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Schon wachte in dem ganzen Städtlein Rübenhausen von Menschen niemand mehr, als der Nachtwächter und von Thieren die Hunde und Eulen; Auch unser werthes Inspektorpaar lag bereits tief in den Federn und harrte des süssen Schlummers, aber vergebens! In beyden Herzen lag geheimer Groll und bittrer Unwillen gegen und wider einander. Sie, als ein Frauenzimmer, brannte ganz natürlich, ihrem Unmuth durch Worte Luft zu machen: Er aber, als ein Priester des Friedens, gieng ihr überall aus dem Wege und hielt ihre Anfälle sanft von sich ab. So waren sie unter abgebrochenen Reden, zusammengesetzt aus Anschnauzen auf der einen und Sanftmuth auf der andern Seite zu Bette gegangen! Selbst die gute Nacht war schon gesagt, wiewohl für diesmal ohne den dabey gewöhnlichen Kuß. Jedes lag still auf seinem Ohre und sehnte sich herzlich nach dem lieben Schlafe: Aber mehr als eine halbe Stunde war schon vergangen und er kam noch nicht! Da brach der Herr Inspektor endlich in einen tiefen Seufzer aus und sagte ganz leise: Lieber Gott, erbarm dich doch meines Kinderkummers! Sogleich drehte sich die Frau Inspektorn nach der Seite ihres Herrn Ehegemahls herum und das Gardinengespräch begann:
O du brauchst da nicht lange zu beten, sagte sie: Es kommt nur auf ein Wort an, so will ich mit meinem Kinde gehen, so weit mich meine Füsse tragen und du kannst dann mit deiner lieben, süssen Fieke die Wirthschaft allein führen! Dann kann sie nach Herzenslust mit dem Stadtschreiber und mit Stuckern scharmiren, daß es eine Art hat!
Er. Ich bitte dich um alles in der Welt, brich mir das Herz nicht vollends mit solchen Reden! Ich vergehe schon vor Kummer und Herzeleid, wenn ich an die Zukunft denke.
Sie. So? Und was denkst du denn da? Daß aus Israelchen ein böser, gottloser Bube werden wird, nicht wahr? Und daß ich mit meiner Erziehung dran Schuld bin, nicht wahr? Sags nur lieber gleich heraus, ich weiß es ja doch!
Er. Ich habe, weiß Gott, an dich nicht gedacht, blos an Israelchen: Aber das muß ich dir gestehn, mein Schatz, Israelchen hat mir heute einen Nagel zu meinem Sarge gemacht.
Sie. Und mir hat Fieke einen gemacht, wenn dus wissen willst! Das unverschämte Mensch setzt sich da groß und breit zwischen zwey junge Kerls und das geht den ganzen Abend in einem Gegicker und Gegacker! Nun, nun, ich will nichts sagen, aber ich erleb es noch, daß sie von dem ersten, dem besten zu Falle kommt und unser ganzes Haus prostituirt!
Er. Das wird sie nicht thun, hoff ich!
Sie. Nicht thun? Ach es ist wahr, sie ist ja dein Favoritchen, dein Herzblättchen: Nein, nimmermehr! Das liebe Herzblättchen kann sich so schlecht nicht aufführen! Aber Israelchen, der ist nun einmal der Dorn im Auge, der mag machen, was er will, so ist es ein Nagel zum Sarge!
Er. Wieder einmal die alte Leyer! Der liebe Gott ist mein Zeuge, daß mir ein Kind so lieb ist, wie das andre; Ich denke, du wirst dich auch wohl nicht zu beschweren haben, daß ich Israelchen irgendworinn zu hart falle: Aber wenn er es nun so macht, wie heute.
Sie. Und wer war daran Schuld, als der Grobian, der Senft ganz lediglich! Hätte der einen unschuldigen Spaß vertragen und nicht gleich mit unbändigen Füllen und mehr solchen impertinenten Reden um sich geworfen, meinen Hals setz ich zu Pfande, es wäre alles nicht geschehen! Aber du weist nun einmal, wie Israelchen ist! Er hat Pängtonehr im Leibe und steckt keinen Schimpf ein, es mag werden, wie es will!
Er. Alles gut, mein Schatz; So sprichst du, als Mutter: Aber was werden andre Leute von der Geschichte sagen? Wird es nicht in der ganzen Stadt heissen: Mein Himmel, was haben Inspektors doch für einen erschrecklichen, ungezogenen Buben! Weder Vater noch Mutter können ihn mehr bändigen! Und ich krieg es dann noch apart: Von mir wirds heissen, ach wenn doch der Inspektor nicht von der Erziehung schreiben wollte! Wenn er die verstünde, so zög er ja doch vor allen Dingen seinen Israel, daß er die Leute in der Gesellschaft nicht bep***te! Das muß einem dann wohl wehthun!
