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Wenn die Frau die Bestimmung hat, dem Manne zu gefallen und sich ihm zu unterwerfen, so muß sie sich ihm angenehm machen, anstatt sich ihm feindlich gegenüber zu stellen. In ihren Reizen besitzt sie eine eigenthümliche Gewalt über ihn; durch sie soll sie den Mann zwingen, seiner Macht eingedenk zu sein und sie auszuüben. Das sicherste Mittel nun, diese Macht anzufeuern, besteht darin, sie durch Widerstand herauszufordern. Alsdann vereinigt sich mit der Begierde die Eigenliebe, und letztere triumphirt über den Sieg, den erstere für sie davongetragen hat. Daraus gehen Angriff und Vertheidigung, Kühnheit des einen und Schüchternheit des anderen Geschlechts, endlich auch Sittsamkeit und Scham hervor, welche die Natur den Schwachen als Waffen verlieh, um den Starken durch sie zu unterwerfen.
Wer sollte wol den Wahn hegen, daß die Natur beiden Geschlechtern gleicherweise dieselbe Art der Annäherung vorgeschrieben habe, und daß dasjenige Geschlecht auch zuerst das Verlangen äußere, bei dem es sich zuerst geregt hat? Das würde ein seltsamer Schluß sein. Das Unternehmen hat für beide Geschlechter gar verschiedene Folgen. Wäre es deshalb wol naturgemäß, daß sich ihm beide mit gleicher Kühnheit hingeben sollten? Man darf eben nicht übersehen, daß bei der so großen Verschiedenheit des gemeinschaftlichen Einsatzes der Untergang beider erfolgen würde, wenn nicht die Zurückhaltung dem einen die Mäßigkeit auferlegte, welche die Natur dem andern auferlegt. Das Menschengeschlecht würde dann durch dieselben Mittel zu Grunde gerichtet werden, die zu seiner Erhaltung bestimmt sind. Außerdem wird es den Frauen leicht, die Sinnlichkeit der Männer zu reizen und in deren Herzen sogar den Funken eines fast erloschenen Gefühles anzufachen. Wenn es nun auf Erden irgend wo ein unglückliches Land gäbe, wo jene Zurückhaltung nicht gefunden würde, zumal in den heißen Ländern, in denen mehr Frauen als Männer geboren werden, so würden diese von den Frauen tyrannisirt werden, würden ihnen zum Opfer fallen und sich ohne Rettung frühzeitig der Lebenskraft beraubt sehen.
Den Weibchen der Thiere ist jene Schamhaftigkeit nicht eigen. Sie haben aber auch nicht wie die Frauen ein schrankenloses Verlangen, welchem jene Scham als Zügel dient. Das Verlangen tritt bei ihnen nur mit dem Bedürfnisse hervor. Mit Befriedigung desselben hört das Verlangen auf. Sie weisen das Männchen nicht aus Verstellung, sondern im vollem Ernste ab. Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, daß Weigerung aus Ziererei und Coquetterie fast bei allen Weibchen, selbst unter den Thieren vorkommt, sogar dann, wenn sich in ihnen die größte Neigung regt, sich zu ergeben. Unmöglich kann derjenige, welcher dies in Abrede stellt, ihr Benehmen beobachtet haben. Ihre Handlungsweise ist der der Tochter des Augustus gerade entgegengesetzt: Wenn das Schifflein seine Ladung hat, nehme sie keine Reisenden mehr auf. Selbst in der Freiheit ist die Zeit ihrer Willfährigkeit nur von kurzer Dauer und geht schnell vorüber. Der Instinct treibt sie und hält sie zurück. Worin wäre wol für die Frauen ein Ersatz dieses negativen Instinctes zu finden, wenn man ihnen das Schamgefühl rauben würde? Wollte man warten, bis sie sich nichts mehr aus den Männern machen, so hieße das warten, bis ihnen dieselben nichts mehr nützen können.
Das höchste Wesen hat das Menschengeschlecht in jeder Weise bevorzugen wollen. Indem es dem Manne Neigungen ohne Maß einpflanzt, stellt es ihn zugleich unter das Gesetz, welches sie regelt, damit er frei sei und sich selbst beherrsche. Mit den maßlosen Leidenschaften verband es wiederum die Vernunft, um sie zu leiten. Den grenzenlosen Begierden, die es in dem Weibe anfachte, stellte es die Scham zur Seite, um sie in Schranken zu halten. Zum Ueberfluß hat es der guten Anwendung der verliehenen Fähigkeiten noch eine Belohnung zuerkannt, das Wohlgefallen nämlich, das man am Sittlichen empfindet, sobald man es zur Richtschnur seiner Handlungen gemacht hat. Dies Alles kann man wol mit Recht dem Instincte der Thiere gleichstellen.
Ob nun das Weib das Verlangen des Mannes theilen möge oder nicht, es zu befriedigen Lust habe oder nicht, so weist es ihn doch beständig zurück und sucht sich zu vertheidigen, freilich nicht immer mit derselben Energie und deshalb auch nicht immer mit dem gleichen Erfolge. Soll der Angreifende den Sieg davontragen, so muß die Angegriffene es gestatten oder ihm wol gar Vorschub leisten, denn wie viele geschickte Mittel stehen nicht zu ihrer Verfügung, den Angreifenden zur Entfaltung aller seiner Kraft zu zwingen. Die freieste und süßeste aller Handlungen duldet keine wirkliche Gewaltthätigkeit; Natur und Vernunft widersetzen sich derselben. Erstere hat den schwächeren Theil mit so viel Kraft ausgestattet, als er gebraucht, um Widerstand zu leisten, wenn es ihm gefällt, und letztere bezeichnet eine wirkliche Gewaltthätigkeit nicht nur als die roheste aller Handlungen, sondern auch als eine solche, die ihrem Endzwecke völlig widerstrebt. Erklärt doch der Mann in diesem Falle seiner Gefährtin den Krieg und berechtigt sie, ihre Person und ihre Freiheit, selbst auf Lebensgefahr des Angreifers hin, zu vertheidigen. Ferner steht doch auch wol der Frau allein das Recht zu, über den Zustand zu urtheilen, in welchem sie sich befindet. Kein Kind würde einen Vater haben, wenn sich jeder Mann dessen Rechte anmaßen könnte.
