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Wie leicht ist doch der Tod! Was uns von ihm trennt, sind nur eingebildete Hindernisse. Kein Gebirge, keine Mauer erhebt sich zwischen ihm und uns, es geht ganz eben in das große dunkle Tor hinein. Tränen können den Weg schwerer machen; wir wissen ja aber, wie bald sie trocknen, und wie groß die Erleichterung des Herzens ist, das sich ausgeweint hat. Die Hauptsache ist, daß wir einmal mit uns selbst einig geworden sind, dem Gang der Dinge ruhig zu folgen. Je mehr wir uns an den Tod gewöhnen, desto kleiner werden die Schranken der Ewigkeit. Wer den Tod nicht gesehen hat und eben deswegen den Tod fürchtet, dem ist das Jenseits mit einer ungeheuer großen Tür verschlossen, die über und über mit schweren schwarzen Platten verschlagen ist; sein Blick prallt erschrocken zurück. Wer den Tod oft gesehen hat und vertraut mit ihm geworden ist, für den gibt es höchstens noch einen blühenden Hag zwischen hier und dort; sein Blick schweift hinüber und nimmt dort noch schönere Dinge wahr als hier, und er muß sich halten, daß es ihn nicht mit Macht aus dem Leben hinauszieht. Es ist eine häßliche Sache, die Abneigung des gewöhnlichen Lebens auch schon gegen das Reden vom Tod, kurzsichtig wie alle Feigheit; denn im Grunde wird das Leben nur um so schöner, je todbereiter es ist. Will man vielleicht nur nicht daran erinnert sein, daß der Vorhang jeden Augenblick heruntergehn könnte? Oder ist es eine schlaue Berechnung, die um keinen Preis das Leben entwertet sehen möchte, das doch für den Philister das Wertvollste von allem ist?
Ein Mensch ist nicht fertig, der nicht letzte Dienste erwiesen, Sterbende bis an die Schwelle der Ewigkeit begleitet hat. Was du einem Sterbenden tust, und wäre es nur, daß du ihm die Augen zudrückst oder die Schweißtropfen abwischst, ist ein letzter Dienst. Bedenke, was das heißt, ein letzter! Sterben heißt, die Grenze zweier Welten überschreiten, der Sterbende steht in der Zeit und sieht in die Ewigkeit hinüber, du aber bleibst einstweilen noch hier. Ist es dir nun nicht, als fiele durch diese Spalte zwischen Zeit und Ewigkeit ein Strahl, der uns sonst nie, nie leuchtet, auf unsern Weg? Dieser Strahl heiligt den Sterbenden, und er ist es, der deinen Dienst am Sterbebett verklärt.
3. September 1903
Nicht wir sind es, die wandern,
Es ist die Zeit, die flieht,
Wir stehn am Strom mit andern
Und sehn die Wellen wandern
Und grauen, wie der Strom zur Tiefe zieht.
Blätter und Blüten, die fallen,
Trägt er in die Ewigkeit,
Wie sie still folgen und wallen!
O, sei es beschieden uns allen.
So still zu folgen dem Strome der Zeit.
Dem Geographen Ritter widmete Friedrich Ratzel folgende Worte, die auch über seinem eigenen Leben stehen könnten:
Er war keiner von den Forschern, welche sich darauf beschränken, Wahrheiten nur zu suchen. Es ist dies wohl eine sehr hohe Aufgabe, aber noch lange nicht die höchste. Darüber steht die größte Leistung, die einem Gelehrten zugewiesen werden kann, nämlich die Ins-Leben-Führung der Wahrheiten, die er selbst gefunden. Wer die Fähigkeit zu beidem in hoher Ausbildung verbindet, erreicht die höchste Stufe wissenschaftlicher Tätigkeit. Denn die Fähigkeit zu forschen, verbunden mit der Fähigkeit zu lehren, macht den wahrhaft großen Gelehrten. Aber dabei ist Lehren nicht im Sinne von Unterrichten oder Vortragen zu nehmen. Das ist in diesem Sinn eine nebensächliche Fähigkeit. Sondern es gehört zum Lehren in weiter Fassung alles, was dazu nötig ist, wissenschaftliche Wahrheiten zum Wohle der Menschen in solcher Weise zu verwerten, daß sie eine wirkliche, dauernde Bereicherung des geistigen Besitztums der letzteren bilden. In diesem Sinne spricht man von Lehrern der Menschheit. Man ist aber sparsam mit der Zuteilung dieser Würde, und mit Recht. Die dazu notwendige Vereinigung von Kräften in einem Menschen kann nicht häufig sein. Es ist eine reich ausgestattete Persönlichkeit dazu nötig, welche vermöge vielseitiger Gaben des Verstandes, der Phantasie und des Charakters imstande ist, nicht nur Schätze des Wissens aufzuhäufen, sondern dieselben auch in Umlauf zu setzen und andere zu gleicher Arbeit anzuregen. Er konnte so Bedeutendes leisten, weil er Gelehrsamkeit und Forschungstrieb mit Lebenserfahrung und regem Interesse für die Welt und das Leben verband und nicht im Wissen, sondern im Schaffen sein höchstes Ziel sah.