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Rassen- und Nationalitätenkonflikte

So wie die Nationalitäten so alt sind wie das Heraustreten der Menschen aus der Isolierung der kleinen Familienstämme, so sieht auch der unbefangene Beobachter kein Ende ihrer Unterschiede und Kämpfe ab.

Die erste Nationalitätenbewegung der Tschechen folgte dem Eindringen mitteleuropäischer Kultur seit dem 14. Jahrhundert, nach Ottokars Tod trat sie deutlicher hervor und schon damals hatte sie ihre politische, religiöse und literarische Seite. Nationalen Charakter hatten die Kämpfe der Deutschen und Wenden, der Angelsachsen und Kelten, der Spanier und Mauren. Solange es Völker gibt, die sich ihres Volkstums bewußt sind, stoßen sie auch in nationalen Kämpfen zusammen.

 

Die Natur fordert von jedem Volk, das als Volk gedeihen soll, ein Wohnen auf zusammenhängendem Boden , auf dem es breit ruht, in dem seine Wurzeln zu Tausenden sich verflechten. Nur den zusammenhängend und geschlossen verbreiteten Völkern kommt jene Kraft des Antäus zu, die aus dem festen Verhältnis zur eigenen Scholle entsteht. Juden, Armenier, Zigeuner wohnen bei anderen Völkern gleichsam zur Miete, ohne eigenes Land, auf dem sie als Volk stehen, für das sie als Volk kämpfen, aus dessen Eigenart ihnen die Eigenart zuwächst, die aus der Verbindung eines Volkes mit seinem Boden entspringt.

 

Wir sehen zwei verschiedene Arten von Nationalitätenbewegungen . Auf die Einverleibung fremder Völker geht die eine aus: sie ist wesentlich politisch, wird von politischen Mächten gefühlt und benutzt? auf die Abstoßung und womöglich Ausstoßung ist die andere gerichtet: sie ist rein rassenhaft .

Ein Rassengefühl, das seiner Natur nach etwas Familienhaftes hat, kann nicht auf die Dauer politischen Zwecken dienen, die direkt gegen die Rasse gerichtet sind. Die eigene Rasse glorifizieren und ihr mit allen Mitteln fremdes Blut bis herunter zu zigeunerischem zuführen, das kann unmöglich zusammengehen, wenn nicht etwa das aneignende Volk eine so elementar wirkende Assimilationsfähigkeit besitzt, daß es ohne Mühe alle nicht unmittelbar rassenfremden Elemente in sich aufnimmt? so mag einst das Römertum romanisiert haben, und so haben die Anglokelten der Vereinigten Staaten von Amerika ein neues amerikanisches Volk gebildet.

Alle diese Fälle von Völkeraufsaugung können nur unter dem Schilde der Nationalität stattfinden, weil die Sprache als Erkennungszeichen der Verwandtschaft angenommen und, vielleicht nicht ohne Absicht, überschätzt wird. Ganz abgesehen von dem sehr häufigen, aber leicht erkennbaren Fehler, Sprache und Rasse zusammenzuwerfen, kann die Sprache durchaus nicht einen engeren oder festeren Zusammenhang mit dem Volke beanspruchen, von dem sie gesprochen wird, als irgend ein anderes Merkmal.

Daß ganze Völker ihre Sprache im Laufe weniger Generationen aufgeben und eine andere annehmen, ist zu allen Zeiten vorgekommen.

Jedes fremde Wort in einer Sprache bedeutet einen fremden Tropfen im Blute des Volkes, das diese Sprache spricht.

Rasse und Sprache sind zwei so grundverschiedene Dinge, nach Herkunft, Wert und Wirkung so weit auseinander, daß ihre Verwechslung nicht bloß ein einfacher Fehler, sondern ein Irrtum ist, der verhängnisvolle Wirkungen politischer und sozialer Art nach sich zieht. Wir stehen alle unter der Herrschaft einer Bildung, die die Bedeutung der Sprache übertreibt, weil sie selbst hauptsächlich mit linguistischen Fasern in der Vergangenheit wurzelt. Aber diese Herrschaft ist vergänglich – die Forderungen der Wirklichkeit werden sich immer stärker erweisen. Wenn ich im Vergleich mit der Rasseverwandtschaft, die in der Übereinstimmung des Blutes tief gründet, die Sprachverwandtschaft etwas Äußerliches nenne, so soll damit nicht die Bedeutung der Sprache als Völkermerkmal, oder besser als Kulturmerkmal überhaupt, herabgesetzt sein; denn gerade als solches hat sie in dem Maße wachsen müssen, wie die Völker einen reicheren geistigen Inhalt zu adeln gewußt haben.