Eine dritte Folge der Beschaffenheit der beiden Geschlechter ist die eigenthümliche Erscheinung, daß der Stärkere nur scheinbar der Herr ist, während er in der That von dem schwächern Theile abhängt, und zwar nicht etwa in Folge eitler Schmeichelei oder der stolzen Großmuth des Beschützers, sondern in Folge eines unveränderlichen Naturgesetzes, welches es dem Weibe leichter machte, Verlangen anzufachen, als dem Manne, es zu befriedigen. Dieses Naturgesetz hat also den Mann, er mag wollen oder nicht, von der Geneigtheit des Weibes abhängig gemacht und ihn gezwungen, auch seinerseits bemüht zu sein, demselben zu gefallen, so daß es folglich in den Willen des Weibes gesetzt ist, ihn als den Stärkeren gelten zu lassen oder nicht. Die Ungewißheit nun, in welcher der Mann schwebt, ob die Schwachheit der Stärke gewichen sei, oder ob sie sich mit Absicht ergab, ist eben für ihn das Süßeste bei seinem Siege. Darin besteht auch eine gewöhnliche List des Weibes, daß es diese Ungewißheit beständig zu erhalten weiß. Diese Schlauheit der Frauen steht auch vollkommen mit ihrer Körperbeschaffenheit im Einklang. Weit davon entfernt, über ihre Schwäche zu erröthen, rühmen sie sich derselben vielmehr. Ihre zarten Muskeln sind ohne Widerstandskraft; sie thun, als vermöchten sie nicht die leichteste Last zu heben, ja sie schämen sich förmlich, als stark zu gelten. Und weshalb das? Nicht blos, um sich den Anstrich der Zartheit zu geben, nein, sie benutzen es in ihrer Verschmitztheit als eine Vorsichtsmaßregel, sie wollen sich im Voraus entschuldigen und sich sogar das Recht vorbehalten, im Nothfalle schwach zu sein.
Der Fortschritt der durch unsere Laster erworbenen Einsichten hat die über diesen Punkt unter uns herrschenden alten Ansichten wesentlich geändert. Man redet kaum noch von Nothzucht, seitdem sie so wenig nöthig ist und die Männer nicht mehr daran glauben, Es kann freilich unter Umständen eine solche Ungleichheit des Alters und der Kraft stattfinden, daß eine wirkliche Nothzucht vorkommt. Da ich aber hier von dem in der Ordnung der Natur begründeten Zustande beider Geschlechter rede, so betrachte ich sie beide in dem gewöhnlichen Verhältnisse, welches diesem Zustande zu Grunde liegt. während sie in den ältesten Zeiten bei Griechen und Juden zu den gewöhnlichsten Verbrechen gerechnet wurde. Damals herrschte noch in den Ansichten eine natürliche Einfachheit, die uns durch unser zügelloses Leben verloren gegangen ist. Wenn in unseren Tagen wenige Fälle der Nothzucht vorkommen, so hat dies seinen Grund nicht etwa darin, daß die Männer enthaltsamer geworden sind, sondern es erklärt sich dieser Umstand dadurch, daß die Menschen heut zu Tage weniger leichtgläubig sind, so daß eine derartige Klage, die ehemals bei den einfachen Völkern Glauben gefunden hätte, nur spöttisches Gelächter erregen würde – es ist vorteilhafter, zu schweigen. Im 5. Buche Mosis (Kap. 22, V. 23-27) steht ein Gesetz, nach welchem ein geschändetes Mädchen mit dem Verführer bestraft werden sollte, sobald das Verbrechen innerhalb der Stadt geschehen wäre. Für den Fall aber, daß es auf freiem Felde oder an abgelegenen Orten begangen wäre, sollte der Mann allein bestraft werden, »denn,« sagt das Gesetz, »er fand sie auf dem Felde, und die vertraute Dirne schrie, und war Niemand, der ihr half.« Diese nachsichtige Deutung lehrte die Mädchen, sich nicht an besuchten Orten überraschen zu lassen.
Diese Verschiedenheit der Ansichten ist nicht ohne Einfluß auf die Sitten geblieben. Eine Folge derselben ist die heutige Galanterie. Da sich nämlich die Männer überzeugten, daß ihre Freuden doch mehr, als sie wähnten, von dem freien Willen des schönen Geschlechts abhingen, so haben sie dieselben durch gefälliges Entgegenkommen sich geneigt zu machen gesucht und sind reichlich dafür entschädigt worden.
Es wird eurer Aufmerksamkeit nicht entgehen, wie uns das Physische unmerklich auf das Moralische führt, und wie sich aus der rein äußerlichen Vereinigung der Geschlechter nach und nach die süßesten Gesetze der Liebe bilden. Nicht weil die Männer es gewollt haben, sind die Frauen zur Herrschaft gelangt, sondern weil es der Wille der Natur ist. Sie gehörte ihnen schon, noch bevor sie dieselbe auszuüben schienen. Derselbe Herkules, der sich einbildete, den fünfzig Töchtern des Thespius Gewalt anzuthun, ließ sich dennoch zwingen, bei der Omphale zu spinnen; und der starke Simson besaß nicht die Stärke der Delila. Die Herrschaft liegt einmal in den Händen der Frauen und kann ihnen nicht entzogen werden, selbst wenn sie Mißbrauch mit derselben treiben. Sie können sie auch nie verlieren, sonst hätten sie sie längst eingebüßt.
In Bezug auf die Folgen der geschlechtlichen Verhältnisse gibt es zwischen beiden Geschlechtern keine Gleichstellung. Der Mann zeigt seine Mannheit nur in gewissen Augenblicken, die Frau dagegen bleibt Frau ihr ganzes Leben oder wenigstens ihre ganze Jugend hindurch. Unaufhörlich wird sie an ihr Geschlecht gemahnt, und um ihre Pflichten genau erfüllen zu können, bedarf sie einer den Anforderungen derselben entsprechenden Körperbeschaffenheit. Ihre Schwangerschaft macht ihr Schonung zur Pflicht; im Kindbett hat sie Ruhe nöthig; so lange sie ihre Kinder stillt, muß sie sich einer bequemen, sitzenden Lebensweise befleißigen, und zur Pflege der Erziehung derselben gehört viel Geduld und Sanftmuth, viel Eifer und herzliche Liebe, die sich durch nichts zurückschrecken läßt. Sie ist das Band zwischen dem Vater und den Kindern, erfüllt ihn mit Liebe zu denselben und beseelt ihn mit dem Vertrauen, sie wirklich die Seinen nennen zu dürfen. Wie großer Zärtlichkeit und Sorgfalt bedarf nicht die Frau, um die Eintracht in der Familie aufrecht zu erhalten! Und nicht etwa die Tugend soll sie zu dem Allen antreiben, sondern Neigung und angeborene Lust, ohne welche das Menschengeschlecht längst ausgestorben wäre.
