Johann Ladislav Pyrker
Tunisias
Johann Ladislav Pyrker

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(Zwölfter Gesang.)

              Doch nun spornte Del-Guasto das Roß in die Nähe des Kaisers,
Neigte vor ihm das Haupt, und rief mit leuchtenden Augen:
325   »Jetzt, wo hochentflammt die Seele des Kriegers nach Thaten
Lechzet, das Aug' ihm glüht, in das Auge zu schauen des Gegners,
Und die Faust ihm zuckt, und die strebenden Füße nicht rasten:
Jetzo gebieth' im Sturmanlauf des Kampfes Entscheidung!
Doch du weiche zurück: o säume nicht, weiche zum Nachhalt,
330   Daß du, gefahrenumdroht, nicht Angst erweckest den Deinen!«
Kaum daß der warnende Ruf den Lippen des Greises entflohn war,
Warf zerschmetternd ein Eisenball den tapferen Ottmar,
Oberleitmann im Heer', an der Seite des Kaisers zu Boden:
Blutend lag er im Staub. Entsprossen der freundlichen Hauptstadt,
335   Die in dem weitumkreisenden Thal mit silbernen Wellen
Rasch durchflutet die Muhr,Grätz, die Hauptstadt der Steyermark, und der Sitz des Guberniums von Inner-Oestreich, mit beiläufig 40,000 Einwohnern. ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern,
Wählt' er des Kriegers Bahn, als dort der stattliche Kaiser,
Nahend in siegender Heere Verein Vindobona, der hohen,
Mächtigen Kaiserstadt, Suleyman, den schrecklichen Großherrn,
340   Fliehen hieß mit unzähliger Macht.Im Jahre 1532 stand Solymann II. mit einer ungeheuren Macht vor Wien, und zog sich bei der Annäherung Carls V., der an der Spitze eines Heeres von mehr denn 90,000 Mann zum Entsatz herbeieilte, durch Ungarn bis nach Constantinopel zurück. (Jov. Hist. L. 30 p. 100.) Stets folget' er seither
Seinem Panier; doch jetzt hinsank er im Kampfe vor Tunis.
Laut aufschrieen die Krieger vor Angst; es erblaßte Del-Guasto,
Ob des Herrschers besorgt; da rief er mit lächelndem Antlitz:
»Fernet die Angst: kein Kaiser erlag dem Donnergeschütz noch!«Bei der Beschreibung des letzten Kampfes vor Tunis, führt Jovius (Hist. L. 34. p. 361 apud Schard.) die Worte Carl V. an, der mitten im Kugelregen Del Guasto diese Antwort gab. (»Subridens Caesar, et ne id timeret, subdens, quando Augustorum Caesarum nemo unquam tormenti violentia concidisset.«)
345   Und er geboth alsbald des Angriffs Weisen den Feldherrn.
Wie, durch Flammen geweckt, die Dämpfe des siedenden Wassers
Aus dem eisernen Bauch des ringsumschlossenen Kessels
Drängen im unaufhaltsamen Flug; doch weiß sie der Meister
Sinnig zu hemmen, und heißt sie Gewaltiges wirken, und schaffen
350   So, daß Unkundige Furcht und Schauder ergreifet bei'm Anblick
Jener verborgenen Macht: so wundersam lenkte zum Angriff
Hier die unendlichen Reihen ein Wink des waltenden Herrschers,
Und von neuem begann des schrecklichen Kampfes Getümmel.
Ludwig warf vor allen zuerst vom schimmernden See her
