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Der Jäger verließ mich nach einem halben Stündchen Kosen, und ich verließ den Klitumnus. In Spoleto ging ich ohne Schwierigkeit gerade durch das Tor hinein, durch welches Hannibal laut der Nachrichten nicht gehen konnte. Fast hätte ich nun Ursache gehabt zu bedauern, daß ich das Empfehlungsschreiben des billigen Mannes in Foligno nicht angenommen hatte; denn ich lief in dem Neste wohl eine halbe Stunde herum, ehe ich ein leidliches Gasthaus finden konnte. Endlich führte man mich doch in eins, wo man für den dritten Teil der gestrigen Zeche eben so gut bewirtete. Es ist ein großes, altes, dunkles, häßliches, jämmerliches Loch, das Spoleto; ich möchte lieber Küster Klimm zu Bergen in Norwegen sein, als Erzbischof zu Spoleto. Die Leute hier, denen ich ins Auge guckte, sahen alle aus wie das böse Gewissen; und nur mein Wirt mit seiner Familie schien eine Ausnahme zu machen. Deswegen habe ich mich auch keinen Deut um ihre Altertümer bekümmert, deren hier noch eine ziemliche Menge sein sollen. Aber alles ist Trümmer; und Trümmern überhaupt, und zumal in Spoleto, und überdies in so entsetzlichem Nebelwetter, geben eben keine schöne Unterhaltung. Über dem Tore, das man Hannibals Tor nennt, stehen die Worte in Marmor:
H A N N I B A L
CAESIS AD THRASYMENUM ROMANIS
INFESTO AGMINE URBEM ROMAN PETENS
AD SPOLETUM MAGNA STRAGE SUORUM REPULSUS,
INSIGNE PORTAE NOMEN FECIT.
So ist die Überschrift. Ich weiß nicht, ob es die Worte des Livius sind: mich deucht, bei diesem lautet es etwas anders. Die Sache hat indes nach den alten Schriftstellern ihre Richtigkeit; nur weiß ich nicht, ob es eben dieses Tor sein möchte: denn wie vielen Veränderungen ist die Stadt nicht seit den punischen Kriegen unterworfen gewesen! Doch ist es eben das Tor, durch das der Weg von Perugia geht. Der Marmor scheint ziemlich neu zu sein. Jetzt dürfte sich wohl schwerlich ein französisches Bataillon zurückwerfen lassen.
Ich Idiot glaubte, als ich in Foligno angekommen war, ich sei nun den Apennin durchwandelt: aber das ganze Tal des Klitumnus mit den Städten Foligno und Spoleto liegt in den Bergen; von Spoleto bis Terni ist der furchtbarste Teil desselben; und hier war ich wieder zu Fuße ganz allein. Den Morgen als ich Spoleto verließ, sah ich links an dem Felsen noch das alte gotische Schloß, wo sich wackere Kerle vielleicht noch einige Stunden um die Stadt schlagen können, ging vor den sonderbaren Anachoreten vorbei und immer die wilde Bergschlucht hinauf. Wo ich einkehrte unterhielt man mich überall mit Räubergeschichten und Mordtaten, um mir einen Maulesel mit seinem Führer aufzuschwatzen; aber ich war nun einmal hartnäckig und lief trotzig allein meinen Weg immer vorwärts. Oben auf dem Berge soll der Jupiter Summanus einen Tempel gehabt haben. Es ist wohl nur von Rom aus nach Umbrien der höchste Berg; denn sonst gibt es in der Kette viel höhere Partien. Der Weg aufwärts von Spoleto ist noch nicht so wild und furchtbar als der Weg abwärts und weiter nach Terni. Das Tal abwärts ist zuweilen kaum hundert Schritte breit, rechts und links sind hohe Felsenberge, zwischen welche den ganzen Tag nur wenig Sonne kommt, mit Schluchten und Waldströmen durchbrochen. Dörfer trifft man auf dem ganzen Wege nicht, als auf der Spitze des Berges nur einige Häuser und ein halbes Dutzend in Strettura, dessen Name schon einen engen Paß anzeigt. Hier und da sind noch einige isolierte Wohnungen, die eben nicht freundlich aussehen, und viele alte, verlassene Gebäude, die ziemlich den Anblick von Räuberhöhlen tragen. Fast nichts ist bebaut. Die meisten Berge sind bis zu einer großen Höhe mit finstern, wilden Lorbeerbüschen bewachsen, die vielleicht eine Bravobande zu ihren Siegeszeichen brauchen könnte. Ich gestehe Dir, es war mir sehr wohl, als sich einige italienische Meilen vor Terni das Tal wieder weiterte und ich mich wieder etwas zu Tage gefördert sah und unter mir schöne, friedliche Ölwälder erblickte, unter denen der junge Weizen grünte. Das Tal der Nera öffnete sich, und es lag wieder ein Paradies vor mir. Hohe Zypressen ragten hier und da in den Gärten an den Felsenklüften empor, und der Frühling schien in den ersten Gewächsen des Jahres mit wohltätiger Gewalt zu arbeiten.
