Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Eine junge Dame von Toledo, namens Viktoria, aus dem alten Geschlechte der Portocarrero, hatte sich während der Abwesenheit ihres Bruders, der Kavalleriehauptmann in den Niederlanden war, auf ein Landgut zurückgezogen, das am Tajo, etwa eine halbe Stunde von Toledo liegt. Sie war mit siebzehn Jahren Witwe von einem alten Edelmann geworden, der sich sein Vermögen in Indien gemacht hatte, sechs Monate nach seiner Heirat auf der See ertrank und seiner Frau seinen beträchtlichen Reichtum hinterliess. Diese schöne Witwe hatte seit dem Tode ihres Mannes bei ihrem Bruder gelebt, und so sittsam und eingezogen, dass die Mütter sie ihren Töchtern zum Vorbild gaben und die verliebten Herrn sie sich zum würdigen Ziele nahmen, und eine Eroberung, aller Mühe wert. Wenn schon bei ihrem eingezogenen Leben die Liebe verschiedener Anbeter erkaltet war, so hatte auf der andern Seite sich dafür die Achtung der Welt für ihre Person vermehrt. Sie genoss in diesem Landhaus das Vergnügen des Landlebens in aller Freiheit, als eines Morgens ihre Schäfer zwei Menschen vor sie führten, welche sie entkleidet und an Bäume angebunden gefunden, wie sie die Nacht verbracht hatten. Man hatte jedem von ihnen eine schlechte Schäferjacke gegeben, um sie damit zu bedecken, und in diesem Aufzug erschienen sie nun vor der schönen Viktoria. Ihre geringe Kleidung verbarg ihr jedoch nicht die gute Gestalt des Jüngsten, welcher der Viktoria ein höfliches Kompliment machte und sagte, dass er ein Edelmann wäre und Dom Lopez von Gongora hiesse, dass er von Sevilla käme und wegen wichtiger Geschäfte nach Madrid wollte; da er sich aber eine halbe Tagreise von Toledo, wo er zu Mittag gegessen, mit dem Spiel aufgehalten hätte, wäre die Nacht über ihn gekommen, und er wäre in Erwartung seines Maultiertreibers, der zurückgeblieben war, nebst seinem Bedienten eingeschlafen; hierauf hätten Räuber, die ihn und seinen Bedienten schlafend fanden, sie beide an Bäume angebunden und bis aufs Hemd ausgezogen. Viktoria zweifelte gar nicht an der Wahrheit seiner Worte, und sein gutes Ansehen bestärkte sie noch mehr, und so war es doch nur in Ordnung, einem Fremden, der in solche Not geraten war, wieder zu helfen. Von ungefähr fand man unter dem Gepäck, das ihr Bruder zurückgelassen hatte, einige Kleider, aus denen man das beste für den Herrn wählte; auch der Bediente wurde mit dem, was man in der Geschwindigkeit für ihn finden konnte, bekleidet. Als die Mittagstunde gekommen war, liess Viktoria den Herrn mit an ihrem Tisch essen, und er kam ihr so reizend vor, und zeigte so vielen Verstand, dass sie glaubte, dass die Hilfe, die sie ihm leistete, niemals besser könnte angewendet werden. Sie blieben den ganzen Tag beisammen und gefielen einander so sehr, dass sie selbst die Nacht durch weniger schliefen als gewöhnlich, und lange aufblieben. Der Fremde wollte seinen Bedienten nach Madrid schicken, um Geld zu holen und sich Kleider machen zu lassen, oder wenigstens tat er so: die schöne Witwe wollte dies aber nicht zugeben und versprach ihm so viel als er zu seiner Reise nötig hätte. Er erklärte ihr noch denselben Tag seine Liebe, was gut aufgenommen wurde. Nach vierzehn Tagen kam es durch die Anmut des Orts, die gleiche Liebe der beiden, durch eine Menge Schwüre von der einen und zuviel Glauben von der andern Seite zu einem Eheversprechen und einem in Gegenwart eines alten Dieners und einer Magd gehaltenen Verlöbnis, wodurch sie einen Fehler beging, dessen man sie unfähig geglaubt hätte. Sie setzte also diesen glücklichen Fremden in den Besitz der schönsten Dame von Toledo. Acht Tage lang waren die beiden Verliebten nichts als Feuer und Flamme. Endlich musste man sich trennen, und es gab viele Tränen. Viktoria hätte ihn zwar wohl zurückhalten können, aber als der Fremde ihr sagte, dass er ihr zuliebe gern eine wichtige Sache verlieren wollte, und da er einmal ihr Herz gewonnen, so wollte er nun gerne seinen Prozess in Madrid und seine Stellung bei Hof fahren lassen, da war sie die erste, die seine Abreise beschleunigte, weil sie ihn doch nicht so blind liebe, dass sie das Vergnügen, ihn bei sich zu sehen, seinem Nutzen vorziehen wolle. Sie liess in Toledo Kleider für ihn und seinen Bedienten machen, gab ihm so viel Geld als er haben wollte, und die beiden reisten nach Madrid ab: er auf einem Maultiere und sein Bedienter auf einem andern. Die gute Dame war sehr betrübt als sie ihn fortziehen sah, und wenn er es auch nicht war, so wusste er es doch auf das beste zu heucheln. Den Tag, an dem er abreiste, fand eine Magd, die das Zimmer reinigte, das er bewohnt hatte, ein Porträt in einen Brief eingewickelt und trug beides zu ihrer Herrschaft, die in dem Porträt das sehr schöne und sehr junge Gesicht einer Dame fand, in dem Brief aber folgende Worte:
»Mein lieber Vetter!
Ich übersende Euch das Porträt der schönen Elvire von Silva; wenn Ihr sie aber sehen werdet, so werdet Ihr sie noch schöner finden als sie der Maler gemacht hat. Dom Pedro de Silva, ihr Vater, erwartet Euch mit Ungeduld; die Heiratsbedingungen sind so wie Ihr sie gewünscht habt, und sind, wie mich dünkt, sehr zu Eurem Vorteil. Alles dies verlohnt sich wohl der Mühe, dass Ihr bald hierher kommt.