355   Sich auf die feindlichen Reih'n. Das Feuerrohr an die Wangen
Pressend, feuerten, bald im Verein, bald einzeln, die Krieger
Jauchzend, es los: dumpf, schmetternd, scharf, erkrachten die Büchsen,
Und in des Mittags Glanz umhüllte des flammenden Pulvers
Dichtaufwallender Rauch die Völker mit nächtlichem Dunkel.
360   D'rauf hinstürmt' im Flug, von dem tapfersten Helden geführet,
Alba's reisige Schar. Sie schmetterte da Janitscharen,
Dort Numider, und hier arabische Reiter zu Boden,
Pferd' und Mannen zugleich: weit deckten die Todten den Staub dort.
Rechts vom Olivengehölz drang Eberstein mit den Deutschen,
365   Ehernen Muth's in der Brust, unzähligen Mauren entgegen,
Die, von Muhamed Temtes empört, gleich wüthenden Thieren,
An die gesenkten Speer' und die flammenden Rohre sich stürzten.
Aber da rief Held Eberstein den Tapferen laut zu:
»Jetzt noch fester geschlossen die Reih'n! Des edleren Muthes
370   Flammendrang in der Brust, nicht blind umtobender Ingrimm,
Heißt den Krieger zum winkenden Ziel vorstürmen im Schlachtfeld!«
Also ermahnt, besiegte die Macht des empöreten Feindes
Deutschlands tapferes Volk: es stemmte sich, gleich der Gebirgswand,
Die vom blühenden Thal des Sturm's verderbenden Ingrimm
375   Abwehrt, ihm entgegen, und drängt' unbändigen Muth's ihn,
Wieder zurück. Auch warf die tapferen Reisigen Ungerns
Hunyady jetzt, in gedehnten Zügen ihm rasch in die Seiten.
Hochaufqualmte der Staub, und den stampfenden Hufen erbebte,
Drönend, der Grund, als vor- zu dem mähnigen Halse sich beugend,
380   Und zu des Kalpacks Zier erhebend den blitzenden Säbel,
Flogen die Reiter im Feld. Den Kommenden streckten die Mauren
Speere, so dicht, wie im Forst aufragen die Fichten, entgegen;
Doch der muthige Reiter zerhieb, im gewaltigen Aufschwung
Führend den schneidenden Stahl von der Linken zur Rechten, von unten
385   Aufwärts, jeglichen Speerschaft so, daß umher in den Lüften
Sausten die Trümmer im Flug', und die Geister da oben erbebten:
Denn entsetzlich erscholl des würgenden Kampfes Getümmel.
Aber im Vortrab, wo Toledo geboth, und der Ritter
Glänzende Schar, entflammt zum blutigen Kampf der Entscheidung,
390   Eilete, scholl entsetzlicher noch Getümmel und Schlachtruf.
Wie der schreckliche Brand, der fern an den äußersten Straßen
Einer ummauerten Stadt sich erhob, bald weiter und weiter
Wüthet im brausenden Sturm, bis rings die unzähligen Häuser,
Dom', und Thürme zugleich, auflodern, und Jammer erschallet:
395   Also entbrannte die Riesenschlacht, und schrecklich ertönte
Sterbenden Volk's Wehklag', vermengt dem Jauchzen des Siegers,
Und der Verwundeten Schrei dem Wiehern der tobenden Rosse.
Blut durchströmte das Feld, und wandte den schäumenden Lauf oft,
Von den Haufen der Todten gehemmt, an Menschen und Thieren.

