Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Eilend vor Alba's Reiterschar, flog Garzia Lasso Jetzt mit den Rittern heran. Des Fußvolks treffliche Reihen Folgten dem Kaiser selbst, dem stattlichen: kühn den Gefahren |
||
365 | Stehend im Kampf', und stolz im Gefühle des sicheren Sieges. Furchtbar donnerten schon die mächtigen Schlünde; zugleich flog Lastendes Eisen, im Bogenwurf sich kreuzend im Luftraum, Hin, und daher gesandt, entsetzlichen Jammer zu schaffen. Fort und fort, im Gekrach der rastlosfeuernden Büchsen, |
|
370 | Prasselte Kugelsaat auf den Feind; laut kreischte der Säbel, Zischte der Pfeil, ersausten die Speer' und die Lanzen, und ringsum Strömte das Blut: stets grimmiger wüthete Mord und Empörung. Rechts, wo Hairaddins Heer, entfaltend die Flügel, der Mauren Reisiges Volk aufwies, zog Alba, und Garzia Lasso. |
|
375 | Links an die Araber, die voll Grimms gluthschnaubende Rosse Tummelten, ihm entgegen zu steh'n im Gemenge der Waffen: Denn im sausenden Flug' umschwebte sie Muhamed selber, Mit dem ergrimmten Gefolg ringsher anstürmender Geister, Rastete nicht, und haucht' empörende Gluth in die Herzen. |
|
380 | Listengeübt ersann er jetzt dem Garzia Lasso Schnelles Verderben. Er sah, wie er, senkend den Speer, an die Gegner Spornte das Roß; er eilet' ihm vor, und empörte die Natter,Natter. (Cerastes) Hornschlange – nach dem Volksglauben auch die Königsschlange genannt, weil sie, laut jenem, eine Krone auf dem Haupte haben soll. Die arabischen Gaukler pflegen der Hornschlange zarte Vogelklauen einzusetzen, um damit das Volk zu täuschen. Die, in dem Munde des Volks die Königsschlange gepriesen, Gleich dem regen Gewürm die rührigen Hörner bewegend, |
|
385 | Sich in dem Sande vergräbt, dort schlau zu berücken die Vögel, Daß sie ihr selbst, harmlos annahend, zur Beute sich böthen. Zischend fuhr das grimmige, sandaufschnellende Giftthier Vor dem Roß in die Höh', und es schnob im taumelnden Aufsprung. Dann, nicht achtend des Schmeichelworts, nicht des hemmenden Zügels, |
|
390 | Flog es hinüber, und trug den edelen Herrn an den Feind hin. Dort, von den Seinen getrennt, und dem sicheren Tode geopfert, Seufzt' er im Geist: »Nun stirb – doch nicht unrühmlich, ein Feiger!« Und den blinkenden Speer fortschleudernd, riß er das Eisen Sich von der Hüft', und hieb den ersten vor allen, Kilikdar, |
|
395 | Emir des Steppenvolks, vom Sattel: er regte sich nicht mehr. Also blitzte sein Schwert nach jeglicher Seite, verderbend; Doch, nun jagten wohl Hunderte her, den Ruhm zu erringen: Daß sie die tapferste Brust mit dem tödlichen Stahle durchbohrten. Hermann sah's, in der Luft herschwebend, welche Gefahr ihm |
|
400 | Droht'; er schwang sich herab, und rief dem Kaiser mit Hast zu: »Schaue von Feinden umringt den tapferen Garzia Lasso: Rett' ihn beherzt! Was schön und groß sich erweiset auf Erden, Führet des Liedes Macht auf goldenen Schwingen zur Nachwelt. Nur ein Schwall im Strome der Zeiten, entschwindet das Leben; |
|
405 | Aber der Sänger hascht im Fluge die zartesten Strahlen, Die vom eilenden Schwall sich heben, ätherischer Schönheit, Eint, und hägt sie in treuer Brust, und rettet mit Sorgfalt Sie noch dem fernsten Geschlecht' in ewiglebenden Tönen.« Also sprach er in Hast, und winkte den Lüftegenossen, |
|