Madrid usw.
Dom Antonio von Ribera.«
Der Brief war an Ferdinand von Ribera nach Sevilla überschrieben. Man stelle sich nun das Erstaunen der Viktoria vor, als sie diesen Brief las, der aller Wahrscheinlichkeit nach an niemand anders geschrieben war als an ihren Lopez von Gongora, allein sie sah es nun zu spät ein, dass dieser Fremde, dem sie sich so sehr und so bald verbunden gemacht, ihr seinen wahren Namen verborgen hatte, und eben daraus konnte sie sicher auf seine Untreue schliessen. Die Schönheit der porträtierten Dame setzte sie gleichfalls in Unruhe; und diese Heirat, deren Artikel schon beschlossen waren, brachte sie vollends zur Verzweiflung. Niemals war eine Person betrübter; ihre Tränen erstickten sie, und sie weinte so stark, dass sie krank davon wurde. O ich Unglückliche! sagte sie ein über das andre Mal zu sich selbst, und manchmal auch in Gegenwart des alten Bedienten und der alten Magd, die Zeugen ihrer Heirat gewesen waren, warum musste ich so lange besonnen sein, um schliesslich einen solchen Fehler zu begehen? Und warum musste ich so viele vornehme Personen aus meiner Bekanntschaft abweisen, die sich glücklich geschätzt hätten, mich zu besitzen, um mich einem Unbekannten aufzuhängen, der sich vielleicht nun darüber freut, dass er mich für das ganze Leben unglücklich gemacht hat? Was wird man in Toledo, ja in ganz Spanien darüber sagen? Wird ein junger, listiger und betrügerischer Mensch wohl verschwiegen sein? Warum musste ich einem Menschen meine Liebe bekennen, ehe ich noch wusste ob er mich wieder liebte? Würde er mir, wenn er aufrichtig gewesen wäre, seinen Namen verborgen haben? Kann ich wohl nach alledem noch hoffen, dass er sich meiner Gunst nicht rühmen wird? Was wird mein Bruder nicht mit mir anfangen, nach dem was ich selbst wider mich getan habe, und was hilft es ihm, dass er sich in Flandern Ruhm erwirbt, während ich ihn in Spanien entehre? Nein, Viktoria, weil du denn alles vergessen hast, so musst du nun auch alles wagen. Aber ehe ich mich räche und zum Äussersten schreite, muss ich das durch List wieder zu erhalten suchen, was ich aus Unachtsamkeit verloren habe; es wird noch Zeit genug sein, sich ganz zu verderben, wenn nichts mehr wird zu hoffen sein. Viktoria war stark genug, um in einer so schlimmen Sache einen festen Entschluss zu fassen. Ihr alter Diener und ihre Magd wollten mit ihr die Sache besprechen, aber sie sagte, dass sie alles wüsste, was man ihr sagen könnte; und dass man jetzt bloss handeln müsse. Noch denselben Tag wurde ein Wagen und ein Karren mit Möbeln und Stoffen beladen; und Viktoria liess unter ihren Leuten ausstreuen, dass sie wichtiger Geschäfte halber, die ihren Bruder beträfen, an den Hof müsste; sie stieg hierauf mit ihrem alten Diener und ihrer Magd in einen Wagen und nahm den Weg nach Madrid, wohin auch das Gepäck vorausgegangen war. Dort angekommen, erkundigte sie sich nach der Wohnung des Dom Pedro de Silva, und nachdem sie es erfahren, mietete sie sich in demselben Viertel ein. Ihr alter Diener hiess Rodrigo Santillana; er war in seiner Jugend von dem Vater der Viktoria aufgezogen worden und liebte seine Gebieterin wie wenn sie seine Tochter gewesen wäre. Da er viele Bekanntschaften in Madrid hatte, so erfuhr er sehr bald, dass die Tochter des Dom Pedro de Silva an einen Edelmann aus Sevilla namens Fernando von Ribera verheiratet werden sollte, dass einer seiner Verwandten gleichen Namens diese Heirat zustande gebracht hatte, und dass Dom Pedro schon die Leute aussuchte, die er seiner Tochter mitgeben wollte. Den andern Tag gingen Rodrigo Santillana gut gekleidet und Viktoria als eine Witwe aus dem Mittelstand und Beatrix, ihre Magd, welche die Rolle ihrer Schwiegermutter und Frau des Santillana vorstellte, zu Dom Pedro und verlangten ihn zu sprechen. Dom Pedro empfing sie sehr höflich und Rodrigo sagte ihm mit vieler Sicherheit er wäre ein alter Edelmann aus den Toledanischen Bergen, hätte eine einzige Tochter von seiner ersten Frau, dies wäre Viktoria, deren Mann vor kurzem zu Sevilla, wo er gewohnt hätte, gestorben, und da nun seine Tochter Witwe und ohne Vermögen wäre, so hätte er sie zu Hofe gebracht, um ihr eine Stelle zu suchen. Da er nun gehört hätte, dass er seine Tochter verheiraten wollte, so glaubte er ihm einen Gefallen zu tun, wenn er ihm eine junge Witwe als Duenna bei der neu Verheirateten anböte, und setzte noch hinzu, dass die Talente seiner Tochter ihn so kühn machten, sie ihm anzubieten, und dass er gewiss mit ihr ebenso zufrieden sein würde als er es mit ihrem guten Ansehen zu sein scheine. Ehe ich weitergehe, muss ich denjenigen die es nicht wissen sagen, dass die spanischen Damen Duennas bei sich