Alexander Roda Roda
Von Bienen, Drohnen und Baronen
Alexander Roda Roda

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Rustam-Beg

Ja, Kinder – Rustam-Beg, das war ein Mann! Nun ist er ja gestorben. Voriges Jahr, in seinem Turm bei Banjaluka.

Wißt ihr, wie alt er war? Sein Vater hat mitgekämpft bei Gatzko in jener Nacht, wo zehn Prinzen von Montenegro fielen. Und kam nach Haus und erzählte es seinem Sohn Rustam-Beg. Das war . . . . das war . . . mir scheint in Kroatien gebot noch Kaiser Franz.

Und Rustam-Beg hatte selbst schon einen Sohn, als Omer Latas ins Land kam, Statthalter des Sultans, Herr über Tod und Leben. Als Omer Greuel auf Greuel häufte, den greisen Ali-Pascha verkehrt auf eine Eselin setzte und durch die Städte schleifen ließ: ›Seht – der Mann war eure Hoffnung!‹

Damals sprach Rustam-Beg zu seinen Freunden:

»Wenn Gott mir Gesundheit schenkt und Österreich rückt einst in Bosnien ein – nennt mich einen Hund, wenn ich den Arm wider Österreich erhebe.«

He, wie sie lachten! »Österreich rückt ein.« Eher fällt der Himmel auf die Erde.

Im Frühling 1878, da lachten sie noch immer.

»Du glaubst wirklich, daß Österreich kommen könnte?«

Rustam-Beg kehrte sich nicht daran.

178 »Lacht, bis euch die Kiefer platzen – Österreich kommt doch.«

Er hatte in Kompanie mit Salomon Eschkenasi allen Hafer von Banjaluka zusammengekauft.

Am 29. Juli 1878, da stand Rustam-Beg an der Sawe, und die Österreicher bauten eine Brücke übern Strom, wie man daheim Matratzen legt – Stück für Stück. Und Rustam-Beg freute sich und dankte Gott, daß er nun seinen Hafer los würde und daß Friede einziehen wird und Ordnung und Gerechtigkeit in das schwergeprüfte, teure Vaterland.

»Denn,« sagte er, »tobt so viel ihr wollt« – (das Lachen war den Leuten schon vergangen) – »tobt so viel ihr wollt – mild ist der Österreicher doch. Mild und gerecht. Er wird euch nicht grundlos einkerkern. Und wenn ihr das Gefängnis verdient habt, wird er euch nicht martern.«

Was meint ihr, Kinder? Vierzehn Tage später saß Rustam-Beg gefangen im Kastell. Ein paar nichtsnutzige Serben hatten ihn beim österreichischen General verklagt – er spiele mit dem Türkenaufstand unter einer Decke. – Aber, was meint ihr, Kinder? Es ging um den Hafer, nur um den Hafer. Die Serben gönnten Rustam-Beg die Lieferung nicht.

»Wir sind Christen,« riefen sie, »ein Gott ist über uns, ein Heiland – wir werden niemals dulden, daß die Pferde unsres apostolischen Kaisers ungläubigen Hafer fressen.«

179 So saß Rustam-Beg denn im Gefängnis. Täglich brachte man ihn vor die Offiziere, und sie fragten ihn aus:

»Was weißt du von den Absichten des Türkenaufstands?«

»Ihr Herren,« sagte Rustam-Beg, »bei meinem Bart – ich weiß nichts. Sondern wenn ihr Futter beim Serben Jowan kaufen wollt, so sag ich euch: Jowans Hafer dumpft, und sein Heu ist sauer.«

»Verräter,« schrie der General – Sametz hieß er – »gesteh deine Untaten, elender Verräter! Du wolltest mit deiner Kompanie, dreihundert Mann, unsre Kanonen überfallen.«

»Gnädiger Herr General! Sei mild gerecht und leih mir dein barmherziges Ohr: meine Kompanie, das ist der krumme Salomon Eschkenasi – und nie wird er sich an die kaiserlichen Kanonen wagen, solang ihr ihm sie nicht als Altmetall verkauft.«

Eh, Kinder, was meint ihr? Man führte den armen Rustam-Beg zurück in seine Zelle.