Die Strenge der gegenseitigen Pflichten beider Geschlechter ist und kann nicht dieselbe sein. Wenn sich die Frau über diese Ungleichheit zwischen sich und dem Manne beklagt, als ob ihr dadurch eine Ungerechtigkeit zugefügt würde, so begeht sie ein Unrecht. Diese Ungleichheit rührt durchaus nicht von einer menschlichen Einrichtung her, wenigstens ist sie keineswegs das Ergebniß eines Vorurtheils. Sie hat ihren Grund einfach darin, daß dasjenige Geschlecht, dem die Kinder von der Natur als ein theures Gut anvertraut sind, auch dem anderen für dieselben bürgen muß. Unzweifelhaft ist es Niemand erlaubt, die Treue zu brechen, und jeder ungetreue Mann, welcher seiner Gattin den einzigen Lohn für die schweren Pflichten ihres Geschlechtes entzieht, handelt ungerecht und grausam. Aber die ungetreue Frau begeht ein noch größeres Unrecht, sie löst geradezu die Familie auf und trennt alle süße Bande der Natur. Wenn sie dem Manne Kinder gibt, die nicht die seinigen sind, so betrügt sie Beide und fügt zur Untreue noch den Meineid. Man kann sich kaum denken, welche Unordnungen und Verbrechen sich hieraus entwickeln müssen. Gibt es wol einen unglückseligeren Menschen in der Welt als einen Vater, der, des Vertrauens zu seinem Weibe beraubt, nicht wagt, sich den süßesten Regungen seines Herzens hinzugeben? Wenn er sein Kind umarmt, muß er nicht fürchten, daß er das Kind eines Anderen umarmt, das Pfand seiner Entehrung, den Räuber des Guts seiner eigenen Kinder? Die Familie ist dann nur eine Vereinigung geheimer Feinde, welche die schuldbeladene Frau gegen einander aufreizt, indem sie dieselben zwingt, einander Liebe zu heucheln.
Es kommt demnach viel darauf an, daß die Frau nicht nur wirklich treu sei, sondern daß sie auch von ihrem Gatten, von ihren Verwandten, von Jedermann dafür gehalten werde. Sie muß sittsam und zurückhaltend sein und eben so in den Augen der Anderen als in ihrem eigenen Gewissen das Zeugniß ihrer Tugend bestätigt finden. Wenn ein Vater seine Kinder lieben soll, so muß er vor allen Dingen Achtung vor ihrer Mutter hegen. Aus diesem Grunde muß man selbst den Schein der Tugend zu den Pflichten des Weibes rechnen, so daß ihr Ehre und guter Name eben so unverbrüchlich heilig sind, wie die Keuschheit selbst. So folgt also aus diesen Grundsätzen so wie aus dem moralischen Unterschiede der Geschlechter für die Frauen die besondere Pflicht, in Bezug auf ihre Führung, ihr Benehmen und ihre Haltung die peinlichste Aufmerksamkeit zu beobachten. Wollte man eben leichthin behaupten, daß beide Geschlechter gleich und ihre Verpflichtungen dieselben seien, so würde man sich nur in leeren Reden ergehen, man würde nichts sagen, so lange man auf das Obige nicht geantwortet hat.
Es ist in der That eine leichte Art des Urtheils, wenn man auf so allgemeine und wohlbegründete Gesetze mit Ausnahmen antwortet. Die Frauen, wendet man ein, bekommen ja nicht immer Kinder. Nein, aber trotzdem ist es doch ihre eigentliche Bestimmung, Kinder zu gebären. Wie? Weil es auf dem ganzen weiten Erdenrunde vielleicht hundert große Städte gibt, in denen die Frauen in Folge ihres lockeren Lebenswandels nur wenig mit Kindern gesegnet sind, deshalb wollt ihr behaupten, daß dies die Bestimmung der Frauen sei? Was würde wol aus euren Städten werden, wenn nicht das flache Land, wo die Frauen in größerer Einfachheit und Keuschheit leben, die Unfruchtbarkeit jener Damen ausgliche? In wie viel Provinzen sind doch die Frauen, welche sich nur von vier bis fünf Kindern umringt sehen, für wenig fruchtbar verschrieen! Sonst würde das Menschengeschlecht auch aussterben. Soll es sich erhalten, so muß jede Frau durchschnittlich ungefähr vier Kinder haben. Von den Kindern, die geboren werden, stirbt nämlich ziemlich die Hälfte, bevor sie selbst wieder Kinder haben können, und zwei müssen doch nothwendig übrig bleiben, um Vater und Mutter zu ersetzen. Es ist fraglich, ob die Städte eine solche Bevölkerung liefern. Und was kann es endlich auf die allgemeine Sache für Einfluß haben, wenn diese oder jene Frau wenig Kinder hat? Es ist deshalb nicht weniger die Bestimmung der Frau, Mutter zu werden, und nicht nur die allgemeinen Naturgesetze, sondern auch die Sitten müßten dieser Anschauung günstig sein.