400  

Hairaddin sah der Seinen so viel' im Kampfe getödtet,
Und erblaßte vor Wuth. Doch, als auch Dungur Toledo's
Blitzendem Schwert erlag, der Algiers Thron ihm zu schaffen,
Selber mit frevelnder Hand Euthemi, den König, erwürgte,
Da verflucht' er sich selbst, und rief, daß die Völker erbebten:

405   »Wer verschlinget, voll schrecklicher Gier, die Theuren mir alle?
Ha, nicht schaut er hinfort die leuchtende Sonn' an dem Himmel!«
Sieh', und er spornte sogleich, den Speer erhebend, das Streitroß
Vor, und drang auf Toledo mit todausblitzendem Aug' ein!
Diesem erpochte vor Wonne die Brust: den mächtigsten Gegner
410   Dort zu besteh'n, ihn siegend zu bändigen, oder des Lebens
Dornenbesäete Bahn zu vollenden im rühmlichen Wettlauf.
Flugs hinspornte das Roß auch er, und hieb, in den Bügeln
Sich erhebend, auf Hairaddin ein; doch dieser entwich ihm,
Und sein Schwert durchschnitt nur die Riemen des leitenden Zügels,
415   Auch das muthige Roß am wölbenden Halse verwundend,
Daß es, gebäumt, aufschnob, und ächzte, von Schmerzen gefoltert.
Jetzt war's um ihn gescheh'n; doch Hairaddin lenket' im Eilflug
Sein gelehriges Thier, mit eisernem Drucke der Schenkel
Wieder herum, und stieß den tödlichen Speer ihm so mächtig
420   Durch die tapfere Brust, daß er flugs dem Sattel entstürzend,
Auch den Schaft aus Hairaddins festumklammernder Faust riß.
Wie der ragende Mast, der erst die wehenden Wimpel
Hoch in die bläuliche Luft erhob, vom Donner getroffen,
Sausend dem Bord' entstürzt: auffleugt im Falle des Leines
425   Schimmergewebe. so fiel er, den Speer im pochenden Herzen
Tragend, vom Roß. Sein Auge verglomm, wie drüben des Abends
Schimmer, und sein verblutendes Herz bewegte den Speer noch
Leis'; dann stand's, entrückt des Lebens Geschossen für immer:
Denn die Krone des Siegers im Schooß der himmlischen Freundinn
430   Schauend, entschwebte der Geist den trüben Gefilden des Erdballs.
Hairaddin kehrte zurück: mit noch empörterer Blutgier
Führt' er die Janitschar'n und die Reihen der Schrecklichen vorwärts,
Und von neuem begann des wüthenden Kampfes Getümmel.

Dort, wo vor Toledo zuvor, das maurische Kriegsvolk

435   Wich, da brausete jetzt mit Orkanengewalt und des Blitzes
Flug', erhebend sein Allah-Geschrei, der schreckliche Türk her.
Rechts war Eberstein, und links Lusitania's Ludwig
Vorgedrungen, und so das mittlere Treffen gesondert,
Feind'umschart, und verloren im Feld. Es erblaßte Del-Guasto;
440   Aber nicht wich ihm der Muth. Er rief den tapferen Führern:
»Trennet die Reihen des Volk's, und heißt sie nach Osten und Westen,
Heißt sie nach Süden und Norden, die Stirn' im dräuenden Viereck
Wenden sogleich, und bestehen den Kampf, wie es Helden geziemet!«
Also der Greis: da tönte der Ruf, da erblitzte der Degen
445   Tapferer Führer; es stand das Volk geschlossen im Viereck,
Und in dem mittleren Raum, mit den Herolden, schaltend, Del-Guasto.
Mochte der Feind nun da, nun dort anprallen: dem Felsen
Gleich, den draußen im Sturm umbrausen die wüthenden Wogen,
Standen die Tapfer'n im Feld; sie hielten die stürmenden Scharen
450   Kämpfend zurück, und häuften umher unzählige Leichen.
Solches gewahrend, entboth der edelste Kaiser die Völker,
Die zum entscheidenden Schlag er heut' erkor in dem Heer', so:
»Jetzo hinaus an den Feind! Dem winket der schönste der Lorbern,
Der hier seiner Gewalt entreißt die tapfer'n Gefährten.
455   Vorwärts! Hier in dem Feld und dort in der felsigen Hochburg
Winket des Sieges Preis erhabener Christenerrettung.«
Sieh', und er führte sogleich die erlesenen Scharen vom Nachhalt
Gegen des Feindes Macht! Die jauchzenden Krieger bewegten,
Eilend dahin im Waffenfeld, die hurtigen Schenkel,
460   Wie das muthige Roß, dem Ziele genaht, in dem Wettlauf,
Immer schnelleren Flugs durchbraust die stäubende Rennbahn.
Hairaddin sah die Kommenden. Ihm erbebte der Busen
Jetzt vor Angst: denn ach, sein mächtiger Gegner, der Kaiser,
Flog an der Spitze der Kühnen daher! Er wandte das Reitroß
465   Schnell, und entfloh. Da erhellte des Sieges aufstrahlende Hoffnung
Sein umwölktes Gemüth: er fluchte der niedrigen Feigheit,
Die so fremd ihm war, wie draußen dem schrecklichen Löwen,
Der die Wüste durchbrüllt, den Gegner zu wecken; dann faßt' er
Gierig den ragenden Speer, und schwang sich zurecht in dem Sattel.
470   Doch schon war ihm dahier der siegverherrlichte Kaiser,
Brausend genaht, und warf ihm die Lanze mit kräftiger Rechten,
Weitausholend zuvor, so rasch entgegen, und traf ihn
Jetzt in die Rechte so fest, daß ihr entschlüpfte der Speerschaft,
Und der Verwundete floh, von Wuth und Schmerzen gefoltert,
475   Schnaubend zurück: ihm schlug der Feind' umhüllender Sieg'sruf
Jetzo der Wunden noch mehr; dann hieß er die Schrecklichen vorgeh'n,
Kämpfen, und metzeln, von Rach' erfüllt, und schrecklicher Mordgier.

