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Völker in Bewegung

Das Leben der Völker äußert sich durch Bewegung wie jedes Leben. Die Ausbreitung der Völker ist ein Symptom dieser Bewegung und kann nur aus ihr heraus verstanden weiden. Die Beweglichkeit ist eine wesentliche Eigenschaft des Völkerlebens, die jedem Volke, auch dem scheinbar ruhenden, eigen ist. Diese Beweglichkeit liegt nicht bloß darin, daß der Mensch die Fähigkeit der Ortsveränderung besitzt; wir begreifen vielmehr darunter den ganzen Komplex von zum Teil wunderbar entwickelten und noch immer weiter wachsenden körperlichen und geistigen Anlagen, durch die eben diese Fähigkeit zu einer Grundtatsache der Geschichte der Menschheit wird.

Wie verschieden auch, nach ihren Trägern, die geschichtlichen Bewegungen sein mögen, gemeinsam bleibt ihnen immer, daß sie am Boden haften und daß sie daher von der Größe, Lage und Gestalt ihres Bodens durchaus abhängig sein müssen. Wir werden also in jeder organischen Bewegung die inneren Bewegungskräfte wirksam sehen, die dem Leben eigen sind, und die Einflüsse des Bodens, an den das Leben gebunden ist.

In den Völkerbewegungen sind die inneren Kräfte einmal die allgemeinen organischen Bewegungskräfte und dann die Impulse des Geistes und des Willens der Menschen. Manche Geschichtsbetrachtung läßt nur diese allein hervortreten, aber es ist nicht zu übersehen, daß sie doppelt bedingt sind: sie können nicht über die Grenzen hinaus, die dem Leben überhaupt gezogen sind, und können sich nicht vom Boden losmachen, an den das Leben gebunden ist. Will man die geschichtlichen Bewegungen verstehen, so ist es daher notwendig, das Mechanische in ihnen zuerst zu erwägen, und zu diesem Zweck muß man ihren Boden betrachten.

So wie die Voraussetzung des Verständnisses der Tier- und Pflanzengeographie die Einsicht in die Wanderungen der Pflanzen und Tiere ist, so gehört zur Anthropogeographie die Lehre von den Völkerbewegungen .

Es liegt nicht in dem Wesen der Geographie, nur mit starren Erscheinungen sich zu beschäftigen. Sie fixiert die jedesmalige Lage eines Gegenstandes, und erhält so die aufeinanderfolgenden Lagen. Und jede Lage ist immer aus der vorhergehenden zu bestimmen. Wohl ist es nicht bequem, die Dinge in Beweglichkeit statt in scheinbarer Ruhe anzusehen, aber es ist die einzig richtige Betrachtung.

Wir bezeichnen die Äußerungen dieser Beweglichkeit als geschichtliche Bewegung, weil die Geschichte der Völker, geographisch aufgefaßt, aus inneren und äußeren Bewegungen besteht.

 

Wenn die Völker sich in ihren Gebieten verschieben, dann ist es geboten, Volk und Gebiet nicht wie etwas Untrennbares zu behandeln.

Man binde nicht Bewegliches an Starres. Das Gebiet bleibt, das Volk geht vorüber.

Das Völkergebiet ist etwas ununterbrochen Fließendes, sich Veränderndes. Und zwar ist es nicht an dem, daß es sich nur ausbreitet und wächst, wie viele stillschweigend anzunehmen scheinen, sondern es geht auch zurück, wird zusammengedrängt, durchbrochen. Es verschwindet endlich.

Heute sind in Europa alle Völkergebiete das zweifache Ergebnis einer starken Ausbreitung und darauffolgenden Zusammendrängung, denn bei zunehmenden Volkszahlen hat die Völkergeschichte Europas den Charakter eines Gedränges mit beständigen Verdrängungen angenommen. Das Wachsen als innere Bewegung setzt äußere Bewegungen voraus und ruft äußere Bewegungen hervor.

