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Zweiter Teil

An die Frau Oberintendantin!

Gnädige Frau!

Wenn Sie sind wie der Herr Intendant, der es nicht gern hat, wenn man ihn lobt, so mache ich Ihnen schlecht den Hof, indem ich Ihnen mein Buch widme. Denn man widmet nicht ohne zu loben; und auch ohne Ihnen ein Buch zu widmen, kann man von Ihnen nicht anders als lobend sprechen. Wer wie Sie ein gutes Vorbild allen ist, muss das verdiente Lob aller ertragen. Der darf sich sogar selber loben, weil er nur lobenswertes tut. Man muss wie gegen die andern auch gegen sich gerecht sein: man verzeiht oft leichter die Unbescheidenheit als die Unwahrhaftigkeit. Ob ich nun kompetent bin, Richter der Reputation, guter oder schlechter, anderer zu sein, so ist es schon einmal meine Art, zu richten, recht und gerecht, was Lob oder Tadel verdient. Eine Dummheit, eine Gemeinheit haue ich recht grob in Stücke; dafür belohne ich aber auch das Verdienst grossartig, wo ich es finde; werde nicht müde, mit Eifer davon zu sprechen, und halte mich darum auch für einen guten, wenn auch unnützen, für einen grossen, wenn auch wenig zu fürchtenden Freund. Alles was Sie tun können, mit aller Macht, die Sie über mich haben, ist, mich zu hindern, Sie nach Verdienst zu preisen. Sie sind schön, ohne kokett zu sein; jung und doch nicht unerfahren; und haben bei viel Geist nicht die Eitelkeit, ihn zeigen zu wollen. Tugendsam sind Sie ohne Härte, fromm ohne Frömmelei, reich ohne Stolz, wohlgeboren ohne Überhebung. Sie haben einen vortrefflichen angesehenen Mann, den alle schätzen, niemand hasst. Sie sind mit einem Worte glücklich, Madame, und das ist nicht geringes Lob, denn das Glück gibt der Himmel nicht immer jenen, denen er wie Ihnen alles andere gegeben hat.

Alles das sagt Ihnen die Welt; ich muss Ihnen aber auch noch besonders für die Ehre Ihres Besuches danken, den ich nie vergessen werde, da ich nie einen lieberen bekam. Ich bin, Madame,