haben, und diese Duennas sind ungefähr ebendas was die Ehrendamen bei Damen vom hohen Stande sind; und noch muss ich sagen, dass diese Duennas gewöhnlich sehr streng und böse sind, und ebenso gefürchtet werden wie die Schwiegermütter. Rodrigo spielte seine Rolle so gut und Viktoria schien in ihrem einfachen Kleid so hübsch und angenehm, dass Dom Pedro sie auf der Stelle annahm, um sie seiner Tochter zur Gesellschaft zu geben. Er bot sogar dem Rodrigo und seiner Frau Stellen in seinem Hause an; Rodrigo aber entschuldigte sich und sagte, dass er gewisse Gründe habe, die ihn nötigten, die Ehre die er ihm zudachte abzulehnen; da er aber in der Nachbarschaft wohne, so wäre er bereit, ihm alle möglichen Dienste zu erweisen so oft er sich seiner bedienen wolle. Viktoria war also in dem Haus des Dom Pedro, wurde von ihm und seiner Tochter sehr geliebt und von allen Bedienten beneidet. Dom Antonio von Ribera, der die Heirat seines untreuen Vetters mit Dom Pedros Tochter veranstaltet hatte, sagte ihr oft, dass sein Vetter unterwegs wäre, und dass er ihm vor seiner Abreise von Sevilla noch geschrieben hätte; und immer noch kam dieser Vetter nicht an, was ihn sehr verlegen machte. Dom Pedro und seine Tochter wussten nicht was sie davon denken sollten und Viktoria nahm noch weit stärkern Anteil daran. Dom Fernando aber konnte nicht so geschwind kommen; denn noch an ebendem Tage als er von Viktoria wegreiste, traf ihn für seinen Meineid die Strafe. Als er zu Illescas ankam, wurde sein Maultier durch einen Hund, der aus einem Hause stürzte, scheu und quetschte ihm das eine Bein gegen eine Mauer und warf ihn auf die Erde. Dom Fernando verrenkte sich den einen Fuss, und befand sich so übel, dass er nicht weiter konnte. Er lag sieben Tage unter den Händen der Ärzte und Wundärzte der Gegend, und da sich sein Übel täglich verschlimmerte, so meldete er es seinem Vetter und bat ihn, ihm eine Sänfte zu schicken. Bei dieser Nachricht bedauerte man ihn sehr und freute sich aber doch, dass man endlich erfahren hatte wo er war. Viktoria, die ihn noch liebte, war sehr beunruhigt. Dom Antonio schickte fort, um den Dom Fernando abzuholen, der also nach Madrid kam, wo ihn die Wundärzte von Madrid, die geschickter waren als die von Illescas, während der Zeit, dass man für ihn und sein Gefolge, das sehr prächtig war, Kleider verfertigte (denn er war der älteste seines Hauses und sehr reich), glücklich wieder kurierten. Dom Pedro und seiner Tochter Elvire wurde der Tag gemeldet, an dem Dom Antonio ihnen seinen Vetter Dom Fernando vorstellen würde. Vermutlich wird sich die junge Elvire an diesem Tag nicht nachlässig angezogen haben und Viktoria war gewiss nicht ganz ruhig. Sie sah ihren Ungetreuen ankommen, geschmückt wie ein Bräutigam, und da er ihr schlecht und unordentlich gekleidet schon gefallen hatte, so fand sie in seinem Hochzeitskleide an ihm den schönsten Mann der Welt. Dom Pedro war sehr zufrieden mit ihm, und seine Tochter müsste sehr eigensinnig gewesen sein, wenn sie etwas an ihm auszusetzen gefunden hätte. Alle Bedienten im Hause sahen den Bräutigam ihrer jungen Herrschaft mit grossen Augen an, und jedermann freute sich über ihn, ausgenommen Viktoria, der es sehr ans Herz ging. Dom Fernando war von der Schönheit Elvirens bezaubert und gestand seinem Vetter, dass sie noch schöner wäre als ihr Bildnis. Er machte ihr und ihrem Vater sein erstes Kompliment sehr artig und hütete sich eine von den Albernheiten vorzubringen, die ein Mann, der sich verheiraten will, gewöhnlich seinem Schwiegervater und seiner Geliebten zu sagen pflegt. Dom Pedro schloss sich mit den zwei Vettern und einem Schreiber in ein Kabinett, um noch einiges fehlendes zu dem Ehevertrag hinzuzusetzen. Unterdessen blieb Elvire auf ihrem Zimmer, von allen ihren Frauen umgeben, die sich über das gute Ansehen ihres Bräutigam entzückten. Viktoria allein blieb bei der Freude der andern ernsthaft und kühl. Elvire bemerkte das, nahm sie auf die Seite und sagte ihr, wie sie erstaunt sei, dass sie ihr kein Kompliment machte über die glückliche Wahl, die ihr Vater in einem Schwiegersohn getroffen hätte, der so viel Verstand zu haben scheine, und fügte noch hinzu, dass sie ihr wenigstens aus Schmeichelei oder aus Höflichkeit etwas angenehmes darüber sagen könnte. Viktoria antwortete, dass das Äussere ihres Bräutigams so vorteilhaft für ihn spräche, dass es unnötig wäre, etwas zu seinem Lobe zu sagen. »Meine Kälte, die Sie bemerkt haben, kommt nicht aus Gleichgültigkeit, und ich wäre Ihrer Güte unwert, wenn ich nicht teil an alledem nähme, was Sie erfreut; ich würde mich also so wie die andern über ihre Heirat gefreut haben, wenn ich denjenigen weniger kennte, der Ihr Gemahl werden soll. Der meinige war von Sevilla und sein Haus war nicht weit von dem Haus des Vaters Ihres Bräutigams entfernt. Er ist von gutem Stand, schön und ich glaube auch, dass er Geist hat; kurz er ist Ihrer nicht unwürdig: allein Sie verdienen die ganze Liebe eines Mannes, und dieser da kann Ihnen das nicht geben, was er nicht mehr hat; ich würde mich wohl hüten, Ihnen Dinge zu sagen, die Ihnen missfallen könnten, aber ich würde wider meine Pflicht handeln, wenn ich Ihnen nicht alles offen sagte, was ich von Dom Fernando weiss, und zwar in einem Augenblicke, von dem das künftige Glück oder Unglück Ihres Lebens abhängt.