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Nicht alle wissenschaftlichen Verdienste sind gleich leicht wägbar. Die Leistungen auf den verschiedenen Gebieten der Forschung werden nie mit gleichem Maße zu messen sein, und werden auch niemals mit voller Gerechtigkeit beurteilt werden können, d.h. gerecht gegenüber dem einzelnen, aus dessen Arbeit sie hervorgingen. Nicht nur die Menge schätzt bloß nach den Wirkungen, die sie sieht, die Kräfte ab, die bei irgend einer Erscheinung ins Spiel kommen, sondern es herrscht dieselbe Neigung auch bei denen, welche als sachverständig gelten. Nur die Kraft, welche der sichtbaren Wirkung entspricht, wird in Betracht gezogen, nicht diejenige, welche aufgewandt wurde. Was von derselben ohne Schuld des Arbeitenden verlorenging in notwendigen Vorarbeiten, deren Zweck manchmal nur der negative der Wegräumung verjährter Irrtümer, oder in Umwegen, zu denen die Unerfahrenheit des geraden Weges zwischen Versuch und Ziel führt, oder in Wiederholung dieses Weges zur Sicherstellung seiner Nichtigkeit oder in Reibungen mit gleichstrebenden Genossen, die aber leider sehr selten auch gleichfühlende sind, das bleibt dem Urteil der Außenstehenden fast immer ganz verborgen. Man kann die Arbeit der Forscher auf irgendeinem Gebiete der von Maurern vergleichen, die hinter einer langen Wand nebeneinander ihre Bauten aufführen. Das Publikum weiß nichts von allem, was hier geleistet wird, solange nicht die Bauwerke über die Mauer hervorragen. Die Räumarbeit, das Beifahren von Material, das Grundgraben, die Breite und Stärke des Fundaments kennt es nicht. Es weiß nur, wie diejenigen Stücke der Bauwerke beschaffen sind, welche hoch genug gedeihen, um über die Mauer weg gesehen zu werden. Nur danach wird geurteilt.
Man begreift die Ungerechtigkeit, welche hierbei gegen die einzelnen Arbeiter geübt wird. Aber dieselbe ist unvermeidlich und gleichzeitig so allgemein, daß sie als etwas Besonderes gar nicht mehr empfunden oder angesehen wird. Man kann sie fast schon zu den angeborenen Beschränkungen unserer geistigen Sehfähigkeit rechnen. Meist ist es erst eine späte Zukunft, welche zu gerechter Würdigung Anlaß gibt, indem sie eines verfallen läßt, während das andere Bestand gewinnt. Erst dann erkennt man, wer für den Augenblick und wer für die Dauer gebaut hat.
Aber es ist nicht geraten, abzuwarten, bis dieses Gottesurteil der Geschichte sich kundtut; denn wenn es dazu kommt, ist es oft zu spät, einem verblichenen Namen wieder Glanz zu verleihen in den Augen einer Nachwelt, die vollauf beschäftigt ist mit der Aufnahme dessen, was um sie her sich vollzieht. Will man dafür sorgen, daß ein Verdienst, welches der Erhaltung wert ist, nicht vergessen werde oder in ungerechtem Maße dem natürlichen Schicksal der Verkleinerung bei wachsender Entfernung verfalle, so muß man es nicht so weit kommen lassen, sondern so früh wie möglich die Bande wieder schlingen, welche den Mann mit der Zeit verknüpften, der er angehörte. In einer Menschheit von idealem Gerechtigkeitssinn müßte es einen eigenen Stand der Biographen geben, der geistigen Abstäuber und Reinhalter, dem die Funktion zufiele, die wahren Verdienste immer wieder vom Staube der Vergessenheit zu befreien.