410 | Mutheinhauchend, den Christen zu nah'n: sie jauchzten ihm Beifall, Schwingend den Speer und den Schild, aus schimmerndem Aether gebildet. Aber des Kaisers Brust erpocht' im hohen Gefühl jetzt, Retter zu seyn des schwert- und liedergewaltigen Mannes. Links, rechts, gab er dem Pferde die Sporn': ihm wichen die Reihen; |
|
415 | Ihm nachjagte Gefolg', nicht forschend, nicht lange besinnend; Nur Del Guasto erblaßt'. Er hob die Hände vor allen Ueber das grauende Haupt empor, und jammerte laut auf: »Stirb, unglücklicher Greis, eh' brechend dein Auge des Jammers Fülle gewahrt! Wagt also ein Herrscher das edelste Leben? |
|
420 | Nichts gilt Weisheit mehr, nichts warnenden Alters Erfahrung. Auf, ihr Tapferen, auf, und rettet den Kaiser! Auch Alba Lenke die Reiter heran, zu erringen den herrlichsten Kampfpreis.« Also geboth er dem Volk. Im Sturmlauf brachen die Scharen Gegen den Feind. Hinflog auf dem schnaubenden Rosse der Herold, |
|
425 | Gomez, des Feldherrn Wort zu künden dem Heldengebiether, Alba, und sieh', nun schwebte der Angst umnachtendes Dunkel Ueber dem Christen-Heer', in des furchtbar'n Kampfes Entscheidung! Ha, schon fiel der Rappe Garzia Lasso's, getödtet. |
|
430 | Warf jetzt Abu-Sa-id den blinkenden Speer in die Schulter, Daß der erhobenen Faust, bluttriefend der Degen entschlüpfte, Ihm einbrachen die Knie', und die Augen umhüllete Nachtgrau'n. Wieder erhob Scheik Roßlan das Schwert, ihm die Stirne zu spalten; Aber da flog aus der Rechte des nahenden Kaisers der Wurfspieß: |
|
435 | Roßlan röchelt' im Sand', und schnell, noch ehe der Ritter Kommende Schar das Weiß' im Auge des Feindes gewahrte, Fiel noch Jusuff, und Ismail Beg, und Haroun, der Emir, Seines mordenden Stahls Blutgier und der Rechte Gewalthieb. Nahend im Flug, und lautaufjauchzend den Thaten des Herrschers, |
|
440 | Rächten die Ritter zugleich den schwerverwundeten Führer. Doch, wie ein mächtiger Schlag des lauterkrachenden Donners, Der von des Himmels Rand' austobte zum finsteren Nordpol, Wieder von Osten zurück mit tiefempöretem Ingrimm Kehrt, und aus Wolkennacht herrollet im dumpferen Nachhall: |
|
445 | Also erscholl aus der Ferne heran der mächtigen Rosse Donnernder Huf: denn Alba kam mit den Reitern geflogen. Und, wie die stürzende Last der Gewitterfluth auf dem Saatfeld Plötzlich die goldenen Halme zerschlägt: nicht im Windesgesäusel Wogen sie mehr; sie liegen zerknickt, und zerschmettert im Staub dort: |
|
450 | Eben so ritt hier Mann und Roß das eisengehüllte, Kräftige Reitervolk, andalusische Hengst' an die schlanken, Zartgestalteten Rosse der Araber, spornend, zu Boden. Lautes Geheul erscholl jetzt unter den stampfenden Hufen; Ringsum Waffengeklirr und tödlicher Büchsen Geschmetter. |
|
455 |
Drüben rang in dem heißeren Kampf Del Guasto, des Fußvolks |
|
460 | Fliehend vor Alba's blitzendem Schwert, Arabias Völker Durch die Reihen der Janitschar'n; sie schufen Verwirrung Rings, und erfüllten Hairaddins Brust mit Wuth und Verzweiflung. Furchtbar glühte sein Aug'; er ballte die Faust an der Stirn' hin, Hing aus dem Sattel vor, und sann entsetzliche Thaten; |
|
465 | Doch, von geworfenen Haufen umdrängt, und der Rettung gedenkend, Führt' er die Scharen zurück: ihm brauste sein flüchtendes Volk nach. Nicht der Sorge vergaß für Garzia Lasso der Kaiser. Blutend lag er im Staub, und lehnte das Haupt an den Rücken Seines getödteten Thiers. Als nun der Retter vor ihm stand, |
|