Gesetzt, die Zwischenräume zwischen den Schwangerschaften wären wirklich immer so groß, als man anzunehmen pflegt, würde trotzdem eine Frau ohne alle Gefahr ihrer Lebensweise so schnell eine gerade ins Gegentheil umschlagende Aenderung geben können? Wird sie im Stande sein, heute als Amme und morgen als Kriegerin aufzutreten? Wird sie Temperament und Neigungen wie das Chamäleon die Farben wechseln können? Ist es ihr möglich, aus ihrer stillen Zurückgezogenheit und Häuslichkeit herauszutreten und sich dann sofort der rauhen Witterung, den Anstrengungen, Mühen und Gefahren des Krieges auszusetzen? Vermag sie bald furchtsam Die Furchtsamkeit der Frauen ist noch ein weiterer Beweis ihres natürlichen Instinctes gegen die doppelte Gefahr, die sie während ihrer Schwangerschaft bedroht. und bald tapfer, bald zart und bald kräftig zu sein? Wenn es den in Paris aufgewachsenen jungen Männern Mühe macht, die Beschwerden des Kriegshandwerks auszuhalten, wie sollen es dann wol Frauen, die nie der Sonnenglut getrotzt und kaum marschiren gelernt haben, nach fünfzig Jahren eines bequemen Lebens zu ertragen im Stande sein? Sollen sie dieses rauhe Handwerk etwa in einem Alter zu betreiben beginnen, in dem die Männer es bereits aufgeben?
Allerdings gibt es Länder, in denen die Frauen fast schmerzlos gebären und ihre Kinder beinahe ohne alle Mühe groß ziehen. Das räume ich gern ein. Aber in diesen Ländern gehen auch die Männer bei jedem Wetter halb nackend, bekämpfen muthig die wilden Thiere, tragen ein Boot wie einen Ranzen, dehnen ihre Jagdzüge oft sieben- bis achthundert Meilen aus, schlafen unter freiem Himmel auf bloßer Erde, ertragen unglaubliche Mühseligkeiten und können tagelang ohne Nahrung aushalten. Wenn die Frauen kräftig werden, ist dasselbe bei den Männern in noch höherem Maße der Fall. Verweichlichen sich jedoch die Männer, so nimmt die Verweichlichung bei den Frauen erst recht überhand. Wenn sich demnach beide Geschlechter immer auf gleiche Weise verändern, so bleibt der Unterschied stets der nämliche.
Plato läßt in seiner Republik die Frauen dieselben Uebungen wie die Männer betreiben. Das mußte er auch, denn da in seinem Staate keine einzelnen Familien bestehen sollten, und er nun nicht mehr wußte, was mit den Frauen anzufangen wäre, so blieb ihm nichts Anderes übrig, als Männer aus ihnen zu machen. Dieser treffliche Kopf, Alles vorhersehend und berechnend, kam dadurch einem Einwurfe zuvor, an den vielleicht sonst Niemand gedacht hätte. Der Einwand aber, den man wirklich gegen ihn erhoben hat, fand seinerseits eine schlechte Widerlegung. Ich rede hier keineswegs von dem vermeintlichen gemeinsamen Besitze der Frauen. Es ist dies ein Vorwurf, der, so oft man ihn auch gegen Plato wiederholt haben mag, nur den Beweis liefert, daß diejenigen, die ihn machten, Plato nie gelesen haben. Ich spreche vielmehr von jener gesellschaftlichen Vermischung, die in jeder Beziehung die beiden Geschlechter, sogar in ihren Beschäftigungen und Arbeiten zusammenwirft und sicherlich nicht verfehlen kann, die unerträglichsten Mißbräuche hervorzurufen. Ich spreche von dieser Zerstörung der süßesten natürlichen Empfindungen, die einem erkünstelten Gefühle geopfert werden, welches ohne sie gar nicht einmal bestehen könnte. Als ob nicht ein natürliches Mittel nöthig wäre, um die Bande inniger Gemeinschaft zu knüpfen! Als ob die Liebe, die man zu den Seinen hegt, nicht die Quelle der dem Staate schuldigen Liebe wäre! Als ob nicht gerade erst durch das kleine Vaterland, welches gleichsam die Familie bildet, das Herz an das große gefesselt würde! Als ob nicht gerade der gute Sohn, der gute Gatte, der gute Vater auch den guten Bürger abgeben!
Steht nun so viel fest, daß Mann und Frau in Bezug auf Charakter und Temperament weder gleich beschaffen sind, noch gleich beschaffen sein dürfen, so folgt daraus auch, daß sie keine gleichmäßige Erziehung erhalten können. Sie sollen zwar in Beobachtung der von der Natur angedeuteten Richtungen in Übereinstimmung handeln, sollen aber deshalb nicht dasselbe thun. Der Zweck ihrer Arbeiten ist ein gemeinsamer, aber die Arbeiten selbst sind verschieden, und demnach auch die Neigungen, von denen sie sich leiten lassen. Haben wir uns vorher bemüht, einen Mann naturgemäß zu erziehen, so bleibt uns, damit wir unser Werk nicht unvollkommen lassen, noch zu zeigen übrig, wie die Frau zu erziehen ist, die das Gegenstück zu diesem Manne bildet.
Wer stets gut geleitet sein will, der folge beständig den Weisungen der Natur. Alles, was dem Geschlechte eigenthümlich ist, muß als deren Werk angesehen und deshalb in Ehren gehalten werden. Ihr werdet nicht müde, zu sagen: »Die Frauen haben den und den Fehler.« Allein euer Stolz täuscht euch. Eigenschaften, welche bei euch als Mängel erscheinen würden, zeigen sich bei ihnen als Tugenden. Besäßen sie dieselben nicht, so würde es in mancher Beziehung schlechter mit uns bestellt sein. Man verhindere nur, daß diese vermeintlichen Fehler ausarten, rotte sie aber nicht aus.
Die Frauen ihrerseits hören nicht auf zu klagen, daß wir sie zur Eitelkeit und Gefallsucht erziehen und daß wir sie beständig nur mit lauter Kindereien zu unterhalten suchen, um desto leichter die Herren spielen zu können. Sie wollen die Fehler, die wir ihnen vorwerfen, uns aufbürden. Das ist thöricht! Seit wann lassen sich denn die Männer auf Mädchenerziehung ein? Wer hindert die Mütter, ihre Töchter völlig so zu erziehen, wie es ihnen beliebt? Sie haben keine hohe Schulen! Das ist wirklich ein großes Unglück! Aber wollte Gott, wir hätten auch keine für die Knaben! Sie würden dann sicherlich vernunftgemäßer und sittsamer erzogen werden. Wer zwingt denn die Mädchen, ihre Zeit mit Tändeleien zu vertreiben und selbst gegen ihren Willen ihr halbes Leben am Putztische zuzubringen? Wer anders als die Mütter durch ihr Beispiel selbst! Man verhindert ja die Mütter nicht, sie nach eigenem Belieben zu erziehen oder erziehen zu lassen. Es ist doch nicht unsere Schuld, daß sie uns durch ihre Schönheit gefallen und durch ihr Liebäugeln verführen, daß die Künste, die sie von den Müttern erlernten, uns anziehen und angenehm berühren, daß wir sie gern geschmackvoll gekleidet sehen und sie ruhig die Mittel gebrauchen lassen, durch welche sie uns zu fesseln suchen! Nun wohl, man möge sie einmal als Männer erziehen; Letztere werden von Herzen ihre Beistimmung geben. Je mehr sie darauf ausgehen werden, ihnen zu gleichen, desto weniger werden sie die Herrschaft über dieselben gewinnen, und erst dann werden sie in Wahrheit die Herren sein.