Dabei nimmt aber die Beweglichkeit nicht einfach zu. Wenn ein Volk heranwächst, wendet sich seine Beweglichkeit zuerst nach innen, seine Zahl verdichtet sich, seine Geschichte nimmt einen zunehmend intensiveren Charakter an, die Verbindung mit dem Boden wird immer inniger. Dann überwächst wohl das Volk die Ernährungsfähigkeit seines Bodens, und es folgt nun jene merkwürdige Erscheinung des unaufhörlichen Abfließens, ohne die wir uns heute z. B. keines von den großen Völkern Europas vorstellen können.

 

Schon in dem steinzeitlichen Europa, das vielleicht die frühesten arischen Einwanderungen sah, werden die im Lande Befindlichen kaum weniger beweglich gewesen sein, als die von außen Hereindrängenden, und diese müssen überall Lücken, ja vielleicht ganz freie Länder zwischen dünn besetzten gefunden haben.

 

Die volkreichen Länder lassen ihren Überfluß nach den dünn bewohnten Nachbargebieten abfließen, und man kann von einem Völkergefäll reden, das solange wirksam ist, bis ein Ausgleich der Bevölkerungsunterschiede erreicht ist.

 

Innerhalb der Ökumene gibt es keine absoluten Hindernisse der Bewegung des Lebens. Gewässer und Sümpfe können durchfurtet oder überschifft, die Gebirge überstiegen, die Wüsten längs ihrer Oasen durchritten werden, und jedes von diesen Hindernissen ist räumlich nicht so groß, daß es nicht umgangen werden könnte. Indessen wird doch durch jedes Hindernis die Bewegung erschwert, d.h. verlangsamt.

Bei den Wanderungen zur See erleichtern Strömungen und regelmäßige Winde die Wege in bestimmten Richtungen.

Was die Bewegungen der Völker erleichtert, beschleunigt auch den Gang der Geschichte.

Die innere Bewegung bereitet die äußere vor, oder die äußere Bewegung, die verschwunden, ausgestorben zu sein scheint, hat sich in das Innere eines Volkes zurückgezogen, wo sie weiter wirkt und neue äußere Bewegungen vorbereitet.

Die Beweglichkeit wirkt ganz von selbst auf die Ausbreitung der Völker, ohne daß ein Wandertrieb dazu nötig ist. Wo freier Raum ist, da ergießen sich die Völker wie eine Flüssigkeit über breite Flächen und fließen so weit, bis ein Hindernis entgegentritt. Wo Hindernisse entgegenstehen, da teilt sich die Bewegung und dringt in der Richtung des geringsten Widerstandes vorwärts, sei es in Tälern oder Lücken des Waldes oder zwischen den Wohnstätten früher gekommener Menschen. Wird sie von Hindernissen eingehemmt, dann gibt sie zeitweilig das Streben nach außen auf, und wir sehen auf Inseln und Halbinseln, in Talbecken oder in ganzen gebirgumrandeten Ländern, kurz in natürlich umgrenzten und beschränkten Gebieten, die Zugewanderten rasch an Zahl zunehmen, bis das Land so dicht besetzt ist, daß neue Wanderungen notwendig werden.

[In der Entwicklung des deutschen Volkes finden wir diese Erscheinungen in der südöstlichen und in der nordöstlichen Kolonisation bestätigt: Während die vornehmlich bajuwarische Kolonisation des Südostraumes durch die Alpen eine Umgrenzung erfuhr und somit in starker Siedlungsverdichtung das gewonnene Neuland lückenlos besetzte, wurden die nach dem Nordosten gerichteten Wanderungswellen durch das Fehlen natürlicher Schranken bis weit in den Ostraum hineingeführt und zerflossen dort ohne Herausbildung klarer Volksgrenzen. D. Hrsg.]

Für Massenwanderungen sind so viele Voraussetzungen notwendig, daß sie nur auf höheren Kulturstufen und in beschränkten Gebieten vorkommen können. Allverbreitet sind dagegen die Wanderungen einzelner oder kleiner Gruppen, die sich aus größeren Gemeinschaften loslösen und auf gesonderten Wegen ihren Zielen zustreben. Die Gruppen zerteilen sich dann aber wieder auf ihren Wegen, sei es durch den Einfluß des Bodens, sei es durch den der Menschenansammlungen, zwischen denen hindurch sie ihre Wege zu machen haben.