470 | Strebt' er noch den zerschmetterten Leib von dem Boden zu heben, Sah durch Thränen ihn an, und lächelte. Jetzo begann er: »Herrlich hast du gesiegt, und errettet den Sänger. Von nun an Töne mein Saitenspiel nur dir, ruhmwürdiger Herrscher, Daß im entzückenden Klang vernehme die staunende Nachwelt: |
|
475 | Wie du, erhabengesinnt, nach der Bürgerkrone dich sehntest, Die, in dem Schlachtengefild', einst Rom dem Reiter des Kriegers Aus umdrängender Noth um die Heldenstirne geschlungen!«Bürgerkrone, war bei den Römern eine große Auszeichnung für Jenen, der in der Schlacht einem Bürger das Leben gerettet hatte. Sie war von Eichenlaub gemacht, und führte die Aufschrift: »Ob civem servatum.« Bei Schauspielen, oder im Senate, wo sie getragen wurden, stand die ganze Versammlung vor ihm auf. Sprach's. Da wandte sich jener behend, die Thräne zu bergen; Winkte zugleich, und sanft erhoben die Krieger den Helden, |
|
480 | Ihn zu entreißen dem Sturm der Geschoß', und eilten in's Lager, Daß er, mit Liebe gepflegt, sich freue der holden Genesung. Aber auch allen umher den Verwundeten, sagte der Kaiser Tröstende Wort', und geboth, was Aller Rettung erheischte: Ehrend den Menschen im hohen Gemüth, der vielfachen Jammer |
|
485 | Duldet, des Vaterlands erhabenem Rufe gehorchend. Jetzt ersah er mit Lust, wie schnell die Krieger Toledo's Ihm nachbrausten im Feld, des Sieges Preis zu erringen; Blößte das Schwert, und rief dann laut dem tapferen Feldherrn: »Dort des See's Gestad' entlang beschirme des Heeres |
|
490 | Rücken mit Muth, und halte dich fest an dem Felsen, dem Fels gleich, Den die zürnende Fluth umbraust mit eitelm Getümmel. Herrlich strahlt aus dem Sieg das leidenlohnende Ziel dir.« Mächtig erschüttert hob die flammenden Augen Toledo Nach dem gütigen Herrscher empor, der, ahnend des Herzens |
|
495 | Schreckliche Qual, mit erhabenem Sinn ihm lindernden Balsam Träufelte; ging, und führte sein Volk am Strande des See's hin. Wie auf dem Meer der kehrende Schiffer, den in der Sturmnacht, Nahe dem schirmenden Port', ein Donnergewitter ereilet. Mitten im lauten Gebrüll der hochaufschäumenden Wogen, |
|
500 | Und in des Todes Grau'n, das rings sich lagert, der Hoffnung Sehnsuchtsblick stets fest auf die strahlende Flamme geheftet Hält, die hoch auf dem Leuchtthurm nährt die sorgliche Seestadt: Also haftete jetzt sein Aug' an den ragenden Felshöh'n, Als an dem sicheren Port, in welchem sein Alles gerettet, |
|
505 | Und geborgen ihm schien, nach dauernden Stürmen des Lebens.
Ach, und hatte die Dulderinn noch des bitteren Kelches |
|
510 | D'rauf die wilde Losung des Mords, Wuthschrei der Besiegten, Jauchzen der Sieger, Geheul Verwundeter, Sterbender Röcheln? Doch nur am tauben Gestein, am dunkeln Gewölbe des Grabes, Hallte der Jammer hin – dem Ohre der Todten nicht hörbar. Dort, geborgen durch Treu' und Liebe des redlichen Greises, |
|
515 | Lag sie auf schwellendem Moos', in der hehren Stille der Mondnacht. Schneidend' Weh und dumpfes Bangen drängte sich wieder Ihr durch Mark und Gebein: denn oft verging sie in Ohnmacht, Wachte wieder, und litt. Ach! keine mitleidigen Seelen Nähern sich hülfreich ihr in der Stunde der Angst und des Jammers? |
|