« Elvire erstaunte sehr über das, was ihr ihre Hofmeisterin sagte und bat, sie nicht länger in Unruhe zu lassen und ihr alles zu sagen, was sie wusste. Viktoria sagte, dass dies nicht so schnell und in Gegenwart aller ihrer Dienstleute geschehen könnte. Elvire tat als wenn sie in ihrem Zimmer zu tun hätte; und sobald Viktoria sich dort mit ihr allein sah, so erzählte sie, dass Dom Fernando in eine gewisse Lukrezia von Monsalva zu Sevilla verliebt sei, die eine sehr schöne Dame, jedoch arm wäre; dass er drei Kinder unter einem Eheversprechen von ihr hätte; dass zu Lebzeiten des Vaters des Ribera die Sache war geheim gehalten worden, und dass, als nach dessen Tod Lukrezia auf die Erfüllung seines Versprechens drang, er gegen sie sehr kalt geworden wäre; sie hätte hierauf die Sache zwei Edelleuten unter ihren Verwandten übergeben, was in Sevilla viel Aufsehen gemacht habe. Dom Fernando hätte sich auf Anraten seiner Freunde eine Zeitlang von Sevilla ferngehalten, um den Verwandten der Lukrezia zu entgehen, die ihn überall aufsuchten, um ihn umzubringen. So, schloss sie, stand die Sache, als sie Sevilla vor einem Monat verliess, und als zugleich das Gerücht sich verbreitete Dom Fernando wolle sich in Madrid verheiraten. Elvire konnte es sich nicht versagen, zu fragen, ob diese Lukrezia so sehr schön sei. Viktoria sagte, dass ihr bloss das Vermögen fehlte, nichts sonst, und liess Elvire traurig und mit dem Entschluss allein, ihrem Vater alles, was sie erfahren hatte, sofort zu entdecken. Man kam gerade, um sie wieder zu ihrem Bräutigam zurückzurufen, der mit ihrem Vater seine Geschäfte erledigt hatte. Elvire ging hin, Viktoria aber blieb im Vorzimmer, wo sie eben den Bedienten ihres Ungetreuen eintreten sah, der ihn damals begleitete, als sie beide so grossmütig in ihrem Haus aufgenommen hatte. Dieser Bediente brachte seinem Herrn ein Paket Briefe, die mit der Post von Sevilla für ihn angekommen waren. Er konnte Viktoria wegen ihres Witwenkopfputzes, der sie sehr verstellte, nicht erkennen. So bat er sie, seinen Herrn herauszurufen, damit er ihm seine Briefe geben könnte. Aber sie sagte ihm, dass er seinen Herrn noch lange nicht würde sprechen können, wenn er ihr aber sein Paket anvertrauen wolle, so würde sie es ihm übergeben, sobald er zu sprechen wäre. Der Bediente bedachte sich nicht lange, übergab ihr sein Paket und ging wieder fort. Viktoria, die sich nun alles zunutze machen musste, ging in ihr Zimmer hinauf, öffnete das Paket und machte es alsbald wieder zu, nachdem sie einen Brief hineingetan, den sie in der grössten Eile geschrieben hatte. Unterdessen endigten die beiden Vettern ihren Besuch. Elvire sah das Paket in den Händen ihrer Hofmeisterin und fragte, was es wäre. Viktoria sagte ganz leichthin, der Bediente des Dom Fernando hätte ihr es gegeben, dass sie es seinem Herrn zustelle und dass sie es ihm nachschicken wolle, weil sie nicht zugegen gewesen als er fortging. Elvire sagte, dass es nichts täte, wenn man es öffnete und dass man vielleicht Nachricht von dieser Sache darin finden würde, die sie ihr vorhin hinterbracht hätte. Viktoria, die dies eben wünschte, öffnete das Paket zum zweitenmal. Elvire besah alle Briefe und hielt sich besonders bei dem auf, der mit einer Damenhand überschrieben und an Fernando von Ribera zu Madrid gerichtet war; sie las darin folgendes:
»Eure Abwesenheit und die Neuigkeit, die ich erfahren habe, dass Ihr Euch bei Hofe verheiratet, werden Euch bald eine Person entreissen, die Euch mehr als ihr Leben liebt, wenn Ihr nicht bald kommt und das erfüllt, was Ihr versprochen habt und nun nicht länger aufschieben dürft oder nicht verweigern könnt, ohne zum offenbaren Betrüger an mir zu werden. Wenn das, was man von Euch sagt, wahr ist, und Ihr Euch wirklich weder um mich noch um unsere Kinder mehr viel kümmert, so seid Ihr in Gefahr Euer Leben zu verlieren, das meine Vettern Euch bald nehmen werden, sobald Ihr mich zwingt, sie darum zu bitten; sie haben es Euch bis jetzt nur auf mein Bitten noch gelassen.
Sevilla.