Vorgestern kam ich auf meiner Reise hierher in Terni an. Mein Wirt, ein Tiroler und stolz auf die Ehre ein Deutscher zu sein, fütterte mich auf gut östreichisch recht stattlich, und setzte mir zuletzt ein Gericht Sepien vor, die mir zum Anfange vielleicht besser geschmeckt hätten. Er mochte mich für einen Maler halten und glauben, daß dieses zur Weihe gehöre. Zum Desert und zur Delikatesse kann ich den Dintenfisch nach dem Urteil meines Gaumens nicht empfehlen; schon seine schwarzbraune Farbe ist in der Schüssel eben nicht ästhetisch. Nachdem ich gespeis't, Interamner Wein getrunken und meinen Reisesack gehörig in Ordnung gelegt hatte, trollte ich fort nach dem Sonnentempel, nämlich der jetzigen Diminutivkirche des heiligen Erlösers. Sie war verschlossen, ich ließ mich aber nicht abweisen und ging zum Sakristan, der weiter keine Notiz von mir nahm; bei seiner Schüssel und seinem Buche unbeweglich sitzenblieb und mich durch eine alte Sara in die Kirche weisen ließ. Der Mann hatte in seinem Sinne Recht; denn er dachte ohne Zweifel: Der da, kommt weder mir noch meiner Kirche zu Ehren, sondern bloß der heidnischen Sonne sein Kompliment zu machen. Richtig. Die Leute haben bekanntlich das Tempelchen wie wahre Obskuranten behandelt und dafür gesorgt, daß in den Sonnentempel keine Sonne mehr scheinen kann. Alle Eingänge sind vermauert und zu Nischen gemacht, in deren jeder ein Heiliger für Italien schlecht genug gepinselt ist; und über dem Altar steht ein Sankt Salvator, der seinen Verfertiger auch nicht aus dem Fegefeuer erlösen wird.
Nun stieg ich, ob ich gleich diesen Tag schon durch vier Meilen Apenninen von Spoleto herüber gekommen war, noch eine deutsche Meile lang den hohen Steinweg zu dem Fall des Velino hinauf. Das war Belohnung. Der Tag war herrlich; kein Wölkchen, und es wehte ein lauer Wind, der nur in der Gegend des Sturzes etwas kühl ward. Die Sonne stand schon etwas tief und bildete aus der furchtbaren Schlucht der Nera hoch in der Atmosphäre einen ganzen hellen, herrlich glühenden und einen größern dunkeln Bogen im Staube des Falles. Ich saß gegenüber auf dem Felsen, und vergaß einige Minuten alles, was die Welt sonst großes und schönes haben mag. Etwas größeres und schöneres von Menschenhänden hat sie schwerlich aufzuweisen. Folgendes war halb Gedanke, halb Gefühl, als ich wieder bei mir selbst war.