Ha, zu dem letzten Gewürg' ereilten sich jetzo die Gegner!
Nicht der sturmentwurzelte Wald, nicht der schreckliche Donner,

480   Der in des Mittags Gluth den schwarzumnachteten Himmel
Durchras't, krachet so laut, als hier erkrachten die Waffen,
Und wie im engeren Thal des Strom's ergossenen Fluthen
Stürzt das Föhrengehölz, daß, übereinandergeworfen,
Liegen die Stämm' auf dem Grund', und mengen die Aest' und die Wipfel:
485   Also lagen im Feld die Erschlagenen, welche vor allen
Sich in dem Vorderzug hinwürgten in Hast und Erbitt'rung.
Aber nicht lang': da floh'n die völliggeworfenen Scharen
Hairaddins fort mit Geschrei und in wilder Verwirrung nach Tunis,
Und er folgte den Flüchtigen stumm, und verachtenden Blick's, nach.
490   Sinam, des Nachzugs Hort, erwägend des fliehenden Heeres
Noth, und scheuend des Herrschers Grimm, da er gestern die Sclaven
Rettete, hielt nun da, nun dort die ausreißende Schar auf;
Aber vergeblich. Wie dort die flüchtigen Gemsen der Weidmann
Ein in das felsenumstarrete Thal, wo gierig die Schützen
495   Harren, im Lärm und Getös' nachstürmenden Volkes zu treiben
Nimmer vermag: denn fern erwitterten jene die Schützen
Schon, und brechen dahier und dort durch lärmende Treiber:
Also entfloh sein Volk. Doch er, wohlkundig des Krieges,
Rastete nicht, und deckte mit tausend erlesenen Türken:
500   Jetzo entfliehend mit List, und jetzt mit unbändiger Kühnheit
Wagend erneueten Kampf, den Rücken des flüchtigen Heeres,
Bis urschnell, wie ein Hagelgewölk, hervor aus dem Nachhalt
Doria kam, und den Feind sein reisiges Volk mit dem Faustrohr,
Das an dem Sattel ihm, links und rechts in der Halfter geborgen,
505   Ruhte, vertrieb: den Zaum mit den Zähnen fassend im Anlauf,
Und aus jeglicher Hand abfeuernd das knallende Faustrohr.
Jen' entfloh'n wie Spreu im Hauch des stürmenden Windes.

Jetzt, am errungenen Ziel, der nächtlichen Weihe gedenkend,
Welch' ihm Solches verhieß, erhob der stattliche Kaiser

510   Seine, von Thränen des Danks umhülleten Blicke zum Himmel.
Zahllos schwebten die Geister herab: sie umjauchzten des Siegers
Ruhmgekrönetes Haupt und des Heer's unendliche Reihen.
Aber, so laut und so mächtig sie schrie'n: des horchenden Kriegers
Ohren vorüber erscholl nur ein leises Geflister; er blickte
515   Staunend umher. Da hob zu dem übersinnlichen Luftraum
Attila finster sich auf. Sein Aug', erhellet von Muth sonst
War erloschen – erschüttert sein Herz. Er zürnte dem Seher
Muhamed, der ihn mit ruhm- und siegverheissenden Worten
Wieder herab aus den Höhen gelockt. Nun sah er von dorther
520   Mit umdüstertem Blick entgegen der dunkelen Zukunft.
Aber die andern entfloh'n, und zogen umher in den Lüften,
Wie das Herz sie drängt' auf dem Pfade der Läuterung, jenseits.