Die beiden Geschlechtern gemeinsamen Fähigkeiten sind nicht gleichmäßig vertheilt, aber im Ganzen genommen findet eine Ausgleichung statt. Das Weib hat einen höheren Werth als Weib, einen geringeren, wenn es den Mann spielen will. Es ist überall im Vortheile, wo es seine Rechte geltend macht, im Nachtheil aber, wo es sich die unserigen anmaßen will. Diese allgemeine Wahrheit kann man nur durch Ausnahmen zu bestreiten suchen, wie es die galanten Vertheidiger des schönen Geschlechts beständig zu thun pflegen.
Wollte man bei den Frauen nur die männlichen Eigenschaften ausbilden, ihre eigenen dagegen verabsäumen, so würde man denselben offenbar nur Schaden zufügen. Das sehen die Listigen unter ihnen auch nur zu gut ein, als daß sie sich sollten hinter das Licht führen lassen. Sie suchen sich unsere Vorzüge anzueignen, geben aber darum ihre eigenen keineswegs auf. Eine Vereinigung der Vorzüge beider Geschlechter ist indeß nicht möglich, und daher kommt es, daß die Frauen weder die einen noch die anderen recht zu verwerthen wissen. Indem sie weder ihre eigenen allseitig ausbilden, noch sich zu unserem Standpunkte vollständig erheben können, verlieren sie die Hälfte ihres Werths. Glaube mir, verständige Mutter, und suche deine Tochter nicht in einen ehrbaren Mann zu verwandeln, als wolltest du die Natur Lügen strafen; bilde vielmehr ein ehrbares Weib aus ihr, und halte dich versichert, daß es für beide Theile besser sein wird.
Hieraus folgt aber durchaus noch nicht, daß die Frauen in Unwissenheit erzogen und lediglich auf ihre Thätigkeit in der Wirthschaft beschränkt werden sollen. Welcher Mann wird seine Frau zur Magd erniedrigen wollen? Würde er sich dann nicht an ihrer Seite des größten gesellschaftlichen Reizes berauben? Er kann doch unmöglich, nur um sie besser beherrschen zu können, sie zu verhindern suchen, ihr Gemüth und ihren Verstand auszubilden! Er wird doch sicherlich kein willenloses Geschöpf aus ihr machen wollen! Im Gegentheil, da die Natur der Frau einen so anziehenden und gewandten Geist verliehen hat, so soll sie selbstständig denken, urtheilen, lieben, sich Kenntnisse erwerben und ihren Geist eben so gut pflegen wie ihren Körper. Diese Waffen hat ihr die Natur als Ersatz für die ihr fehlende Stärke verliehen, um so die unserige nach ihrem Willen lenken zu können. Sie soll viel lernen, allein nur das, was ihr zu wissen dienlich ist.
Ob ich nun mein Augenmerk auf die besondere Bestimmung des schönen Geschlechts lenke, oder ob ich seine Neigungen berücksichtige, oder ob ich mir seine Pflichten vorhalte, so trägt doch Alles gleichmäßig dazu bei, mich auf die für dasselbe geeignete Erziehung hinzuweisen. Frau und Mann sind für einander bestimmt, aber ihre gegenseitige Abhängigkeit ist keineswegs gleich. Der Mann hängt von der Frau in Folge seiner Begierden ab, die Frau aber vom Manne nicht allein hierin, sondern auch in ihren Bedürfnissen. Wir könnten weit eher ohne die Frauen, als sie ohne uns bestehen. Ihre Lebensbedürfnisse und Lebensstellung verdanken sie uns allein. Wir müssen sie ihnen gewähren, müssen sie ihnen gewähren wollen, müssen sie derselben würdig erachten. Sie sind aber auch von unserem Urtheile abhängig, von unserer Schätzung ihres Werthes, ihrer Reize und ihrer Tugenden. Ja sogar nach dem Gesetze der Natur hängen sie sowol für sich als für ihre Kinder von dem Urtheile der Männer ab. Es genügt nicht, daß sie achtungswürdig sind, sie müssen auch geachtet werden; es genügt für sie nicht, schön zu sein, sie müssen auch Gefallen erregen; es genügt für sie nicht, weise zu sein, sie müssen dafür auch gelten. Ihre Ehre ist nicht allein an ihr Betragen, sondern hauptsächlich an ihren Ruf geknüpft, und es ist nicht möglich, daß eine Frau, die sich gefallen ließe, für ehrlos gehalten zu werden, auch wirklich ein rechtschaffenes Weib sein kann. Ein Mann, der recht handelt, hängt nur von sich selbst ab und kann dem öffentlichen Urtheile trotzen. Eine Frau jedoch hat, auch wenn sie Recht thut, der ihr gestellten Aufgabe dann erst zur Hälfte Genüge gethan. An dem, was man von ihr denkt, darf ihr nicht weniger gelegen sein, als an dem, was sie in Wahrheit ist. Ihre Erziehung darf also in dieser Beziehung mit der unserigen durchaus nicht übereinstimmen. Die Meinung ist bei dem Manne das Grab der Tugend, bei der Frau deren Thron.