520 | Siehe, und Roma's Stolz, Cornelia,Cornelia, die Mutter der Gracchen, war die Tochter des älteren Scipio, des Siegers bei Zama, und hatte zwei Söhne, Tiberius Sempronius, und Cajus, mit ihrem verstorbenen Gatten, Tib. Semp. Gracchus, erzeugt, der zweimal Consul war. und die Insel Sardinien eroberte. Jene beiden, von ihrer trefflichen Mutter gebildeten, und mit den schätzbarsten Eigenschaften ausgerüsteten Söhne, fanden in den, von ihnen erregten bürgerlichen Gährungen (der ältere im J. 133, und der jüngere im J. 121 vor Chr.) den Tod, indem sie als Tribunen zu sehr nach der Volksgunst gestrebt, und das agrarische Gesetz gegen den Senat durchzusetzen gesucht hatten. (Liv. l. 41. c. 12. – Valer. M. Plutarch etc.) Mutter der Gracchen, Schwebte heran! So wie durch leuchtende Scheiben des Fensters Dringet der Sonnenstrahl; so dringt ätherisch der Geist auch Durch das dichte Gestein. Sie hörte die Jammernde, bebte, Forscht' in Hast ringsher: ob hülfekundig ein Wesen |
|
525 | Athme, ihr Rettung zu bringen? Umsonst! Des Tages Geräusch' war Lange verhallt, entfernt die Stadt, und still das Gehölz her. Knieend hielt sie das Haupt der Leidenden, und, so verlassen, Suchte sie, leidengeübt, ihr Muth in dem Herzen zu wecken. Jetzo entwand sich in Weh'n dem Schooße Mathildens ein Knäblein. |
|
530 | Aber sie legt' ihn matt an die todbleichschwebende Brust hin; Griff nach der rieselnden Fluth, und taufte mit zitternder Rechten, Ihn in dem heiligen Nahmen des Ein-Dreieinigen Gottes. Dann noch fühlte sie tief, im eisigen Schauer des Todes – Fühlt' es, mit liebendem Blick nach Oben: ein Himmlischer löse |
|
535 | Sanft und mild das Band des irdischen Lebens. Ihr Herz schlug Immer leiser und leiser. Es stand, und regte sich nicht mehr. Schwebend über dem Fels, im hehren Flug zu des Himmels Strahlenbahn, noch einmal senkte zur irdischen Heimath Sie den verkläreten Blick, und sah am verblichenen Leichnam |
|
540 | Liegen ihr wimmerndes Kind, und suchen vergeblich um Nahrung Dort an der bleicheren Brust umher. Da entstürzten die Thränen Ihrem Aug'; doch Thränen der Wonn': im himmlischen Eden Harre der zarten Knospe Gedeih'n und Fülle der Nahrung, Daß sie entfaltet blüh' in nievergänglicher Schönheit, |
|
545 | Frische, und Kraft: denn jetzt verlosch auf dem ruhenden Herzen, Aehnlich dem Abendstrahl, das mattausflimmernde Leben. Doch, wie ein glühender Docht, der Flamme genahet, sich wieder Eilig entflammt: es hüpft die fächelnde Lohe nach ihr hin: Wie die getrennte Fluth der bergentsprossenen Quelle |
|
550 | Schnell den blumigen Hügel umfließt, den sinnig der Gärtner Jüngst in dem Lusthain schuf: die beiden Arme, gesondert, Streben sich wieder zu einen, und flieh'n im schöneren Lauf fort: Wonne, so flog an die Brust der überseligen Mutter Nun ein Engel, ihr Kind; umschlang den glänzenden Hals ihr, |
|
555 | Holdauflächelnd, und lallt' ihr entzückt Willkommen und Gruß nach! Aber sie hob ihn empor; sie jauchzte hinauf in den Himmel, Eilt', und flog, wie ein Stern hinschwindend im glänzenden Aether, Nach dem Gezelt, wo ihr Gatte, versunken in tödlicher Schwermuth, Saß, und nach ihr sich sehnt' in unaussprechlicher Rührung. |
|
560 | Nah' ihm schwebte sie leis': ihr pochte das Herz in dem Busen Ob der Erinnerung ihres einstigen Glücks und der Leiden, Die sie erduldeten beid', in der Zeit entsetzlicher Trennung; Legte den einen Arm um den Nacken ihm, legte das Söhnlein Ihm an die Brust. Er stöhnt', und blickt' in schaudernder Ahnung |
|
565 | Um sich her: ihn ergriff die Näh' unsterblicher Seelen. Sieh', ihn herzte das Kind, mit sanftumschlingenden Händchen Hängend an seinem Hals, und pressend die Wang' an die Wangen! Doch sie sprach ihm leis' an die Seele die Worte des Trostes: »Gottes Friede mit dir! Der seligen Wiedervereinung |
