müsse, wenn man bis zum höchsten Gipfel der Magie gelangen wolle. Doch sagte er mir, wenn mir die Dichtkunst lieber als die Magie wäre, so wolle er mir den nämlichen Beweis der Freundschaft geben, den er der Dichterin Corinna in Italien gegeben habe. Er würde mir auf diesen Fall einen Geist zugesellen, der meiner Seele immer den höchsten Schwung geben und mich die edelsten Ausdrücke lehren würde. Ich verbat mir diese Gabe von ihm, und beschwor ihn, mich nur der heiligen Mystik zuzuführen. – Wie oft mag Cagliostro über mich gelacht haben, wenn er mich mit feierlichem Ernste von der Magie unterhielt, und solch eine gläubige Schülerin an mir fand! War es aber nicht sehr schlau von ihm, daß er allenfalls auch meine Neigung zur Dichtkunst mit der Magie verknüpfen wollte? (1787.)

Schwander, sagte er ferner, wolle alles nur mit der Vernunft begreifen, gäbe der Vernunft zu viel und den Geheimnissen der Religion zu wenig Glauben. Er würde bei seinen vortrefflichen Anlagen des Herzens und des Geistes hier ein edler tätiger Mann und nach seinem Tode gewiß selig werden. Aber zu der Glückseligkeit, welche er bei seinen herrlichen Talenten erlangen und verbreiten könnte, würde er doch nie emporsteigen; weil er im Grunde keinen Glauben hätte und mehr Beobachter als Teilnehmer der geheimnisvollen Mystik wäre. Sein höchst kränklicher Körper drohe ohnehin eine baldige Auflösung und mache ihn, da er keinen Glauben an die Magie habe, unfähiger, in die Verbindung mit höheren Geistern zu treten. Herr v. Medem auf Tittelmünde hätte, wenn er nicht durch Schwanders Grundsätze für die Magie verdorben wäre, die trefflichsten Anlagen. Aber auch er wolle alles mit der Vernunft begreifen, welche doch die Kraft nicht erklären könne, durch welche die Magnetnadel immer nach Norden getrieben wird. Herr Hinz hätte aus Unglauben eins seiner ersten und wichtigsten Gebote überschritten und sich dadurch auf ewig zur Magie unfähig gemacht. Denn er habe es gewagt, das Kind über die Art der Erscheinungen, die Cagliostro es sehen ließ, zu befragen. Wäre Gabriel nicht schon seit einiger Zeit der Schutzgeist des Knaben und unserer ganzen Gesellschaft, so hätte Hinz sich höchst unglücklich machen und den Knaben des Vorzugs berauben können, jemals der Erscheinung guter Geister gewürdigt zu werden.Mein kleiner Vetter war von Cagliostro so wohl abgerichtet, daß er ihm sogleich Herrn Hinzens Bemühung, ihn auszufragen, berichtete. Herr Hinz und wir alle wurden dadurch noch mehr irregeführt, weil der Knabe behauptete, daß er alles, was er uns sagte, wirklich jedesmal sähe. Daher machte uns unsere Einbildungskraft ein ganz fremdes Bild von diesen Erscheinungen, und wir fielen desto weniger darauf, die ganz grobe Art des Betrugs zu mutmaßen. Ich und noch einige Gläubige waren mit Herrn Hinz sehr unzufrieden, daß er die Vorschrift unseres Meisters übertreten und es gewagt hatte, das Kind auszufragen. Auch priesen wir die Langmut und Weisheit unseres Wundermannes, durch welche er die Übel, die daraus hätten entstehen können, abgewendet hätte. Dieser unterließ daher auch nicht, immer von entsetzlichen Übeln zu reden, die erfolgen würden, wenn wir seinen Befehlen nicht genau folgten, und besonders, wenn wir den Knaben fragen sollten. Dadurch spannte er unsere Einbildungskraft immer mehr an. Wir wurden dadurch auf alles, was er uns einbilden wollte, immer begieriger und immer ungeschickter, die Wahrheit zu sehen, so deutlich sie auch zutage lag. (1787.)