Lukrezia von Monsalva.«
Nun zweifelte Elvire nicht mehr an alledem, was ihr Viktoria gesagt hatte. Sie zeigte den Brief ihrem Vater, der sich nicht genug darüber wundern konnte, dass ein Mann von Ehre so niedrig sein konnte, eine Dame von vornehmer Geburt zu verlassen, nachdem er Kinder mit ihr gehabt hätte. Er ging sogleich, bei einem Edelmann von Sevilla, der ein vertrauter Freund von ihm war und von welchem er früher schon Nachrichten von den Vermögensumständen des Dom Fernando erhalten hatte, Genaues darüber zu erfahren. Kaum war er gegangen, so kam Dom Fernando mit seinem Bedienten, um seine Briefe zu holen, da dieser ihm gesagt hatte, die Hofmeisterin seiner Geliebten hätte es übernommen, ihm das Paket zu geben. Er traf Elvire in dem Saal an und sagte ihr, dass er, obgleich in der Lage, in der er jetzt gegen sie wäre, zwei Besuche verzeihlich wären, er doch nur käme, um seine Briefe abzuholen, die sein Bedienter ihrer Hofmeisterin gegeben hätte. Elvire antwortete, dass sie ihr die Briefe abgenommen und dass sie das Paket geöffnet habe, weil sie sicher war, dass ein Mensch von seinem Alter in einer so grossen Stadt wie Sevilla nicht ganz ohne Liebesgeschichten hätte bleiben können; und obgleich ihre Neugierde eben nicht gar sehr befriedigt worden, so hätte sie doch daraus erfahren, dass diejenigen, die sich verheiraten ohne einander vorher zu kennen, sehr viel wagten – und sie wolle ihn nun nicht länger des Vergnügens berauben, seine Briefe zu lesen. Mit diesen Worten gab sie ihm sein Paket und den gewissen Brief, machte ein Kompliment und liess ihn stehen ohne seine Antwort abzuwarten. Dom Fernando staunte sehr über das was ihm seine Geliebte sagte. Er las den untergeschobenen Brief und sah leicht daraus, dass man seine Heirat durch eine List hintertreiben wollte. Er wandte sich an Viktoria, die wie zufällig in dem Saal war, und sagte ihr, ohne sie genau anzusehen, dass entweder ein Nebenbuhler oder eine andere boshafte Person den Brief geschrieben hätte. Ich soll eine Frau und Kinder in Sevilla haben? Ich will doch sogleich des Todes sein, wenn dies nicht die ärgste Lüge ist, die man sich denken kann! Viktoria sagte, dass er vielleicht unschuldig sei, aber ihre Gebieterin könne in der Sache doch nicht weniger tun als sich darnach erkundigen lassen, und die Heirat würde ganz gewiss nicht früher vor sich gehen, bevor Dom Pedro sich bei einem Edelmann aus Sevilla, zu dem er gerade gegangen wäre, überzeugt hätte, dass dies alles falsche boshafte Gerüchte wären. »Dies wünsche ich von ganzem Herzen«, antwortete Dom Fernando, »und wenn in ganz Sevilla ein Frauenzimmer ist, das sich Lukrezia von Monsalva nennt, so will ich alle meine Ehre verlieren.« »Ich bitte Sie,« fuhr er fort, »wenn Sie etwas über Elvire vermögen, wie ich gar nicht bezweifle, es mir zu sagen, damit ich Sie beschwören kann, mich bei ihr zu verteidigen.« »Ich glaube,« meinte Viktoria, »dass ich ohne Eitelkeit wohl sagen kann, dass sie nicht leicht einem andern das bewilligen wird, was sie mir verweigert; aber ich kenne auch ihren Sinn, – sie ist nicht so leicht zu besänftigen, wenn sie einmal glaubt hintergangen zu sein. Und da die ganze Hoffnung auf mein Fortkommen bloss auf der Neigung beruht, die sie zu mir hat, so werde ich sie gewiss um Euretwillen nicht beleidigen und es wagen, mich bei ihr verhasst zu machen oder ihr zu missfallen, indem ich ihr die Zweifel benehmen wollte, die sie in Eure Aufrichtigkeit setzt. Ich bin arm und nichts gewinnen ist für mich ein wahrer Verlust; wenn also das, was sie mir zu meiner Heirat versprochen hat, mir entginge, so bliebe ich mein ganzes Leben lang Witwe; ob ich gleich noch jung bin und manchem artigen Mann gefallen kann. Allein man sagt mit Recht, dass ohne Geld ...« Hier wollte sie nach Gouvernantenart eine lange Predigt anfangen; denn um diese Rolle gut zu spielen, musste sie viel schwätzen. Aber Dom Fernando unterbrach sie: »Erweist mir nur den Dienst, den ich von Euch verlange, und ich will Euch instand setzen, dass Ihr alle Belohnungen Eurer Gebieterin entbehren könnt; und um Euch zu zeigen, dass ich nicht bloss mit Worten bezahle, so gebt mir Papier und Tinte und ich will Euch ein Gutschreiben aufsetzen, wie Ihr es nur haben wollt.« »Ach!« antwortete die vermeintliche Hofmeisterin, »das Wort eines ehrlichen Mannes ist schon hinreichend, aber um Euch zu gehorchen, will ich alles herbeiholen.« Sie kam nun mit allem zurück was nötig gewesen wäre, um ein Gutschreiben von mehr als hundert Millionen auszufertigen und Dom Fernando war so galant – oder es war ihm an Elvirens Besitz so viel gelegen, – dass er bloss seinen Namen auf einen weissen Bogen Papier setzte, um sie durch dies Vertrauen zu bewegen, sich für ihn zu verwenden. Nun hatte Viktoria gesiegt. Sie versprach dem Dom Fernando alles und versicherte ihm, sie wollte die schlechteste Person von der Welt sein, wenn sie sich in dieser Sache nicht so für ihn verwenden würde als wenn es ihre eigene Person beträfe, – und hierin log sie nicht. Dom Fernando verliess sie voller Hoffnung, und Rodrigo Santillana, der sich für ihren Vater ausgab, kam zu ihr und fragte sie, was sie zum besten ihrer Sache bisher getan hätte. Sie erzählte ihm die ganze Sache und zeigte ihm das Blankett, worüber er sich ausserordentlich freute; nun würde alles nach ihrem Wunsch gehen. Um keine Zeit zu verlieren, ging er sogleich wieder nach Haus, das Viktoria nicht weit von dem des Dom Pedro gemietet hatte, wo er