Von der guten Constitution der Mütter hängt zunächst die der Kinder, sowie von der Sorgfalt der Frauen die erste Erziehung der Männer ab. Dann aber hängen weiter noch auch die Sitten, Leidenschaften, Neigungen und Freuden, ja sogar das Glück derselben von ihnen ab. Deshalb soll sich die ganze Erziehung der Frauen um die Männer drehen. Ihnen Gefallen einzuflößen und zu nützen, sich bei ihnen beliebt zu machen und in Ehren zu stehen, sie in der Jugend zu erziehen, und wenn sie herangewachsen sind, für sie zu sorgen, ihnen mit Trost und Rath beizustehen, das Leben zu verschönern und zu versüßen: das sind die Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, auf die man sie von Kindheit an aufmerksam machen soll. So lange man nicht diesen Grundsatz befolgt, entfernt man sich vom Ziele, und alle Vorschriften, welche man ihnen ertheilt, werden weder zu ihrem noch zu unserem Glücke dienen.
Obgleich nun jede Frau von dem Wunsche beseelt ist, den Männern zu gefallen, und auch davon beseelt sein soll, so ist es doch ein großer Unterschied, ob sie darauf ausgeht, einem verdienstvollen, wahrhaft liebenswürdigen Manne, oder jenen weibischen Männern zu gefallen, die eben so wenig ihrem eigenen Geschlechte, als dem, welches sie nachzuahmen suchen, zur Zierde gereichen. Es ist weder in der Natur noch in der Vernunft begründet, daß die Frau an den Männern das Weibische liebe, und eben so wenig darf sie männliche Sitten annehmen, um sich bei den Männern beliebt zu machen.
Sobald nun eine Frau den sittsamen und züchtigen Ton ihres Geschlechts ablegt und in das Wesen jener thörichten Männer verfällt, entsagt sie ihrem Berufe, statt ihm zu folgen, und begibt sich sogar selbst der Rechte, die sie sich anzueignen gedachte. »Aber,« so sagen manche Frauen, »wir würden den Männern ja gar nicht gefallen, wenn wir es nicht so machten!« Darin irren sie sich vollständig. Nur eine Närrin vermag einen Narren zu lieben. Der Wunsch, solche Leute zu fesseln, gibt den Geschmack derjenigen zu erkennen, welche sich ihnen hingeben. Gäbe es noch keine frivole Männer, so würden sie nicht ruhen und rasten, bis sie deren herangebildet hätten, denn unsere Leichtfertigkeit ist in weit höherem Maße das Werk der Frauen als umgekehrt. Die Frau, welche wahre Männer liebt und ihnen zu gefallen strebt, wählt zu ihrem Zwecke die passendsten Mittel. An und für sich ist sie ja gefallsüchtig, aber ihre Coquetterie ändert Form und Gegenstand mit ihren Anschauungen. Wenn man nun letztere mit den Absichten der Natur in Übereinstimmung zu bringen versteht, dann wird die Frau die ihrem Wesen entsprechende Erziehung erhalten.
Die kleinen Mädchen lieben fast von ihrer Geburt an den Putz. Nicht zufrieden damit, daß sie hübsch sind, wollen sie dafür auch gelten. Man sieht es an ihrem ganzen Gebahren, daß diese Sorge sie schon früh beschäftigt, und kaum sind sie im Stande, zu verstehen, was man zu ihnen sagt, so vermag man sie dadurch zu leiten, daß man sie darauf aufmerksam macht, was die Welt von ihnen denken werde. Wollte man, wie man unüberlegterweise wirklich vorgeschlagen hat, dieses Erziehungsmittel auch auf Knaben anwenden, so würde dasselbe sicherlich bedeutend weniger Gewalt über sie gewinnen. Wenn sie nur ihren freien Willen und ihren Zeitvertreib haben, so bekümmern sie sich wenig darum, was die Leute von ihnen denken. Es gehört viel Zeit und Mühe dazu, um sie unter dasselbe Gesetz zu beugen.
Von welcher Seite her die Mädchen auch diese erste Lehre empfangen mögen, so ist sie doch stets gut, denn da der Körper so zu sagen vor der Seele geboren wird, so muß die erste Pflege sich auf den Körper erstrecken. Zwar gilt dies für beide Geschlechter, aber der Gegenstand der Erziehung ist doch ein verschiedener. Bei dem einen Geschlechte soll die Kraft, bei dem andern die Anmuth entwickelt werden; allein nicht etwa so, daß diese Eigenschaften ausschließliches Eigenthum eines der beiden Geschlechter werden, sie sollen nur in umgekehrter Ordnung auftreten. Die Frau muß so viel Kraft besitzen, um Alles mit Anmuth ausführen zu können; der Mann bedarf hinwiederum der Geschicklichkeit, um Alles mit Leichtigkeit zu verrichten.
Mit einem Uebermaße der Verweichlichung der Frauen nimmt auch die Verweichlichung der Männer ihren Anfang. Wenn die Frauen auch nicht so stark wie dieselben zu sein brauchen, so müssen sie doch so kräftig sein, um tüchtigen Knaben das Leben geben zu können. In dieser Beziehung sind die Klöster, in denen die Zöglinge zwar eine grobe Kost erhalten, aber viel freie Bewegung haben, viel in der freien Luft und in den Gärten umherlaufen und spielen, mancher häuslichen Erziehung vorzuziehen. Gibt es ja doch leider viele Familien, in denen die Tochter nur an leckere Kost, an Schmeichel- oder Scheltworte gewöhnt wird und in denen sie beständig unter den Augen der Mutter im verschlossenen Zimmer sitzen muß. Was ist aber die Folge einer solchen Erziehung? Daß das arme Kind nicht frei aufzustehen, nicht zu gehen, nicht zu sprechen, ja kaum Athem zu holen wagt, und nie einen freien Augenblick hat, nach Herzenslust zu spielen, zu springen, zu laufen, zu schreien und sich dem natürlichen Muthwillen seines Alters zu überlassen. Beides, beständige Nachsicht und übelangebrachte Strenge, ist verderblich und entspricht keineswegs der Vernunft. Durch einseitige Behandlung verdirbt man nur Körper und Seele der Jugend.