Die Zeit, die Cagliostro in Mitau zubrachte, war nur uns gewidmet, und unser Kreis war beständig nur um ihn versammelt. Wir wünschten noch einige Freunde in unsern Kreis aufzunehmen, aber Cagliostro erlaubte nunmehr keinem Fremden einen Zutritt. Mit vieler Mühe gelang es uns, *** die Bekanntschaft des Cagliostro zu verschaffen. Zu unserer Freude fand *** Beifall. Doch ließ ihn Cagliostro nie zu den Gesprächen, welche er mit uns über die verschiedenen Klassen der Magie hatte, kommen. Nach drei Wochen reisten wir wieder nach Alt-Auz, weil Cagliostro selbst, und zwar vor seiner Abreise nach Petersburg, meine verstorbene Stiefmutter und noch einige Mitglieder zur Loge d'Adoption aufnehmen, und so diejenigen unter ihnen, die Fähigkeit zur Magie hätten, allmählich zur heiligen Mystik einweihen wollte. Nachdem unseren neuen Mitgliedern der dritte Grad gegeben war, bat meine Tante den Cagliostro, unsern *** auch einer Beschwörung beiwohnen zu lassen. Cagliostro sträubte sich dagegen, aber endlich sagte er: Noch wolle er im Beisein aller Mitglieder unseres Ordens eine Zitation machen, die ihm über seinen künftigen Aufenthalt in Petersburg und über einige von uns einen Aufschluß geben würde.

Nachdem er nun uns allen unsere Plätze angewiesen und das Kind hinter den Schirm gestellt hatte, hielt er an uns insgesamt eine weitläuftige Rede, ermahnte uns zu Treue und Eifer in unsern Geschäften, zeigte uns die Gefahren der Magie, aber auch die wohltätigen Einflüsse, welche sie in der ganzen Schöpfung hätte; und so fing er seine Beschwörung mit den gewöhnlichen Zeremonien an. Das Kind hatte die nämlichen Erscheinungen, die es in Wilzen und das vorige Mal in Alt-Auz gehabt hatte; nur mit der Abänderung, daß Cagliostro mich in den magischen Kreis ganz unerwartet hineinwinkte, mich niederknien hieß, mir mit scharf auf mich gerichteten Blicken die magische Uhr zu halten gab und das Kind fragte, was es jetzt sähe?Durch diese Operation wollte Cagliostro die Wiederkehr meiner Zweifel verhindern, die ich ihm (S. 81) eröffnet hatte, als Herr v. Howen über den magischen Kreis trat. Es gelang ihm auch. Hernach machte er mir große Lobsprüche über meinen Hang zur Magie und meinen Glauben an seine Kraft. Hierdurch nun bestärkte mich der schlaue Betrüger noch mehr in meinen Träumereien. (1787.) Der Kleine sagte, daß ich auf den Knien mit einer Uhr in der Hand vor ihm wäre. Außer den gewöhnlichen Erscheinungen erschien ihm auch noch ein Geist mit einem langen weißen Kleide, [einer] goldenen Krone auf dem Haupte und rotem Kreuze vor der Brust.

Cagliostro gebot dem Kinde, den Geist um seinen Namen zu fragen. Das Kind fragte den Geist, wie sein Name sei. Der Geist schwieg. Nach einer Weile fragte Cagliostro: Nun, hat der Geist seinen Namen nicht genannt?

Das Kind. Nein!

Cagliostro. Warum nicht?

Das Kind. Weil er ihn vergessen hat!Ob das Kind den ihm gesagten Namen des Geistes vergessen oder ob Cagliostro ihn auch diese Antwort gelehrt habe, ist jetzt nicht mehr auszumachen. Sehr wahrscheinlich war es das erste. Aber Cagliostro faßte sich geschwind; und so viel ist gewiß, daß er auch hier durch seine Besonnenheit und Schlauigkeit auf die Seelen seiner Schüler stark zu wirken wußte. (1787.)