Seit den frühesten Zeiten haben Kriege umfangreiche Wohnsitzveränderungen der Völker herbeigeführt. Die Kriege wirken auf tieferen Stufen immer auf das ganze Volk. Je höhere Güter ein Volk zu verteidigen hat, desto mehr sucht es sich diesen Stößen zu entziehen, indem es eine Armee zwischen sich und den Feind stellt.

Die Kriege wirken indessen nicht bloß verwüstend auf die Länder, welche sie überziehen, sondern sie führen auch zur Vernichtung zahlreicher Leben im Inneren des siegreichen Volkes. Kriegerische Staaten sind auf dieser Stufe immer Despotieen, zu deren hervorragenden Merkmalen die Verwüstung der Menschenleben gehört. Sie leiden alle an Menschenmangel.

Einer der elementarsten Triebe des Menschen auf allen Stufen ist der Schutztrieb . Weder der Nahrungstrieb noch der Geselligkeitstrieb wirken so entschieden auf die Verbreitung der Menschen ein. Der Schutztrieb schafft die geradezu unnatürlichen Sitten des Wohnens in anökumenischen Gebieten: das Wohnen der Malahen und Papua auf Pfahlbauten im Wasser, vieler anderen Völker auf Bergen, in Felsenöden, in Höhlen, auf Bäumen, auf schwer zugänglichen und unfruchtbaren Eilanden in der Nähe größerer Inseln, in Mangrovedickichten, in dunklen Wäldern. So wie zum Behuf des Schutzes vor drohenden Angriffen weite Wanderungen unternommen werden, so wirkt der Schutztrieb überhaupt zerstreuend auf die Völker ein, führt sie über Gebiete hin, die sie sonst meiden würden, an Orte, wo für Nahrung und Gesundheit die Bedingungen ungünstig liegen. Da nun dabei das Grundmotiv immer die Einschiebung eines unbewohnten, schwer zu durchschreitenden anökonomischen Gebietes zwischen die Schutzsuchenden und ihre Feinde ist, so hat sicherlich der Schutztrieb zur Bewältigung so manchen Hindernisses der Verbreitung der Menschen gefühlt. Mancher Urwald ist auf diese Weise gequert, manches Gebirge überschritten worden.

Die Flucht ist eine häufige Form der Massenwanderung, die aber wegen des Schutzes, den sie sucht, nicht dauerhaft sein kann. Ein aus seinen Sitzen fliehendes oder verdrängtes Volk teilt sich bald, um die Zufluchtsorte leichter und früher zu erreichen.

 

Oftmals drängt eine Summe von unzusammenhängenden Bewegungen langsam nach einer oder der anderen Seite, läßt kleine Gruppen eines Volkes in die Lücken eines anderen eindringen und schafft zunächst eine zerstreute Verbreitungsweise. Es ist eine Durchdringung, » infiltration «, wie man es treffend bei den Fulbe des Westsudan genannt hat.

Solche Wanderungen führen keine Stöße aus, die mit einem einzigen Feldzug ein eroberndes Volk mitten in das Herz eines wankenden Reiches versetzen. Dafür gehen sie merkwürdig stetig vorwärts, und große Rückschläge sind ihnen daher erspart.

Den Verschiebungen und Verdrängungen der sogenannten Nationalitätengrenzen, deren Zeugen wir in allen Ländern sind, wo verschiedene Völker wohnen, liegen ganz ähnliche Vorgänge zugrund. In dünn bevölkerten Gebieten mit großen leeren Räumen sehen wir dort Massen sich einschieben.

In dichter bewohnten Gebieten findet die vorhin erwähnte Durchdringung durch kleine Gruppen und einzelne statt, die mit der Zeit sich summieren, bis sie endlich das Übergewicht erlangen.

Ganz ähnlich wie die Juden und Armenier sich in zahllosen kleinen, oft erstaunlich rasch größer werdenden Gruppen durch Europa und Westasien verbreitet haben, und wie die Spanier in den Indianergebieten sich von Dorf zu Dorf, Handel und Wucher treibend, verbreitet haben, ist durch zuwandernde Fabrikarbeiter die Tschechisierung deutscher Gebiete in Böhmen erst unmerklich, dann, als es zu spät war, unwiderstehlich fortgeschritten.