Die spartanischen Mädchen wurden wie die Knaben in kriegerischen Spielen ausgebildet, nicht etwa um persönlich in den Krieg zu ziehen, sondern um dereinst Mütter von Knaben werden zu können, die fähig wären, die Beschwerden des Krieges zu ertragen. Ich kann mich damit zwar nicht völlig einverstanden erklären, denn es ist durchaus nicht nothwendig, daß die Mutter, um dem Staate Soldaten zu geben, die Flinte getragen und das preußische Exercitium durchgemacht habe, allein im Allgemeinen finde ich die griechische Erziehung in diesem Punkte sehr verständig. Die jungen Mädchen erschienen oft öffentlich, freilich nicht mit den Knaben gemeinschaftlich, sondern von ihnen getrennt. Es gab fast kein Fest, keine feierliche Opferhandlung, an denen nicht Schaaren von Mädchen der vornehmsten Bürger, mit Blumen bekränzt, Theil nahmen. Sie trugen Körbe, Vasen und Opfergaben, sangen Hymnen, führten gemeinschaftliche Tänze auf und boten so den verfeinerten Sinnen der Griechen ein reizendes Schauspiel dar, das geeignet war, der üblen Wirkung ihrer gerade nicht sehr anständigen Gymnastik die Wage zu halten. Abgesehen von dem Eindrucke, welchen dieser Brauch auf das Herz der Männer ausüben mußte, so war er doch immer in der Beziehung vortrefflich, daß er durch angenehme, mäßige und heilsame Uebungen die weibliche Jugend körperlich gut entwickelte und ihr außerdem durch das beständige Bestreben zu gefallen den Geschmack schärfte und bildete, ohne je ihre Sittlichkeit ernstlich zu gefährden.
Sobald diese jungen Mädchen in den Ehestand traten, ließen sie sich öffentlich nicht mehr sehen. In ihre Wohnungen zurückgezogen, widmeten sie alle ihre Sorgfalt lediglich dem Hauswesen und der Familie. Das ist eben die Lebensweise, welche Natur und Vernunft dem weiblichen Geschlechte vorschreiben. Von solchen Müttern wurden denn auch die gesundesten, kräftigsten und wohlgebildetsten Kinder geboren, und daher kam es, daß, ungeachtet des üblen Rufes einiger Inseln, unter allen Völkern der Erde, selbst die Römer nicht ausgenommen, die Frauen der Griechen als die weisesten und liebenswürdigsten galten, bei denen sich Sittlichkeit und Schönheit harmonisch paarten.
Es ist bekannt, daß die bequeme, den Körper nicht einengende Kleidung viel dazu beitrug, demselben bei beiden Geschlechtern jene schönen Verhältnisse zu bewahren, welche man an ihren Statuen bewundert, und die heutigen Tages noch als Vorbilder der Kunst dienen, da die verunzierte Natur solche Gestalten unter uns nicht mehr hervorbringt. Von all den gothischen Fesseln und der Menge von Bändern, welche unsern Körper von allen Seiten einschnüren, wußten sie nichts. Ihre Frauen kannten auch die Schnürleiber nicht, durch welche die unserigen ihre Figur mehr verunstalten, als ihre wahre Beschaffenheit zeigen. Nach meiner Ansicht muß ein solcher Mißbrauch, der in England z. B. zu einer unbegreiflichen Höhe getrieben ist, endlich zur Entartung des Geschlechts führen, und sicherlich zeigt das Wohlgefallen, das man daran hat, von keinem guten Geschmacke. Es ist doch durchaus nicht angenehm, eine Frau wie eine Wespe in zwei Stücke getheilt zu sehen; es beleidigt das Auge und verletzt die Einbildungskraft. Die Schönheit der Figur beruht wie alles Uebrige auf bestimmten Verhältnissen und Maßen; über dieselben hinauszugehen, ist sicherlich ein Fehler. Schon beim nackten Körper würde dieser Fehler ins Auge fallen; wie sollte er sich nun unter der Kleidung in Schönheit verwandeln?
Ich will nicht nach den Gründen forschen, weshalb die Frauen so hartnäckig darauf bestehen, sich zu panzern. Ein schlaffer Busen, ein aufgetriebener Leib u. s. w. sind, wie ich nicht läugnen kann, bei einem Mädchen von zwanzig Jahren nichts Schönes. In einem Alter von dreißig Jahren fällt dies indeß nicht mehr so auf. Da wir nun in jedem Alter, wir mögen wollen oder nicht, doch stets von der Natur abhängig sind, und sich überdies das Auge des Mannes hierin auch gar nicht täuschen läßt, so sind jene Mängel, das Alter sei, welches es wolle, nicht so unangenehm, als die alberne Ziererei einer Kleinen von – – vierzig Jahren.
Alles, was die Natur hemmt und einzwängt, ist das Ergebniß eines schlechten Geschmacks. Das hat sowol bei dem Schmucke des Körpers als bei der Ausbildung des Geistes seine Giltigkeit. Leben, Gesundheit, Vernunft, Wohlbefinden müssen über alles Andere gehen. Es gibt keine Anmuth ohne Ungezwungenheit; Zartheit ist nicht schmachtendes Wesen, und um Gefallen zu erregen, braucht man nicht krank zu sein. Leiden erregt Mitleid, aber Freude und Verlangen suchen die Frische der Gesundheit.
Den Kindern beiderlei Geschlechts fehlt es nicht an vielen gemeinsamen Vergnügungen, und so soll es auch sein. Haben sie dieselben denn nicht ebenfalls, wenn sie erwachsen sind? Aber es zeigen sich doch bald die eigenthümlichen Neigungen, welche sie unterscheiden. Die Knaben verlangen Bewegung und Lärm: Trommeln, Kreisel, kleine Wagen; die Mädchen haben ihre Freude mehr an dem, was das Auge besticht und zum Schmucke dient: an Spiegeln, Geschmeide, Flitterstaat, besonders aber an Puppen. Die Puppe ist das besondere Spielzeug dieses Geschlechtes, und hiermit bekundet das Mädchen ganz unzweideutig seinen Geschmack an seiner natürlichen Bestimmung. Von der Kunst zu gefallen kann es vorläufig nur das Aeußerliche, das Sinnliche, pflegen; dies besteht eben im Putz.