Hier stampfte Cagliostro mit den Füßen, machte mit dem Degen allerlei Figuren in der Luft, sprach mit starker Stimme eine fremde Sprache (oder unbekannte Worte); die Ausrufungen Helion, Melion, TetragrammatonSollte jemand sich wundern, woher diese Worte meinem Gedächtnisse so eingeprägt sind, so muß ich sagen, daß Cagliostro mir für diese Worte (die er für arabisch ausgab, welches ich damals auch glaubte), für das Wort Jehova und besonders für die Buchstaben I. H. S. solch eine Ehrfurcht einflößte, daß ich auf sein Gebot eine ganze Zeitlang nie meine Seele in Gebeten zu Gott erhob, ohne zuerst diese Worte ausgesprochen und an die drei Buchstaben I. H. S. recht lebhaft gedacht zu haben. Auch sagte er mir: jedesmal wenn ich die Bibel lesen wollte, sollte ich zuerst diese Buchstaben: I. H. S. denken und die Worte aussprechen, dann würde ich allmählich dem großen Baumeister der Welt näher kommen. In einem protestantischen Lande geboren und erzogen, ohne Umgang mit Katholiken gehabt zu haben, kannte ich zu der Zeit die Bedeutung dieser Buchstaben I. H. S. gar nicht. Jetzt sehe ich wohl ein, daß diese Buchstaben nichts anderes bedeuten sollten, als das bekannte I. H. S., das Zeichen des Jesuitenordens. Hierdurch wird abermals die auch schon von andern gehegte Mutmaßung bestätigt, daß Cagliostro ein Emissar der Jesuiten war, welche durch ihn eigentlich in Petersburg wirken und durch die während seines Aufenthalts in Mitau gemachten Verbindungen, seine Wirkungen in Petersburg nur einleiten und vorbereiten wollten. Es sind zwar einige der Meinung, die Jesuiten würden zu klug sein, um sich solcher Abenteurer wie Cagliostro, Schröpfer und Gaßner zu bedienen. Aber bei weiterer Untersuchung wird man finden, daß sie sich zu weitaussehenden Unternehmungen, deren Erfolg ungewiß ist, kaum anderer Leute bedienen können, als gerade solcher, die nichts zu verlieren haben, die sehr dreist sind und also alles wagen müssen. Derselben wissen sie sich denn wohl zu versichern und deren Interesse mit dem ihrigen zu verflechten. Sie werden aber dabei wohl so klug sein, selbst diese Abenteurer (und wahrscheinlich auch andere Leute, die sie brauchen und die eben keine Abenteurer sind), nicht ganz in die Tiefe ihrer Pläne hineinsehen zu lassen. Wenn man die Verfassung des Jesuitenordens liest, so sieht man, wie künstlich er seine Zöglinge an sich knüpft, die sich dem Orden zu allem verbinden, demselben Vater, Mutter, Geschlecht und alles aufopfern, wogegen sich der Orden zu nichts verbindet, als sie zu nähren und zu kleiden. Ebenso wird auch wohl dieser schlaue Orden diejenigen, welche er auf irgendeine mittelbare oder unmittelbare Art braucht, er mag sie am Orte ihres Wohnplatzes brauchen oder auf Abenteuer aussenden wollen, so genau an sich zu verknüpfen verstehen, daß sie von ihm nicht ablassen können; wogegen der Orden sich leicht in die Lage setzen kann, daß er sie in seiner Gewalt behält, und sie gar fallen lassen kann, wenn sie sich ihm widersetzen sollten. Es ist daher auch leicht zu erklären, daß solche Abenteurer, die an nichts hängen als an dem Wink ihrer (vielleicht auch ihnen selbst) unbekannten Oberen, denselben wohl getreu bleiben müssen und sich gerne zu allem gebrauchen lassen, zumal da sie bloß dadurch berühmt werden, bloß dadurch mit angesehenen Leuten in Umgang kommen und eine Rolle spielen, auch von daher Unterstützung zu hoffen haben, wenn sie in Verlegenheit kommen. Von diesen geheimen Verbindungen der Jesuiten wird jetzt immer mehr und mehr bekannt; und man kann auf die Wirklichkeit und weite Ausbreitung derselben schließen, wenn man manche Vorfälle in der Geschichte und in dem Buche der Welt aufmerksam betrachtet. Der Hang zum Wunderbaren, welcher durch absichtlich geschriebene Bücher verbreitet wird, bahnt ihnen den Weg, sehr viel auf die Gemüter zu wirken; und die beständige Fortpflanzung dieses Hanges ist vielleicht selbst ihr Werk.
Daß einige aus unserer Gesellschaft bei dieser Beschwörung ein Beben unter ihren Füßen zu fühlen glaubten, ist gar nichts Wunderbares. Denn gespannte Einbildungskraft, was sieht und hört die nicht alles! (1787.)
kamen oft vor. Uns allen gebot er Ernst, Andacht und Stille. Darauf ging er hinter den Schirm, wo das Kind stand, und wir hörten ihn mit schnellen Zügen der Feder schreiben. Einige aus unserer Gesellschaft behaupteten, sie hätten ein Beben unter ihren Füßen und ein eigenes Getön und Geräusch gehört, als ob etwas auf dem Fußboden des Zimmers gerollt wäre. Ich und andere Mitglieder unserer Gesellschaft haben dies alles nicht gehört. Zwei wollten sogar ein unsichtbares Zupfen an ihren Armen gefühlt haben. Cagliostro trat mit ernstem Gesichte wieder in den magischen Kreis, gebot aufs neue einigen Geistern zu erscheinen, auch *** wurde dem Kinde vorgestellt; und zuletzt sah das Kind einen alten Mann in schwarzem Kleide.