Hugo nahte voll Angst. Nicht erspähte sein Auge Toledo's
Schimmernden Helm in dem Vorderzug, nicht das blitzende Schwert mehr,

525   Dem die Feinde gebebt; doch jetzt gewahrt' es ihn blutend –
Todt in dem Staub, und neben ihm Kurd, den treuesten Freund auch.
Gleich zween säugenden Leu'n, die ein grimmiger Panther erwürgte,
Als entfernt nach Beut' umirrte die sorgliche Mutter,
Lagen sie dort; und, wie die Kehrende heulet, und wehklagt
530   Um die Lieben, daß rings, mittrauernd, die Wälder erschallen:
So wehklagte der Greis, und rief zu Toledo gebeugt hin:
»Mußtest du sterben dahier im fern entlegenen Welttheil,
Ferne der Heimath: den Lieben fern, du Herzensgeliebter!
Hugo kehret allein! Nicht schaust du vom kehrenden Schiff mehr
535   Dort den hohen Palast, wo in unbehülflicher Kindheit
Er dein erstes Lallen vernahm, auf den Armen dich wiegend;
Nicht umfängt, aufweinend vor Wonne, der fürstliche Vater
Dich Gelandeten dort, nicht die zärtliche Gattinn – was sagt' ich?
Sie ist nicht mehr! Schon floh der Engel zur besseren Heimath
540   Wieder zurück: du folgtest ihm schnell in liebender Sehnsucht.
Ruhet denn beide vereint, im nämlichen Grab, und es ruhe
Neben euch dort im Frieden die Hülle des theuersten Freundes!
Dann erhoben, auf seinen Wink, die tapferen Krieger,
Die er so oft zum Kampf' und zum Siege geführet, den Helden
545   Dort mit dem treuesten Freund' auf die Schultern, und folgten ihm, schweigend
All', und mit Thränen im Blick, zum moosumwucherten Fels hin.
Als er den finsteren Schlund der Höhl', entfernend den Steinwust,
Selber enthüllt'; als jetzt an der Seite Mathildens Toledo
Lag, zu dem Engel gewandt, der ruhend am Herzen der Mutter
550   Lächelte, sah er sie lange noch an, und sagte mit Andacht:
»Schlummert im Frieden dahier der Auferstehung entgegen,
Bis der Posaunenruf euch dann zu dauernder Wonne
Wiedererweckt. So sey's! Sie wandelten weinend, und sä'ten
Saat der Verwesung; allein, bald kehren sie juchzend, und tragen
555   Freudig die Garben heim in die Scheuern des ewigen Lebens.«Psalm 125.
Sieh', und als er auch Kurd, den redlichen Freund, an des Freundes
Seite gelegt, und das Schwert ihm dort in die Rechte gegeben,
Das er zur Rettung des Freundes gezückt: da stieg er beklommen,
Und mit thränendem Blick noch oft zu den Todten sich wendend,
560   Wieder zur Tageshelle herauf. Er winkte den Kriegern,
Und sie wälzten sogleich den lastenden Stein an der Höhl' auf:
Vor unheiligem Blick die Hülle der Edeln zu wahren.
Aber er ging, und harrt' am Strand der ersehneten Heimfahrt.