Liegt hinter einem derartig fortschreitenden Volke eine große Volksmasse, die die sich durchwindenden Bächlein wie aus einem unerschöpflichen Reservoir speist, dann erreicht das zerstreute Wandern zuletzt Ergebnisse, die die rasche Wirkung großer Kräfte in der Massenwanderung weit übertreffen.

Durch langsame, aber nie aufhörende Auswanderung und Kolonisation, durch Schritt für Schritt mehr mit friedlichen als kriegerischen Mitteln, besonders mit Handel und Ackerbau arbeitende Aufsaugung der widerstrebenden Bevölkerungen gewachsen, ist China älter geworden und steht, trotz so vieler Rückschläge der politischen Entwicklung, fester als die glänzend emporgestiegenen Eroberungsstaaten.

Eine ähnliche Bewegung haben die britischen Tochtervölker in allen Erdteilen geschaffen. Sie nahm im engen Inselland die Form der überseeischen Wanderung an. Das Muttergebiet war eng, reif und geschützt genug, um gleichmäßigen Zufluß für Jahrhunderte zu gewähren.

Durch planmäßige Verteilung, Verwendung und Beschützung der Auswanderermassen entsteht die politische Kolonisation, wie sie Rom groß und die Halbinsel Italien zur Mutter einer der größten Völkerfamilien gemacht hat. Man könnte sie als planmäßige Durchdringung bezeichnen. Die Grundlage des Lebens der Hirtenvölker , die Herden, bilden an sich eine lebendige, sich immer erneuernde vorwärtstreibende Kraft, durch die die Hirten, ihre Herren, immer weiter gedrängt werden. Alle Großviehzucht verlangt Boden und immer neuen Boden, denn ihre Herden wachsen, und der abgeweidete Boden erneut sein Gras langsam.

Der Nomadismus kann Kulturvölker politisch zusammenfassen, kann Kulturelemente aufnehmen und weitergeben, er kann aber die Kultur selbst weder anpflanzen noch fortpflanzen. Noch weniger konnte er die Kultur hervorbringen. Mit dem schwankenden Stande und der Unselbständigkeit der Kultur der Nomaden hängt es zusammen, daß die Religion eine ungeheure Macht über sie hat. Der Buddhismus hat die Mongolen ihrer kriegerischen Kraft beraubt und durch den Zölibat ihr Wachstum vermindert, und die Türken sind durch die Religionskriege zwischen Sunniten und Schiiten dauernd geschwächt worden.

Eine unvermeidliche Begleiterscheinung großer Wanderungen, besonders der Hirtennomaden, ist das Mitreißen anderer Völker durch die in Wanderung befindlichen . Mit den Vandalen zogen bekanntlich die Alanen nach Afrika.

Jede Bewegung eines Volkes in einem bevölkerten Land drückt auf ein anderes Volk, und wenn dieses dem Drucke nachgebend sich bewegt, erteilt es einem dritten Bewegungsanstöße. Jeder tätigen Bewegung antwortet eine leidende und umgekehrt.

 

Wenn es sich auf tieferen Stufen um das Zusammentreffen und das Mit- und Gegeneinanderbewegen zerstreut wohnender und wandernder Völker handelt, macht sich auf höheren der Unterschied des Wachstums und der Kraft der Völker in der Welse geltend, daß einige viel mehr als andere zunehmen und notwendig über ihr ursprüngliches Gebiet hinauswachsen, auswandern. Mit vollständiger Ansässigwerdung hört das Wandern ganzer Völker oder großer zusammenhängender Volksbruchstücke fast ganz auf.

Mit der höheren Kultur haben die vollständigen Massenwanderungen aufgehört. Aber jede größere politische Umwälzung gibt Anlaß zu kleinen Völkerwanderungen.