|
570 | Stunde ist nah': denn bald, verhauchend das tapfere Leben, Eilst du mir freudig nach in die Segensgefilde des Himmels, Wo kein Scheiden mehr ist, kein feindliches Schicksal, kein Tod mehr Glückliche Herzen trennt; wo jegliche Thräne versieget, Jede Klage verstummt, und Mathild' dein harret mit Sehnsucht.« |
|
575 | Lispelte so. Sie küßte die thränenumflossenen Augen, Leis'erbebend, ihm noch im innigen Kusse der Seelen, Und entschwand, mit dem Engel im Arm, noch häufig herunter Schauend, verklärt, und strahlender stets, wie ein Blitz in den Lüften. Dort von des Felsens Höh'n ihr folgten Cornelia's Augen. |
|
580 | Weinend hob sie die Händ' ihr nach, und sagte beklommen: »Vieles duldet' ich einst: mit ehernem Muthe getragen Hab' ich den Tod der Söhn', wie es heischte die Würd' und der Ahnen Beispiel. Im Busen erglühte mir heiß die Liebe des Nachruhms: Mutter der Gracchen zu seyn, und zu heißen der römischen Frauen |
|
585 | Erst' in der Gegenwart und spät in der kommenden Zeit noch Und mich ehrte mein Volk; doch, sah, bewundernd, ein Aug' hier, Welche Qualen sie litt, und wie, in der einsamen Felsnacht? Nur das hohe Gesetz des göttlichen Lehrers ihr Leitstern; Seine Lieb' ihr Trost; ihr Ziel das bessere Leben. |
|
590 | O daß ich fern ihm wandelte – fern, auf dem düsteren Irrpfad!« Süßer als Harfengetön im Zauber der nächtlichen Stille Scholl aus dem Luftraum ihr der sanfteinladende Zuruf: »Schweb' empor, Cornelia. Einst tönt dir aus den Himmeln, Wonnigersäuselnd, der Born unendlicher Huld und Erbarmung!« |
|
595 | Wie des Morgens Strahl auffleugt am rosigen Himmel, Flog sie empor, auf einem der flammenden Sterne zuweilen, Welche, dem Lichtreich nah', im schöneren Laufe dahinzieh'n. Doch nun drang Toledo, der Held, dem Sturme vergleichbar, |
|
600 | Immer des See's Gestad' entlang zum Felsen hinüber. Freudig brausten die Scharen ihm nach. An dem edelen Feldherrn Hing mit Liebe das Volk, der, immer so kühn, in Gefahren Ruhm sich errang, und Ruhm und Ehre gewährte dem Krieger. Schon erblickt' er das Ziel; doch, ach, von Schauder ergriffen, |
|
605 | Sah er zugleich unendliche Macht der feindlichen Reiter, Spähend, umstellen den Fels, geführt von dem schrecklichen Dragut! Lautaufseufzte der Held: er wähnte verrathen des Felsens Dunkele Höhl', und ihm entrissen das edelste Kleinod. Dragut gewahret' ihn auch, und sann: ob er dem Verhaßten |
|
610 | Nahe, ob nicht? Doch schnell gedacht' er der List, und urplötzlich Jagt' er davon, zum Hinterhalte die Feinde zu locken. »Tapferer Greis,« so rief Toledo dem römischen Feldherrn, »Sey des Volkes leitender Hort! Verfolge die Gegner Rasch hin, bis ich die Gattinn erlöst' aus dem bergenden Fels hier, |
|
615 | Und mit Kurd, dem edelen Freund, entsandt' in das Lager: Denn mich heißet die Pflicht noch fürder im Kampfe zu stehen.« Freudig gehorchte der tapfere Greis, Ursini. Des Jünglings Feuer beseelt' ihm die Brust: er eilte dem fliehenden Feind nach. Wie die Löwinn, die erst auf dem Lager die Jungen zurückließ, |
|
620 | Hörend des Panthers Gebrüll fernher, schnell wieder zurückkehrt, Vor die Höhle sich stellt, und harret des kommenden Gegners: Denn sie vertrauet dem Muth und der siegenden Stärke: so muthig Blickte Toledo umher (nicht Tausenden wär' er gewichen) Sprang aus dem Sattel mit Kurd, und legte mit zitternden Händen, |
|