Da die Verschwörung zu Ende war, hielt Cagliostro an uns alle eine Anrede, in welcher er ungefähr dieses sagte: »Einer von euch wird gegen mich als Judas aufsteigen, der mich verraten und mir zu schaden suchen wird. Diese Entdeckung habe ich in dem Augenblicke gemacht, da der Geist verstummte und seinen Namen verschwieg. Ich schweige darüber, was mein Herz bei dieser Entdeckung leidet, und zittere nicht für mich, sondern für den Unglücklichen, der an mir zum Verräter wird. Ich stehe unter dem Schutze des großen Baumeisters der Welt, und die Macht, die einen gefangenen Petrus aus doppelt bewachtem Kerker befreite, die wird auch mich schützen, wenn meine Feinde und meine Verräter mich zu Staub zertrümmern wollen. Aber keine Gewalt wird den Unglücklichen schützen können, der verblendet genug ist, sich wider mich zu erheben. Bedauern und beweinen werd' ich seinen Fall, ohne daß selbst ich ihn werde retten können. Aber ihr! die ihr im Guten verharret, vereinigt eure Gebete mit den meinigen, bittet für den, der sich unter euch dem Verderben naht, und betet auch für mich, daß ich allen Versuchen, die der Urheber des Bösen mir legt, ausweichen und meiner bevorstehenden Verwandlung entgegengehen möge«.Auch diese Rede Cagliostros zeigt seine Schlauigkeit und Besonnenheit. Das Kind hatte, wie es scheint, den Namen vergessen. Er entschloß sich also geschwind, diese Wendung zu nehmen und unsere Einbildungskraft mit einer vorseienden Verräterei und mit dem Unglücke, das daraus entstehen würde, zu beschäftigen, damit wir über diesen Vorfall nicht weiter nachdenken sollten. Zugleich wollt' er uns, falls ja einer oder der andere seine Betrügereien entdecken sollte, durch die Furcht, unglücklich zu werden, dahin bringen, unsre Erfahrung zu verschweigen; und wenn dann ihm selbst oder einem von uns, der nicht zu den ganz Gläubigen gehörte, etwas begegnet wäre, so hatte er sich hier den Ausspruch vorbereitet, zu sagen: »Ich wußte und sagte mein oder des andern Schicksal vorher.« Dies würde in solchem Fall wieder unsern Glauben an ihn vermehrt haben. (1787.)

Nach einigen Tagen verließen wir Alt-Auz. Die Zeit, welche Cagliostro noch in Mitau lebte, brachte er in meines Vaters Hause zu, und nun wurden keine Fremden mehr zu uns gelassen.

Täglich hielt er uns Vorlesungen, in welchen er uns, obzwar er der französischen Sprache gar nicht mächtig war und sie sehr schlecht sprach, die verborgene Weisheit der Magie in mystischen Bildern lehrte. Sein Vortrag war sehr heftig und hatte eine gewisse hinreißende Beredsamkeit; dazwischen aber sagte er so viel Plattes, daß wir alle Augenblicke an ihm irre wurden. Oft liefen gar Lehren mit unter, die mich fürchten ließen, er sei der Nekromantie näher verwandt als der Magie. Wenn ich ihn aber unter vier Augen darüber befragte, und ihn, wenn er solche Lehren vortrug, vor den Versuchungen der Dämonen warnte, dann wußte er mir es deutlich zu machen, daß er seinen Zuhörern solche Fallen legen müsse, um diejenigen, die Hang zur schwarzen Magie hätten, beizeiten zu entfernen und ihre Neigungen auf andere Gegenstände zu lenken, damit sie unschädlich werden und sich nicht ganz zum bösen Prinzipium wenden möchten. Von uns ging Cagliostro auf Befehl seiner Oberen nach Petersburg. Vor seiner Abreise entdeckte er es uns, daß er weder ein Spanier noch Graf Cagliostro wäre, aber auf Geheiß seiner Oberen hätte er diesen Namen und Titel annehmen müssen.Diese Erklärung, daß er kein spanischer Graf und Obrister sei, war von Cagliostro sehr schlau. Denn nun befremdete es uns nicht, da aus Petersburg Briefe mit der Nachricht kamen, daß der spanische Gesandte ihn für keinen Spanier habe gelten lassen. Überhaupt wissen die herumreisenden Magiker trefflich die Entschuldigung zu brauchen, wenn man etwas Unschickliches an ihnen bemerkt, daß sie es auf Befehl ihrer Oberen getan haben. Daher prägen sie auch allenthalben ihren Schülern so tief ein, daß die Befehle der Oberen so heilig seien und so unbedingt befolgt werden müßten. (1787.) Er sagte, er habe dem großen Kophta einige Zeit unter dem Namen Friedrich GualdoEin angeblicher Graf Federigo Gualdo aus Venedig, infolge des Lebenselixiers 400 Jahre alt, spukt um die Mitte des Jahrhunderts, u. a. auch in Casanovas Memoiren. (Vgl. Barthold, »Die geschichtlichen Persönlichkeiten in J. Casanovas Memoiren«, II, 39, 205.) Cagliostro hatte sich offenbar dessen Namen und Ruf angeeignet. – v. O. B. gedient; seinen eigentlichen Stand und Namen müsse er uns noch verbergen, vielleicht würde er sich schon in Petersburg in seiner ganzen Größe zeigen und seinen jetzigen Stand und Namen ablegen. Doch könne diese Epoche auch noch weiter hinausgesetzt sein. Auch wüßte er die Zeit noch nicht zu bestimmen, wann die magischen Schriften und der Schatz in Wilzen gehoben werden sollten. Doch wär' er froh, daß er dem Gesandten des bösen Prinzipiums zuvorgekommen und die magischen Schätze so befestigt habe, daß diese Sachen nun nie in die Hände der Nekromantisten fallen könnten.