 

[Diese politisch erzwungenen Völkerwanderungen haben allerdings infolge der von Haß und Unvernunft diktierten »Neuordnung« Europas nach dem Weltkrieg wieder größeren Umfang angenommen. Die Gewaltpolitik Polens gegen die Deutschen des Weichsel- und Warthelandes und Ostoberschlesiens hatte zur Austreibung von mehr als einer Million Deutschen geführt, und die notwendig gewordene Vereinigung der Siedlungsverhältnisse an der Nordostgrenze des Deutschen Reiches, die 1939 in Angriff genommen wurde, wird wiederum bedeutende völkische Verschiebungen mit sich bringen. Der türkisch-griechische Bevölkerungsaustausch, der nach der Niederlage der Griechen in Anatolien vereinbart wurde, hat ebenfalls über eine Million Menschen zum Wechsel ihrer Wohnsitze gezwungen, wobei die gesamten volkreichen griechischen Kolonien an der kleinasiatischen Küste nach Griechenland zurückgenommen werden mußten. D. Hrsg.]

 

Der Ursprung eines Volkes kann immer nur geographisch vorgestellt und auch nur geographisch erforscht werden. Von einem Teil der Erde geht ein Volk aus, nach einem anderen zielt es hin, und zwischen diesen beiden Gebieten liegt ein Verbindungs- und Übergangsgebiet, das selbst wieder ein großes Stück Erde sein kann.

Schöpfungszentrum ist ein anspruchsvolles Wort. Wenn uns heute ein Biograph von dem Schöpfungszentrum einer Pflanzen- oder Tierart spricht, versteht er darunter praktisch nichts anderes als den Raum, wo die Verbreitungswege dieser Art mit denen verwandter Arten zusammentreffen. Es ist also ein Ausgangspunkt oder, wenn der Vergleich erlaubt ist, ein Knotenpunkt pflanzlicher oder tierischer Verkehrswege. Dem Schöpfungszentrum entspricht in der Anthropogeographie der Ursitz . Soll dieses Wort bedeuten, daß es der äußerste, unwiderruflich letzte Sitz sei? Für die geographische Auffassung gibt es nur ein Ausgangsgebiet , bis zu dem wir von einem bekannten End- oder Zielgebiet einer Völkerbewegung den Weg zurückmachen, den diese eingeschlagen hatte.

Wenn man sagt: die große Völkerwanderung hat an der chinesischen Mauer begonnen, so ist die Frage erlaubt: wie kann etwas beginnen, das immer da ist? Die »Völkerwanderung« war nur eine Steigerung der immer lebendigen Bewegung.

 

Neben einem großen Wandergebiet müssen in erster Linie Zufluchtsgebiete liegen, wohin die auseinandergeworfenen, zersplitterten Völker sich zurückziehen. Sie werden immer bezeichnet sein durch eine bunte Zusammensetzung der Bevölkerung, die verhältnismäßig dicht sitzt, und nicht selten werden die angrenzenden Wandervölker beherrschend übergreifen und in diesem Saume Staaten gründen, in denen sie das Zepter über die unterworfenen Flüchtlinge schwingen.

Neben dem Kampf um Raum geht ein Kampf um die Qualität des Bodens vor sich, der die besten Länder den stärksten Völkern zuteilt. Das ist ein Differenzierungsprozeß von ungeheuren Folgen. Er vor allem bedingt das schwere geschichtliche Schicksal, das auf dem Späterkommenden lastet. Es liegt nicht bloß darin, daß der Erstgekommene der Besitzer ist; vielmehr beschleunigt die Entwicklung unter günstigen Verhältnissen dessen äußeres und inneres Wachstum. Wo immer in der Welt die Deutschen sich als Kolonisten ausbreiten wollen, die politisch günstigsten Stellen haben die früher gekommenen Kolonialmächte schon eingenommen, und auch von wirtschaftlich günstigen Ländern ist nichts übriggeblieben. Die Inanspruchnahme aller für den Ackerbau der gemäßigten Zone zugänglichen Ackerländer durch Engländer, Russen, Spanier und Franzosen ist eine grausam-deutliche Illustration der Wahrheit, daß die späteren Bewegungen, wie ihr Geschick sonst auch sein möge, nicht mehr denselben Boden finden wie die früheren.


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