625 | Nahe dem Felseingang, die blinkenden Waffen dann nieder; D'rauf, nicht ahnend im Geist die entsetzliche Nähe des Jammers, Half er dem treuen Gefährten, und hob, und wälzte vom Eingang, Stöhnend, den mächtigen Block, und raumete Schutt und Gesträuch weg. Weit aufgähnte die Höhl'. Er stieg: »Mathilde! Mathilde!« |
|
630 | Rufend, hinab. O Jammer, da sträubten, wie Stacheln des Igels, Ihm von der Scheitel die Haare sich auf. Ein Schrei des Entsetzens Schmettert' aus seiner Brust; weit vorgebogen, und krampfhaft Faltend die Hand' an der Stirn', hinstarrt' er mit leblosen Augen – Starrt', und sah die Gattinn entseelt auf dem Boden, und ihr gleich, |
|
635 | Schlummernd au holder Mutterbrust den lieblichen Säugling. Leis' nur athmet' er noch, und sank erblassend zusammen. D'rüben lag Ursini dem Feind, verfolgend, im Rücken. |
|
640 | Lauernd im Hinterhalte, der Feind auf den Sieger, und sandte Zahllosschwirrende Pfeile heran. Da wandte sich Dragut Eilig zu seinem Volk, und rief mit grimmigen Blicken: »Jetzt umzingelt sie schnell. Sie sollen den Frevel mir büßen, Den ihr Führer verübt'. Und, ha, nicht erseh' ich ihn drüben |
|
645 | Unter der Schar! Hat etwa der Unsern Geschoß ihn ereilet, Oder, wich er feige zurück, weil Dragut ihm nahte?« Flugs umbrausten mit wildem Geschrei die maurischen Reiter, Dragut folgend, und flugs numidische Horden, die Christen. Aber der tapfere Greis, dem jetzt die feindliche Kugel |
|
650 | Stürmend die Rechte durchfuhr, erhob mit der Linken den Degen, Ordnete schnell die Reihen, und rief den Geordneten: »Feuer!« Denn sie hatten gezielt: da feuerten alle mit einmal Ihre Gewehr' ab: sie krachten, durch Rauch und Flammen versendend Furchtbare Kugelsaat zur blutigen Ernte des Todes. |
|
655 | Schnaubend prallten die Rosse zurück; der wilde Numider Wankte; von Schrecken betäubt, verweilte der maurische Reiter. Nun gedacht' Ursini der Flucht, der rettenden. Fliehend Drängt' in das Feuerrohr der Krieger des Todes Geschosse; Stellte sich wieder, ereilt, und trieb die stürmenden Haufen |
|
660 | Mordend zurück. Doch wie der Staar' unzählige Scharen, Lüstern nach Traubenblut, die Rebenhügel umflattern: Weder der Hüther Geschrei, noch die rastlos tönende Klapper Scheucht sie völlig hinweg – stets kehren die Lästigen wieder: Also umschwärmte der Feind die Fliehenden: Manchem das Leben |
|
665 | Raubend mit tödlichem Stahl, und fernhin scholl das Getümmel. Dragut sah, erstaunt, die Waffen Toledo's am Boden Liegen. Er sprang voll Hast aus dem Sattel, und stieg in den Felsschlund Rachebeflügelt hinab. Sein spähendes Auge gewahrte Bald den Ersehnten im Grabesgewölb', und er jauchzte vor Wuth auf; |
|
670 | Aber sein Flammenblick, den starrenden Blicken Toledo's Folgend, sah die entseelete Frau. Da faßte des Todes Schauer ihn an: der Laut erstarb auf den Lippen ihm; wankend Sucht' er des Tages Licht, und stöhnte noch laut vor Entsetzen. Schon braust' ihm sein Volk entgegen im schmählichen Rückzug, |
|
675 | Von dem Feinde gejagt: denn Alba's siegende Reiter Brachten Ursini's umstürmter Schar ersehnete Rettung. Dragut schwang sich behend auf's Pferd, zu entkommen den Augen Hairaddins, daß er nicht feig ihn heiße, die blässeren Wangen Schauend im Waffenfeld: nicht ahnend, was ihn betroffen. |
|
680 |
Muhamed, der die Wälschen umdrängt, in grauser Verfolgung |
|