Als ich Cagliostro um die Erlaubnis bat, einem meiner Freunde, den ich aber nicht persönlich kenne, die Erfahrungen, die ich gemacht habe, mitzuteilen, fragte er nach dem Namen dieses Mannes. Ich nannt' ihm Lavatern, aber Cagliostro kannte diesen Namen nicht. Nun charakterisierte ich ihm diesen Mann, so gut ich konnte. Er fragte, wo er lebte. Ich sagte: In Zürich. Auf den andern Tag versprach er mir Antwort hierüber, weil er in wichtigen Dingen unter dem Befehle seiner Oberen stände. Er gab sie mir auch und erteilte mir die Erlaubnis unter dem Bedinge, daß ich etwas über ein Jahr warten sollte, bevor ich meinem Freunde meine durch ihn gemachte Erfahrungen mitteilte. Ich sollte in meinem ersten Briefe von ihm nur als Graf C. sprechen, dann würde Lavater mich fragen: »Ist dieser Graf C. nicht der große Cagliostro?« und ich sollte antworten: »Er ist's«.Mit ungeduldigem Verlangen erwartete ich den Zeitpunkt, da die mir von Cagliostro vorgeschriebene Periode vorübergegangen sei; und da schrieb ich an Lavater meine durch Cagliostro gemachten Erfahrungen, in vollem Glauben an die Wunderkraft unseres Helden. Gerade da mein Brief nach Zürich kam, hatte Cagliostro schon einige Zeit als Arzt in Straßburg figuriert. Nun war es ganz natürlich, daß Herr Lavater mich fragte: ob dieser Graf Cagliostro nicht der menschenfreundliche Arzt Cagliostro sei? – Ist meine Vermutung zu weit ausgedehnt, wenn ich glaube, es sei, da Cagliostro mir die Erlaubnis gab, Herrn Lavatern meine Erfahrungen mitzuteilen, schon in seinem Plane gewesen, mich in dortiger Gegend, gerade zu der Zeit, da er dort sein würde, für sich als einen Zeugen seiner übernatürlichen Kräfte zu gebrauchen? Bald, nachdem Herr Lavater Cagliostro gesprochen hatte, dessen Ansehen durch seinen Besuch vergrößert wurde, schrieb er mir, daß er Mißtrauen in Cagliostro habe, und bat mich um mein offenherziges Urteil über ihn, falls ich ihm weiter nachgespürt haben sollte. Ich hatte gerade zu der Zeit Cagliostro durch Graf P. genauer kennen gelernt und sagte Herrn Lavater nun mein offenherziges Bekenntnis über ihn; aber bat, keinen öffentlichen Gebrauch davon zu machen. Denn wir schämten uns schon recht sehr, von Cagliostro so arg angeführt worden zu sein. Jetzt hab' ich, Dank sei es dem Himmel, selbst Stärke genug, zur Steuer der Wahrheit öffentlich zu sagen: Ich habe geirrt! habe durch falsche Begriffe von Religion nach der Gemeinschaft mit höheren Geistern gestrebt, und habe nichts als arglistigen Betrug auf diesem Wege gefunden! (1787.)

 


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