Hier hat vielleicht der große Mann gesessen Und dem Entwurfe nachgedacht, Der seinen Namen ewig macht; Hat hier das Riesenwerk gemessen, Das größte, welches je des Menschen Geist vollbracht. Es war ein göttlicher Gedanke, Und staunend steht die kleine Nachwelt da An ihres Wirkens enger Schranke Und glaubet kaum, daß es geschah. Wie schwebte mit dem Regenbogen, Als durch die tiefe Marmorkluft Hinab die ersten Donnerwogen Wild schäumend in den Abgrund flogen, Des Mannes Seele durch die Luft! So eine selige Minute Wiegt einen ganzen Lebenslauf Alltäglichen Genusses auf; Sie knüpft das Große an das Gute. Es schlachte nun der zürnende Pelide Die Opfer um des Freundes Grab; Es zehre sich der Philippide, Sein Afterbild, vor Schelsucht ab! Es weine Cäsar, stolz und eitel, Um einen Lorbeerkranz um seine kahle Scheitel; Es mache sich Oktavian, Das Muster schleichender Tyrannen, Die je für Sklaverei auf schöne Namen sannen, Mit Schlangenlist den Erdball untertan: Die Motten zehren an dem Rufe, Den ihre Ohnmacht sich erwarb, Und jedes Sekulum verdarb An ihrem Tempel eine Stufe. Hier steigt die Glorie im Streit der Elemente, Und segnend färbt der Sonnenstrahl Des Mannes Monument im Tal, Wo sanft der Ölbaum nickt, und hoch am Firmamente. Das Feuer glüht mir durch das Rückenmark, Und hoch schlägts links mir in der Seite stark: Wer so ein Schöpfer werden könnte! |
Oben am Sturz rund um das Felsenbette ist zwischen den hohen Bergen ungefähr eine kleine Stunde im Umkreise eine schöne Ebene, die voll ungehauener Ölbäume und Weinstöcke steht. Ich wollte schon den Päpstlern über das Sakrilegium an der Natur fluchen, als ich hörte, dieses sei im letzten Kriege eine Lagerstätte der Neapolitaner gewesen. Sie schlugen hier Anfangs die Franzosen durch den alten Felsenweg hinunter, und ich begreife nicht, wie sie mit gewöhnlicher Besinnung es wagen konnten, sie weiter zu verfolgen. Sie gingen in das Manöver und bezahlten für ihre Kurzsichtigkeit unten sehr teuer. Es ist traurig für die Humanität, daß man sich mit Tigerwut sogar unter den Zweigen des friedlichen Ölbaums schlägt. So sehr ich zuweilen der Härte beschuldiget werde, ein Ölbaum und ein Weizenfeld würde mir immer ein Heiligtum sein; und ich könnte mich gleich zur Kartätsche gegen denjenigen stellen, der beides zerstört. Die Sonne ging unter, als ich den schönen Olivenwald herabkam, und kaum konnte ich unter den Weinstöcken noch einige Veilchen und Hyazinthen pflücken, die dort ohne Pflege blühen.
Es war zu spät noch die Reste des Theaters in den Gärten des Bischofs zu sehen, und den andern Morgen wanderte ich nach Narni. Die Gegend von Narni aus an der Nera hinunter ist furchtbar schön. Die Brücke bei Borghetto über die Tiber ist zwar ein sehr braves Stück Arbeit, aber als Monument für drei Päpste immer sehr kleinlich, wenn man sie nur gegen die Reste des alten ponte rotto bei Narni über die Nera hält. Das sind doch noch Triumphbogen, die Sinn haben, diese Brücke und der Trajanische bei Ankona. Der schönste ist wohl der Wasserfall des Velino, der oben für die ganze Gegend von Rieti schon über zweitausend Jahre eine Wohltat ist, weil er sie vor Überschwemmungen schützt. Ich bekenne, daß ich für zwecklose Pracht, wenn es auch Riesenwerke wären, keine sonderliche Stimmung habe.