685 | Schwingen so ganz, daß es scheu vor Schlachtengetümmel zurückbebt? Auf, und versuch' erneueten Kampf: denn Siegesgejauchz' tönt Dort von des See's Gestad', wo Dragut, der Schreckliche, kämpfte!« Hairaddin horcht', und vernahm fernher Getümmel und Schlachtruf. Donnernd schrie er den Flüchtenden: »Halt!« und stellte die Haufen |
|
690 | Gegen des Feindes Macht mit kampfanbiethender Stirn auf. Auch das Siegel von Gold, das hell an der tapferen Brust ihm Schimmerte, sandt' er an Dragut hin: ein furchtbares Zeichen Großer Gefahr, und des Ungehorsams dräuender Strafen, Daß er ihm eine die Macht. Wie auf Windes Flügeln enteilte – |
|
695 | Spornte das Roß Ben-Dar, der Araber, der ihm ein Liebling War vor allen im Heer' mit dem kühnvordringenden Kampfmuth. Aber vergebens spornt' er das Blut aus den Seiten des Renners; Hairaddin forschte nach Dragut umsonst: denn, fern von dem Schlachtfeld, Nahet' er schon im Flug den Thoren von Tunis, getrieben |
|
700 | Von entsetzlicher Angst. Ihm keuchte sein bebendes Volk nach. Wie, verirrt auf Sibiriens schneeiger Heide, der Weidmann Aengstlich forschend sich müht, den ihm entschwundenen Heimweg Wieder zu finden, und jetzt an Rande des Himmels ein Wölkchen Leis' aufschwebt: da wähnt' er, getäuscht, die trauliche Hütte |
|
705 | Sey es, und freut sich der Gattinn schon und der harrenden Kindlein; Aber das Wölkchen schwand, und trostlos kehrt ihm der Abend: Also getäuscht sah Hairaddin unmuthsvoll zu dem Seestrand Forschend hinaus: denn fern' ihm floh die ersehnete Kriegsschar. Sieh', und jetzt durchtobte ungleich das entsetzliche Schlachtfeld |
|
710 | Lärmenden Sieges Getös', und Flucht und grause Verwirrung! Dort brach Lichtsteins Volk, des herrlichen Schanzenerstürmers, Jauchzend heran, und hier ihm brauste, dem wilden Orkan gleich, Alba's siegende Macht entgegen. Er blickte verzweifelnd Um sich her, und geboth den bebenden Scharen den Heimzug. |
|
715 | Mordend folgten die Sieger ihm nach. Vom Blute geröthet Wies sich den Kehrenden weit die siegverherrlichte Laufbahn. Nahe dem Felsenschlund saß Kurd. Er senkte die Augen |
|
720 | Dieser sprengte das Roß jetzt näher, und forschte mit Sorgfalt: Was ihn betrübt'? Doch Kurd erhob sich, und führte den Herrscher Ein in des Grabes Nacht, in die Wohnung unsäglicher Trauer. Dort erbebte sein fühlendes Herz des Menschengeschickes Nächtlichstem Bild. Er schwieg; doch dringender Hülfe gedenkend, |
|
725 | Faßt' er Toledo am Arm, und stieg in die Helle des Tages Rasch mit dem Wankenden auf; dann rief er dem treuen Gefährten: »Kurd, erhebe dich schnell, und häufe die Trümmer mit Vorsicht Auf an dem Schlund: denn bald erhöh'n wir, als Sieger, Mathildens Denkstein, der ihr Trauergeschick verkünde der Nachwelt, |
|
730 | Und an den Wechsel des Erdenglücks den Sterblichen mahne!« Also geschah's. Doch heim zu dem Zelte des gütigen Kaisers Schritt mit Toledo das trauernde Roß; er lenkte das eig'ne Sorglich ihm an der Seit', und sann voll Huld auf dem Heimweg, Wie er das leidenerstarrete Herz zum Leben erwärme? |
|
735 | Und der ersehnete Abend sank. Die kehrenden Scharen Eilten mit Siegesgesang, vom Gewirbel der drönenden Trommel Und Drometengeschmetter umtönt, zurück nach dem Lager. Weithin dehnte sich schon der riesige Schatten der Krieger Und der Ross', auf dem Sand. Die Sonne blickte noch einmal |
|
740 | Ueber des Meer's hellschimmernde Fluthen herüber, und sandte Scheidend, aus Rosengluth, aus den Fittigen säuselnder Lüftchen, Endlich die Labung dem Heer' in der mildumschmeichelnden Kühlung. |