Wir leben gegenwärtig noch in einer Zeit der Überschätzung der Sprachen wegen ihres historischen Wertes, und unglücklicherweise trifft diese nun mit einem Streben nach Ausbreitung der Völker- und Staatengebiete zusammen, wie es so stark sich noch niemals geregt hat.

Tief liegt es in den Gesehen des Staaten- und Völkerwachstums begründet, daß auf die Stammes- und Nationalitätenfragen die großen Rassenfragen folgen; denn mit den Räumen müssen die Gegensätze wachsen, die in ihnen wohnen. Die Rassen sind nun die größten Gruppen von natürlicher Verwandtschaft in der Menschheit; daher lösten die Rassenkonflikte den Streit der Stämme und der Völker ab, als die Stämme in die Völker aufgegangen und die Völker einander immer nähergerückt waren.

Auch in Zukunft werden indessen die entlegensten Glieder der Menschheit zusammenarbeiten: es wird nicht eins die Arbeit der anderen verrichten, es wird vielmehr der gesunde Grundsatz der Arbeitsteilung nach der Begabung zur Anwendung kommen; aber an dem Endergebnis werden alle beteiligt sein.

 

Mit Recht hat der beste Kenner Ostasiens unter den deutschen Politikern, Herr von Brandt, vor dem Mißbrauche gewarnt, der mit einem Worte wie » Gelbe Gefahr « getrieben wurde.

Vor allem muß man sich doch darüber Klarheit verschaffen, ob die bei solchen Spekulationen vorausgesetzte Einheit der großen Rassen wirklich vorhanden ist.

Die Welt ist durch die Japaner nicht bloß um eine Großmacht und eine pazifische Seemacht reicher geworden – die Weltgeschichte der Kunst hat neue Blätter erhalten, von deren köstlichem Inhalt sich niemand etwas träumen ließ, und ihre wissenschaftlichen Leistungen sind auf manchen Feldern schon heute respektabel zu nennen. Der Begriff gelbe Rasse oder mongolische Nasse war so einförmig – wieviel reicher ist er nun wenigstens nach der geistigen Seite hin geworden? und auch die anatomisch begründete Auffassung, daß in den Japanern nordostasiatische und malayische Elemente mit den gewöhnlich als mongolisch bezeichneten verbunden sind, warnt uns, jenen Begriff so unbedingt zu schätzen, wie es früher wohl geschah, und hindert uns, ihn unserem Völkerurteil unbesehens zugrunde zu legen.

Die politische Gleichstellung der Schwarzen und Weißen in den Vereinigten Staaten war das Ergebnis schwerer Geisteskämpfe und eines verwüstenden Bürgerkriegs. Heute raten den Negern der Vereinigten Staaten ihre besten Freunde, auf das Wahlrecht zu verzichten; die soziale Gleichberechtigung ist ihnen ohnehin genommen, oder vielmehr sie konnte ihnen gegen das widerstrebende Rassengefühl der großen Masse der Weißen nie voll bewilligt werden: der Präsident der Vereinigten Staaten kann zwar Neger zu Gesandten ernennen, er kann es aber nicht durchsetzen, daß sie in denselben Eisenbahnwagen mit Weißen fahren! Dafür sollen ihnen alle Mittel geboten werden, um sich im Ackerbau und in den Handwerken zu schulen; denn dadurch hofft man sie um so leichter zu einer tieferen, aber nützlichen Schicht ausbilden zu können. Das heißt zu einer Kastengliederung zurückkehren, die der altindischen im Grunde nichts nachgibt. Auch dieser lagen ja ursprünglich hauptsächlich Rassenunterschiede zugrunde. Das Unbehagen, auf demselben Boden mit einer Rasse zu leben, von der man sich abgestoßen fühlt, wird bei dieser Gestaltung für die Weißen durch die Möglichkeit gemildert, sich als Herrenvolk über dieser niedrigen Schicht um so freier zu entfalten. Zwei Gefahren werden aber damit immer nicht beschworen sein: die Mischung, welche langsam die Gegensätze auszugleichen strebt, und der Verlust der unmittelbaren Berührung mit der Erde und damit all der heilsamen Einflüsse eines gesunden Bauernstandes, mit dem ein Volk in seinem Boden gleichsam wurzelt.

Von dem Nationalitätenhader im alten Österreich-Ungarn bis zu den Rassengegensätzen in den jungen Ländern Amerikas bestätigt sich die Regel, daß die Entscheidung, ob solche Kämpfe für die Gesamtheit ersprießlich enden oder nicht, bei dem führenden Volk oder der leitenden Nasse steht.


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