Sie. Das ist unvernünftiges Volk, das so spricht! Ob die reden oder nicht reden, das ist gleich viel! Was vernünftige Leute sind, die werden ganz anders sprechen! Die werden sagen: I du lieber Gott, ein Kind ist ein Kind, und Jugend hat nicht Tugend! Ein kleiner Schelmstreich ist darum noch lange kein Spitzbubenstreich, und man muß da nicht gleich mit Donner und Blitz dreinschlagen! Und wenn auch Israelchen wer weiß was Böses begangen hätte, so wär er durch die erschreckliche Ohrfeige, die ihm auf der Stelle das Leben hätte kosten können, doch mehr als zu hart bestraft. Das war ja eine Ohrfeige, wo man einen Ochsen hätte mit totschlagen können. Die schickt sich allenfalls für einen Fleischer, aber nicht für einen Geistlichen. Der sollte Gottlob mehr Verstand haben, daß wenn er bey jemanden zu Gaste ist und sich den Wanzen voll frißt und säuft, er den Leuten zur Dankbarkeit nicht die Kinder halb todt schlüge! Siehst du, so werden die Leute reden, wenn dus nicht willst übel nehmen!
Er. (mit einem tiefen Seufzer) Der liebe Gott geb es: Noch kann ichs nicht recht glauben! Doch das ist auch grade mein geringster Kummer, was die Leute sagen: Aber, aber, was soll aus Israelchen werden, wenn der älter und grösser ist? Dann müssen wir wahrhaftig Mord und Todtschlag befürchten!
Sie. Nun da hört mans, daß du ein rechter Rabenvater bist, sonst würdest du deinem leiblichen Kinde nicht so was entsetzliches zutrauen! Ich habe das schon hundertmal gesagt und ich sage dirs nun zum hundert und erstenmale: Der Verstand kommt nicht vor den Jahren! Weil ich in den Jahren war, wie Israelchen, war ich eben so wie er, munter und lustig und aufgeräumt! Ich machte manchmal auch so einen Streich mit unter: Aber das verlohr sich alles mit den Jahren von selbst.
Er. Ach wenn das der Himmel wollte, was für ein schwerer Stein würde mir vom Herzen fallen!
Sie. (freundlich) Nun du wirst es sehn, mein lieber Mann, wir werden am Ende an Israelchen noch alle unsre Lust und Freude erleben! Das mußt du doch selbst gestehen, daß er für seine Jahre schon einen ganz englischen Verstand hat! Selbst das Stückchen, was er Senften spielte, war es nicht im Grunde so fein und so pfiffig? Schleicht sich der gottlose Schelm in aller Stille neben ihn, ich denke wahrhaftig, er will ihm abbitten: Aber ja, da hast du zu warten! Das einzige hat Israelchen nur versehn: Er hätte es so machen sollen, daß Senft es gar nicht merkte, dann war alle Sache gut!
Er. Ach ich wollte doch zwanzig Thaler drum geben, wenn der fatale Streich nicht geschehen wäre! Ich glaube immer, Senft arbeitet mit an den gelehrten Zeitungen und macht sicherlich eine Recension von meinem Buche. Nun stell dir ums Himmels willen vor, mein Kind, wenn er nun aus Rache die heutige Geschichte öffentlich erzählte, was wäre das für eine entsetzliche Prostitution für mich!
Sie. Das sollt er sich einmal unterstehen! Ich kratzte ihm die Augen aus dem Kopfe aus. Und denn zum Gukuk, wovor bist du denn Inspektor? Du machst ja die Konduitenliste? So schwärz ihn doch beym Konsistorium an, daß kein Hund einen Bissen Brot von ihm nimmt!
Er. Das geht auch so! Als wenn er sich etwa nicht vertheidigen würde und ich kriegte dann obendrein noch Verweise!
Sie. I so wollt ich ja doch eher Himmel und Erde bewegen, als daß ich dich von so einem Menschen, von so einem Scharfrichter wollte öffentlich prostituiren lassen! Kurzum, das ist meine Sache, das nehm ich ganz allein auf mich!
Er. Nun ich traue deiner Klugheit alles mögliche zu, mein lieber Schatz!
Sie. (ihn umarmend) Das kannst du auch, mein liebster bester Mann! Eher wollt ich ja zehnmal sterben, als daß ich dich in einer Noth sollte stecken lassen! Aber, mein liebstes Männchen, nun bist du doch ruhig wegen Israelchens? Nicht wahr?
Er. I ja doch!
Sie. Willst dir auch nicht mehr solche traurige Vorstellungen von der Zukunft machen? Das Kind hat dir wirklich im Grunde ein gutes, kerngutes Herz!
Er. Ich glaub es ja und wir wollen in Gottes Namen das Beste hoffen! Aber, lieber Schatz, einen Gefallen mußt du mir auch thun: Mußts Fiekchen nicht entgelten lassen!
Sie. I bewahre, liebes Kind, wie fällt dir das ein? Hab ich denn das in meinem Leben ein einzigesmal gethan? Konträr, ich bin heute mit Fiekchen ausserordentlich zufrieden: Sie hat sich so still und so douce aufgeführt, daß ich alle meine Freude an ihn gehabt habe!
Er. (sie küssend) Nun so bin ich vollkommen zufrieden und danke dir herzlich, mein bester Schatz! Aber, lieber Himmel, der Wächter tutet schon zwölfe: Wo ist die Zeit hin?
Sie. Ach unter so angenehmen Gesprächen vergeht sie immer, man weiß nicht wie! Aber nun will ich dich auch nicht länger vom Schlaf abhalten. Schlaf wohl, liebster bester Mann!
Er. Du auch, liebstes, bestes Weib! Schlaf wohl!
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