Hairaddins Völker floh'n, durchbrausend die Straßen von Tunis,

565   Und er folgte den Feigen voll Grimms; doch jetzo die Hochburg
Schauend im Abendglanz, erwog er noch zweifelnden Sinnes:
Ob er erklimme die Höh'n, und dort, die entfesselten Sclaven
Waffnend, stehe zur Wehr', und fall' im rühmlichen Tod nur?
Hastig spornt' er das Roß bergan, zu erklimmen die Höhen;
570   Doch nun hielt er erstaunt. Ihm brausete Fluch und Verwünschung
Schrecklich an's Ohr; hellschwirrende Pfeil' und schmetternde Kugeln
Wühlten um ihn, entsinkend der Luft, im Staub, und die Mörser
Spie'n mit Donnergetös' ihm zermalmende Kugeln entgegen.
Und, o schreckliche Schau: es wehte die Fahne des Kaisers
575   Hell von den Zinnen der Burg, die dort aufpflanzten die Deutschen!
Jetzt ergriff er die Flucht. Entfaltend die nächtlichen Flügel,
Rauscht' ihm Verzweiflung, Angst, und Todes-Grau'n in dem Rücken;
Doch gewahrend im flüchtenden Heer' auch Sinam, des Nach-Zugs
Tapferen Hort, ergrimmt' er sogleich, und schmähte den Greis so:
580   »Ha, wer siegte mir ob mit tönender Zunge voll Arglist,
Daß ich die Sclaven gesammt nicht erwürgen ließ in der Burg dort?
Sey verflucht dein Rath – verflucht du selber auf immer!«
So vom Zorn entflammt, entriß er dem Krieger den Bogen,
Zog die Sehn' an die Brust, und schoß nach den Zinnen der Hochburg,
585   In ohnmächtiger Wuth, den breitbefiederten Pfeil hin;
Dann entfloh er nach Bona hinaus, wo seiner die Schiffsmacht
Harrt', und Sinam folgt' entfernt mit dem schweigenden Heer nach.

Als nun rings im Gefild' des Krieges Getümmel verhallt war,
Herrschte, die Straßen entlang, in der meilenumkreisenden Hauptstadt,

590   Grabesstille. Verstummt, und zitternd bei jeglichem Laut schon
Saßen die Menschen daheim, und harrten des nahenden Feindes.
Aber mit wankendem Schritt und thränenumflossenen Wimpern
Traten, je zwei und zwei, die Greis' aus dem Thore von Tunis:
Aelteste nennt sie das Volk, die am Markt und im wölbenden Stadtthor
595   Sitzend, sprechen des Rechts Urtheil als kundige Richter.
Fünfzig kamen der Greis'. Ihr Haupt von silbernen Haaren
Spärlich umhüllt, erweckete Mitleid; Achtung geboth ihr
Schneeiger Bart, der tief zu dem goldenen Gürtel herabfloß.
Jeglicher trug in der Rechte herbei den grünenden Oehlzweig, –
600   Trug in der Linken Geschenk', und horchte, erbebend vor Angst, auf:
Denn schon tönete laut, und lauter des eisernen Hufes
Schmetternder Schlag: schon klang das Rasseln der blitzenden Waffen
Näher; des Vor-Zugs reisige Schar herbrauste, dem Sturmwind
Aehnlich, und drang in die Stadt, der bebenden Greise nicht achtend.
605   Dort, noch glühend vom Kampf, und entrüstet in blutiger Arbeit,
Würgt' ihr Schwert unseliges Volk, das thörichten Herzens
Hairaddins Worten vertraut', und, dem Schrecklichen treu sich bewährend,
Muthige Abwehr sann, und furchtbarer Rache gedachte.Robertson sagt von der Plünderung der Stadt Tunis durch die Christen (History of the Reign of the Emperor Charles V. Vol. III p. 115): »Above thirty thousand of the innocent inhabitants perished on that unhappy day, and ten thousand were carried away as slaves« – Eutropius im Werke (Diarium Expeditionis Tunetanae p. 334. apud Schard.) sagt: »Post introitum Imperatoris in urbem, ecce tibi Miles Hispanus aliquotque alii stationarii, passim in aedes magno impetu irruunt,.... Mauros resistentes occidunt, spoliant, compilant, evertunt omnia cum pulvere.« – P. Jovius Hist. Lib. 34. pag. 363 apud Schard sagt: »Primus inhiantium praedae impetus, uti invatendium et effringentium fores varii casus tulerunt, promiscua caede cruentus fuit.« Beide setzen hinzu: »Caesar sevitiae modum imposuit, pronunciarique jussit, capitale fore, si quis Tunetanum violaret civem, aut in servitutem abduceret.« – Sepulveda, dem Carl V. sein ganzes Leben erzählte, und mit jenen Beiden ihm gleichzeitig war, sagt: »In hac direptione ex oppidanis pauci gladio conciderunt, et hi suo magna ex parte stulto consilio, qui muros rebus desperatus, ne conati quidem tueri, suas domos, milites irritati in nonnullos sine discrimine parumper saevierunt, praesertum Germani etc.« (Siehe: Opera P. Sepulvedae Vol. I. p. 405. Matriti ex Typ. Reg. 1780.) Dieß zur Würdigung obiger Geschichte!
Aber umsonst: bald floh die unzählige Menge zerstäubt fort.