Man sehe und beobachte nur, wie ein kleines Mädchen den ganzen Tag mit seiner Puppe beschäftigt ist. Unaufhörlich verändert es deren Anzug, kleidet sie wol hundertmal an und aus und sucht immer neue Zierrathen, mögen sie nun passen oder nicht, darauf kommt es nicht an. Den Fingern gebricht es noch an der gehörigen Geschicklichkeit, der Geschmack hat sich noch nicht entwickelt, indeß zeigt sich doch schon die Anlage zur Entwickelungsfähigkeit. Bei dieser beständigen Beschäftigung verfließt dem Mädchen unbemerkt die Zeit, die Stunden vergehen, es weiß nicht wie; sogar das Essen wird vergessen, es hat mehr Verlangen nach Putz als nach Nahrung. Aber, so könnte man einwenden, es putzt ja seine Puppe und nicht sich selbst! Darin liegt allerdings eine gewisse Wahrheit. Vorläufig wendet es noch der Puppe seine ganze Aufmerksamkeit zu; für sich selber vermag es, da es seine volle Entwickelung noch nicht erreicht hat, nichts zu thun; es hat bis jetzt dazu weder die nöthigen Talente noch die Kraft. Deshalb lebt und webt es nur in seiner Puppe und erschöpft seine ganze Gefallsucht an derselben. Aber es wird sich nicht immer darauf beschränken, es wartet nur auf den Augenblick, selber seine Puppe zu werden.
So zeigt sich also in diesem Spiele eine ganz entschiedene Neigung. Es kommt jetzt nur darauf an, derselben nachzugehen und sie auszubilden. Sicherlich würde die Kleine ihre Puppe herzlich gern ganz allein ausputzen, sich selber die Schleifchen, kleinen Tücher, Falbeln und Spitzen verfertigen. Sie fühlt sich in dieser Beziehung in so drückender Weise von der Gefälligkeit Anderer abhängig, daß ihr nichts angenehmer wäre, als sich durch eigene Kunstfertigkeit helfen zu können. Hieraus folgt, worin der erste Unterricht bestehen soll, den man kleinen Mädchen ertheilt. Man schreibt ihnen damit keine Arbeiten vor, sondern man erweist ihnen sogar einen Gefallen. Und in der That lernen sie fast Alle lieber mit der Nadel arbeiten als lesen und schreiben. Sie denken schon mit Vergnügen daran, daß ihnen diese Geschicklichkeit, wenn sie einst groß sein werden, dazu dienen kann, sich zu putzen.
Ist dieser Weg erst gebahnt, so ist alles Uebrige leicht. Das Nähen, Sticken, Klöppeln kommen wie von selbst. Teppichstickerei sagt ihnen dagegen weniger zu. Die Möbel liegen ihnen noch zu fern; außerdem haben sie nichts mit ihrer Person zu schaffen und sind mehr dem Urtheile Anderer unterworfen. Dergleichen Arbeiten bilden mehr eine Unterhaltung für Frauen; junge Mädchen werden nie daran großes Vergnügen finden.
Mit diesen freiwilligen Arbeiten läßt sich nun leicht das Zeichnen verbinden, denn diese Kunst ist für Jeden, der sich geschmackvoll zu kleiden wünscht, durchaus nicht gleichgiltig. Ich würde aber freilich wünschen, daß man sie nicht Landschaften, noch weniger aber Figuren zeichnen ließe. Blätter, Früchte, Blumen, Faltenwurf, kurz Alles, was zur äußeren Zier der Kleidung dienen kann, so wie die Fähigkeit, sich selbst ein Stickmuster zu entwerfen, wenn man kein passendes aufzutreiben vermag, das ist für sie völlig genügend. Wenn sich die Männer schon im Allgemeinen auf das Studium nützlicher Kenntnisse beschränken sollen, so gilt dies für die Frauen in noch höherem Maße. Denn wenn ihr Leben auch weniger mühevoll ist, so soll sich ihre Thätigkeit doch auf mancherlei Sorgen erstrecken und soll stets unermüdlich sein, so daß sie sich zum Nachtheile ihrer Pflichten nie einer Lieblingsbeschäftigung vorherrschend widmen dürfen.
Was man dagegen auch sagen mag: der gesunde Menschenverstand ist beiden Geschlechtern gleich eigen. Die Mädchen sind im Allgemeinen gelehriger als die Knaben, und man bedarf bei ihnen sogar größere Autorität. Freilich darf man von ihnen nicht etwas fordern, dessen Nützlichkeit sie nicht einsehen. Die Kunst der Mutter besteht eben darin, ihnen von Allem, was sie anordnet, den Nutzen zu zeigen, und dies ist um so leichter, da sich bei den Mädchen das Verständniß frühzeitiger entwickelt als bei den Knaben. Deshalb belästige man Knaben sowol wie Mädchen nicht mit einem müßigen Studium, das zu nichts Nützlichem führt und sogar Solche, die es betreiben, bei Anderen nicht einmal angenehm macht. Aber auch ein solches Studium ist nicht zu empfehlen, dessen Nutzen in diesem Alter noch nicht einleuchtet, da das Kind noch nicht befähigt ist, sich auf einen späteren Standpunkt zu stellen. Wenn ich nicht wünsche, daß man einen Knaben ängstlich anhalte, lesen zu lernen, so wünsche ich noch viel weniger, daß man ein junges Mädchen dazu zwinge, bevor es den Nutzen des Lesens hat einsehen lernen. Freilich, bei der Art, wie man ihm diesen Nutzen begreiflich machen will, folgt man mehr seinen eigenen Begriffen als der kindlichen Anschauungsweise. Aber worin liegt denn die Nothwendigkeit, daß ein Mädchen so früh lesen und schreiben lernt? Soll es denn in kurzer Zeit eine Wirtschaft führen? Es gibt nur sehr wenige, welche keinen Mißbrauch mit dieser bedenklichen Kunst treiben. Man sollte sie nicht zwingen; sie werden dieselbe schon lernen, sobald sich Zeit und Gelegenheit findet; dafür sind sie insgesammt viel zu neugierig. Vielleicht sollten sie zunächst rechnen lernen, denn nichts ist in allen Lebenslagen nützlicher, aber auch zugleich schwieriger und so dem Irrthume unterworfen als das Rechnen. Wenn die Kleine ihre Kirschen zum Vesperbrode erst dann bekäme, wenn sie ein Rechenexempel gelöst, so glaube ich sicher, daß sie bald würde rechnen lernen.