denn oben über die Unterschrift des Dom Fernando ein Eheversprechen schrieb, mit Zeugen unterschreiben liess und von dem Tag an datierte als Viktoria diesen Ungetreuen auf ihrem Landhaus aufnahm. Er schrieb so gut wie einer in Spanien und wusste die Schrift des Dom Fernando so gut nachzumachen, dass Dom Fernando selbst dadurch betrogen wurde. Dom Pedro fand den Edelmann nicht, den er aufgesucht hatte, um sich wegen der Heirat des Dom Fernando bei ihm zu erkundigen; er liess also ein Billett zurück und kam wieder nach Hause, wo Elvire denselben Abend ihr Herz gegen ihre Hofmeisterin ausschüttete und ihr beschwor, dass sie lieber ihrem Vater ungehorsam sein wolle, als dass sie jemals den Dom Fernando heiraten würde. Sie gestand ihr ferner, dass sie einem gewissen Diego von Maradas schon lange sehr gewogen sei, und dass sie nur die Liebe zu ihrem Vater bisher bewogen hätte, ihre Neigung seinem Willen zu unterwerfen; da aber nun das schlechte Betragen des Dom Fernando entdeckt wäre, so glaubte sie durch ihre Weigerung der Stimme des Himmels zu folgen, die ihr einen andern Gemahl zu bestimmen schien. Man kann sich leicht denken, dass Viktoria sie in diesen Meinungen nur bestärkte, und gewiss nicht zum besten des Dom Fernando sprach. Dom Diego von Maradas, sagte Elvire, ist böse mit mir, weil ich ihn verlassen habe, um meinem Vater zu gehorchen; aber sobald ich ihm nur einen Blick schenke, so bin ich sicher, dass er wieder zurückkehrt, sollte er auch so weit fort sein als jetzt Dom Fernando von seiner Lukrezia ist. Schreiben sie ihm, sagte Viktoria, und ich erbiete mich, ihm selbst den Brief zu überbringen. Elvire war entzückt, dass ihre Hofmeisterin so sehr auf ihrer Seite war. Sie liess sogleich den Wagen anspannen, worein sich Viktoria mit einem Liebesbriefchen für den Dom Diego setzte und vor dem Haus ihres Vaters Santillana abstieg; dem Kutscher sagte sie, dass sie da wo sie hin wollte, zu Fuss gehn würde. Der gute Santillana zeigte ihr das Eheversprechen, das er verfertigt hatte, und sie schrieb sogleich zwei Briefe: einen an Dom Diego de Maradas und den andern an Dom Pedro de Silva, den Vater ihrer Gebieterin, in denen sie beide bat, in einer sehr wichtigen Sache sich sogleich zu ihr in ihr Haus zu verfügen, das sie in den Briefen angab, die sie mit Viktoria Portocarrero unterschrieb. Während diese Briefe besorgt wurden, legte Viktoria ihr Witwenkleid ab, kleidete sich sehr prächtig und liess ihr Haar, dass wie man mir versichert hat, sehr schön gewesen sein soll, hochkämmen, was ihr entzückend stand. Dom Diego von Maradas kam bald darauf zu ihr, um zu erfahren, was eine Dame von ihm haben wollte, von der er niemals etwas gehört hätte. Sie empfing ihn sehr freundlich, und kaum hatte er sich niedergesetzt, als man den Dom Pedro de Silva meldete, der sie sprechen wollte. Sie bat den Dom Diego, sich in ihren Alkoven zu verstecken und versicherte ihm, dass es für ihn äusserst wichtig wäre, dass er die Unterredung, die sie mit Dom Pedro haben würde, mit anhöre. Er tat ohne Zögern was eine so schöne Dame von ihm verlangte, und Dom Pedro wurde in das Zimmer der Viktoria geführt, die er aber nicht erkannte, so sehr war ihr Kopfputz von dem verschieden, den sie in seinem Hause trug, und ausserdem hatten die schönen Kleider ihr ein ganz anderes Ansehn gegeben. Sie liess den Dom Pedro an einer Stelle sich niedersetzen wo Diego alles mit anhören konnte was sie mit ihm sprach, und begann alsbald: »Ich glaube, mein Herr, dass ich Euch zuerst sagen muss wer ich bin, um Euch nicht länger in Ungewissheit hierüber zu lassen. Ich bin von Toledo aus dem Hause Portocarrero, ich wurde im sechzehnten Jahr verheiratet und war sechs Monate nach meiner Heirat Witwe. Mein Vater trug das Sankt-Jakobs-Kreuz und mein Bruder ist in dem Orden von Calatrava.« Dom Pedro unterbrach sie und sagte, dass ihr Vater einer seiner vertrautesten Freunde gewesen sei.« – »Das was Sie mir sagen freut mich sehr,« antwortete Viktoria, »denn ich werde in der Sache, von der ich mit Ihnen reden will, sehr viele Freunde nötig haben.« Sie erzählte nun dem Dom Pedro alles was ihr mit Dom Fernando begegnet war, und gab ihm das Eheversprechen, das Santillana gemacht hatte, in die Hände. Sobald er es gelesen hatte, fuhr sie fort und sagte: »Sie wissen, mein Herr, wozu mich die Ehre jetzt verpflichtet. Wenn auch die Gerechtigkeit nicht auf meiner Seite wäre, so habe ich Ansehn und Freunde genug, um diese Sache so weit zu treiben als es nur immer möglich ist. Ich glaubte also, dass ich Sie zuerst von meinen Ansprüchen unterrichten müsste, damit Sie in der Verheiratung Ihrer Tochter nicht weiter gehen mögen. Sie verdient etwas besseres als einen untreuen Menschen, und ich halte Sie für zu vernünftig, als dass Sie darauf bestehen sollten, ihr einen Gemahl zu geben, den man ihr streitig machen könnte.« – »Und wenn er ein Grand von Spanien wäre,« versetzte Dom Pedro, »so möchte ich ihn nicht haben, sobald er ungerecht handelt; er soll nicht allein meine Tochter nicht heiraten, sondern ich werde ihm auch mein Haus verbieten, und Ihnen, Madame biete ich mein Haus und meine Freundschaft an. Ich habe ohnedies bereits erfahren, dass er ein Mann ist, der jedes Vergnügen, wie er es findet, mitnimmt, und sollte es auch auf Kosten seines guten Namens geschehen. Da er nun so ist, so soll er, wenn er auch nicht schon Ihnen zugehörte, gewiss niemals meine Tochter erhalten, die am Hof von Spanien gewiss nicht ohne Gemahl bleiben wird.