Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Im Sedan-Panorama

Muckenich (das Podium betretend). Det is ja 'ne blendende Dunkelheit da unten. Wenn ick als Hauswirth uf meine Treppen so jar keen Jas ansteche, wie hier keens anjestochen is, denn kommt der Schutzmann. So 'ne Finsterniß is ja selbst die ältesten Ejipter nich erinnerlich!

Diener. Das darf wegen des Effekts nicht anders sein. Die Helle hier oben soll eben überraschend wirken.

Muckenich. Nich übel. Wenn mir noch mal 'n Miether kommt un sagt, et brennten nich jenug Jas- oder Petroljum-Arme uf die Treppen, denn sage ick: »Det darf wejen des Effekts nich anders sind. Sie müssen sich stoßen, denn die Helle oben in ihre Wohnung soll eben überraschend wirken.« Die Jrobheit, die ick denn krieje!

Diener. Wünschen Sie ein Glas?

Muckenich. Was haben Sie denn zu trinken?

8 Diener. Ich meine: Ob Sie einen Gucker wünschen?

Muckenich. Is denn Sedan als Oper oder Ballet ufjefaßt? (Er betritt das sich drehende Podium.) Nanu? Ick habe ja man erst beinah sechs Seidel jetrunken, un et jeht Allens mit mir rum. Oder is et der bekannte Siejesrausch?

Zuschauer. Machen Sie keine schlechten Witze.

Muckenich. Fällt mir ooch jar nich ein, un ick bitte Ihnen, mir mit Ihrem kalten Wasserstrahl vom Leibe zu bleiben. Ick sage Ihnen, det ick nich feststehe, un dabei bleibt es.

Zuschauer. Nun ja, das ist das Podium, welches sich im Kreise dreht.

Muckenich (singt).
Was dreht sich da im Kreis herum?
Ich glaub', es ist das Podium.

Stimmen (von allen Seiten). Ruhe!

Muckenich. Nich übel. In der Schlacht bei Sedan darf keen Jeräusch jemacht werden, die Kanonen können sonst ihr eijenes Bombardement nich hören. Hier muß Jeder für sein Entree 'n Moltke sind un den Leuten die Ohren vollschweigen. (Die »Wacht am Rhein« ertönt.) Fest steht und treu – ick steh' aber jar nich fest un treu.

9 Ein Herr. So seien Sie doch endlich still. Sehen Sie sich doch lieber das Panorama an.

Muckenich. Wundervoll, jroßartig, Bravo, Wernerschagin! So was hat Berlin noch nich jesehen. Un wie ähnlich! Die Maler haben noch besser jetroffen als die französischen Schützen.

Herr Brummkopf. Sie sind wohl mit mang gewesen?

Muckenich. Na natürlich. Sehen Sie da den schönen Jäger, der uf die Schassörs anlegt? Det bin ick. Muckenich, rief mir der Hauptmann zu, Sie tragen Ihr jutes Theil zum Jelingen des Janzen bei. Mit Verjnügen, Herr Hauptmann, sagte ick, un schoß weiter.

Frau Brummkopf. Bekamen Sie das Kreuz?

Muckenich. Ick war schon verheirathet. (Herr und Frau Brummkopf entfernen sich schmollend, Andere treten in die Lücke. Muckenich spricht weiter:) Richtig, da is ooch die Maas, die wir den Franzosen jenommen haben, un nu wundert sich Pindter, det sie maaßlos sind. Ein komischer Herr! Da hinten is ooch det Weberhäuschen, wo Napoleon mit Bismarck zusammentraf un wo er an seine Jemahlin uf Französisch schrieb, sie solle man ruhig sind, es könne noch Allens wieder ins alte Jeleise kommen. Det war nu allerdings det alte Jeleise der Eisenbahn 10 nach Wilhelmshöhe. Er dachte sich, Bismarck würde zu ihm sagen: »Majestät, wenn ick Ihnen einen Rath jeben darf, denn machen Sie, det Sie wieder nach Paris kommen.« Nee, is det Weberhäuschen ähnlich!

Ein Zuschauer. Haben Sie Sedan mitgemacht?

Muckenich. Na natürlich. Sehen Sie da den schönen Infanteristen in dem Quarré vorne? Det bin ick.

Der Zuschauer (durch sein Glas hinblickend). Ich glaube, Sie zu erkennen. Die französische Cavallerie stürmt mächtig an, aber Sie laden mit stoischer Ruhe.

Muckenich. Det is in der Schlacht die Hauptsache. Wer da nich ruhig is, stört blos.

Ein Reporter. Ich höre eben, daß Sie Combattant waren, das ist sehr interessant, da können Sie mir dieses und jenes erklären.

Muckenich. Na natürlich. Sehen Sie da den schönen Soldaten, der einem verwundeten Franzosen was zu drinken jiebt? Det bin ick. Er verstand keen deutsch un ick verstand keen französisch, aber wir verständigten uns durch die Pulle, un so jab ein Jilka den andern.

Der Reporter. Finden Sie das Panorama naturgetreu?

11 Muckenich. Jroßartig, wie aus'm Jesicht jeschnitten, aber blos eens is nich richtig, det is sojar'n jroßer Fehler, den ick Werner jar nich zujetraut habe.

Der Reporter. Bitte, erklären Sie sich deutlicher. Das Publikum will vor Allem die Fehler kennen lernen.

Muckenich. Na natürlich. Also. Sehen Sie, die Landschaft un die Ortschaften un der eiserne Ring, den die Franzosen durchbrechen wollen, un die Armeecorps un der Pulverdampf, det is Allens sprechend ähnlich. Det ist die Schlacht bei Sedan, wie sie im Buch steht, nämlich in dem Jeneralstabswerk, das Sie ja nich jelesen haben. Ick ooch nich. Jlooben Sie mir aber: eens is jrundfalsch, nämlich die Restauration unten, die is bei det echte Sedan nich jewesen. Det jab es nich.

Der Reporter. Mahlzeit! (Geht fort.)

Muckenich. Bitte, et is jern jeschehen. (Er redet einen Herrn an.) Können Sie mir sagen, wie spät es is?

Der Angeredete. Es ist gegen 2 Uhr Mittags. Unter dem Kommando des General Gallifet stürmen die Regimenter Chasseurs d'Afrique, Kürassiere – –

Muckenich. Det weeß ick.

12 Der Herr. So? Haben Sie Sedan mitgemacht?

Muckenich. Da verwechseln Sie mir mit die Maler Bracht, Schirm, Koch un Röchling. Ick wollte blos wissen, was die Glocke is. Aber lassen Sie man, denn wenn es ooch früher oder später wäre, ick würde doch Durst haben, denn wenn man sich so lange uf eenen Fleck rumdreht, davon kriegt man Durst. (Noch einen Blick auf das Rundgemälde werfend.) Wenn ick was zu sagen hätte, denn müßte det Panorama in Paris stehn und nich hier am Alexanderplatz. Wenn die Franzosen det Bild blos täglich eenmal sehen, denn brauchten sie jar keenen kalten Wasserstrahl. Na, juten Morjen!


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