Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Auf keiner Berliner Welt-Ausstellung.

Muckenich (ist auf einen Pferdebahnwagen der Linie Dönhoffsplatz-Tempelhof gesprungen und redet den Schaffner an.) Also wie weit ick fahren wollte? Jeben Sie mir mal 'n Billjet nach dem Ausstellungspalais.

Schaffner. Das giebt es nicht. Ich habe nur Fahrscheine nach dem Kreuzberg und nach Tempelhof.

Muckenich. Det jloobe ick Ihnen. Et wird ja jar nich ausjestellt. Unsere Rejierung is dem Jedanken an 'ne friedliche Vereinijung der Völker nichts weniger als spinnefreundlich jesinnt und bleibt uf dem Weje zur alljemeinen Eintracht immer spornstreichs stehen. Un nu will ick mir mal den Platz ansehen, wo im Laufe dieses jeehrten Jahrzehnts die 110 Ausstellung hinzustehen käme, wenn wir überhaupt eene kriegten.

Schaffner. Wo Sie aussteigen wollen, das ist Ihre Sache.. Ich werde Ihnen einen Fahrschein für 20 Pfennige geben.

Muckenich. Wenn ick jleich eenen Schein für 20 Pfennige nehme, is et denn nich billjer?

Schaffner. Nein. Hier ist der Fahrschein, und nun unterlassen Sie das Rauchen. Das ist im Innern des Wagens nicht erlaubt.

Muckenich. Det wird sich allens ändern, wenn erst Bismarck durch noch mehr Söhne zum Volke herabsteijen wird und wir Alle, wie Napoljon sagt, entweder fiskalisch oder monopolackisch sein werden. Wenn ick dann im Innern des Wagens rooche, dann jilt mein Stummel als 'ne Zustimmungsadresse, un der Schaffner bringt mir mit dem Fernsprecher ein Danktelejramm aus der Wilhelmstraße.

Ein Fahrgast. Der Mann hat entschieden zu tief ins Glas geguckt.

Muckenich. Jlas jiebt es nach die neue Zollverordnung überhaupt nich. Et jiebt nur noch Tinte un Bitterwasser, un in so 'ne Substanzen gucke ick jrundsätzlich nich. Da müßte ick ja Jlas jesoffen haben! Im Jejentheil. Janz nüchtern will ick mir den Platz besehen, wo 1885 keene Weltausstellung stehen wird. 111 (Er redet eine Dame an.) Sie werden natürlich sagen, verehrte Reptilie, unsere Industrie hat 'nen solchen Aufschwung erlitten, det wir jar keene Weltausstellung brauchen. Da sitze ick aber uf 'nem entjejenjesetzten Standtpunkt.

Die Dame (nimmt einen anderen Platz.)

Muckenich. Natürlich, nu bin ick 'n Reichsfeind, ein Mitjlied der Partei Hemmschuh un in meine Mußestunden Republikaner. Man braucht heute bloß nich von die Zinsen des selijen Königs von Hannover zu leben, jleich is man verdächtig, den Dynamit mit Löffeln jefressen zu haben. Ick wünsche jesegnete Mahlzeit! (Er steigt am Tempelhofer Feld aus und schreit.) Meine Herren un Damen! Et is ein welthistorischer Fleck Erde, uf dem Sie mich befinden! Dieser Kreuzberg is keener von die sieben Hügeln, uf welchen sich das nächste friedliche Rangdewuh der Nationen erheben wird. Alle Autoritäten haben sich dahin ausjesprochen, det dieses Feld der jeeignetste Platz bei Berlin is, uf welchem sich 'ne Monstre-Ausstellung unterlassen läßt. Et is absolut feuersicher un bietet Raum für die nassesten Dreiecke.

Ein Schutzmann. Stille da, machen Sie, daß Sie weiterkommen.

Muckenich. Sehr richtig, weiterkommen will Jeder, aber is denn det möglich bei dieses ewije 112 Experimentiren? (Sehr laut.) Fragen Sie doch jede Handelskammer, die wird et Ihnen ja sagen, det die jetzige Politik nich die richtige is. (Er taumelt weiter und fällt hin.) J'y suis et j'y reste!

Schutzmann (hilft ihm auf die Beine).

Muckenich. Ick weeß ja, wat Sie sagen wollen, Herr Bodenstedt. Die Politik verdirbt den Charakter. Aber Sie wissen wohl nich, det det die schlimmste Bismarckbeleidijung is, die et überhaupt jiebt. Foljen Sie mir!

Schutzmann (führt ihn fort).

Muckenich. Sie sehen wohl in, det ick nich anders kann. Wer die Politik des Kanzlers kritisirt, der muß früh ufstehen un seine drei Monate sofort antreten. Denn Sie mögen sagen, wat ick will, soviel steht doch fest: unsere Industrie hat sich jetzt sehr jehoben. Ick nenne bloß: die Danktelejraphie, die Freibierbrauerei, det is doch Allens nich von Pappe, un nu sollen wir keene Ausstellung in Berlin kriejen, wo wir mal die Welt zeijen können, wat 'ne Harke is? Det is nich politisch, Herr Bodenstedt. (Steht still.) Wenn ick nich Allens trüje, denn stehe ick hier jerade uf die Stelle, wo vielleicht schon in drei Jahre die Völker nich nach dem Berliner Trokadero strömen, um sich nich die Hände zu reichen. Et wird sehr bedeutend werden.

113 Schutzmann. Nicht stillstehen, vorwärts! (Er drängt ihn weiter.)

Muckenich. Det sagen Sie so, aber wohin kommen wir? »Nu jeht die Reise los!« sagte der Papajei, un da hatte ihn der Kater bei's Jenick. Na meinswejen: Rin in den Conflict! Sie thun ja jrade, als wenn det det erste Mal wäre! Wo Sie mir hinbringen, da bin ick schon jewesen, un et hat mir nich jeschadet. Sehen Sie mir det nich an? (Er wird auf die Wache gebracht.) Juten Abend, meine Herren, un wenn Ihnen der Schutzmann sagt, det ick den wilden Mann spiele, denn jlooben Sie ihm nischt. Wenn heute ein achtbarer loyaler Bürjer wild is, denn spielt er nich Komödie. Na jute Nacht (er legt sich auf die Pritsche), dies sind die Bretter, welche die jetzige Welt bedeuten, un wenn Sie Jemand finden, der – die jetzige Welt – versteht, denn – wecken Sie mir. – – (Er schläft ein.)


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