« Dom Pedro blieb nicht länger bei Viktoria, da er sah, dass sie ihm nichts weiter zu sagen hatte, und Viktoria liess also den Dom Diego aus dem Alkoven heraus, wo er die ganze Unterredung mit angehört hatte. Sie wiederholte ihm also die Geschichte nicht, sondern gab ihm Elvirens Brief, über den er ganz entzückt war, und da er begierig sein konnte zu erfahren, wie er in ihre Hände gekommen war, so entdeckte sie ihm ihre Verkleidung als Duenna, weil sie wohl wusste, dass es sein eigener Vorteil wäre, die Sache geheim zu halten. Dom Diego schrieb noch ehe er Viktoria verliess seiner Geliebten einen Brief, worin die Freude über seine wiedererstandenen Hoffnungen auf den Schmerz schliessen liess, den er gehabt hatte als er diese Hoffnungen verloren glaubte. Er verliess nun die schöne Witwe, die sogleich ihr Kleid als Hofmeisterin wieder anlegte und zu Dom Pedro zurückkehrte. Unterdessen war Dom Fernando von Ribera mit seinem Vetter Dom Antonio zu seiner Geliebten gegangen, um den üblen Eindruck, den der gefälschte Brief der Viktoria hervorgebracht hatte, wieder gut zu machen. Dom Pedro fand die beiden bei seiner Tochter, die ihnen nicht antworten konnte auf das, was sie zur Rechtfertigung des Dom Fernando verlangten, dass man sich nämlich zu Sevilla selbst erkundigen möge, ob jemals eine Lukrezia von Monsalva da gewesen wäre. Sie sagten dem Dom Pedro alles was nur zur Entschuldigung des Dom Fernando dienen konnte. Worauf er antwortete, dass wenn die Neigung zu einer Dame von Sevilla eine blosse Lüge wäre, man sie leicht entdecken könnte und widerlegen, allein er hätte soeben eine Dame mit Namen Viktoria Portocarrero gesprochen, der Dom Fernando ein Eheversprechen gegeben hätte, und der er noch weit mehr verpflichtet wäre, weil sie ihm, ohne ihn zu kennen, allen Beistand geleistet hätte; und dass er dies alles nicht wegleugnen könne, weil er ihr ein eigenhändig geschriebenes Versprechen gegeben hätte, und dass ein Mann von Ehre sich nicht in Madrid verheiraten dürfe, wenn er es schon zu Toledo getan hätte. Bei diesen Worten zeigte er den beiden Vettern das förmliche Eheversprechen. Dom Antonio erkannte die Hand seines Vettern und selbst Dom Fernando betrog sich dabei und wurde ganz verlegen darüber, ob er gleich wusste, dass er es niemals geschrieben hatte. Der Vater und die Tochter verliessen sie hierauf mit einem sehr kalten Kompliment. Dom Antonio zankte mit seinem Vetter, dass er ihn in einer Sache gebrauche, während er eine ganz andere vorgenommen hätte. Sie stiegen wieder in ihren Wagen, wo Dom Antonio das Geständnis von dem schlechten Betragen seines Vettern gegen Viktoria endlich aus ihm herausbrachte, ihm verschiedenemal die Niederträchtigkeit dieser Tat vorwarf und ihm zu überlegen gab, was für schlimme Folgen sie noch haben könnte. Er sagte ihm, dass er nunmehr nicht daran denken dürfe, nicht allein nicht in Madrid, sondern auch in ganz Spanien wieder zu heiraten, dass er von grossem Glück sagen könnte, wenn er noch Viktoria erhielte, ohne dass es ihm Blut, ja sogar das Leben kostete, weil der Bruder der Viktoria ein Mann wäre, der in Ehrensachen nicht so leicht nachgiebig sei. Dom Fernando schwieg als sein Vetter ihm diese Vorwürfe machte; sein Gewissen warf ihm vor, dass er da eine Person hintergangen und verraten habe, die ihm beigestanden war; und dieses Heiratsversprechen machte ihn vollends rasend, weil er gar nicht begreifen konnte, durch welche Zauberei man es von ihm erhalten hatte. Als Viktoria wieder in ihrem Witwenkleid zu Dom Pedro gekommen war, übergab sie den Brief des Dom Diego an Elvire, die erzählte, dass die beiden Vettern da gewesen wären, um sich zu rechtfertigen; dass es aber noch ganz andere Beschuldigungen gegen den Dom Fernando gäbe als bloss seine Liebesaffäre zu Sevilla. Sie erzählte ihr hierauf, was Viktoria besser als sie wusste, worüber die sehr zu staunen schien und die Schlechtigkeit des Dom Fernando in Worten heftig beklagte. An ebendiesem Tage wurde Elvire gebeten, der Vorstellung einer Komödie bei einer ihrer Verwandten beizuwohnen. Viktoria, die immer an ihre Sache dachte, hoffte, dass wenn Elvire auf ihren Vorschlag einginge, diese Komödie gut ihrem Vorhaben dienen könnte. Sie sagte also zu Elvire, wenn sie den Dom Diego sprechen wolle, könne dies sehr leicht in dem Hause ihres Vaters geschehen, das hierzu der bequemste Ort wäre, und da die Komödie ja erst um Mitternacht anfangen sollte, so könne sie früher weggehen und den Dom Diego sprechen und doch zugleich noch zeitig genug bei ihrer Verwandten sein. Elvire, die den Dom Diego sehr liebte, nahm den Vorschlag der Viktoria gerne an. Sobald demnach Dom Pedro zu Bette war, stiegen sie in den Wagen und fuhren in das Haus, das Viktoria gemietet hatte. Santillana als Herr des Hauses empfing sie an der Tür zusammen mit Beatrix, welche die Rolle seiner Frau und Schwiegermutter der Viktoria spielte. Elvire schrieb ein Billett an Dom Diego, das ihm sogleich überbracht wurde, und Viktoria schrieb heimlich im Namen Elvirens an Dom Fernando, worin sie ihm sagte, dass es bloss auf ihn ankäme, wenn er sie heiraten wollte, dass sie durch seine Verdienste dazu bewogen werde und sich aus allzu grosser Gefälligkeit gegen die üble Laune ihres Vaters nicht unglücklich machen wollte. Sie beschrieb in ebendem Billett ihr Haus so genau, dass es unmöglich war es zu verfehlen. Dieses zweite Billett wurde eine Weile später fortgeschickt, nachdem das erste an Dom Diego