Einem Ritter wohlgeboren im schönen Schwabenland
War von dem weisen Könige die Märe wohl bekannt,
Der den Hort versenken ließ in des Rheines Flut:
Wie er ihm nachspüre, erwog er lang' in seinem Mut.
»Darunter lag von Golde ein Wünschrütelein;
Wenn ich den Hort erwürbe, mein eigen müßt' es sein:
Wer Meister wär' der Gerte, das ist mir wohlbekannt,
Dem wär' sie nicht zu Kaufe um alles kaiserliche Land.«
Auf seinem Streitrosse mit Harnisch, Schild und Schwert
Verließ der Heimat Gauen der stolze Degen wert:
Nach Lochheim wollt' er reiten bei Wormes an dem Rhein,
Wo die Schätze sollten in der Flut begraben sein.
Der werte Held vertauschte sein ritterlich Gewand
Mit eines Fischers Kleide, den er am Ufer fand
Den Helm mit dem Barette, sein getreues Roß,
Mit einem guten Schifflein, das lustig auf den Wellen floß.
Seine Waffe war das Ruder, die Stange war sein Speer,
So kreuzt' er auf den Wellen manch lieben Tag umher
Und fischte nach dem Horte; die Zeit ward ihm nicht lang,
Er erholte von der Arbeit sich bei Zechgelag und Gesang.
Um das alte Wormes und tiefer um den Rhein,
Bis sich die Berge senken, da wächst ein guter Wein:
Er gleicht so recht an Farbe dem Nibelungengold,
Das in der Flut zerronnen in der Reben Adern rollt.
Den trank er alle Tage beides, spät und früh,
Wenn er Rast sich gönnte von der Arbeit Müh'.
Er war so rein und lauter, er war so hell und gut,
Er stärkte seine Sinne und erhöht' ihm Kraft und Mut.
Auch hört' er Märe singen, die sang der Degen nach,
Von Alberich dem Zwerge, der des Hortes pflag,
Von hohem Liebeswerben, von Siegfriedens Tod,
Von Kriemhilds grauser Rache und der Nibelungen Not.
Da nahm der Degen wieder das Ruder in die Hand
Und forschte nach dem Horte am weingrünen Strand.
Mit Hacken und mit Schaufeln drang er auf den Grund,
Mit Netzen und mit Stangen, ihm wurden Mühsale kund.
Von des Weines Güte empfing er Kraft genug,
Daß er des Tags Beschwerde wohlgemut ertrug;
Sein Lied mit solcher Fülle aus seiner Kehle drang,
Daß es nachgesungen von allen Bergen widerklang.
So schifft' er immer weiter zu Tal den grünen Rhein,
Nach dem Horte forschend bei Hochgesang und Wein.
Am großen Loch bei Bingen erst seine Stimme schwoll,
Hei! wie sein starkes Singen an der Lurlei widerscholl!
Doch fand er in der Tiefe vom Golde keine Spur,
Nicht in des Stromes Bette, im Becher blinkt' es nur.
Da sprach der biedre Degen: »Nun leuchtet mir erst ein:
Ich ging den Hort zu suchen, der große Hort, das ist der Wein.
Der hat aus alten Zeiten noch bewahrt die Kraft,
Daß er zu großen Taten erregt die Ritterschaft.
Aus der Berge Schachten stammt sein Feuergeist,
Der den blöden Sänger in hohen Liedern unterweist.
Er hat aus alten Zeiten mir ein Lied vertraut,
Wie er zuerst der Wogen verborgnen Grund geschaut,
Wie Siegfried ward erschlagen um schnöden Golds Gewinn
Und wie ihr Leid gerochen Kriemhild, die edle Königin.
Mein Schifflein laß ich fahren, die Gier des Goldes flieht,
Der Hort ward zu Weine, der Wein ward mir zum Lied,
Zum Liede, das man gerne nach tausend Jahren singt
Und das in diesen Tagen von allen Zungen widerklingt.
Ich ging den Hort zu suchen, mein Sang, das ist der Hort;
Es begrub ihn nicht die Welle, er lebt unsterblich fort.«
Sein Schifflein ließ er fahren und sang sein Lied im Land,
Das ward vor allen Königen, vor allen Kaisern bekannt.
Laut ward es gesungen im Lande weit und breit,
Hat neu sich aufgeschwungen in dieser späten Zeit.
Nun mögt ihr erst verstehen ein altgesprochen Wort:
»Das Lied der Nibelungen, das ist der Nibelungenhort.« |