So saß er in der Zelle – Allah ölje istedi – Gott hat es so gewollt – und vor der Tür stand ein kaiserlicher Soldat mit Büchse und Bajonett – und Rustam-Beg betete und schrieb Kor'ansprüche an die Wand:

»We hasel jeumu jemsi« – »Auch dieser Tag wird vergehen«

und: 180

»Mensch, ärgre dich auch hier nicht.«

Er schrieb Kor'ansprüche an die Wand, und draußen tobte der Aufstand, die Kugeln schlugen in die Mauern.

Die Kugeln schlugen in die Mauern, und Rustam-Beg sagte jeden Morgen fünftausendmal ›Ba‹. Allah kerim – wer fünftausendmal ›Ba‹ sagt, wird aus dem Kerker gerettet.

Vor der Tür stand ein kaiserlicher Soldat mit Büchse und Bajonett – dem ward die Zeit ebenso lang, wie drin dem armen Rustam.

»Warte,« dachte der Soldat, »ich will den Türken ein wenig schrecken.« Stieß die Tür auf und schritt hinein.

»Türk,« rief er, »steh auf!«

»Was solls?« sagte Rustam-Beg und erbleichte. Er fragte stumm, durch Zeichen, denn verstanden hätt ihn der Soldat ja nicht.

Und wieder stumm, durch Zeichen, antwortete der Soldat:

»Komm! Du wirst gehenkt.«

»Allah aschkina – ihr werdet doch nicht? Was hab ich denn verschuldet?«

»Kusch, Türk, und komm!«

He, Kinder, was meint ihr? Der arme Rustam-Beg mußte vor dem Soldaten her, den Flur entlang und auf den Hof. Jammerte und seufzte und war schwach in den Knien – Allah bilir – wie eben einer, dems an den Kragen geht.

181 Als sie auf den Hof kamen, stellte sich die Wachmannschaft um den Alten auf. Sie sprachen mit einander – Rustam-Beg verstand sie nicht – und lachten – Rustam wußte nicht, warum. – Als sie ihn zurück ins Gefängnis brachten, da war ihm, als wär er neu geboren.

»Schutschur Allahu – heute noch nicht. Aber wann?«

»Wann werden sie mich henken?« – Das fragte er sich Tag und Nacht. – Und was meint ihr, Kinder? Der eine Soldat erzählte seinen lustigen Streich den andern Soldaten, die eine Wache der nächsten Wache – und so oft ein Posten vor der Tür stand und sich langweilte, – heut ein Pole, morgen ein Kroat – immer stieß er die Tür auf, schritt hinein und rief:

»Auf, Türk! Du wirst gehenkt.«

Und führte den zitternden Alten bis hinaus auf den Hof.

Einmal waren Rumänen auf Wache. Sie dachten sich: den Türken schreckts nicht mehr recht – und bauten mit vielem Fleiß einen wahrhaftigen Galgen auf dem Hof auf. Wär nicht ein Offizier dazugekommen – wer weiß? – sie hätten dem armen Rustam-Beg zum Spaß auch noch die Schlinge um den Hals gelegt.

Das war die schrecklichste Stunde seines Lebens, glaubt mirs; Rustam-Beg hats mir selbst – wie oft – erzählt: schauerlich, so unterm Galgen stehen.

182 Doch es war auch der letzte Tag seiner Gefangenschaft. Der Offizier muß den Fall gemeldet haben – vielleicht erinnerten sich die Herren so des Häftlings – am Abend war er frei. Frei, Kinder, nach so viel Ängsten.

Und noch Jahre später, wenn wir ihn befragten:

»Beg, ist Österreich mild und gerecht?«

– da rief er:

»Schmäht mir Österreich nicht! Stellst du nichts an, wirst du nicht eingekerkert. Und kerkern sie dich ein, so martern sie dich nicht. Und martern sie dich, so henken sie dich nicht. Glück und Segen über Österreich! Haben mir auch die Serben meinen Hafer gestohlen, während ich gefangen saß – himmlische Gerechtigkeit: dafür haben die aufständischen Türken dem Jowan dreitausend Dukaten geraubt und schlugen ihm noch den Buckel voll, als er sich wehrte.« 183

 


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