610  

Jetzt an der Spitze des jauchzenden Heer's, in eherner Trommeln
Wirbelndem Ruf, im Drometengetön, und der flatternden Fahnen
Sanftem Gesäusel, erschien der stattliche Kaiser. Die Feldherrn,
Eberstein und Doria rechts – links Guasto mit Ludwig
Folgten ihm. Doria, groß und mächtig im Sturme der Seeschlacht,

615   Sah ihn erringen den Sieg, und heftete seitdem die Augen
Schweigend auf ihn; ihm pochte die Brust vor erschütternder Ehrfurcht.
Als der Herrscher die Greise, gebeugt im Staube, gewahrte,
Sprang er vom Sattel, und hieß sie mit sanftgebiethender Stimme
Stehen, und sprechen vor ihm mit Muth und würdiger Freiheit.
620   Siehe, da sprach El-Had, der hundertjährige Greis so:
»Segen mit dir, gewaltiger Heer'- und Völkerbesieger,
Der du mit Huld uns hörst! Nun herrsch' in Fülle des Glückes
Ueber ein Volk, das jüngst im strafenden Zorne die Vorsicht
Hairaddins Wuth preis gab, des grausamgesinneten Mannes.
625   Ach, und wir haben doch einst viel bessere Tage gesehen,
Als auf dem Thron von Tunis ein Fürst voll göttlicher Weisheit,
Maula Mehemed, saß, deß' Staub der Segen des Himmels,
Wie die Sommerflur der thauende Morgen, erquicke;
Als des Siegers Schwert' erbebten die Gegner, im Frieden
630   Blühte dieß Land, und rings auf dem weltverbindenden Meer noch
Wogte sein Handelsschiff, des Segens Fülle verbreitend –
Sammelnd im frohen Verkehr! Doch zürne dem eifernden Greis' nicht,
Herr: denn stets umschwebt ihn das Bild entflohener Zeiten,
Und errette das Volk in den Mauern der zitternden Hauptstadt,
635   Wo nach dem schrecklichen Kampf der rach'erfüllete Sieger
Wüthet. Vielleicht, daß auch dir ein grauender Vater daheimblieb,
Welcher im Gram des Tages gedenkt, an welchem du hingingst;
Oder am Strande des Meer's die Mutter des blühenden Säuglings
Deiner, des Gatten, beraubt, aufweint in trauernder Sehnsucht.
640   Solches erwäg', und errette – gebiethe dem stürmischen Krieger,
Daß er den lüsternen Blick, voll heiliger Scheu, von des Harems
Thüre verwende, und Leib und Gut dir opfert dein Volk dann!«
Also der Greis, und mild, wie ein liebender Vater den Kindern
Streichelt die Wange zum Trost, zur Ermunterung, nahte der Kaiser
645   Jetzo dem flehenden Greis', und sprach mit erheiterten Blicken:
»Ein, und derselb' erbarmende Gott ist über uns allen,
Der den Sieg uns gab, und den frevelnden Räuber in Staub warf.
Aber nicht mir und den Meinen, nur Muley Hassan, dem König,
Huldige fürder dieß Land: ihm werde das Erbe der Väter,
650   Ihm der entrissene Thron, die Lieb' und die Treue des Volkes.
Möge die Zukunft ihm und euch im Segen erblühen!«
Sagt' es, und nahm die Geschenk' an köstlichen Früchten und Blumen,
Die, nach der Sitte des Land's, ihm die zitternden Greise verehrten,
Nahend je zwei und zwei, und die Herolde hieß er, den Kriegern
655   Einhalt thun mit gebiethendem Wort', in den Straßen von Tunis.
Jene gehorchten, und bald verstummte der Waffen Getümmel.