Ihr treuester und gehorsamster Diener
Scarron

Erstes Kapitel das den weiteren bloss zur Einleitung dient

Die Sonne brannte unsern Gegenfüsslern gerade auf den Scheitel und borgte ihrer Schwester Luna nur so viel Licht als sie in einer dunkeln Nacht nötig hatte. Alles war still auf der Erde, ausgenommen da wo sich die Eulen, Grillen und Serenadenbringer aufhielten. Kurz, alles schlief in der ganzen Natur oder sollte wenigstens schlafen, ausgenommen einige Poeten, die schwer zu reimende Verse im Kopfe herumwälzten, und einige unglücklich Verliebte und überhaupt alles vernünftige und unvernünftige Tier, das diese Nacht etwas zu tun hatte. Es wäre unnötig zu sagen, dass Destin zu denen gehörte, die nicht schliefen, ebensowenig als die Räuber der Mademoiselle Angelique, die er verfolgte, so viel als ein galoppierendes Pferd vermochte, dem eine kleine Wolke öfters das Mondlicht benahm. Er liebte Mademoiselle la Caverne höchst zärtlich, weil sie wirklich liebenswürdig und er versichert war, dass sie ihn wieder liebte, und ihre Tochter liebte er nicht weniger; ausserdem hätte seine Mademoiselle de l'Etoile, die aus Not Komödiantin war, keine zwei bessern Schauspielerinnen finden können, tugendhafter als diese beiden. Ich will aber damit nicht sagen, dass es gewisse Berufe des Lebens gibt, wo gar keine Tugend zu finden ist; aber nach der allgemeinen Meinung der Welt, die sich vielleicht hierin irrt, sind die Komödianten gewöhnlich mehr mit Schminke und alten Kleidern beladen als mit Sittlichkeit. Unser grossmütiger Komödiant jagte also den Räubern so geschwind und so mutig nach als ehemals die Lapithen den Kentauren nachliefen. Er ritt zuerst durch eine lange Allee, die auf die Gartentür stiess, wo Angelique war entführt worden, und nachdem er einige Zeit so dahingesprengt war, kam er von ungefähr in einen Hohlweg, wie denn die meisten Wege in Maine Hohlwege sind. Dieser Weg war voller Wagenspuren und sehr steinig, und obgleich der Mond schien, war doch die Dunkelheit darin so gross, dass sein Pferd nur im Schritt gehen konnte. Er fluchte auf einen so schlechten Weg, als auf einmal ein Mensch oder ein Teufel ihm hinten auf das Pferd sprang und ihm die Arme um den Hals schlug. Destin packte beträchtliche Angst und sein Pferd war darüber so erschrocken, dass es ihn gewiss würde abgeworfen haben, wenn das Gespenst, das ihn umfasst hatte, ihn nicht im Sattel festgehalten hätte. Sein Pferd sprang aus wie scheu, und Destin gab ihm noch dazu die Sporn, ohne zu wissen was er tat, weil er es sehr lästig fand, zwei nackte Arme um seinen Hals und an seiner Backe ein kaltes Gesicht zu fühlen, das mit dem Pferd um die Wette schnaubte. Der Ritt dauerte lange auf diese Art, denn der Weg war nicht kurz; endlich mässigte das Pferd auf einer Sandebene seinen Galopp und Destin seine Furcht, denn am Ende gewöhnt man sich auch an die allerärgsten Übel. Der Mond schien noch hinreichend, dass er hinter sich einen langen nackten Mann sehen konnte, der ihm ein wüstes Gesicht zeigte. Er fragte ihn nicht wer er wäre – vielleicht aus Bescheidenheit – sondern jagte sein Pferd immer im Galopp fort; und als er sichs am wenigsten vermutete, sprang der Hinterreiter vom Pferd auf die Erde und fing an zu lachen. Destin spornte sein Pferd schärfer an und da er hinter sich sah, sah er das Gespenst eiligst nach dem Ort zurücklaufen, wo es hergekommen war. Er hat nachher gestanden, dass er eine wahre Todesangst ausgestanden hätte. Hundert Schritte weiter kam er auf einen breiten Weg, der nach einem Dorfe zu führte, dessen Hunde alle munter waren, was ihn vermuten machte, dass die er suchte, hier durchgekommen wären. Um hierüber etwas näheres zu erfahren, tat er alles mögliche, um die schlafenden Bauern von drei oder vier Häusern am Wege aufzuwecken, aber er erhielt nicht nur keine Audienz, sondern wurde noch von den Hunden verfolgt. Endlich hörte er in dem letzten Haus, an das er kam, Kinder schreien und bekam auf seine Drohungen geöffnet. Er erfuhr von einer Frau im Hemd, die am ganzen Leibe zitterte, dass vor noch nicht lange einige Reiter durch das Dorf gekommen wären, die ein laut weinendes Frauenzimmer mit sich führten. Er erzählte hierauf der Frau, dass er einem nackenden Mann begegnet sei und sein Erlebnis mit ihm; sie erzählte, es wäre ein verrückter Mensch aus ihrem Dorf, der auf den Feldern herumschweife. Die Nachricht, die ihm diese Frau von den Reitern gab, die durch ihr Dorf gekommen waren, gab ihm den Mut weiter zu reiten und sein Pferd schärfer anzutreiben. Ich will euch nicht damit aufhalten, wie oft es stolperte und sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete; kurz und gut: es verlor sich in einem Gehölz und kam bei Tagesanbruch auf eine Wiese, wo der Reiter es für ratsam hielt, sein Pferd, weiden zu lassen und wo wir ihn bis auf weiteres auch lassen wollen.

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