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Mein Freund Juri Dunajski erzählt:
Da lebte auf Saleschti, zwei Stunden von Bukarest, Frau Zozo Mihailescu, eine bildhübsche Person und noch ganz jung. Sie trug keinen Prinzentitel, was sie vorteilhaft von den andern Frauen der Gesellschaft unterschied. Sonst aber war sie, Gott sei Dank, ganz wie die übrigen: schick wie eine Pariserin und zahm wie die Tauben von San Marco.
Als ich das erstemal bei ihr verkehren durfte, hieß sie Belgradianu. Dann bekam ich von ihrer Mutter, von ihrer ersten und zweiten Stiefmutter, von ihrem inzwischen anderweitig verehelichten Vater und ihrem dritten Stiefvater je eine Anzeige: Zozo Mihailescu empfehle sich Freunden und Bekannten als ehelich angetraute Gattin Gogo Ghitzus. – Wer da weiß, wie unglücklich Belgradianu, der verlassene Gemahl, in bulgarischen Renten spekuliert hat, wird sich über die Änderung in Zozos Familienstand nicht wundern.
Kurz darauf erzählte man, Frau Zozo habe das Ulyssesleben sattbekommen und sich zum dritten- und letztenmal verheiratet – mit Major Negreanu.
»Ah, mit dem hübschen, schlanken Herrenreiter Negreanu?«
»Ja, mit Negreanu von den roten Husaren. Die 203 letzte Scheidung soll aber recht holprig vorsichgegangen sein. Ghitzu wollte lange nicht einwilligen – in die Scheidung nämlich – und stellte hirnverbrannte Bedingungen.«
Die Geschichte ging mir nicht aus dem Kopf. Frau Zozo hat sich scheiden lassen . . . Teure Erinnerungen wurden in mir wach. Als ich nachmittag an der Wohnung der Majorin Zozo vorbeiging, kehrte ich zu einem Besuch bei ihr ein.
Sie begrüßte mich mit der alten Herzlichkeit, und da ihr Mann auf Manöver war, behielt sie mich gleich zum Essen.
»Allein essen ist langweilig – und über uns beide können die Leute doch nicht klatschen . . .«
Ich griff unwillkürlich nach meiner Glatze.
». . . Wir sind ja alte Freunde. Übrigens sind mir die Leute so Pepita.« Sie wies auf das Muster ihrer Bluse.
Der Mittagstisch war noch nicht gedeckt – wir sprachen indessen von allerhand Gelegenheit und Angelegenheit. Ich vermied natürlich jedes Wort, das auch nur entfernt an ihre frühern Männer erinnern konnte – sie fing aber selbst von ihrer ersten und zweiten Ehe an. Rückhaltlos naiv. Den Hampelmann Belgradianu habe sie verlassen wegen seiner geschmacklosen Nachahmungen von Vesuv und Ätna; Ghitzu wieder war anhaltend langweilig gewesen und gefräßig wie ein Eunuch. »Er hat in mir die Köchin geliebt.«
204 Als der Tisch gedeckt war, übersiedelten wir mit unserm Gespräch ins Speisezimmer.
Schon nach der Suppe fiel mir ein eigentümlicher Vorgang auf: der Diener war mit einer Kostschale erschienen – Frau Zozo prüfte peinlich genau den Inhalt – der Diener trug die Schale weg. Und so nach jedem Gang.
Meine Augen mögen eine Frage gestellt haben, denn Frau Negreanu lächelte und sprach:
»Für wen das alles bestimmt ist? Raten Sie mal!«
»Sie haben eine alte Tante in der Kost? Nicht, Gnädigste? Einen Veteran also der Schlacht bei Plewna? Ein würdiges Mitglied des Versorgungsheims blinder, elternloser Greise? Ein Opfer der letzten Bauernunruhen? . . .«
Frau Zozo schüttelte jedesmal den Kopf.
»Nu, domnule! Die Kostschalen sind für Ghitzu, meinen vorletzten Mann. Er hat in die Scheidung nur gewilligt unter der Bedingung, daß er auch fernerhin bei mir essen dürfe – allerdings in der Küche. Denn, meinte er, an eine andre Frau könne er sich zur Not gewöhnen; an eine andre Kost niemals.« 205