Doch welch' dunkeler Strom ergeußt sich vom Felsengebirg her?
Zahlloswimmelndes Volk entströmt den Thoren der Hochburg.
Ha, die Geretteten sind's – sie sind's, erschütternd zu schauen!

660   Wie, zum Schwarme gereift, die unzählige Menge der Bienen,
Summend, dem duftenden Korb entfährt am sonnigen Lenztag:
Also entströmten auch hier wohl zwanzigtausend der Christen –
Jetzo nicht Sclaven mehr, den Kerkern der Stadt und der Hochburg:
Bleich, ermattet durch Qual, durch Hunger und grause Behandlung!
665   Glückliche, die nun zuerst umschlangen die Kniee des Kaisers,
Knieend im Staub: auf die Hand ihm preßten die zitternden Lippen –
Netzten mit glühenden Thränen sein Kleid! Nur Stöhnen und Schluchzen
Tönte noch ringsumher aus der angsterregenden Stille.
Jetzt ein Weinen und Heulen erscholl, und jetzo mit einmal,
670   Furchtbar, hallte Geschrei: »O Vater, Retter, Befreier!«
Wie die Meeresfluth, vom nahenden Sturme gehoben,
Erst nur leis' aufrauscht; doch bald im schrecklichen Aufruhr
Heulet in Wolkenhöh'n, und braust in des gähnenden Abgrunds
Tiefen, daß, schaudernd vor Angst, ihr die Erd' und der Himmel erdrönet:
675   Also ertönte der Schrei der Glücklichen rings um den Kaiser.
Tausender Händ' empor zu dem Vater im Himmel gehoben,
Zeigten die Bahn, auf welcher des tieferschütterten Herzens
Dank aufflog, und des Segens Fülle erflehte dem Retter.

Lauter ward das Getös', und bewegter die wimmelnde Schar dort.

680   Einer dem andern sank an die Brust, und fragte noch zweifelnd:
»Ist es gewiß: wir frei – entronnen auf immer den Banden?«
Einzeln, dann wieder vereint, dann immer gewaltiger scholl's nun:
»Werd' ich dich wiederseh'n, o Vaterland – in der Heimath
Seh'n dich, väterlich Haus, wo mir der fröhlichen Kindheit
685   Jahre entschwanden im Glück? Werd' ich den zärtlichen Vater –
Ich die liebende Mutter umfah'n – die holde Geliebt' ich,
Liebend und treu, und ich, den Freund, die Kinder, und Gattinn?«
Also erscholl's aus dem brausenden Strom endlosen Entzückens;
Aber der Retter stand im Kreise der staunenden Feldherrn,
690   Von den seligen Scharen umjauchzt. Er blickte, verstummend,
Ueber die Menge hinaus, in des hochaufwölbenden Aethers
Schimmernden Raum empor (an seinen Wangen herunter
Stürzte die Thrän') und als er nun senkte das Haupt, und voll Dankes
Preßte die Recht' an das pochende Herz: da wandt' er sich lächelnd,
695   Weinend, nach Eberstein, und sagte mit leiserer Stimme:
»Stürb' ich doch jetzt: denn ach, mir wurde die Wonne des Himmels!«
D'rauf mit erheitertem Blick begann er, und sagte zu Guasto:
»Edeler Greis, vertraut sey dir die Pflege der Freien,
Daß du mit Vaterhuld, und weis'umschauender Sorgfalt
700   Stillest die Noth der Hungrigen, und bekleidest die Nackten!
Heimwärts schiffen wir bald. In des Meer's freiwogenden Fluthen
Rauschet der Kiel, und vom Mast erglänzen die Kränze der Sieger:
Dort den Lieben zur wonnigen Schau. Doch nimmer entschwindet
Uns das errungene Ziel hinfort; nicht welket der Kranz mehr,
705   Der uns geworden: denn seht: er keimte hienieden, und blühet
Unvergänglich fort in den hehren Gefilden des Himmels!«
Jener führte die jauchzende Schar zu des Meeres Gestad hin,
Sorgend für Aller Wohl nach dem Willen des edelsten Herrschers;
Aber er trat voll Wehmuth ein in die Thore von Tunis!

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