abgegangen war. Viktoria schrieb nun ein drittes, das Santillana selbst dem Dom Pedro de Silva überbrachte, in welchem Billett sie ihm als eine brave Hofmeisterin Nachricht gab, dass seine Tochter statt in die Komödie zu gehen, sich durchaus in das Haus ihres Vaters hätte führen lassen; dass sie nach Dom Fernando geschickt hätte um ihn zu heiraten, und da sie wisse, dass er nie dazu einwilligen würde, so hätte sie es für ihre Pflicht gehalten, ihn davon zu benachrichtigen, um ihn zu überzeugen, dass er sich in der guten Meinung nicht geirrt habe, die er von ihr hatte, als er sie zu Elvirens Hofmeisterin erwählte. Santillana sagte ferner noch mündlich dem Dom Pedro, dass ihm seine Tochter aufgetragen hätte, ihm zu sagen, dass er nicht ohne einen Alguazil oder Polizeidiener zu ihr kommen möge. Dom Pedro, der schon zu Bette war, liess sich höchst zornig sofort ankleiden; während er sich anzieht und nach einem Alguazil schickt, wollen wir sehen, was bei Viktoria vorging. Die Briefe wurden den beiden Verliebten richtig überbracht. Dom Diego, der den seinigen zuerst erhalten hatte, kam als erster an; Viktoria empfing ihn und brachte ihn nebst Elviren in ein Zimmer; was diese beiden Verliebten einander hier sagten, habe ich jetzt nicht zu erzählen, denn Dom Fernando wartet an der Tür. Viktoria öffnete ihm selbst und strich den Dienst, den sie ihm jetzt leistete, sehr heraus, worüber der verliebte Herr ihr vielmals dankte und noch mehr versprach, als er ihr schon gegeben hatte. Sie führte ihn in ein Zimmer, wo sie ihn bat, Elviren zu erwarten und schloss ihn darin ein ohne ihm ein Licht zu lassen, indem sie ihm sagte, dass seine Geliebte es so haben wollte, und dass sie keinen Augenblick bei Licht zusammen sein würden; er müsste dieses der Schamhaftigkeit einer jungen wohlerzogenen Person zu gut halten, die bei einem so wichtigen Schritt sich nicht sogleich an das Anschauen desjenigen gewöhnen könnte, für den sie diesen Schritt täte. Hierauf zog sich Viktoria so geschwind als es nur die kurze Zeit erlauben wollte an und ging wieder in das Zimmer zu Dom Fernando, der gar nicht zweifelte, dass es wer anders als Elvire wäre, weil sie ebenso jung war und nach spanischer Art prächtige und wohlduftende Kleider anhatte, welche die gemeinste Magd für eine vornehme Dame konnten gelten machen. Hierauf kam Dom Pedro mit dem Alguazil und Santillana an. Sie traten in das Zimmer, wo Elvire mit ihrem Geliebten war. Diese beiden erstaunten sehr darüber und Dom Pedro war so wütend, dass er beinah denjenigen mit seinem Degen durchbohrt hätte, den er für Dom Fernando hielt, aber der Alguazil, der den Dom Diego erkannt hatte, fiel ihm in den Arm und rief ihm zu, dass er überlegen möge, was er täte, es wäre ja nicht Dom Fernando von Ribera, der bei seiner Tochter wäre, sondern Dom Diego von Maradas, ein Mann ebenso hohen Standes und ebenso reich wie er. Dom Pedro kam als ein vernünftiger Mann zu sich und hob selbst seine Tochter auf, die sich ihm zu Füssen geworfen hatte. Er überlegte, dass wenn er sie unglücklich machte, indem er sich ihrer Heirat widersetzte, so würde er es selbst mit sein, und dass er selber ja keine bessere Partie für sie hätte wählen können. Santillana bat hierauf den Dom Pedro, den Alguazil und alle die im Zimmer waren, ihm zu folgen, und führte sie in den Raum, wo Dom Fernando mit Viktoria eingeschlossen war. Man hiess im Namen des Königs öffnen und als Dom Fernando die Türe aufmachte und den Dom Pedro mit einem Polizeidiener erblickte, sagte er, er sei bei seiner Gemahlin Elvire von Silva. Dom Pedro antwortete ihm, dass er sich irre, seine Tochter wäre an einen andern verheiratet, und was ihn selbst beträfe, so könnte er nun wohl nicht länger leugnen, dass Viktoria Portocarrero seine Frau sei. Viktoria gab sich hierauf ihrem Ungetreuen zu erkennen, der in die grösste Verlegenheit darüber geriet. Sie warf ihm seine Undankbarkeit vor, worauf er nichts zu antworten wusste, und noch weniger konnte er dem Polizeidiener antworten, der ihm sagte, dass er ihm ins Gefängnis folgen müsste. Schliesslich brachten ihn sein Gewissen, die Furcht vor dem Gefängnis, die Ermahnungen des Dom Pedro, der ihn als ein rechtschaffener Mann ermahnte, die Tränen der Viktoria, ihre Schönheit, und noch mehr als dies, ein Rest von Grossmut, der ungeachtet seiner jugendlichen Ausschweifungen in der Seele des Dom Fernando noch war, zur Vernunft zurück. Viktoria rührte ihn, er umarmte sie zärtlich und sie wäre vor Freuden in seinen Armen ohnmächtig geworden, wenn seine Küsse sie nicht daran gehindert hätten. Dom Pedro, Dom Diego und Elvire nahmen grossen Anteil an Viktorias Glück und Santillana und Beatrix wollten vor Freuden ganz ausser sich kommen. Dom Pedro lobte den Dom Fernando, dass er seinen Fehler wieder gut gemacht hatte. Die beiden jungen Damen umarmten einander so zärtlich als wenn sie ihre Geliebten umarmt hätten. Dom Diego von Maradas versicherte seinen künftigen Schwiegervater seiner Ergebenheit und seines Gehorsams. Noch ehe Dom Pedro nach Hause ging, liess er sich von allen versprechen, dass sie den andern Tag zu ihm in sein Haus kommen sollten, wo vierzehntägige Lustbarkeiten die vielen Unruhen, die sie gehabt hatten sollten vergessen machen. Sogar der Polizeidiener wurde dazu gebeten, und versprach auch sich einzufinden. Dom Pedro und der Polizist gingen wieder, und Dom Fernando blieb bei Viktoria, die nun ebensoviel Ursache zur Freude als vorher zur Traurigkeit hatte.
*